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FORSCHUNG/329: Energie - ein wellenfressender Drache (research*eu)


research*eu Sonderausgabe - Dezember 2007
Magazin des Europäischen Forschungsraums

Energie - Ein wellenfressender Drache

Von Matthieu Lethé


Außer seinen kräftigen Winden, seinen Strömungen und seinen Gezeiten bietet das Meer noch ein weiteres Energiepotenzial: die Kraft seiner Wellen. Ein Blick auf Wave Dragon, eine Anlage zur Produktion von Strom mithilfe der Meeresbrandung.


Im Jahr 1986 beobachtet Erik Friis-Madsen, ein dänischer Ingenieur, ein Atoll im Südpazifik und wie die Wellen dort auf den Strand rollen. Wenn sie stark genug sind, überqueren die Wellen die Strandstreifen und sammeln sich in der Mitte des Atolls in der Lagune. Sobald diese zu voll ist, läuft das Wasser durch die zahlreichen Rinnen im Atoll wieder ab und zurück in den Ozean. Der Ingenieur ist überzeugt, dass sich diese natürliche Erscheinung reproduzieren und damit Strom erzeugen lässt. Er beginnt mit ersten Zeichnungen, aus denen dann zehn Jahre später Wave Dragon entsteht: eine kreisförmige Struktur, die im Grunde ein "schwimmendes Atoll" darstellt, mit einer Turbine in der Mitte, durch die das überschüssige Wasser ablaufen kann.


Vom Traum zum Prototypen

Richtig Form nimmt das Projekt allerdings erst 1997 an. Erik Friis-Madsen umgibt sich mit einem Team von Mitarbeitern. Hans-Christian Sorensen übernimmt die Leitung des Unternehmens Wave Dragon (DK) und koordiniert auch heute noch dessen Aktivitäten. Die beiden perfektionieren mit wissenschaftlicher und logistischer Unter - stützung von Unternehmen und Universitäten ihre Kenntnisse auf dem Gebiet der hydraulischen und elektrischen Energie. Mehrere Modelle werden im Labor getestet. "Die Grundidee", erklärt Erik Friis-Madsen, "besteht darin, die allgemein bekannten Prinzipien klassischer Wasserkraftwerke zu nutzen, nur dass dieses hier offshore betrieben wird. Es ist also recht einfach. Der Wave Dragon besteht aus zwei langen Armen, mit denen die Wellen in die Mitte der Anlage geleitet werden, die in einer Höhe knapp über dem Meeresspiegel schwimmt. Das Wasser wird in einem großen Speicher gesammelt und fließt schließlich durch die Mitte ab, wobei es eine Reihe von Turbinen antreibt, die Strom erzeugen."

Die Europäische Union beteiligte sich 2002 am Projekt und stellte 1,5 Mio. EUR für die Ausführung und Inbetriebnahme eines Modells im Maßstab 1: 4,5 bereit. Mit einem Gesamtgewicht von 237 Tonnen wurde die Anlage im Juni 2003 im Meer vor der dänischen Küste ausgebracht. Für Hans-Christian Sorensen "war der größte Augenblick in der Entwicklung von Wave Dragon, als wir begannen, regelmäßig Strom in das dänische Netz einzuspeisen". Die Stromproduktion dieses verkleinerten Prototyps vom Wave Dragon ist jedoch bescheiden und erreicht nicht mehr als 20 kW.


Ein echtes Offshore-Kraftwerk

"Aber wir haben jetzt etwas besseres", fährt Hans-Christian Sorensen fort. "Dank einer weiteren Unterstützung durch die Europäische Union (2,4 Mio. EUR) konnten wir im April 2007 ein Abkommen mit Wales unterzeichnen um vor seinen Küsten eine Großausführung der Produktionsanlage mit 7 MW zu installieren. Wir hoffen, dass diese im August 2008 in Betrieb genommen werden kann. Außerdem haben wir vor, in den nächsten drei Jahren zehn weitere Anlagen mit einer Gesamtproduktion von 77 MW zu konstruieren."

Wave Dragon kann sich natürlich nicht mit einem klassischen Atomkraftwerk messen, das zwischen 500 und 2 000 MW Strom erzeugt, aber das System bietet dennoch Vorteile, die man nicht vernachlässigen sollte. Zunächst einmal lässt sich die Größe der Produktionsanlagen (indem beispielsweise eine Zentrale aus zehn oder 20 Geräten zusammengestellt wird), aber auch die Anzahl der Turbinen, die jedes Gerät enthält (bis zu 24), modulieren. Des Weiteren benötigt Wave Dragon nur ein Minimum an Wartung, die darüber hinaus auch noch sehr kostengünstig ist. Schließlich beeinträchtigt die Anlage nur in geringem Maße die Umwelt und die Schönheit der Landschaft, wodurch sich leichter die Gunst von Investoren, politischen Entscheidungsträgern und der öffentlichen Meinung gewinnen lässt. Daher kann man der Durchführbarkeit des Projekts wohl mit Optimismus entgegensehen.


Internet:
www.wavedragon.net

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Wie ein "schwimmendes Atoll" sammelt Wave Dragon mit Hilfe seiner beiden langen Arme das Wasser der Wellen in einem leicht erhöhten Zentralspeicher. Wenn man den Speicher leert, treibt das Wasser dann die Turbinen an.


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Quelle:
research*eu Sonderausgabe - Dezember 2007, Seite 25
Magazin des Europäischen Forschungsraums
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auf Englisch, Französisch und Spanisch herausgegeben.


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2008