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FORSCHUNG/354: Wasserflöhe im Streß - EU-Förderung für Evolutionsforschung (idw)


Ludwig-Maximilians-Universität München - 29.04.2010

Wasserflöhe im Stress - LMU-Biologe erhält EU-Förderung für Evolutionsforschung


Das Leben als Wasserfloh ist nicht leicht: Die winzigen aquatischen Krebse mussten sich im Laufe ihrer Entwicklung an eine Vielzahl von Fressfeinden und andere Umweltfaktoren anpassen. Nun soll gezielt nach Genen gesucht werden, die für diese ökologische Anpassung wichtig sind: Das internationale Forschungsprojekt STRESSFLEA wird von der "European Science Foundation" (ESF) mit rund 1,5 Millionen Euro über drei Jahre gefördert. Die Kooperation soll unter anderem entschlüsseln, welche Genfunktionen und Merkmale miteinander verbunden sind.

Zudem wollen die Forscher rekonstruieren, welche genetischen Veränderungen im Lauf der letzten Jahrhunderte im Zuge der ökologischen Anpassung aufgetreten sind. Die LMU-Forscher PD Dr. Christian Laforsch und Dr. Georg Arnold leiten in der Kooperation den Bereich Proteomics. "Wir werden also die Gesamtheit der Proteine untersuchen", sagt Laforsch. "um die unterschiedliche genetische Aktivität unter verschiedeneden Umweltbedingungen analysieren zu können." STRESSFLEA ist Teil von EuroEEFG, kurz für "Ecological and Evolutionary Functional Genomics". Dieses EU-Programm soll unter anderem zeigen, welche Rolle Gene und ihre Regulation bei Stress spielen, etwa bei der Reaktion der Tiere auf den Klimawandel, die Temperatur, auf Parasiten oder Kontaminanten.

Die Fruchtfliege Drosophila melanogaster, die Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae und der Fadenwurm Caenorhabditis elegans sind für die Bearbeitung biologisch und medizinisch relevanter Fragestellungen besonders gut geeignet und haben sich deshalb - wie einige andere Arten auch - als Modellorganismen etabliert. Manchmal aber gilt es, für neue und fächerübergreifende Ansätze erst ein geeignetes Forschungsobjekt zu finden. "In den letzten Jahren wurde soviel Information über die Aktivität und Regulierung von Genen gesammelt, dass Ökologen und Evolutionsbiologen diese Erkenntnisse nun mit der Anpassung von Organismen in Zusammenhang bringen können", sagt der LMU-Biologe PD Dr. Christian Laforsch. "Der Wasserfloh scheint hier der optimale Modellorganismus zu sein, auch weil zu Daphnia bereits viele ökologische und evolutionsbiologische Erkenntnisse vorliegen. Besonders wichtig ist aber, dass sich die Anpassung der Tiere an verschiedene Umweltfaktoren von der ökologischen bis zur genetischen Ebene verfolgen lässt."

Die EU-weite Kooperation "How to live in a mosaic of stressors - an ecological genomics approach on the water flea Daphnia" (STRESSFLEA) wird sich nun genau diesem Zusammenhang in vier Bereichen widmen. So sollen im ersten Schwerpunkt Kandidatengene identifiziert warden, die einer spezifischen Anpassung zugrundeliegen. Im zweiten Schwerpunkt soll dann die Genfunktion identifiziert, also eine genetische Aktivität mit einem bestimmten Merkmal verknüpft werden. Das gilt auch für Gen-Netzwerke, die Variationen in Merkmalen ermöglichen. Im dritten Schwerpunkt dann entschlüsselt werden, mit Hilfe welcher Mechanismen Daphnia-Populationen auf multiple Stressfaktoren antworten - und wie sich dies auf einzelne Merkmale auswirkt. Im letzten Schwerpunkt schließlich sollen die evolutionären Prozesse rekonstruiert werden, die in den letzten Jahrhunderten durch genetische Änderungen zu ökologisch relevanten Merkmalen führten.

Laforsch leitet zusammen mit den LMU-Biochemikern Georg Arnold und Thomas Fröhlich in der Kooperation den Bereich Proteomics. Dieser Ansatz wird in allen Schwerpunkten zum Tragen kommen, geht es doch um die Analyse der zellulären Proteine: Wann, wo und in welcher Menge bestimmte Proteine vorkommen, lässt auf die Aktivität der Gene rückschließen, weil diese die Bauanleitung der Proteine tragen. Wie wichtig der Zusammenhang zwischen Genetik, Ökologie und Evolutionsbiologie ist, konnte Laforsch schon in früheren Arbeiten unter Beweis stellen. "Die 'Dornenkrone' am Kopf einer bestimmten Daphnie galt als artspezifisches Merkmal", berichtet der Biologe. "Wir konnten aber nachweisen, dass dieses Merkmal nur zur Verteidigung ausgebildet wird, wenn die Tiere ihren Lebensraum mit räuberischen Krebsen teilen. Die Studie hat damit auch den Wert genetischer Daten für die Untersuchung ökologischer und evolutionsbiologischer Zusammenhänge unter Beweis gestellt." (suwe)

Publikationen:
Arbeit zum Daphia pulex Genom-Projekt - Daphnia Genomics Consortium: "LC-MS/MS-based proteome profiling in Daphnia pulex and Daphnia longicephala: The Daphnia pulex genome database as a key for high throughput proteomics in Daphnia." Fröhlich T., Arnold G. J., Fritsch R., Mayr T., and Laforsch C. BMC Genomics, 21. April 2009

Die Arbeit zur Daphnien-Art mit Dornenkrone:
"A 'crown of thorns', an exceptional inducible defense, protects Daphnia against an ancient predator",
Petrusek, A., Tollrian, R., Schwenk, K., Haas, A. Laforsch, C., PNAS early edition, 14. Januar 2009
http://dx.doi.org/10.1073/pnas.0808075106

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter: http://idw-online.de/pages/de/institution114


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ludwig-Maximilians-Universität München, Luise Dirscherl, 29.04.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2010