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ITALIEN/033: Nichi Vendola will in Demokratischer Partei linke Positionen durchsetzen (Gerhard Feldbauer)


Italiens Linksparteichef Nichi Vendola will in Demokratischer Partei linke Positionen durchsetzen

Der Schuss könnte nach hinten losgehen

von Gerhard Feldbauer, 13.01.2014



Der Vorsitzende der italienischen Linkspartei "Linke für Umwelt und Freiheit" (SEL), Nichi Vendola, will mit der Demokratischen Partei (PD) das alte Mitte Links-Bündnis wiederherstellen, um den mit der Wahl des früheren konservativen Christdemokraten, Matteo Renzi, zum Parteichef eingeschlagenen scharfen Rechtskurs zu stoppen und der linken Basis mehr Gewicht zu verschaffen. Wie "La Repubblica" am Wochenende schrieb, will Vendola Renzi eine "Federazione Democratica" vorschlagen, möglicherweise so weit gehen, mit der PD zu fusionieren oder ihr als Strömung beitreten. Der Vorschlag soll dem für Ende Januar einberufenen SEL-Kongress unterbreitet werden.


Nicht die erste "Wende"

Nicola (Von Freunden und Anhägern Nichi genannt) Vendola, Jg. 1958, hat eine schillernde Karriere hinter sich, in der er nicht das erste Mal eine Wende vollzieht. Er begann sie im Zentralkomitee der IKP und als Sekretär ihres Jugendverbandes. 1991 trat er gegen die Umwandlung der IKP in die sozialdemokratische Linkspartei PDS auf und gehörte danach zu den Gründern der neuen KP Rifondazione Comunista (PRC). Mit dem langjährigen PRC-Chef Fausto Bertinotti trat er für die Beteiligung der PRC an den bürgerlichen Mitte-Links-Regierungen ein, betrieb vor den Parlamentswahlen 2008 dazu deren Umwandlung in eine Linkspartei, was entscheidend zur Wahlniederlage des von der PRC angeführten Regenbogen genannten linken Wahlbündnisses beitrug. Nach dem Scheitern des Projekts, verließ er 2009 die PRC und gründete mit den Grünen und einem Grüppchen Rest-Sozialisten die "Sinistra Ecologia e Libertà (SEL). Für Mitte Links gewann er 2005 in der Region (Land) Apulien die Wahlen, wurde Präsident und Regierungschef und 2010 wiedergewählt.


Katholik und Anarchist für Klassenkampf

Vendola bekennt sich zu seiner Homosexualität, erwähnt auch gern sein katholisches Glaubensbekenntnis und stellt seinen Hang zum Anarchismus heraus. In Süditalien, wo Bakunin einst die italienische Arbeiterbewegung aus der Taufe hob und diese zur stärksten Sektion der Internationale wurde, fällt vor allem Letzteres noch heute auf fruchtbaren Boden. Davon ausgehend suchte er auch die Zusammenarbeit mit der Protestbewegung M5S, was aber von deren Chef, dem Komiker Beppe Grillo, zurückgewiesen wurde. Der "Mann mit dem Ohrring", wie sich Vendola gern nennen lässt, genießt den Ruf eines populären Linken, den viele auch weiter als Kommunisten sehen. Er bekennt sich zum Klassenkampf, beruft sich auf Rosa Luxemburg und Antonio Grasmci, dessen Zivilgesellschaft man wieder mit Leben erwecken müsse. Als Regierungschef kann Vendola in Apulien einige Erfolge vorweisen: Positionen gegen die Mafia, Ausbau von Windkraft und Solarenergie, Förderung regionaler Wirtschaftsprojekte, damit Schaffung von Arbeitsplätzen, die Ablehnung von Privatisierungen.

Während Vendola zu den Wahlen im Februar 2013 ein Wahlbündnis mit den beiden KPs (PRC und PdCI) ablehnte, ging er ein Listenbündnis mit der PD ein, an deren Spitze noch der Ex-Kommunist Luigi Bersani stand. Obwohl die SEL mit 3,2 Prozent unter der Sperrklausel von vier Punkten blieb, konnte sie dank dieser Koalition im Parlament 37 Mandate belegen. Als die PD mit dem faschistoiden Ex-Premier Berlusconi eine Regierung bildete, kündigte der SEL-Chef aus Protest dagegen das Bündnis auf und ging in die Opposition. Das will Vendola nun korrigieren.


Neuer PD-Chef will linken Ballast loswerden

Mit dem Angebot an die PD geht es wohl vor allem darum, der SEL bei vorgezogenen Neuwahlen, spätestens 2015, möglich aber auch schon dieses Jahr, den Wiedereinzug ins Parlament zu sichern. Eine "Wende nach links" dürfte, wie die PRC-Zeitung "Liberazione" einschätzte, angesichts der Linie Renzis, die PD vom noch linken Ballast und sozialdemokratischen Outfit zu befreien und sie in eine "liberale Partei" zu verwandeln, ausgeschlossen sein. Denn Renzi will für einen Wahlsieg vor allem dem rechten Lager Stimmen abjagen. Bei einem Anschluss an die PD müsste Vendola sich, so "Liberazione", völlig dem Kurs des PD-Chefs unterordnen. Die PRC wie auch die zweite KP, die Partei der Kommunisten Italiens (PdCI) fordern Vendola auf, mit ihnen zur Bildung einer "unabhängigen Linken" beizutragen, um das Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten zu verändern. Das wäre angesichts zu erwartender Neuwahlen, zu denen die in zwei Parteien - die wieder belebte rechtsextreme Forza Italia Berlusconis und die "moderate" Neue Centro Destra (NCD) gespaltene Rechte bei graduellen Meinungsverschiedenheiten zusammen antreten wollen, eine dringend gebotene Notwendigkeit. Mit seinem Ruf als populärer Linker könnte Vendola dazu einen gewichtigen Beitrag leisten. Sollte er den Anschluss an die PD verwirklichen, könnte der Schuss nur nach hinten losgehen. Es bleibt abzuwarten, wie der SEL-Parteitag entscheiden wird.

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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2014