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ITALIEN/264: Krise Lega-M5S - Ende der Regierung nach EU-Wahlen scheint sicher (Gerhard Feldbauer)


Krise Lega-M5S schwelt weiter

Nach EU-Wahlen scheint Ende der Regierung sicher

von Gerhard Feldbauer, 25. April 2019


Die Auseinandersetzungen in der Regierungskoalition zwischen der faschistischen Lega und der rechten Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) haben einen neuen Höhepunkt erreicht. Auf ihrer Sitzung am Dienstag hat die Regierung den von M5S-Chef, Vizepremier Luigi di Maio, eingebrachten Absatz "Salva Roma" (Rettet Rom) im Wachstumsdekret gestrichen. M5S hatte beantragt, die Schulden der Stadt in Milliardenhöhe ihrer Bürgermeisterin, Virginia Raggi, zu übernehmen und ihre Rückzahlung zu einem späteren Zeitpunkt zu gewähren. Wie die Nachrichtenagentur ANSA berichtete, setzte Lega-Führer Matteo Salvini die Ablehnung des von ihm "Salva Raggi" genannten Dekrets durch und attackierte dazu die Bürgermeisterin scharf. Seit der Wahl der Raggi im Juni 2016 habe sich an den schlimmen Zuständen in Rom nichts geändert. Die Bürgermeisterin habe "keine Kontrolle über die Stadt", sie stehe an der Spitze einer "unfähigen Verwaltung", so der Lega-Chef.

Die römische La Repubblica schrieb am Mittwoch von "totaler Konfrontation", der Mailänder Corriere della Sera von "Bruch" und "Chaos", die Turiner La Stampa spricht von "einer Regierung auf der Kippe". Das linksliberale Fatto Quotidiano vermerkt, M5S müsse erneut eine Niederlage einstecken und es frage sich, wie lange sie das noch durchstehe. Vorangegangen waren schwere Schlappen bei den Regionalwahlen in den Abruzzen, in Basilicata, wo M5S auf 19 bzw. 20 Prozent abrutschte, und zuletzt auf Sardinien, wo es nur noch zu 9 Prozent reichte. Während der Osterfeiertage veröffentlichte Corriere della Sera die jüngsten Umfragen des Meinungsforschungsinstituts IPSOS, das die Lega bei den EU-Wahlen mit 36,9 Prozent auf dem ersten Platz sieht, während auf M5S 22,3 Prozent entfallen. Bei den Parlamentswahlen im März 2018 hatte die Lega etwas mehr als 17 Prozent erzielt, M5S mit über 32 Prozent noch fast doppelt so viel.

Dabei hat M5S ein Zugeständnis nach dem anderen gemacht. Sie fand sich mit der Verschiebung der Entscheidung über den Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke Lyon-Turin (TAV) um sechs Monate ab, blockierte die Aufhebung der parlamentarischen Immunität Salvinis und verhinderte damit, dass dem Innenminister wegen Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauch (Verweigerung der Aufnahme von 177 Flüchtlingen des Rettungsschiffes "Diciotti") der Prozess gemacht wird. Zuletzt gab Bürgermeisterin Raggi dem Druck der faschistischen Sturmtrupps Casa Pound und Forza Nuova der Lega nach, die mit Drohungen, "Roma umzubringen und zu verbrennen", deren Umsiedlung in den Stadtteil Torre Maura verhinderten.

Noch scheint das letzte Wort allerdings nicht gesprochen. Selbst dem parteilosen Premier Giuseppe Conte, der bisher Salvini immer nachgab, war es diesmal zu viel und er forderte von Salvini, die "kollegiale Regierung zu respektieren". Di Maio verlangt "eine Umwandlung des Dekrets" und hat dazu noch einen Trumpf in der Hand: Den Fall des der Korruption beschuldigten Staatssekretärs der Lega Armando Siri, eines engen Vertrauten Salvinis, dessen Rücktritt M5S fordert, was dieser ablehnt. Di Maio könnte darauf verzichten, wenn Salvini beim "Salva Roma" nachgibt.

An der Perspektive der Regierung dürfte das nichts ändern. ANSA zitierte die Chefin der faschistischen Brüder Italiens (FdI) Giorgia Meloni: Nach den EU-Wahlen werde "eine Regierung ohne die Fünf Sterne" gebildet. Dazu werde mit der Lega bereits "eine neue Mehrheit" vorbereitet. Hinter diesen Plänen steht Expremier Silvio Berlusconi, der seine Chance auf ein Comeback wittert, weil seine Forza Italia (FI) für eine neue Regierung gebraucht wird.

Bei den Extremrechten der Fünf Sterne wird bereits darüber nachgedacht, dann zur Lega zu stoßen. In der Demokratischen Partei (PD) setzt man dagegen darauf, dass ein Teil der M5S dann in die Opposition zurückkehrt oder, bei genügend Parlamentssitzen, es gar zu einer Regierung reichen könnte.

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Quelle:
© 2019 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. April 2019

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