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GRENZEN/057: EU-Parlamentsdebatte über die Flüchtlingskatastrophe von Farmakonisi (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 6. Februar 2014

EU-Parlamentsdebatte über die Flüchtlingskatastrophe von Farmakonisi - Europas Mitverantwortung

PRO ASYL: Flüchtlingsschiff und die Körper der Vermissten bergen!



Mehr als zwei Wochen nach der Bootskatastrophe vor der griechischen Insel Farmakonisi ist das Flüchtlingsschiff noch nicht einmal lokalisiert worden. PRO ASYL befürchtet, dass die dringend notwendige Bergung nicht konsequent betrieben wird. Nach der gestrigen Debatte im Europaparlament zu der Flüchtlingskatastrophe vor Farmakonisi am 20. Januar 2014 fordert PRO ASYL:

Schiff und die Toten bergen - internationale Experten hinzuziehen

Um den 12-fachen Tod vor der Insel Farmakonisi lückenlos aufzuklären, müssen das Flüchtlingsschiff und darin mutmaßlich befindlichen zehn vermissten Frauen und Kinder umgehend geborgen werden. Alle Informationen aus Eurosur, militärischen Überwachungssystemen, der türkischen Küstenwache, dem Funkverkehr, etc. müssen der Öffentlichkeit und den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt werden. Falls etwaige Bergungsversuche an den Kosten scheitern sollten, muss die EU diese Finanzierung sicherstellen. Andere EU-Staaten sollten kompetente Bergungsteams schicken, um das gesunkene Boot zu lokalisieren und zu bergen.

Der Zustand des Bootes würde sehr wichtige Beweise liefern, wie die tödliche Operation verlief. Die Angehörigen haben ein Recht, ihre Toten würdig zu begraben und sie haben Anspruch zu erfahren, warum ihre Lieben sterben mussten. Aktuell speisen die politisch Verantwortlichen in Griechenland mit zum Teil sehr widersprüchlichen Angaben über den vermeintlichen Aufgriff - und Untergangsort des Flüchtlingsbootes ab. Dass ausgerechnet zum Zeitpunkt der Katastrophe das GPS des Küstenwachebootes ausgeschaltet bzw. nicht funktionstüchtig war, bestärkt die vorherrschenden Zweifel.

Menschenrechtsbeobachter entsenden - Frontex-Einsatz beenden

Im Frontex-Operationsgebiet "Poseidon Land and Sea" finden anhaltend systematische Menschenrechtsverletzungen statt. Die EU-Kommission muss endlich entschlossen gegen diese vorgehen. Der Druck auf die Griechische Ratspräsidentschaft muss erhöht werden: PRO ASYL fordert ein EU-Vertragsverletzungsverfahren und die Sperre aller EU-Gelder, die für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden. Die Europäische Union muss gut ausgestattete Menschenrechtsbeobachter an die griechisch-türkische Grenze entsenden. Gleichzeitig muss der Einsatz der Grenzagentur Frontex in der Ägäis beendet werden. Durch die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen im Frontex-Operationsgebiet "Poseidon Land and Sea" sind nach der Frontex-Verordnung alle Kriterien erfüllt, nach denen die Operation zwingend abgebrochen werden muss[i].

Die systematischen Menschenrechtsverletzungen belegen der PRO-ASYL-Bericht "Pushed back" vom 7. November 2013, die Berichte des UNHCR über kollektive völkerrechtswidrige Zurückweisungen sowie die Berichte weiterer Menschenrechtsorganisationen.

Die systematischen illegalen Push-backs bestätigen indirekt Frontex-Statistiken selbst: Der massive Rückgang von neuankommenden Schutzsuchenden in Griechenland - von mehr als 31.000 Flüchtlingen und Migranten im Jahr 2012 auf knapp 9.000 Personen in den ersten neun Monaten des Jahres 2013 - ist nur durch die völkerrechtswidrigen und menschenverachtenden Push-back-Praktiken zu erklären.

Vor diesem Hintergrund kann sich Frontex nicht mehr herausreden und der Verantwortung entziehen. Die Operation der griechischen Küstenwache - mit höchster Wahrscheinlichkeit eine fatal entglittene illegale Push-back-Operation - fand im Frontex-Einsatz-Gebiet statt. Das involvierte Schiff ist nach Angaben der griechischen Küstenwache auch Teil der Frontex-Operation "Poseidon Land and Sea".

PRO ASYL behauptet nicht, dass nicht-griechische Frontexeinheiten an diesem tödlichen Einsatz beteiligt waren. Aber abgesehen von wenigen Ausnahmen fanden alle von PRO ASYL dokumentierten systematischen Push-backs in der Ägäis im Frontex-Einsatzgebiet statt.

Der mehrjährige Frontex-Einsatz hat nicht zu einer veränderten Praxis oder gar "Zivilisierung" der brutalen Flüchtlingsabwehr in Griechenland geführt. Vielmehr hat sich in der Ägäis eine Arbeitsteilung aus der "cleanen" Form der Flüchtlingsabwehr (Frontex) mit den "Rambo"-Ansatz der griechischen Küstenwache etabliert, die dieses Grenzgebiet zur einer menschenrechtsfreie Zone gemacht haben. Diese unheilige Allianz gilt es dringend zu beenden.

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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 6. Februar 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Februar 2014