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ITALIEN/152: Vor dem Referendum zur Senatsreform am 4. Dezember (Gerhard Feldbauer)


Vor dem Referendum zur Senatsreform am 4. Dezember

Linke könnte Ausschlag geben

von Gerhard Feldbauer, 18. November 2016


Beim Referendum am 4. Dezember in Italien über die Reform Premier Renzis zur Abschaffung des Senats als zweiter Parlamentskammer zeichnet sich eine Niederlage für den Regierungschef ab. Nach Berichten der Zeitungen Corriere della Sera, La Repubblica und La Stampa vom Freitag liegt nach jüngsten Umfragen ein "No" zwischen 7 und 10 Prozentpunkten vor einem "Si" (Nein bzw. Ja). Viele Menschen seien jedoch noch unentschieden. Den Ausschlag könnten die Stimmen der Linken in und außerhalb des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) geben. Widerstreitende Meinungen über "Si" oder "No" ziehen sich jedoch durch alle Lager - von der faschistischen und rassistischen Rechten über die Protestbewegung Fünf Sterne (M5S) und das mehrheitlich von der PD geführte Regierungslager bis zur breit gefächerten Linken aus den drei kommunistischen Parteien - PRC, PdCI (die sich den Namen der 1991 liquidierten PCI gegeben hat) und der trotzkistischen Arbeiterpartei PCL, der Partei Linke Umwelt und Freiheit (SeL) und Linken aus diesem Spektrum und M5S, die nach dem Referendum eine neue Linkspartei Sinistra Italiana (SI) gründen wollen. Zu den Initiatoren, die die Front des "No" anführen, gehören Spitzenpolitiker wie der frühere Chef der Gewerkschaft CGIL, Sergio Cofferati, der SEL-Vorsitzende Nichi Vendola, bis 2015 (noch auf der PD-Liste gewählt) Präsident und Regierungschef der Region Apulien, und Renzis früherer Vizepremier und Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Stefano Fassina. Sie zählen 25 Parlamentarier von der SEL und sechs vom PD. Von den Senatoren gehören sieben der SEL und zwei zum M5S, die den autoritären Führungskurs ihres Chefs Beppe Grillo ablehnen, der sich nicht von dem Renzis unterscheide.

Neue Bewegung hat Renzi mit seiner Ankündigung, die mehr als Drohung gesehen wird, bei einer Niederlage nun doch zurückzutreten, in die Kampagne gebracht. Aufschlussreich die Reaktion des faschistoiden Ex-Premier Berlusconi, der zwar für ein "No" eintritt, sich aber nicht der Forderung von Lega-Chef Salvini nach vorgezogenen Neuwahlen anschloss, sondern, wie das linke Fatto quotidiano ihn am Donnerstag zitiert, erklärte, Renzi werde "der politische Führer bleiben", es werde "kein Chaos geben". Dahinter steckt, dass Renzi nach einer Ablehnung seiner Reform im Senat, der dann zweite Kammer bleibt, wieder auf die FI-Stimmen angewiesen wäre und mit dem Ex-Premier zusammenarbeiten müsste, wenn er doch im Amt bleiben will. Der abgewirtschaftete Berlusconi wittert die Chance seines politischen Comebacks, möglicherweise sogar einer Übergangs-Regierung unter Einschluss seiner Forza Italia.

Das offenbart das Dilemma der "No"-Anhänger unter den Linken in und außerhalb der PD. Renzi macht sie apriori bereits jetzt dafür verantwortlich, dass ein Sieg des "No" Faschisten und Rassisten in die Hände arbeite. Die Linken wollen, was sie Ende Oktober auf einem "No Renzi Day" demonstrierten, dessen arbeiter- und gewerkschaftsfeindlicher Politik, der Beseitigung elementarer Arbeiterechte, wie sie mit der "Job acts" genannten Arbeitsmarktreform und der Beseitigung des Kündigungsschutzes für breite Beschäftigungsgruppen erfolgte, eine Abfuhr erteilen. Vor allem lehnen sie das Wahlgesetz Italicum ab, nach dem die Siegerpartei (derzeit die PD), wenn sie 40 Prozent erreicht, 340 der 630 Parlamentsmandate erhält. Sie verlangen dessen Änderung, denn da Parteienbündnisse (gemeinsamen Listen) nicht zugelassen werden, haben sie bei einer Sperrklausel von drei Prozent durchweg alle kaum Chancen ins Parlament zu kommen. Während die Linke in und außerhalb der PD nach einer Niederlage Renzis Rücktritt als Regierungschef fordert, ist nicht klar, wie es danach weiter gehen soll. Neuwahlen sind bisher nicht gefordert worden. Solange das Italicum nicht abgeändert ist, hätte die Linke ja auch kaum Chancen. Sie müsste zunächst ein neues Wahlgesetz ohne den Siegerbonus durchsetzen. Die PD-Linke lehnt Renzis Kurs auf eine "Partei der Nation" und damit "für alle" ab, tritt für die Bewahrung sozialdemokratischer Traditionen ein und für die Wiederherstellung eines Mitte Links-Bündnisses mit der PD als Führungskraft, um damit zu den regulären Wahlen im Frühjahr 2018 anzutreten.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. November 2016

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