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WIRTSCHAFT/065: Zum Informellen ECOFIN-Treffen in Berlin (BMF)


Bundesministerium der Finanzen (BMF) - Pressemitteilung vom 21.04.2007

Ergebnisse des Informellen ECOFIN-Treffens am 20. und 21. April 2007 in Berlin


"Finanzierung der Zukunft"

Im ersten Themenschwerpunkt diskutierten die Teilnehmer, wie die öffentlichen Finanzen angesichts der Herausforderungen von Globalisierung und demografischem Wandel zukunftsorientiert ausgestaltet werden können. Insbesondere erörterten sie Überlegungen zum Bau "sozialer Brücken" für mehr Beschäftigungsfähigkeit und soziale Teilhabe, die mit tragfähigen öffentlichen Finanzen in Einklang stehen, zur Verbesserung der Effizienz öffentlicher Ausgaben und zur Sicherung wachstumsfördernder, stabiler und zukunftsfester Einnahmen.

Aus den Diskussionen können erste, vorläufige Ergebnisse festgehalten werden:

Soziale Brücken bauen - Förderung des Humanvermögens
Verbesserung von Beschäftigungsfähigkeit
und sozialer Teilhabe

Die Minister betonten in der Diskussion, die durch ein Impulsreferat seitens des Präsidenten des Instituts für Weltwirtschaft, Prof. Dennis Snower, eingeführt wurde, die Notwendigkeit, die sozioökonomischen Herausforderungen aus der demografischen Entwicklung und dem Strukturwandel anzunehmen. Sie unterstrichen, dass nur eine Politik erfolgreich sein könne, welche die Verbesserung der individuellen Flexibilität mit sozialer Sicherheit verbinde. Um den Menschen die Vorteile der Globalisierung in vollem Umfang zu eröffnen, müssen sie insbesondere die Fertigkeiten zur Bewältigung des modernen Arbeitslebens erwerben können. Zu diesem Zweck gelte es, verstärkt "soziale Brücken" für bessere Beschäftigungsfähigkeit, höhere Erwerbsbeteiligung und soziale Integration zu bauen. Investitionen in das Humanvermögen über den gesamten Lebenszyklus sind ein Schlüsselelement dieses Ansatzes.

Synergien zwischen effektiven sozialen Brücken
und finanzpolitischen Zielen

Mit dem Konzept der "sozialen Brücken" durch gesteigertes Humanvermögen lassen sich Strukturwandel und tragfähige öffentliche Finanzen besonders gut verzahnen. Durch eine bessere Qualifizierung der Erwerbstätigen werden die Beschäftigungsfähigkeit und die soziale Teilhabe erhöht. Die verbesserte Integration in den Arbeitsmarkt bedeutet finanzpolitisch gewissermaßen eine "doppelte Dividende": Die Einnahmebasis wird verbreitert und die Sozialausgaben können sinken. Um Effizienz, Effektivität und faire Lastenverteilung zu erreichen, müssen Synergien zwischen den verschiedenen politischen Maßnahmen umfassend genutzt und die Verantwortung von Einzelpersonen, Unternehmen und der Politik gemeinsam getragen werden. Die Minister betonten angesichts begrenzter öffentlicher Ressourcen ihr fundamentales Interesse an effektiven und effizienten Maßnahmen zur Stärkung des Humanvermögens und an einem intensiveren Austausch länderspezifischer Erfahrungen aus finanzpolitischer Perspektive.

Effizienz und Effektivität der öffentlichen Ausgaben
Die Effizienz der öffentlichen Ausgaben als eine
zentrale politische Herausforderung
für die EU-Finanzminister

Die Steigerung der Effizienz öffentlicher Ausgaben stellt eine der wichtigsten Herausforderungen für die Mitgliedstaaten der EU dar. Angesichts der Größe des öffentlichen Sektors in Europa sehen die Minister die dringende Notwendigkeit, das öffentliche Handeln zu optimieren und bessere Ergebnisse mit begrenzten öffentlichen Mitteln zu erreichen. Eine effiziente Verwendung von Haushaltsmitteln trägt zur Einhaltung der Verpflichtungen aus dem Stabilitäts- und Wachstumspakt bei und erleichtert den Mitgliedstaaten, die Herausforderungen der Globalisierung und der Bevölkerungsalterung zu meistern. Die Finanzpolitik kann damit auch einen Beitrag dazu leisten, dass berechtigten Forderungen der Bürger nach mehr Transparenz und einer besseren Qualität des Regierens besser entsprochen wird.

Verschiedene Ansatzpunkte für mehr Effizienz und
Effektivität öffentlichen Handlens

Effizienzvergleiche in wichtigen Aufgabenbereichen legen erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten offen. In vielen Fällen lassen sich bessere Ergebnisse erzielen. Vor diesem Hintergrund waren sich die Minister einig, dass sich Effizienzreserven sowohl im Bereich der öffentlichen Hand selbst als auch in der Arbeitsteilung zwischen öffentlicher und privater Leistungserbringung erzielen lassen. Dies kann erreicht werden durch Stärkung der Anreize für effizientes Verwaltungshandeln, durch Modernisierung von Managementmethoden oder durch dezentralere Leistungserbringung. Öffentliche Dienstleistungen müssen sich sowohl im Vergleich mit anderen Verwaltungen beweisen (Benchmarking) als auch im Wettbewerb mit privaten Dienstleistern bewähren. Die Mitgliedstaaten haben verschiedene Lösungsstrategien zur Verbesserung der Ausgabeneffizienz entwickelt, deren Maßnahmen von Reformen in einzelnen Aufgabenbereichen bis hin zu bereichsübergreifenden Veränderungen bestehender Regeln, Institutionen und Budgetverfahren reichen.

Stärkere Ergebnisorientierung der öffentlichen
Haushalte und bessere Nutzung ergebnisbezogener Daten

Die öffentlichen Haushalte sollten auf der Grundlage ihrer Ergebnisse und nicht nur nach der Höhe der Ausgaben bewertet werden. Die Minister sahen die Verwendung ergebnisbezogener Daten im Haushaltsverfahren als wichtiges Instrument der Entscheidungsfindung, um den Fokus von den Ausgaben hin zu den tatsächlichen Erfolgen zu verlagern. Die Erfahrungen der Mitgliedstaaten zeigen aber auch, dass ergebnisbezogene Daten nicht ohne Weiteres die Wirksamkeit öffentlicher Maßnahmen erhöhen. Um als Instrumente zur effektiven Haushaltssteuerung geeignet zu sein, müssen sie unter anderem den Kriterien der Einfachheit und Klarheit, Transparenz und politischen Steuerbarkeit genügen. Die Minister waren sich einig, den Erfahrungsaustausch in diesem Bereich zu intensivieren und das Thema bei ihrer Tagung im Juni auf Grundlage der Weiterentwicklung der Analysen der Kommission und des Wirtschaftspolitischen Ausschusses der EU erneut aufzugreifen.

Effizienz auf der Einnahmeseite
Sicherung wachstumsfördernder, stabiler Einnahmen
in der Zukunft

Die Sicherung der Staatseinnahmen und die Finanzierung öffentlicher Güter und insbesondere die Finanzierung der europäischen Wohlfahrtsstaaten sind vor dem Hintergrund der Globalisierung, der Bevölkerungsalterung sowie der zunehmenden internationalen Mobilität von Produktionsfaktoren und Steuerbemessungsgrundlagen ein zentrales Thema. Die Mitgliedstaaten müssen angesichts dieser Herausforderungen verstärkt daran arbeiten, ihre Einnahmesysteme in nationaler Zuständigkeit so zu strukturieren, dass Staatseinnahmen langfristig stabil sind und das Wirtschaftswachstum gestärkt wird. Professor Rick van der Ploeg vom European University Institute in Florenz wies in einem einführenden Vortrag besonders auf die Konsequenzen für die Einkommensverteilung hin und betonte die Bedeutung von Transfersystemen, die Anreize zur Arbeitsaufnahme geben.

Verbesserung der Qualität und der Effizienz
von Einnahmestrukturen

Nationale Einnahmestrukturen sind in hohem Maße davon abhängig, welche politischen Ziele die einzelnen Staaten hinsichtlich Gerechtigkeit und Effizienz verfolgen. Grundsätzlich sollten gerechte und effiziente Einnahmestrukturen jedoch Verzerrungen vorbeugen, Risikobereitschaft und Unternehmertum fördern sowie Arbeitsanreize bieten. Beispielsweise sollten Steuersysteme gerecht und einfach ausgestaltet sein und die Betrugsanfälligkeit mit Hilfe einer breiten Bemessungsgrundlage minimieren. Ein zukunftssicherer Steuer-Mix könnte der indirekten Besteuerung zusätzliches Gewicht geben. Eine größere Rolle könnten insbesondere Steuern, die externe Effekte internalisieren, sowie ertragsunabhängige Steuern spielen. In der Diskussion wurde die Bedeutung von Qualität und Effizienz der öffentlichen Einnahmestrukturen betont. Diese Fragestellungen müssen weiterverfolgt werden; insbesondere wurde ein Informationsaustausch bezüglich laufender und geplanter Steuerreformkonzepte angeregt.

Keine Einheitslösung, Lernen aus "bewährten Verfahren"

Die Steigerung der Effizienz öffentlicher Ausgaben und Einnahmen lässt sich auf unterschiedliche Weise erzielen. Eine allgemeingültige Anleitung zur Verbesserung der Effizienz der öffentlichen Hand gibt es nicht. Die Mitgliedstaaten haben verschiedene Reformkonzepte verfolgt, einschließlich struktureller und institutioneller Reformmaßnahmen. Die Minister waren sich einig, dass Ländervergleiche und der Austausch "bewährter Verfahren", beispielsweise im Bereich der Haushaltsverfahren, für die Entwicklung nationaler Strategien zur Steigerung der Effizienz in den Mitgliedstaaten sehr sinnvoll sein können.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Minister die Diskussion zur Qualität der öffentlichen Finanzen begrüßten. Sie stellten fest, dass weitere Arbeiten in diesem Bereich erforderlich sind, in deren Rahmen Erfahrungen aus nationalen Konzepten genutzt und "bewährte Verfahren" ausgetauscht werden können.

Reverse Charge-Verfahren

Im Kreise der Finanzminister wurde auch das so genannte Reverse-Charge-Verfahren erörtert, bei dem zur wirksamen Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs die Steuerschuld für inländische Umsätze ab einer Schwelle von 5000 Euro zwischen Unternehmern grundsätzlich vom leistenden auf den empfangenden Unternehmer verlagert wird. Die Diskussion konzentrierte sich darauf, ob das Reverse-Charge-Verfahren Auswirkungen auf den Binnenmarkt und auf die Staaten haben kann, die von einer Option zu dessen Einführung keinen Gebrauch machen wollen. Es wurde deutlich, dass mit Deutschland und Österreich zwei Mitgliedstaaten ein starkes Interesse daran haben, die europarechtliche Option für die Anwendung dieses Verfahrens zu erhalten, ohne dass dies in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen zur Anwendung kommen muss. Die Bedeutung einer wirksamen Mehrwertsteuerbetrugsbekämpfung war unstreitig. Die Minister baten die Europäische Kommission, eine Analyse der Effekte auf den Binnenmarkt vorzunehmen. Die Kommission sagte die Analyse bis spätestens Ende 2007 zu. Auf Anregung etlicher Mitgliedstaaten wird die Kommission dabei auch die Möglichkeit untersuchen, dass interessierte Mitgliedstaaten das Reverse-Charge-Verfahren zeitlich begrenzt testen. Die Minister vereinbarten, das Thema bei ihrer Tagung im Juni erneut aufzugreifen.

Rückblick auf die Frühjahrstagung des
Internationalen Währungsfonds

Der Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen, Dr. Thomas Mirow, berichtete vom G7-Finanzministertreffen und der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) am 13./14. April 2007 in Washington. Mit Blick auf die laufende Reformdebatte des IWF im bestand Einvernehmen, dass die EU sich in dieser Debatte weiterhin geschlossen und aktiv einbringen will.

Finanzmarktstabilität

Minister und Notenbankgouverneure tauschten ihre Einschätzungen der gegenwärtigen Lage auf den Finanzmärkten aus. In ihren Beiträgen zeichneten die Teilnehmer ein günstiges Bild von der aktuellen Situation. Vorherrschend war die Einschätzung, dass die positiven Prognosen für die realwirtschaftliche Entwicklung eine Entsprechung auf den Finanzmärkten finden. Zwischenzeitliche Turbulenzen auf den Finanzmärkten wurden von den Teilnehmern als nicht Besorgnis erregende Bereinigung eingestuft. Auch eine möglicherweise höhere Sensitivität der Investoren wurde nicht negativ bewertet. Einvernehmen bestand, dass mit Blick auf fortbestehende Risiken im Zusammenhang mit den globalen Ungleichgewichten wie auch hinsichtlich möglicher Risiken durch neue komplexe Finanzmarktinstrumente Wachsamkeit geboten bleibt.

Hedge Fonds

Minister und Notenbankgouverneure erörterten die Rolle der Hedge Fonds für die Finanzmärkte. Unter den Teilnehmern bestand Einigkeit darüber, dass diese Form des Investments im Allgemeinen die Effizienz und Stabilität der Finanzmärkte positiv beeinflusst und damit einen wertvollen Beitrag zum Funktionieren der Märkte leistet. Zugleich wurde betont, dass mit Blick auf Anlegerschutz sowie mögliche systemische und operative Risiken für die Finanzstabilität eine Selbstverpflichtung der Hedge Fonds-Branche hinsichtlich Risikomanagement, angemessener Transparenz und guter Unternehmensführung einen wünschenswerten Beitrag zur Stärkung der Marktdisziplin und damit zur Ergänzung des indirekten aufsichtsrechtlichen Ansatzes leisten könnte. Bereits beim nächsten Treffen der ECOFIN-Minister am 8. Mai soll das Thema wieder aufgegriffen werden.

Vorkehrungen für die Sicherung der Finanzstabilität

In Fortführung einer Diskussion des informellen Treffens in Helsinki im September letzten Jahres ließen die Teilnehmer sich über laufende Arbeiten informieren, in denen mögliche Vorkehrungen für den theoretischen Fall einer grenzüberschreitender Finanzmarktkrise erörtert werden. Die Teilnehmer waren sich einig, dass die zunehmende Finanzmarktintegration neue Herausforderungen für die nationalen und europäischen Akteure schafft und klare Spielregeln wichtig sind. Die Arbeiten hierzu werden fortgesetzt. Die Minister und Zentralbankgouverneure kamen überein, die daraus resultierenden Empfehlungen unter portugiesischem Vorsitz im zweiten Halbjahr 2007 zu debattieren.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 21.04.2007
Herausgegeben vom Referat K (Kommunikation) des
Bundesministeriums der Finanzen (BMF)
Wilhelmstraße 97, 10117 Berlin
Telefon: 03018-682-3300
Telefax: 03018-682-4420
buergerreferat@bmf.bund.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2007