Schattenblick → INFOPOOL → EUROPOOL → POLITIK


ITALIEN/131: Meinungsumfragen sagen Wahlsieg der Fünf Sterne-Protestbewegung voraus (Gerhard Feldbauer)


Für Renzi wird es eng

Meinungsumfragen sagen Wahlsieg der Fünf Sterne-Protestbewegung voraus

Von Gerhard Feldbauer, 5. Juli 2016


Die vergangenen Tage brachten Premier Matteo Renzi neue Hiobsbotschaften. Die römiche Repubblica veröffentlichte Umfragen des Meinungsforschungsinstituts "Atlante Politico", die ihm bei dem Referendum im Oktober über sein wichtigstes Reformprojekt, die Verfassungsänderung zur Abschaffung des Senats als zweiter Kammer, eine Niederlage voraussagen. Tritt er danach, wie er selbst ankündigte, zurück, stehen vorgezogene Neuwahlen an, bei denen "Atlante Politico" die Fünf Sterne-Protestbewegung (M5S) mit 32 Prozent auf Platz Eins sieht (Fünf Prozent mehr als bei den letzten Wahlen 2013), während die PD nur auf 30 käme. In der Stichwahl aber läge M5S zehn Punkte vor der PD und erhielte nach dem derzeitigen Italicum genannten Wahlgesetz den Siegerbonus (54 Prozent der Sitze im Parlament) und könnte allein regieren. Als Spitzenkandidat würde, wie La Repubblica verlauten ließ, für M5S nicht der Parteigründer, der nur auf Protest ausgehende frühere Starkomiker Beppe Grillo, antreten, sondern ihr Vizepräsident des Parlaments, Luigi di Maio, der bereits als künftiger Regierungschef gehandelt wird. Dass die Umfragen Ernst zu nehmen sind, haben die Bürgermeisterwahlen im Juni bewiesen, bei denen M5S mit 67,2 Prozent als Sieger in das Rathaus in Rom einzog, und auch in der Industriemetropole Turin und zwei weiteren Großstädten die Stadtoberhäupter stellt.

Die Umfrage rückt aber auch die ganze widersprüchliche Problematik wieder in den Fokus der Diskussion. Wirbt M5S weiter für eine Niederlage Renzis im Verfassungsreferendum, bleibt der Senat als zweite Kammer erhalten, in dem es dann, wie heute Renzi, wahrscheinlich Koalitiionspartner brauchte. Bei der Wahl ihrer Bürgermeister hat die Bewegung die Stimmen der Faschisten und Rassisten (in Rom waren das etwa 20 Prozent) erhalten. Die Umfrage hält fest, dass die extreme Rechte nur noch auf etwa zwölf Prozent käme. Um einen Sieg der PD zu verhindern, wäre aber damit zurechen, dass diese wieder M5S unterstützt. Längerfristig könnte das zu einem Afront mit den linken M5S-Wählern führen. Zumal die Bewegung als Regierungspartei in Spe bereits eine Korrektur ihrer bisherigen Anti-EU-Haltung zu erwägen scheint. Di Maio erklärte jedenfalls, M5S habe die EU "nie grundsätzlich abgelehnt".

Die PD-Minderheit fordert von Renzi, Schluss zu machen mit dem Schielen zu den Dissidenten der Extremen Rechten, statt dessen mit der Linken zusammenzuwirken, um die Einheit der Partei wieder herzustellen. Ihr maßgeblicher Repräsentant, Gianni Cuperlo, der als früherer Ex-Kommunist noch der Einzige in der nationalen PD-Leitung ist, ruft Renzi zum Schulterschluss auf. Die Erfolge bei der Wahl der Bürgermeister in Mailand und Neapel, wo Kandidaten von Mitte Links gewannen, seien einzige Grundlage des Erfolgs. Wie das linke Fatto quotidiana am Montag berichtete, macht der PD- und Regierungschef erstmals Abstriche von seinem sonst autoritären Führungsstil, lenkte zum Dialog ein und lehnte Ausschlüsse von Parteimitgliedern, die M5S wählten, ab. Er setzt auf einen Erfolg des Referendums, da das Zweikammernsystem bendet werden müsse um effektiv zu regieren. Zum Italicum zeigt er sich zwar verhandlungsbereit, betont aber, wie die Nachrichtenagentur ANSA ihn am Montag zitierte, eine Mehrheit, den Siegerbonus abzuschaffen, sei nicht in Sicht. Hier kann er offensichtlich, so wider spürchlich das scheint, auf eine weitere Kurskorrektur von M5S setzen, die entgegen ihrer bsiherigen Ablehnung des Italicum jetzt, wie La Repubblica publik machte "eine Modifzierung bremse".

Der Chef der rassistischen Lega Nord hat angekündigt, ein Referendum über den Austritt aus der EU zu beantragen. Das könnte Renzi zum Vorteil gereichen, der auf die wirtschaftlichen Folgen des Brexit in Großbritannien verweist und auf die gewachsene Rolle Italiens, für die er anführt, dass er mit Frankreichs Hollande zur "Neugestaltung" der EU in Berlin dabei war. Renzi brachte seine alten Forderungen nach mehr Flexibilität bei der EU-Defizitgrenze zur Geltung, um mehr Spielraum zur Zurückdrängung der Rezession in Italien zu bekommen. Hier hat M5S nichts entgegenzusetzen.

*

Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang