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ITALIEN/130: Renzis Partito Democratico befürchtet am Sonntag Niederlagen bei Bürgermeisterwahlen (Gerhard Feldbauer)


Renzis Partito Democratico befürchtet am Sonntag Niederlagen bei Bürgermeisterwahlen

Plumpes Manöver der regierungsnahen Repubblica soll Wähler fürSozialdemokraten mobilisieren

Von Gerhard Feldbauer, 17. Juni 2016


Mit Sorge sieht man in Premier Renzis sozialdemokratischem Partito Democratica (PD) am kommenden Sonntag der Stichwahl der Bürgermeister in noch über 1.000 von 1.368 Städten und Gemeinden entgegen, zu der nochmals 13,5 Millionen Wähler an die Urnen gerufen sind. Vor allem in Rom und Mailand werden Niederlagen mit Signalwirkung für die Regierung befürchtet: In der Hauptstadt durch die von der rassistischen Lega Nord und den faschistischen Fratelli (Brüder) Italien unterstützten Bewerberin der Protestbewegung Fünf Sterne (M5S), in der nördlichen Industriemetropole durch den Lega-Kandidaten, dem die faschistoide Forza Italia (FI) von Ex-Premier zur Seite steht.

In dieser, wie die Nachrichtenagentur ANSA einschätzte, für "die PD angespannten Situation" ist am Mittwoch in der gewöhnlich als Sprachrohr der PD und der Regierung geltenden La Repubblica von dem bekannten Journalisten Goffredo de Marchis ein Beitrag erschienen, der in den online-Ausgaben von Unitá bis Coriere della Sera sofort für Schlagzeilen sorgte. Neben bekannten kritischen Äußerungen des Ex-Kommunisten aus der Führung der IKP, späteren langjährigem Chef der Linksdemokraten und Ministerpräsidenten, Massimo D'Alema, hieß es, dieser rufe auf, Premier Renzi müsse "davon gejagt werden", weshalb er dessen Kandidaten in Rom nicht wählen, sondern für die M5S-Bewerberin Virginia Raggi (übersetzt "die Strahlende") stimmen und auch die geplante Gründung einer neuen Linkspartei Sinistra Italiana (SI) unterstützen werde. D'Alema ließ umgehend von seiner Sprecherin Daniela Reggiani dementieren, dass er solche Aussagen gemacht habe und es sich um "Fälschungen" handle. La Repubblica bekräftigte dagegen am Mittwoch in ihrer online-Ausgabe und nochmals am Donnerstag den Standpunkt ihres Autors.

Der PD-Vorsitzende, Matteo Orfini, nach Renzi der zweite Mann in der Parteiführung, und Funktionäre der Regionalleitungen appellierten, D'Alema solle auf einer PD-Veranstaltung seinen Standpunkt darlegen. Man hoffte, das werde, wie auch ANSA schrieb, zur "Mobilisierung der Wähler" für die Demokraten beitragen. Dem hat D'Alema einen Strich durch die Rechnung gemacht und gegenüber der Turiner La Stampa, Zeitung des FIAT-Konzerns, vom Donnerstag erklärt, die Publikation in La Repubblica bezwecke, ihn "zum Sündenbock" für "nicht zufriedenstellende Wahlergebnisse" am Sonntag zu machen, die Folgen des Rechtskurses Renzis und dessen Zusammenarbeit mit Ex-Premier Berlusconis FI wären. Die renommierte Zeitung mache sich "zum Organ" dieser Zusammenarbeit. Die Behauptung. er habe "zur Wahl" der M5S-Kandidatin Raggi aufgerufen, nannte er eine "üble Fälschung". Das Gespräch mit La Stampa führte D'Alema von Brüssel aus, wo er, wie er mitteilte, am Wochenende an einem Kolloquium der "Foundation for european progressive studies" teilnehme, womit er eine Einladung an Veranstaltungen der PD indirekt ablehnte.

Der Streit ging auch am Freitag mit der Veröffentlichung eines Interviews der Repubblica mit dem bekannten Historiker für Kunstgeschichte, Professor Tomaso Montanari weiter, der bezüglich der Äußerungen zur Wahl der Raggi erklärte, D'Alema habe sich zu ihrer Wahl geäußert und ihm empfohlen eine Berufung als ihr Kultur-Assessor anzunehmen. Beobachter vermerken, die Aussage könnte sich auch auf die Situation nach einem möglichen Wahlsieg der Kandidatin des M5S beziehen, auf den sich auch in der PD bereits eingestellt und eine Zusammenarbeit nicht ausgeschlossen werde. Es bleibe abzuwarten, ob dann ein kritischer Geist wie D'Alema nicht noch eine Rolle spielen werde.

In einer der letzten Wahlveranstaltungen in Rom trafen am Mittwoch Virginia Raggi von M5S und der von Renzi favorisierte Kandidat der PD, Robert Giachetti zusammen, und erörterten, wie La Repubblica berichtete nach Handschlag ihre Vorstellungen über ihre künftige Arbeit, sollten sie als neues Stadtoberhaupt gewählt werden: Renzi hatte vorher bekanntgegeben, zum Abbau des 22 Milliarden Euro schweren Haushaltsdefizits der Hauptstadt bescheidene 500 Millionen beizusteuern. MfS-Chef Grillo hatte mitgeteilt, dass die Parlamentarier seiner Partei aus ihren Diäten 17 Millionen Euro spendeten, wovon 16 Millionen 1.800 kleinen Unternehmern zur Eröffnung von Betrieben übergeben wurden. Während die Strahlende der "fünf Sterne" eine Ausschreibung von Rom für die Olympiade 2024 ablehnte, da das eine neue Belastung für Budget und Infrastruktur wäre, befürwortete Giachetti sie, da damit auch Arbeitsplätze geschaffen würden.

Mit Berichten über eine Herzklappen-Operation, der sich Ex-Premier Berlusconi unterziehen musste, versuchten seine restlichen Anhänger der im Verfall begriffenen FI, die in Rom noch fünf Prozent Stimmen erreicht hatte, mitleidheischend Stimmen für die Stichwahl zu mobilisieren.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2016

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