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ITALIEN/099: Roms Bürgermeister Marino stellt neue Stadt-Regierung vor (Gerhard Feldbauer)


Roms Bürgermeister Marino stellt neue Stadt-Regierung vor

Rechtsextreme Versuche, Neuwahlen durchzusetzen, gescheitert

Von Gerhard Feldbauer, 31.07.2015


Mit der Ernennung von vier neuen Assessoren hat Roms Bürgermeister, Ignazio Marino von der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), eine Umbildung der insgesamt elf Mitglieder zählenden Stadt-Regierung vorgenommen. Der vor zwei Jahren gewählte, für seine Herztransplantationen bekannte frühere Chirurg, trat die Nachfolge des AN-Faschisten Gianni Alemanno an, der in die Machenschaften eines Hunderte Faschisten, Politiker und Unternehmer zählenden Mafia-Kartells verwickelt ist. Es zahlte an Ratsmitglieder und Mitarbeiter der Stadtverwaltung Dutzende Millionen Bestechungsgelder für lukrative öffentliche Aufträge. In den letzten Wochen wurden erneut 50 Personen verhaftet. Gegen die zurückgetretenen Assessoren werden keine Ermittlungen geführt, ihnen wurde jedoch vorgeworfen, nicht aktiv genug den Verwaltungsapparat gesäubert zu haben. Die neue Stadt-Regierung wird nur von der PD gestellt, da die Partei Linke und Umwelt (SEL) ihr nicht beitrat. Fünf Ressorts werden von Frauen besetzt. Mit der Neubildung des Rates sind die Versuche der extremen Rechten mit dem Chef der rassistischen Lega Nord, Matteo Salvini, an der Spitze gescheitert, bei Neuwahlen die Stadt-Regierung zurückzuerobern. Salvini wollte in Rom seine neue Strategie erproben, die Lega als bisherige regionale Vertretung des reichen Nordens in eine gesamtnationale Partei umzuwandeln.

Dem neuen Rat auf dem Campidoglio, den Marino am Mittwoch vorstellte, gehören, wie die römische Repubblica berichtete, bewährte PD- und Regierungsvertreter an. Darunter der frühere Bildungsminister Marco Rossi, der das Schulressort übernimmt, und der ehemalige Vorsitzende der Anti-Mafia-Kommission des Parlaments, Senator Stefano Esposito, der für Transport und Verkehr zuständig ist. Das Mailänder Nachrichtenmagazin Espresso meldete Donnerstag online, dass Esposito bereits einen ersten "Erfolg" verbucht. Im Touristikhafen in Ostia von Rom, wurden am selben Tag dessen Leiter und Besitzer, Mauro Balini und weitere vier Personen festgenommen. Die Staatsanwaltschaft von Rom beschuldigt sie der Mitgliedschaft in dem aufgedeckten Mafia-Kartell. Laut Repubblica hat das frühere faschistische Stadtoberhaupt Allemano 2012 Balini zur Rettung vor dem Bankrott 90 Millionen Euro zugeschanzt.

Premier Renzi, der es lieber gesehen hätte, wenn der zum linken Flügel seiner PD gehörende Marino auch zurückgetreten wäre, hat offensichtlich erkannt, dass der rechtsextreme Angriff auf den Bürgermeister auf ihn zielt. Salvini hatte offen angekündigt mit dem Fall der linken Stadtverwaltung in Rom solle sein Sturz eingeleitet werden. Jetzt sicherte Renzi Marino die Unterstützung der PD und seiner Regierung zu.

In der Schußlinie bleibt der Regierungschef wegen der Rückendeckung, die er dem bei den Regionalwahlen im Mai in Campanien gewählten Präsidenten seiner Partei, Vincenzo de Luca, gewährte. Dieser wurde wegen Korruption in erster Instanz zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt und hätte das Amt nach dem Anti-Korruptionsgesetz "Severino" (so benannt nach der Justizministerin, die das Gesetz 2012 einbrachte) nicht antreten dürfen. Die Entscheidung darüber liegt jedoch beim Premier, der sie auf die nächste Instanz vertagte.

Neue Kritik steht Renzi, wie die staatliche Nachrichtenagentur ANSA berichtet, wegen des Verkaufs von 45 Prozent des Staatskonzerns Italcementi an das deutsche Unternehmen HeidelbergCement ins Haus. Der Erlös von 1,67 Mrd. Euro soll die leeren Staatskassen auffüllen. Spätestens bis 2017 soll das italienische Unternehmen, das mit insgesamt 3,7 Mrd. Euro bewertet wird, jedoch ganz in den Besitz der deutschen Baustoffgröße übergehen. Die Gewerkschaften fürchten den Verlust von mehreren Tausend der derzeit 18.000 Arbeitsplätze bei Italcementi.

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Quelle:
© 2015 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2015

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