Schattenblick →INFOPOOL →EUROPOOL → POLITIK

ITALIEN/036: Italiens neuer Premier verfolgt scharfen Rechtskurs (Gerhard Feldbauer)


Italiens neuer Premier verfolgt scharfen Rechtskurs

Eine Regierung der Confindustria
64 Prozent der Italiener lehnen diesen "Stafetten-Wechsel ab

von Gerhard Feldbauer, 17. Februar 2014



Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano hat am Montag nach Konsultationen der Parteichefs den Sekretär der Demokratischen Partei (PD), Matteo Remzi, den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung erteilt. Mit der Vereidigung des neuen Kabinetts wird noch in dieser Woche gerechnet. Damit geht die spektakulärste und wahrscheinlich kürzeste Regierungskrise der Nachkriegszeit, in der es über 50 gab, ihrem Ende entgegen. Der bisherige erst zehn Monate amtierende Premier Enrico Letta war nach einem innerparteilichen Machtkampf auf Betreiben Renzis von einer Mehrheit des PD-Vorstandes zum Rücktritt gezwungen worden und hatte danach am Freitag Staatspräsident Giorgio Napolitano seinen Rücktritt mitgeteilt. Renzi, derzeit noch Bürgermeister von Florenz, hatte seit seiner Wahl im Dezember 2013 den Anspruch auf den Posten des Premiers angemeldet und Letta attackiert, nicht in der Lage zu sein, die erforderlichen "Reformen" auf dem Arbeitsmarkt und im Sozialgefüge zur Überwindung der anhaltendenden Rezession durchzusetzen. Eine übliche Vertrauensabstimmung im Parlament hielt Napolitano nicht für erforderlich und schloss auch Neuwahlen aus. Mit dem 39jährigen Renzi erhält Italien nicht nur den jüngsten Ministerpräsidenten seiner Geschichte, sondern auch einen Politiker, der sich bisher nicht Parlamentswahlen gestellt hat und so auch kein Abgeordnetenmandat besitzt. Nach ersten Meinungsumfragen, die der Mailänder "Corriere della Sera" am Montag veröffentlicht, lehnen 64 Prozent der Italiener diese Art "Stafetten-Wechsel" ab.


Ein "Karrierist ohne Skrupel"

Nicht nur bei der linken Minderheit der PD stieß das rüde Vorgehen des PD-Chefs auf Proteste. In den meisten Medien wurde der Rottomatore (Verschrotter) getaufte Renzi als Parteidiktator mit "hemmungslosem Machthunger" charakterisiert, ihm "Brudermord" und "Palastrevolte" vorgeworfen. Selbst "La Repubblica", Sprachrohr der PD, nannte den PD-Leader einen "Karrieristen ohne Skrupel" und warnte vor einer Spaltung der Partei. Der Führer der Linken Minderheit, Pipo Civati, kündigte an, mit seinen Anhängern die Partei zu verlassen. Sollten diese das wahr machen, wäre das eine Möglichkeit, sich mit der übrigen Linken gegen den Rechtskurs Renzis zusammenzuschließen und eine Alternative aufzuzeigen.


Brasccio di ferro (Eisenarm)

Der seit April 2013 amtierende Letta kommt, wie sein Rivale Renzi, aus der katholischen Zentrumspartei Margherita, die sich 2007 mit aus der IKP hervorgegangenen Linksdemokraten zur heutigen PD zusammenschloss. Während der Konservative Letta versuchte, die Konfrontation mit der sozialdemokratischen Parteibasis zu vermeiden und den sozialen Crash-Kurs nicht noch mehr zuspitzen wollte, will der harte Rechtsaußen Renzi, der in Ex-Premier Tony Blair sein Vorbild sieht, radikal das linke Outfit der PD ausmerzen und die Partei nach dem Vorbild der US-Demokraten in eine liberale Partei der Mitte umwandeln, die nach rechts offen ist und dort auch auf Wähler setzt. Er wird bereits mit Großbritanniens früherer Eiserner Lady Margret Thatcher verglichen und Braccio di ferro (Eisenarm) genannt.


Berlusconi zum Comeback verholfen

Einen Vorgeschmack auf das, was ihm vorschwebt, hat Renzi mit der Vorlage des Entwurfs für ein neues Wahlgesetz gegeben. Er schloss den Vorstand seiner PD aus und sprach den Text nur mit dem Ex-Premier und Chef der rechtsextremen Forza Italia (FI), Berlusconi ab. Heraus kam, dass das unter Berlusconi eingeführte reaktionäre Wahlrecht noch verschärft und mit ihm in Zukunft ein Zwei-Parteien-System nach USA-Vorbild etabliert werden soll, das nicht nur Kommunisten und Linke, sondern auch kleinere Parteien aus dem Parlament ausschließt, wenn sie sich nicht den Bedingungen der PD oder der Rechten unterordnen. Damit hat Renzi obendrein dem rechtskräftig zu einer Gefängnisstrafe verurteilten Berlusconi, der aus dem Senat ausgeschlossen und dem verboten wurde, öffentliche Ämter auszuüben, wie nicht nur die linke "Unita" schrieb, "politisch rehabilitiert" und zu einem Comeback verholfen. Aber auch den Staatschef hielt das nicht ab, den verurteilten Straftäter als FI-Chef zu seinen Konsultationen zu empfangen.


Absprache mit Chef der Confindustria

Wohin der Kurs unter ihm als Premier gehen wird, zeigte sich auch, als Renzi mit dem Chef des Industriellenverbandes Confindustria, Giorgio Squinzi, zusammentraf, um mit ihm sein Programm und seine Ministerliste abzustimmen. Squinzi war, wie der "Corriere della Sera" schrieb des Lobes voll über den neuen Premier und seine "Arbeitsmarktreform", die darauf abzielt, den Kündigungsschutz auszuhebeln und flexible Tarifverträge durchzusetzen. Moodys Ratingagentur reagierte mit einer Korrektur der Bonitätseinstufung und erteilte "Baa2", was aber immer noch zwei Stufen unter Ramschniveau rangiert. Die Zeitung der kommunistischen PRC "Liberazione" bezeichnete Renzi als Garanten "für eine Politik der sozialen Härte".

Die Linkspartei SEL und die Protestbewegung M5S (letztere belegt ein Viertel der Parlamentssitze), lehnen das neue Kabinett ab. Für seine Regierung braucht Renzi also weiterhin die Unterstützung des Chefs der neuen Rechtspartei NCD, Angelino Alfano, früherer Parteigänger Berlusconis und bisher Innenminister und Vizepremier. Dieser hat zur Bedingung für die Fortsetzung der Koalition, eine klare Absage an "jegliche linke Ausrichtung" erklärt. Unruhe verbreiten Enthüllungen, von denen die "Repubblica" berichtete, nach denen Renzi geheime Absprachen mit Berlusconi über die Unterstützung seiner Regierung getroffen habe. Alfano wittert eine Teilnahme des Medienmonopolisten an der Regierung, die seine privilegierte Stellung als Koalitionspartner gefährden könnte und reagierte scharf. Gegenüber ANSA erklärte er, mit Berlusconi werde die Regierung "mit zu viel unnützen Idioten" belastet.


Allenfalls ein Jahr Regierungszeit

Genügend Krach also noch bevor die neue Regierung ihr Amt antritt. Das Ansinnen Renzis, bis 2018 regieren zu wollen, wird deshalb in Rom nicht für ernst genommen. Ihr wird allenfalls ein Jahr gegeben. Denn alle warten die EU-Wahlen im Mai ab. Von deren Ergebnissen wird abhängen, ob die beiden stärksten Parteien (PD und FI) auf Neuwahlen zusteuern werden, von denen sie sich einen Sieg erhoffen.

*

Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Februar 2014