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BERICHT/230: Vom Wert und von der Praxis antiker Töpferkunst (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 21.01.2010

Vom Wert und von der Praxis antiker Töpferkunst

Griechische Wissenschaftlerin untersucht Keramik des Jenaer Malers an der Friedrich-Schiller-Universität Jena


Jena (21.01.10) "Zu guter Letzt habe ich noch Scherereien mit der Douane; ich kaufte in einem Hause von Athen für fünf Taler Vasenscherben, weil mehreres darunter war, was gut gezeichnet schien, und weil es mir interessant war, von echt attischen Töpfern etwas zu haben - Gott verzeihe mir die Dummheit! - ...und doch ist die Sache für unser kleines Museum von Wert...". Dies schrieb Carl Wilhelm Göttling, der Begründer der Antikensammlung der Universität Jena, im Mai 1852 in einem Brief. Welchen Wert die Scherben für das "kleine Museum" - und damit für die Jenaer Altertumswissenschaften - haben sollten, offenbart sich in vollem Umfang jedoch erst heute - auch dank der griechischen Gastwissenschaftlerin Dr. Kleopatra Kathariou.

Die 39-jährige Archäologin schreibt derzeit an ihrer Habilitation über die Werkstatt des Jenaer Malers. Unter diesem Namen ist Göttlings Einkauf international bekannt. "Genauer gesagt handelt es sich beim Jenaer Maler um eine Töpferwerkstatt in Athen. Die meisten bekannten Stücke aus dieser Werkstatt, die wir heute noch kennen, befinden sich in der Jenaer Sammlung - daher der Name", erklärt der Kustos der Jenaer Antikensammlung Dr. Dennis Graen. "Solche Werkstattkomplexe sind sehr selten, bisher kennen die Archäologen weltweit nur drei", ergänzt seine griechische Kollegin. Noch deutlicher wird das Glück der Archäologen, wenn man berücksichtigt, dass es sich bei dem Fund eigentlich um Abfall handelt. Viele Fehlbrände und im Brennofen geplatzte Gefäße, die zum Fundkomplex gehören, lassen keinen anderen Schluss zu.

Im Rahmen ihrer Dissertation besuchte Kathariou vor einigen Jahren zum ersten Mal die Friedrich-Schiller-Universität und besichtigte die Jenaer Stücke. "Dabei erkannte ich das Potenzial, das in der Sammlung steckt, und die Notwendigkeit einer kompletten Aufarbeitung", erklärt Kleopatra Kathariou. In den vergangenen zwei Wochen saß sie deshalb wieder in der Sammlung antiker Kleinkunst, zeichnete, vermaß und untersuchte jedes einzelne Stück. Die dabei entstandenen Skizzen dienen ihr dann in Griechenland als Arbeitsgrundlage.

"Es ist erstaunlich, wie viel Neues wir jetzt in kurzer Zeit über den Jenaer Maler erfahren haben", meint Graen. "Außer dem Werk der früheren Kustodin Dr. Verena Paul-Zinserling, die sich dabei auf die Abbildungen der rotfigurigen Gefäße und Scherben beschränkte, liegen keine umfangreichen Studien über den Fundkomplex vor. Er ist nie vollständig publiziert worden." Die neuen Forschungen konzentrieren sich in erster Linie auf Keramik, die mit einem schwarzen Firniss überzogen ist und deren Dekoration sich auf Ritzornamente beschränkt. "Frau Kathariou stellte zum ersten Mal anhand konkreter Details fest, dass diese Gefäßfragmente zum Fundkomplex des Jenaer Malers gehören", klärt der Jenaer Archäologe auf. Gleichzeitig versucht die griechische Archäologin, die hauptberuflich in der Kulturverwaltung der Präfektur Thessaloniki arbeitet, diese Keramik in die Schaffensphasen der Werkstatt einzuordnen. "Anhand der Gefäßprofile und der Ornamente versuche ich eine Datierung vorzunehmen", erläutert Kathariou. "Insgesamt ist der Komplex ins vierte Jahrhundert v. Chr. zu datieren. Die rotfigurige Keramik ist die älteste. Dann gibt es Mischformen, bei denen zwar noch rote Vasenbilder vorhanden sind, die aber auch schon die schlichteren Ritzornamente aufweisen. Bei der schwarz gefirnissten Ware tauchen dann nur noch solche Ritzdekorationen auf. Man kann also von einer Entwicklung sprechen. Auch die Töpfer und Vasenmaler damals gingen mit der Mode und gerade in dieser Zeit waren sie sehr experimentierfreudig."

All diese Informationen liefern Einblicke über die Abläufe und Organisation in einer Töpferwerkstatt im alten Griechenland. Beispielsweise konnte Kleopatra Kathariou nachweisen, dass viele Gefäße im Brennofen der Werkstatt übereinander gestapelt waren, um Platz zu sparen und so viele Stücke wie möglich fertigen zu können. "Bei genauerer Betrachtung erkennt man im Innenraum eines Kelches Abdrücke eines anderen. Sogar die Henkel wurden genauso angesetzt, dass der Kelch gerade noch stehen kann und nicht in der Luft hängt", demonstriert die Gastwissenschaftlerin an zwei Exponaten.

Morgen (22.01.) verlässt die Griechin Jena, aber bereits im Sommer - "bei angenehmeren Temperaturen" - will sie wieder an die Saale kommen und ihre Forschungen vorantreiben. Ihr Ziel ist eine vollständige Aufarbeitung und Publikation der Keramik des Jenaer Malers. Dies wird aber noch einige Jahre dauern. "Für die Universität ist die Zusammenarbeit ein richtiger Glücksfall", schwärmt Kustos Graen. "Durch sie wird der Wert unserer Sammlung international deutlich herausgestellt."

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-jena.de

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Sebastian Hollstein, 21.01.2010
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Januar 2010