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AGRAR/1613: Spanien - Ökologische Landwirtschaft auf dem Vormarsch (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. August 2014

Spanien: Ökologische Landwirtschaft auf dem Vormarsch

von Inés Benítez


Bild: © Inés Benítez/IPS

In Spanien - wie hier in Málaga - gibt es immer mehr Biomärkte
Bild: © Inés Benítez/IPS

Málaga, Spanien, 13. August (IPS) - José María Gómez hockt auf dem Boden und zieht einen Bund Karotten aus der Erde. Für ihn ist das Arbeiten auf dem Feld eine Lebensform, und daher setzt er nicht auf industrielle, sondern auf ökologische Landwirtschaft. Dabei geht es dem Bauern aus Südspanien nicht nur darum, keine Pestizide einzusetzen. Für ihn bedeutet der schonende Umgang mit dem Boden insbesondere, Respekt vor der Natur zu zeigen.

Einen Großteil der Ernte seiner drei Hektar großen Farm im Valle del Guadalhorce verkauft der 44-Jährige auf Märkten in Málaga. Einmal pro Woche fährt er außerdem mehrere Dutzend Biokisten aus, die er seinen Kunden direkt nach Hause liefert.

Die anhaltende Wirtschaftskrise in Spanien, wo die Arbeitslosigkeit bei 25 Prozent liegt, hat der ökologischen Landwirtschaft nicht geschadet. Im Gegenteil: Von 2007 bis 2012 hat sich die Agrarfläche, auf der biologisch angebaut wird, fast verdoppelt. Während Biobauern 2007 noch 988.323 Hektar Land bewirtschafteten, waren es nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums 2012 bereits 1,7 Millionen Hektar.

Den größten Anteil an ökologischer Landwirtschaft hat die südspanische Region Andalusien: 949.025 Hektar Land sind hier offiziell registriert. Das sind nach Angaben des Ministeriums 54 Prozent der gesamten Fläche ökologischer Bewirtschaftung in Spanien.

Víctor Gonzálvez, Koordinator der nichtstaatlichen Gesellschaft für ökologische Landwirtschaft (SEAE), führt das Wachstum der Branche auf die Loyalität der Kunden zurück. "Nicht nur in Spanien, in ganz Europa konnte die Branche trotz der Krise wachsen, weil uns die Kunden treu geblieben sind."

Nicht allein treu geblieben - sie haben sich sogar vermehrt. In den vergangenen Jahren sind Öko-Märkte auf Spaniens Straßen und Plätzen wie Pilze aus dem Boden geschossen, und auch einige Supermarktketten haben Bio-Produkte in ihr Sortiment aufgenommen.

Doch den größten Teil der Erzeugnisse verkaufen die Bauern nicht in Spanien, sondern in anderen europäischen Ländern, vor allem Deutschland und Großbritannien. Pilar Carrillo von der 'La Coruja'-Farm auf Teneriffa betrachtet diese Entwicklung allerdings kritisch: "Die lokale Produktion sollte immer der lokalen Wirtschaft zugute kommen. Deshalb ist es nicht besonders sinnvoll, die Produkte zu exportieren", sagte sie gegenüber IPS.

Carrillo lebt mit ihrem Partner Julio Quílez und ihrem gemeinsamen Sohn seit einem Jahr auf der kanarischen Insel. Sie haben nur einen halben Hektar Land, den sie nach den Kriterien der sogenannten Permakultur bewirtschaften, einem Konzept, das ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit anstrebt, indem es neben nachhaltigen Anbaumethoden auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen auf naturnahe Kreisläufe abzielt. Jeden Samstag verkaufen sie ihre Erzeugnisse auf einem kleinen Biomarkt in der Nähe ihres Hofes.

"Wenn du lokale Bioprodukte kaufst, dann isst du nicht nur gesünder. Du interagierst auch mit Menschen, denen du in deinem Alltag sonst nicht begegnest: Menschen vom Land", sagt Juan José Galván, der sein Obst und Gemüse seit fünf Jahren auf Biomärkten in Málaga einkauft. "Außerdem unterstützt du damit die lokale Wirtschaft."

Spanien mag europaweit nicht die meisten Kunden ökologischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse haben. Sie haben nach Angaben des Statistikamts der Europäischen Union Eurostat aber die größte Anbaufläche für Bioprodukte in Europa. Weltweit liegen sie der Internationalen Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen (IFOAM) zufolge nach Australien, Argentinien, den USA und China sogar auf Platz 5.

Um als Bio-Hof registriert zu werden, müssen die Bauern teils komplizierte Prozedere befolgen und einiges an Geld auf den Tisch legen. Bioprodukte müssen, um als solche bezeichnet werden zu dürfen, ein entsprechendes Label tragen. Neben lokalen und nationalen Zertifikaten gibt es auch ein europaweites Siegel. Häufig dauert es zwei Jahre, bis ein Bauer für sein Produkt ein solches Label erhält. Während der Antragsfrist, aber auch anschließend unterliegen Biobauern im besten Fall strenger Kontrolle. Die Kosten müssen die Bauern in der Regel selbst tragen. Auch deshalb sind Bioprodukte meist teurer als konventionelle Lebensmittel.

Trotz der hohen Kosten gehen staatliche Subventionen häufiger an die Produzenten industrieller Landwirtschaft, kritisiert Gonzálvez. Auch trauten sich viele Bauern nicht, den Sprung vom konventionellen zum ökologischen Anbau zu wagen, weil es für Industrieproduktion zwar Beratungsstellen gebe, für den Bioanbau aber nicht. "Ökologische Landwirtschaft ist ein empirisches Experiment", sagt der andalusische Bauer Gómez. "Wenn meine Melonenpflanzen von Blattläusen befallen werden, dann baue ich zwischen den Melonen Bohnen an, weil ich weiß, dass die die Blattläuse abschrecken. Mit jedem Jahr wird man etwas klüger."

Bild: © Inés Benítez/IPS

Der Biobauer José María Gómez läuft über sein Tomatenfeld im Valle de Guadalhorce in Andalusien
Bild: © Inés Benítez/IPS

Gómez steht auf seiner 'Bobalén Ecológico'-Farm zwischen Tomatenpflanzen. Er hat zerzauste dunkle Haare und eine sonnengebräunte Haut. "Industrieproduktion orientiert sich am Markt. Wir uns an Qualität." Ihm sei es wichtig, die Umwelt zu schonen und die Fruchtbarkeit des Bodens nicht zu gefährden. Um diese Ziele zu erreichen, steht Gómez jeden Tag um 5:30 Uhr auf und arbeitet 15 bis 16 Stunden. Trotzdem: "Das ist der beste Job, den ich je in meinem Leben hatte." (Ende/IPS/jt/2014)


Links:

http://www.magrama.gob.es/es/alimentacion/temas/la-agricultura-ecologica/Estadisticas_AE_2012_ok_tcm7-297880.pdf
http://fincalacoruja.wordpress.com/
http://www.ifoam.org/
http://www.ipsnews.net/2014/08/eco-friendly-agriculture-puts-down-roots-in-spain/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 13. August 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2014