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ITALIEN/221: Regierungsbildung gescheitert - Mattarella will "neutrale" Regierung einsetzen (Gerhard Feldbauer)


Sergio Mattarella: Regierungsbildung gescheitert

Staatschef will "neutrale" Regierung einsetzen

von Gerhard Feldbauer, 9. Mai 2018


Zwei Monate nach den Wahlen am 4. März hat Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella die Versuche zur Bildung einer im Parlament mehrheitsfähigen Regierung für "gescheitert" erklärt. Um eine Regierung mit der rassistischen Lega auszuschließen, hatte Mattarella zuletzt Parlamentspräsident Roberto Fico von der Fünf Sterne-Bewegung (M5S) beauftragt, eine Regierung seiner Partei mit der regierenden Demokratischen Partei (PD) zu erkunden. Die Initiative wurde von Matteo Renzi zu Fall gebracht. 117 von 209 Mitgliedern der PD-Direktion lehnten ab. Der frühere Premier und Chef der PD war zwar bereit gewesen, eine Regierung mit dem faschistoiden Ex-Premier Berlusconi zu bilden, nicht aber mit der M5S. Er setzt ebenfalls auf rasche Neuwahlen und will auf dem nächsten PD-Kongress für die Wiederwahl als Parteichef antreten. Erwogen wird, wie La Repubblica am Mittwoch schreibt, auch die Führungsfrage noch im Mai auf der Direktionstagung zu entscheiden.

Nun ist auch eine fünfte Sondierung, die Mattarella am Montag nochmals selbst mit den Parteien und Präsidenten von Senat und Abgeordnetenkammer führte, ergebnislos verlaufen. Wie die staatliche Nachrichtenagentur ANSA berichtete, will der Staatschef jetzt eine "neutrale" Regierung, eine sogenannte Governo tecnico, einsetzen und zur Abstimmung ins Parlament schicken. Sie soll bis Dezember im Amt bleiben, danach würden im Frühjahr 2019 Neuwahlen stattfinden. Sowohl der Chef der rassistischen Lega, Matteo Salvini, als auch Luigi Di Maio, der inzwischen an Stelle von Beppe Grillo als der "politische Führer" von M5S tituliert wird, lehnen eine Übergangs-Regierung ab und fordern sofortige Neuwahlen. Um eine "neutrale" Regierung Mattarellas zu verhindern, verzichtete Di Maio in letzter Minute auf das Amt des Regierungschefs und schlug Salvini die Bildung einer "Regierung auf Zeit" mit einer dritten Person an der Spitze bis zum Dezember vor. Sie soll auch ein neues Wahlgesetz verabschieden. Erwogen wird, zum Mehrheitsbonus für den Wahlsieger mit 40 Prozent zurückzukehren.

Di Maios Verzicht dürfte darauf zurückzuführen sein, dass Salvini seine Position gegenüber M5S durch die Erfolge bei den Regionalwahlen in Molise und Friuli Venezia Giulia stärken konnte, wo die Lega-Kandidaten auf 43,46 bzw. 34,9 Prozent kamen, während M5S nur 38,5 bzw sogar nur 18,1 Prozent erreichte. Das linke Onlineportal Micromega führte das auf die zunehmende Rechtslastigkeit von M5S und ihre Bereitschaft, mit der rassistischen Lega eine Regierung zu bilden, zurück. Das habe Proteste und Parteiaustritte ausgelöst und könnte, so Micromega, für die einstige Protestpartei suicidio bedeuten.

Bei den Wahlen am 4. März hatte das faschistisch-rassistische Bündnis von Lega, Forza Italia (FI) von Ex-Premier Berlusconi und den Fratelli/Brüdern Italiens (FdI) 37 Prozent, M5S 32 Prozent erreicht. Die regierende PD hatte mit 19 Prozent eine schwere Niederlage erlitten. Sowohl Salvini als auch Di Maio beanspruchten in einer gemeinsamen Regierung den Posten des Premiers. Streitpunkt war ferner, dass Di Maio Berlusconis FI aus der Koalition ausschließen wollte. Damit wollte der einstige Gegner Berlusconis seinen Wählern einen Bruch mit den Faschisten vorgaukeln und die verbündete rassistische Lega, die sich zu den Rassengesetzen Mussolinis bekannte, als harmlos und nur etwas außerländerfeindlich vorstellen.

Die römische La Repubblica nennt am Dienstag als Datum für Neuwahlen bereits den 8. Juli. Das würde bedeuten, Mattarella müsste spätestens bis zum 25. Mai das Parlament auflösen, um die von der Verfassung gesetzte Frist von 45 Tagen einzuhalten.

In Rom wird die Entscheidung Mattarellas erwartet. Der Staatschef kann sofortige Neuwahlen auch ausschließen, indem er den derzeitigen Premier Paolo Gentiloni von der PD bittet, über die Sommerpause im Amt zu bleiben. Der müsste sich allerdings der Vertrauensabstimmung stellen. Beobachter schließen nicht aus, dass Lega und M5S diesem Kompromiss unter der Voraussetzung, dass dann Neuwahlen im Herbst angesetzt werden, zustimmen könnten.

Aber die Lage wechselt fast täglich. Laut Repubblica vom Mittwoch könnten, wenn es nicht bis zum 8. Juli klappen sollte, die Wahlen auch im Spätsommer stattfinden. Für Italien, wo der Ferragosto, der Ferienmonat August, heilig ist, nahezu unvorstellbar, und es wird bereits befürchtet, dass das zum Ansteigen der Zahl der Nichtwähler führen dürfte.

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Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Mai 2018

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