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ITALIEN/164: Mailänder Polizisten, die Anis Amri erschossen, entpuppten sich als Neofaschisten (Gerhard Feldbauer)


Mailänder Polizisten, die den Attentäter Anis Amri erschossen, entpuppten sich als Neofaschisten

Berlin feierte sie euphorisch als Helden

von Gerhard Feldbauer, 16. Februar 2017


Einige Tage galten sie als Helden. Die italienischen Polizisten Luca Scata und Christian Morio. Am 23. Dezember hatten sie in Mailand eine Person erschossen, die als der Berliner Weihnachtsmarktattentäter Anis Amri, der vier Tage vorher 12 Menschen getötet hatte, identifiziert wurde. Bei einer Ausweiskontrolle nachts gegen 3 Uhr auf der Piazza Primo Maggio (1. Mai) im Stadtteil Sesto San Giovanni nahe des Hauptbahnhofes war ihnen der Tunesier aufgefallen. Mit einer Pistole Caliber 22 schoss er sofort und traf Morio in der Schulter. Die Polizisten erwiderten das Feuer und zwei Schüsse von Scata trafen den Angreifer tödlich in die Brust.

Dass Polizisten das Feuer auf einen Angreifer, der sie bedroht, erwidern und der zu Tode kommt, geschieht nicht alle Tage, ist aber auch in Italien nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich war allenfalls, dass die beiden Polizisten von offiziellen deutschen Stellen in höchsten Tönen als "Helden" gefeiert wurden. Bundeskanzlerin Merkel persönlich fühlte sich bemüßigt zu gratulieren, der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl und sein Parteifreund, der Innenexperte Michael Frieser, forderten, die Italiener mit einem Orden zu dekorieren. Im Gespräch war das Bundesverdienstkreuz. Auch der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, schloss sich dem an. Die übereifrigen Berliner Initiativen, die offensichtlich auch von den deutschen Pannen bei den Ermittlungen ablenken sollten, wurden in Rom als Anlass zur Betonung gemeinsamer Standpunkte bei der "Terrorbekämpfung" aufgegriffen. Die Nachrichtenagentur ANSA zitierte Premier Gentiloni, "Italien ist stolz auf die beiden Polizisten", deren Handeln "ein gutes Beispiel der Überwachung des eigenen Territoriums" sei.

Die Helden-Euphorie fand ein jähes Ende, als Zeitungen wie der Mailänder Corriere della Sera, die Turiner Stampa oder die römische La Repubblica aufdeckten, dass mit den beiden Polizisten zwei bekannte Neofaschisten gelobt wurden, die ihre Gesinnung u. a. im Online-Netzwerk Instagram-Foto offen demonstrierten. Scata war u. a. unter einem Hitlerbild mit dem "Führergruß" zu sehen. Am 25. April 2016, dem Jahrestag der Befreiung vom Faschismus, hatte er sich zum faschistischen Diktator Mussolini bekannt und geschrieben, "Ich gehöre zu den Italienern, die keinen Verrat begangen und die sich nicht ergeben haben." Auch Morio präsentiert sich unter Hitler- und Mussolini-Bildern mit keltischen Kreuzen.

Der Vorfall macht publik, dass Armee, Polizei und Sicherheitskräfte Italiens noch immer stark von rechtsextremen Kräften verschiedener Couleur durchsetzt sind. Es ist noch gut bekannt, dass beim G8-Gipfel 2001 in Genua der Vize des damaligen Premiers Silvio Berlusconi, der Chef der faschistischen Alleanza Nazionale (AN), Gianfranco Fini, den Polizei-Einsatz kommandierte, bei dem festgenommene Demonstranten unter Hitler- und Mussolini-Bildern misshandelt wurden und "viva il Duce" rufen mussten. Seit dem Fall Berlusconis 2011 scheint sich, das verdeutlicht u.a. das Online-Portal der kommunistischen Zeitung Contropiano, wenig geändert zu haben. Denn der aus Sizilien, einer faschistischen Hochburg, stammende Scata wurde erst vor neun Monaten in den Polizeidienst übernommen, ohne dass seine schwarze Gesinnung von der Mailänder Stadt-Verwaltung der sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) einer Prüfung unterzogen wurde.

Das Hofieren von Neofaschisten gibt der extremen Rechten Auftrieb. Die Nachrichtenagentur ANSA zitierte den Senator der faschistoiden Forza Italia (FI) von Ex-Premier Berlusconi, Maurizio Gasparri, der Ministerpräsident Gentiloni aufforderte, an einer Ordensverleihung festzuhalten. Der Generalsekretär der Polizeigewerkschaft SIULP, Felice Romano, sekundierte, Berlin hätte wenigstens "der italienischen Polizei einen Orden verleihen können". Der Chef der rassistischen Lega Nord, Matteo Salvini, bekräftigte, bei derzeit anstehenden möglichen vorgezogenen Neuwahlen im Juni müsste der PD eine Niederlage bereitet werden, um selbst die Regierung zu übernehmen.

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Quelle:
© 2017 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Februar 2017

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