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MARKT/046: Muss der Milchmarkt den Finanzmärkten folgen? (EMB)


European Milk Board - Pressemitteilung vom 8. November 2011

Muss der Milchmarkt den Finanzmärkten folgen?

Lösungsansatz für die Milchversorgung in Europa


Die internationale Finanz- und Schuldenkrise sowie die Krise auf dem Milchmarkt haben die gleiche Ursache. Hier wie da hat sich die Politik mit der Begründung aus der Verantwortung gezogen, der jeweilige Sektor würde am besten funktionieren, wenn er den freien Kräften des Marktes überlassen wird. Bürger und Staaten weltweit sehen, wie falsch diese Annahme ist und in welche starken Probleme sie uns stürzt. Sowohl im Finanz- als auch im Milchsektor werden in den nächsten Wochen wichtige Entscheidungen in der EU getroffen. Die Bürgerinnen und Bürger haben das Vertrauen in den Regelungswillen der Politik verloren. Es ist ein hartes Stück Arbeit, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Doch mit dieser Arbeit muss JETZT begonnen werden!


Die Ahnungslosigkeit beenden - wir brauchen Überblick und müssen angemessen reagieren können

Ob die weltweite Banken- und EU-Schuldenkrise oder die Milchkrise mit ihren internationalen Auswirkungen - man hat nicht den Eindruck, als könnten die politischen Vertreter die Situation meistern. Sie wirken überfordert, teilweise ahnungslos. Es fehlen Wissen und Entscheidungsmut. Zudem lassen sie sich unter anderem von Bankeninteressen bzw. Interessen der Milchindustrie zu stark beeinflussen. Aber die Bürger fordern zu Recht, dass endlich effektiv reagiert wird.

Im Finanzsektor beinhaltet dies die Forderung nach einer strengeren und wirkungsvollen Finanzaufsicht, nach Transparenz auf den Märkten und nach einer effektiven Absicherung von neuen Finanzprodukten. Im Milchsektor ist es die Forderung nach einer Monitoringstelle, mittels derer man den Milchmarkt überblicken und alle Prozesse nachvollziehen kann. Dafür erfasst sie wichtige Daten wie Kosten der Produktion, Preise und die nachgefragte und angebotene Menge. Mit diesem Wissen kalkuliert sie dann Mengenanpassungen, d.h. errechnet, wie viel produziert werden muss, damit a) das Angebot sich an der Nachfrage ausrichtet und b) ein kostendeckender Milchpreis für die Erzeuger sowie c) ein fairer Milchpreis für die Konsumenten erreicht wird. Das ist ein Weg, mit dem man die Krise am Milchmarkt bewältigen kann.

Schlecht für die Landwirtschaft sind hingegen Lebensmittelspekulationen, wie man sie beispielsweise über die Einführung von Terminmärkten im Milchsektor plant. Wenige profitieren hier auf Kosten derer, die unter den Spekulationen zu leiden haben. Es hat sich im Finanzmarkt deutlich gezeigt und gilt auch für den Milchmarkt: Wir brauchen intelligente Regeln für den Sektor, keine Spekulanten! Jetzt spricht man richtigerweise im Finanzmarkt davon, Regeln wieder einzuführen, die man zuvor abgeschafft hatte, weil man erkennt, dass die Regellosigkeit extrem problematisch ist. Auch der Milchmarkt wird unter der jetzt geplanten Abschaffung wichtiger Regeln wie der Quotenregulierung stark leiden und braucht daher Überwachung durch eine Monitoringstelle.

Ein kranker Finanzsektor führt zu einem kranken Wirtschaftssystem mit der Folge großer sozialer Konflikte. Ein kranker Milchmarkt führt zu einem Einbruch des landwirtschaftlichen Sektors mit starken negativen Konsequenzen für das Bruttosozialprodukt.

Auch hier sind Gesellschaftskonflikte die Folge; unter anderem aufgrund des demografischen Ausblutens ländlicher Gebiete und der Zerstörung von Arbeitsplätzen sowie des Verlustes von Kulturlandschaften. Die soziale Problematik wird zudem durch den Wegfall von Steuereinnahmen, die dem sozialen Sektor nicht mehr zufließen können, verstärkt. Für unsere Verbraucher bedeutet ein kranker Milchsektor, dass sie keinen Zugang zu Erzeugnissen aus der nationalen bzw. lokalen Produktion mehr haben. Der Grund dafür ist, dass die Milcherzeugung sich in wenigen Gebieten konzentrieren wird, während sie in vielen anderen ausstirbt. Wie auf dem Finanzmarkt wird der Bürger auch hier die Zeche zahlen.

Müssen negative Erfahrungen immer wieder gemacht werden? Die Wirtschaftskrise der 1930er Jahre vor Augen, hatte man auf Initiative der Bauern nach dem 2. Weltkrieg mit dem Landwirtschaftlichen Wirtschaftsinstitut (LEI) der Universität Wageningen eine Institution gegründet, die negativen ökonomischen Entwicklungen vorbeugen sollte. Ähnlich wie die oben beschriebene Monitoringstelle ermittelte sie die Produktionskosten und errechnete daraus einen Richtpreis. Dieser diente als solide Grundlage bei den Verhandlungen der Milcherzeuger mit den Molkereien. 2003 wurde der Milchpreis in der EU von diesem Richtpreis allerdings abgekoppelt, was zu problematischen Milchpreisentwicklungen und der heutigen Krise am Markt führte.

Es ist falsch, wenn im Finanzsektor Banken und Manager, im Milchsektor die Milchindustrie und der Handel die politischen Entscheidungen so stark beeinflussen, dass die Gesellschaft; dass das ganze System darunter leidet. Wir stehen an einem Scheideweg. Die politischen Entscheidungen der nächsten Monate werden darüber bestimmen, wie und ob unser System weiter bestehen kann und ob es im Sinne der Bürger gestaltet sein wird. Das Vertrauen ist extrem erschüttert. Wir brauchen gute und effektive Entscheidungen. JETZT!


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Quelle:
Pressemitteilung vom 8. November 2011
EMB - European Milk Board, Office
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Telefon: 0049 - 2381 - 4360495, Fax: 0049 - 2381 - 4361153
E-Mail: office@europeanmilkboard.org
Internet: www.europeanmilkboard.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2011