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AGRAR/1494: Öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 354 - April 2012
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen
Wenn das mal so einfach wäre - AbL macht Vorschläge

von Marcus Nürnberger



Die Direktzahlungen sind aktuell das gewichtigste Instrument der Agrarpolitik. Eingeführt wurden sie 1993. In Deutschland werden aktuell ca. 5,4 Milliarden Euro vergeben. Bei ihrer Einführung lösten sie die vormals produktbezogenen Förderungen ab. Agrarpolitisch wurden sie zu einem Instrument der Rationalisierung und ermöglichten gemeinsam mit Exportsubventionen eine europäische Ausrichtung auf eine Exportwirtschaft und eine Produktion für den Weltmarkt. In dieser Ausrichtung spiegelt sich der politische Wille zu niedrigen Lebensmittelpreisen auch innerhalb der EU wieder. Die Zahlungen subventionieren damit weniger die Landwirtschaft als vielmehr die Verbraucher, denen auf diese Weise günstige Lebensmittel angeboten werden können.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft hat die Ziele und Auswirkungen des Direktzahlungssystems von Anfang an kritisiert. Im Nachhinein bestätigt sich, dass die Kritik berechtigt war, denn die sinkenden Erzeugerpreise führten keineswegs zu einer extensiveren Bewirtschaftung und einem geringeren Einsatz von Stickstoffdüngern und Pestiziden. Auch zeigte sich, dass vor allem die Betriebe profitierten, die schon in der Vergangenheit hohe Gewinne machten. Die Direktzahlungen unterstützen den Strukturwandel hin zu immer größeren, spezialisierteren Betrieben. Bereits 1997 entwickelte die AbL vor diesem Hintergrund eine Forderung, die zum Kern hatte, Betrieben die flächengebundenen Direktzahlungen bis 30.000 D-Mark zu lassen, bei Zahlungen darüber hinaus aber gestuft schärfer werdende Kürzungen zu fordern. Wie auch die Ausformung der Direktzahlungen sich über die Jahre schrittweise veränderte, so wurde auch die Forderung der AbL über die Jahre weiter verfeinert und ausgebaut. Die rege Diskussion innerhalb der AbL hat dazu geführt, dass es derzeit zwei Modelle zu einer zukünftig gerechteren Verteilung der Direktzahlungen gibt.

Beiden zugrunde liegt die Analyse, dass Landwirtschaft nicht nur Produzent möglichst günstiger Rohstoffe sein darf, sondern qualitativ hochwertige Lebensmittel erzeugen muss und weitreichende Aufgaben im Bezug auf den Schutz der Bodenfruchtbarkeit, das Klima und die Artenvielfalt hat. Wichtige Detailforderungen sind eine Reduktion der Abhängigkeit von fossilen Energien in Form mineralischer Dünger durch den gezielten Anbau von Leguminosen und der Erhalt gesellschaftlich akzeptierter, mensch-, tier- und umweltgerechter Strukturen. Nur der Erhalt klein- und mittelständischer Landwirtschaftsbetriebe mit ihrer Nachfrage bei Handwerk und Handel können den ländlichen Raum als Wohn-, Arbeits- und Lebensraum erhalten.


Bindung an die Fläche

Aus der vor 15 Jahren entwickelten Forderung ist inzwischen ein detailliertes Modell geworden. Es sieht einen Aufschlag auf die Basisprämie der ersten 20 ha vor. Ab einer Prämie von 60.000 Euro erfolgen Kürzungen (siehe Beilage zur Printausgabe). Auf Antrag sollen die Betriebe die Möglichkeit erhalten, bis zu max. 50 Prozent, jedoch nur die tatsächliche prozentuale Kürzung (20 bzw. 40 Prozent), ihrer Lohnkosten sozialversicherungspflichtig angestellter Mitarbeiter in Anrechnung zu bringen. Bei Betrieben mit weniger als 60.000 Euro Direktzahlungen, im Jahr 2010 waren das 95 Prozent der Betriebe, soll der Faktor Arbeit ebenfalls mit in die Kalkulation einfließen. Pro voller kalkulatorischer Arbeitskraft sollen 20.000 Euro, also die Hälfte der für einen Betriebsleiter bzw. eine Familienarbeitskraft anzusetzenden Lohnkosten, für die Basisprämie anrechenbar sein. Das heißt: Nur wenn entsprechend viel "kalkulatorische Arbeit" nachgewiesen werden kann, kommt es zur Auszahlung der vollen Prämie. Damit ein fließender Übergang zwischen Betrieben mit Zahlungen unter und über 60.000 Euro gewährleistet ist, sollen zukünftig alle Betriebe bis zu dieser Grenze ihren kalkulatorischen Arbeitskräftebedarf (max. drei volle Arbeitskräfte) nachweisen müssen. Darüber hinaus gehende Zahlungen unterliegen der Staffelung mit prozentualer Kürzung und entsprechender Anrechenbarkeit der tatsächlich sozialversicherten Arbeitskräfte.


Arbeitskräfte als Grundlage

In dem nun über Jahre in der AbL stattfindenden Diskussionsprozess entwickelte der bayerische Landesverband eine eigene Richtung, die die Arbeit zur Grundlage jeglicher Zahlungen macht. Die Überlegungen zur Neuausrichtung der Berufsgenossenschaftsbeiträge anhand der betriebsspezifisch geleisteten Arbeit ist Pate dieses Modells. Es kehrt sich grundsätzlich von der bisherigen Bindung der Zahlungen pro Fläche ab und legt stattdessen die im Betrieb zu leistende Arbeit als Berechnungsmaßstab zu Grunde. Hintergrund ist die Annahme, dass "natürliche und strukturelle Benachteiligungen eines Betriebes, sowie gewünschte Leistungen für Natur-, Tier- und Umweltschutz" einen höheren Arbeitsaufwand erfordern. Die Berechnung erfolgt analog zu den Berechnungen der Berufsgenossenschaftsbeiträge. Ausgegangen wird von einem Zehn-Stunden-Arbeitstag, der mit 60 Euro gefördert werden soll. Dieser Betrag ergibt sich aus der zur Verfügung stehenden Summe an Fördermitteln (5,4 Mrd Euro) dividiert durch die jährlich veranschlagten Arbeitstage (90 Mio.). Als Datengrundlage sollen die Angaben des Mehrfachantrags dienen. Bei der Ermittlung des Arbeitsanfalls spielt die Betriebsgröße, ob Familien-, Fremd- oder Maschinenringarbeit geleistet wird keine Rolle. Zusätzlich könnten durch Degressionsfaktoren die bei der Bewirtschaftung von Grünland, Steillagen, kleinen Feldern und nachbarschaftsverträglichen Tierbeständen anfallende Mehrarbeiten vergütet werden.

In der konkreten Umsetzung fordert die AbL-Bayern ein 30-70 Modell, in dem 30 Prozent der Zahlungen über die Fläche und 70 Prozent über die Arbeit berechnet werden. Dieser Kompromiss wird eingegangen, da eine reine Ausrichtung an der Arbeitszeit für "große Ackerbaubetriebe einen zu großen Umbruch bedeuten" würde. Dabei sieht das Modell vor, dass die 30 Prozent an Fläche gebundene Zahlung in Höhe von 100 Euro pro Hektar ein Ausgleich für ökologische Leistungen, wie eine dreigliedrige Fruchtfolge, ein Umbruchsverbot und für ökologische Schwerpunktflächen sein sollen.


Unterschiedliche Schwerpunkte

Die beiden Modelle haben unterschiedliche Ansätze. Das eine geht von einer Bindung an Fläche, das andere von einer Bindung an Arbeit aus. Dennoch ist in beide Modelle sowohl der Faktor Arbeit als auch der Faktor Fläche in Teilbereichen als Korrektiv eingeflossen. Der zentrale Unterschied ist, dass das Modell 30/70 zum Ansatz hat, direkt Gelder umzuverteilen. Damit sollen vor allem kleinere, viehhaltende Betriebe begünstigt werden. Im Gegensatz dazu strebt das Bundesmodell vor allem bei großen Betrieben Kürzungen an, um durch Rationalisierung entstehende Wettbewerbsverzerrungen aufzuheben. Eingesparte Gelder sollen "in dem Land bzw. Bundesland, in dem sie anfallen den Betrieben für qualifizierte Maßnahmen der zweiten Säule vorrangig zur Verfügung" gestellt werden.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 354 - April 2012, S. 4
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2012