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ITALIEN/247: Salvini muss 49 Millionen Euro veruntreute Parteigelder an Staatskasse zurückzahlen (Gerhard Feldbauer)


Von korrupter Vergangenheit eingeholt

Lega-Chef Salvini muss 49 Millionen Euro veruntreute Parteigelder an Staatskasse zurückzahlen

von Gerhard Feldbauer, 13. November 2018


Der Chef der rassistischen Lega und Vizepremier, Matteo Salvini, hat vor Gericht eine für das Image seiner Partei eklatante Niederlage erlitten. Das Oberste Gericht hat am Sonnabend ein Urteil des Gerichts von Genua bestätigt, nachdem Salvini von seinem Vorgänger, dem Parteigründer Umberto Bossi, veruntreute 49 Millionen Euro Parteigelder an die Staatskasse zurückzahlen muss. Salvinis Einspruch wurde damit zurückgewiesen. In dem 2012 aufgedeckten Finanzskandal ging es um Veruntreuung, Betrug, Geldwäsche, illegale Parteienfinanzierungen und enge Beziehungen zur 'Ndrangheta (der Mafia in Kalabrien). Die 49 Millionen waren aus staatlichen Zuschüssen abgezweigt und teils auf Offshore-Konten ins Ausland verschoben worden. Bossi, der als Parteichef zurücktrat, wurde 2017 wegen Betrugs in erster Instanz zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Die Nachfolge Bossis trat im Dezember 2013 Matteo Salvini an.

Salvini hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, dass Urteil zu kippen. Mit der Forderung, Staatspräsident Sergio Mattarella sollte es verhindern, wollte er diesen in seine mit dem Sicherheitsdekret verfolgten verfassungswidrigen Pläne, die Unabhängigkeit der Justiz zu beseitigen und der Exekutive unterzuordnen, einbeziehen, was dieser zurückwies.

Die Bürgermeisterin von Rom, Virginia Raggi von der rechten Fünf-Sterne-Bewegung, kam dagegen, ebenfalls am Sonnabend, vor dem Gericht in Rom vorerst mit einem blauen Auge davon. Von einer von der Staatsanwaltschaft nach ihrem Amtsantritt im Juni 2016 erhobenen Anklage wegen Falschaussage wurde sie freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte zehn Monate Haft beantragt. Das kommunistische online Portal Contropiano erinnerte daran, dass Raggi sich nicht von dem Ballast freimachte, den der frühere Bürgermeister von der faschistischen Alleanza Nazionale (AN), Giovanni Allemanno, hinterlassen hatte, der zu den Mitgliedern eines Clans »Mafia Capitale« gehörte.

Dazu muss man wissen, dass die M5S-Frau nur dank der 20 Prozent Stimmen der inzwischen aus der AN hervorgegangenen Fratelli Italiens (FdI) im zweiten Wahlgang ins Amt gekommen war. Zu den von ihr übernommenen Mitarbeitern gehörte der Personalchef Allemannos, Raffaele Marra, den sie zum Vize ihres Kabinetts ernannte. Als sie auch noch dessen Bruder Renato als Leiter des Tourismus-Sektors berief, wurde ihr Vetternwirtschaft und Beeinflussung durch Raffaele Marra vorgeworfen. Ins Visier der Ermittler geriet sie, als dieser der Korruption beschuldigt und verhaftet wurde. Gegenüber der Antikorruptionsbehörde hatte die Bürgermeisterin erklärt, sie sei nicht beeinflusst worden und habe diese Ernennung eigenständig entschieden, was die Ermittler als Falschaussage werteten. Das Gericht sah das jetzt als nicht bewiesen an.

Laut den parteiinternen Regeln der M5S hätte Raggi nach einer erstinstanzlichen Verurteilung zurücktreten müssen. Angesichts der zunehmenden Kritik der Basis an einer Regierung mit der rassistischen Lega hätte das höchstwahrscheinlich zu einer Krise von M5S geführt. Während sein Regierungspartner der MS5-Führer und Vizepremier Luigi Di Maio die Anklage eine von Journalisten entfesselte "Schlammschlacht" nannte, hielt sich Salvini auffällig zurück. Eine Verurteilung der Sterne-Bürgermeisterin hätte durchaus in sein Konzept gepasst, das zur Auslösung einer Regierungskrise zu nutzen, um bei Neuwahlen allein anzutreten, die Lega zur ersten Partei und sich zum Regierungschef zu machen. Laut jüngster Meinungsumfragen der römischen La Repubblica vom Wochenende stehen derzeit zwei von drei Italienern hinter der migrantenfeindlichen Politik Salvinis. Ob die Staatsanwaltschaft in Berufung geht, ist noch offen, und so ist, wie Contropiano bemerkt, die Sache "noch nicht ausgestanden".

Wie die Nachrichtenagentur ANSA am Dienstag berichtet, hat der Präsident des EU-Parlaments, Antonio Tajani, die Diffamierung von Journalisten durch M5S-Chef Di Maio als Angriffe auf die Pressefreiheit scharf verurteilt. Die Äußerung Tajanis, der ein enger Vertrauter von Ex-Premier Berlusconi und ein Mann von dessen faschistischer Forza-Partei (FI) ist, verdeutlicht die Gegensätze im inzwischen gespaltenen rechtsextremen Lager. Ein Ausdruck dessen war zuletzt, dass Salvini eine Aufnahme Berlusconis in die Regierung ablehnte.

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Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. November 2018

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