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MARKT/016: EU-Milchpolitik offiziell auf dem Prüfstand (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 327 - November 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

EU-Milchpolitik offiziell auf dem Prüfstand
In einem Sonderbericht untersucht der Europäische Rechnungshof, ob Ziele und Maßnahmen stimmen

Von Marcus Nürnberger


Etwas überraschend kommt er dann doch, der Sonderbericht des europäischen Rechnungshofes zur Frage, ob die Marktsteuerungsinstrumente für den Markt für Milch und Milcherzeugnisse ihre wichtigsten Ziele erreicht haben. Denn eigentlich sollte ein derartiger Bericht doch die Grundlage der Entscheidungen der EU-Kommission bilden. Dennoch sind gerade im Milchsektor durch die Proteste der Bauern noch viele Entwicklungen denkbar. Der Bericht des Rechnungshofes jedenfalls liefert eine ganze Reihe Argumente für eine kritische Auseinandersetzung mit der EU-Milchpolitik. Der Rechnungshof stellt eingehend fest, dass die EU mit ihrer Milchpolitik sehr weitreichende und teilweise widersprüchliche Ziele zu erreichen sucht. Schwerpunkte stellen hierbei das Marktgleichgewicht, die Preisstabilisierung, die Sicherung einer angemessenen Lebenshaltung der Erzeuger sowie eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit dar.


Marktgleichgewicht

Mit der Einführung der Milchquote 1984 hat die EU auf das große Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage in der Milchproduktion reagiert. Dieses Ziel sei, so konstatiert der Bericht, nur teilweise erreicht worden. Zwar hat die Quoteneinführung die Produktion deutlich eingeschränkt, allerdings war sie zu hoch, als dass es zu einem Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage hätte kommen können. Für das weitere Vorgehen warnt der Rechnungshof vor einer Liberalisierung des Sektors, da man eine neue Überproduktion erwartet, die erneut ein massives Eingreifen von Seiten der EU erforderlich machen könnte.


Die Preise

Das Niveau der Milchpreise hat sich durch die Quoteneinführung nur unwesentlich verändert. Der tatsächlich gezahlte Nominalwert blieb bis 2007 etwa konstant. Der Realpreis, bei dem unter anderem die Inflation Berücksichtigung findet, fiel jedoch über die Jahre kontinuierlich. In seinem Bericht kommt der Rechnungshof zu dem Ergebnis, dass die europäischen Erlöse etwa auf dem Niveau in den USA liegen. Deutlich niedriger sind sie in Neuseeland, höher dagegen in der Schweiz. Der entscheidende Unterschied ist die in den USA deutlich höhere Volatilität, also die Preisschwankungen. Aus Sicht der Produzenten verdient, so der Rechnungshof, die zunehmende Konzentration im Molkereibereich besondere Aufmerksamkeit, wenn verhindert werden soll, dass die Landwirte zu reinen Preisnehmern werden, weil ihnen die Alternativen fehlen.


Angemessene Lebenshaltung

Bezüglich der Einkommenssicherung der Erzeuger kommt der Rechnungshof zu dem Schluss, dass das Einkommen der Milcherzeuger leicht über dem landwirtschaftlichen Durchschnittseinkommen liegt, das bei konstanten Preisen tendenziell rückläufig ist. Die Beihilfen machen einen bedeutenden und wachsenden Anteil am Einkommen der Milcherzeuger aus. In Deutschland verdoppelte sich ihr Anteil von durchschnittlich 18 Prozent im Jahr 2000 auf 36 Prozent im Jahr 2006. Der Erhalt eines angemessenen Einkommens wird in aller Regel von den Betrieben durch eine Vergrößerung bzw. Produktivitätssteigerung erreicht. Zwischen 1995 und 2007 haben in der EU-15 die Hälfte der Milchbetriebe ihre Produktion beendet. In diesem Zeitraum haben mehr als 500.000 Erzeuger ihre Tätigkeit aufgegeben. Neben den Problemen, die dieser Wandel in den Regionen z.B. Mittelgebirge, in denen die Milchproduktion schwindet, mit sich bringt, müssen auch die Umwelteinflüsse der sich konzentrierenden Haltung in den Gunstlagen beobachtet werden.


Der Weltmarkt ruft?

Der Anteil der EU am Welthandel mit Milcherzeugnissen schrumpft seit 1984. Der Rechnungshof kommt zu dem Schluss, dass europäische Milchprodukte auf dem Weltmarkt immer nur in kurzen Hochpreisphasen konkurrenzfähig waren. Vor allem Butter und Milchpulver sind in aller Regel nur durch Stützungen aus dem Gemeischaftshaushalt konkurrenzfähig. Von geringerem Einfluss sind die Weltmarktpreise auf das Niveau der Ausfuhren von Erzeugnissen mit höherem Mehrwert wie z. B. Käse. In der Tat waren die europäischen Erzeuger für Grunderzeugnisse (Butter und Milchpulver) auf den Weltmärkten nur bei entsprechend hohen Kursen wettbewerbsfähig. In den übrigen Zeiten wurden ihre Ausfuhren aus Mitteln des Gemeinschaftshaushalts gestützt.


Erste Reaktion der Kommission

Die kritischen Anmerkungen des Rechnungshofs wurden von der Kommission beantwortet. Diese macht darauf aufmerksam, dass bei der Quoteneinführung die Anpassung der Milchmenge an das Niveau des Inlandsverbrauchs weder ein politisches noch cm wirtschaftliches Ziel war. Darüber hinaus betont sie weiterhin die Bedeutung des Weltmarktes und formuliert das Ziel: Der Unterschied zum Weltmarktpreis muss geringer werden. Besorgt zeigt sie sich indes gegenüber den Entwicklungen bei der Preisgestaltung gegenüber Produzenten und Verbrauchern. In den vergangenen Jahren sei der Erzeugerpreis, in Folge der Liberalisierung, starken Schwankungen unterworfen gewesen. Während sich die Ausschläge nach oben in den Verbraucherpreisen widerspiegelten, wurden Preisabschwünge höchstens sehr reduziert weitergegeben. Letztendlich signalisieren die Antworten der Kommission jedoch, dass sie mit den Entwicklungen weitestgehend zufrieden ist und keinen Änderungsbedarf sieht.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 327 - November 2009, S. 13
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Dezember 2009