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BERICHT/245: Wissenschaft zu Fuß - Ägyptologin sucht Handelswege in Nubien (wissen leben - WWU Münster)


wissen leben - Nr. 3, 2. Juni 2010

Die Zeitung der WWU Münster

Wissenschaft zu Fuß - Ägyptologin sucht Handelswege in Nubien

Von Brigitte Nussbaum


Gold, Tierfelle, Weihrauch, Edelhölzer - der Nil machte nicht nur Ägypten zu einem der reichsten und mächtigsten Länder des Mittelmeerraums. Auch die Nachbarländer profitierten von dem Fluss, dessen Gezeiten fruchtbare Erde auf die Ufer schwemmte. Ein guter Grund für Ägypten, zur Zeit der Ramessiden Nubien zu besetzen und das Land mit seinen Schätzen unter seine Kontrolle zu bringen. Am Ende ihrer Dynastie zog sich das Pharaonengeschlecht geschwächt aus Nubien zurück. Das Land erholte sich und wurde schließlich so mächtig, dass es um 700 vor unserer Zeitrechnung Ägypten eroberte und das Land als 25. Dynastie 50 Jahre lang beherrschte. Grund genug für die Ägyptologin Prof. Angelika Lohwasser, ihr Augenmerk auf das unbekanntere der beiden Länder zu werfen. Gerade hat sie in einer zweiten Kampagane archäologische Stätten im Wadi Abu Dom kartiert.

"Das Wadi - ein meist wasserloses Flusstal - ist für uns so wichtig, weil dort der Verbindungsweg zwischen den beiden Hauptstädten verlief", erzählt die Ägyptologin. Administrative Hauptstadt war Meroe, die sakrale Napata. Hier sind heute zwar Tempel und Königsfriedhof lokalisiert, nicht aber die Stadt selbst. "Der Nil ist zwischen den beiden Städten nicht schiffbar, da der fünfte Katarakt die Durchfahrt blockiert", erläutert Angelika Lohwasser. "Deshalb muss der Weg durch das Wadi führen." Und eben dieses Wadi musste sie mit ihren Studierenden abwandern, um den Weg zu finden, den der König von Meroe nach Napata zu seiner Krönung nahm. Drei Wochen waren sie unterwegs, finanziert durch den Heinz-Maier-Leibnitz-Preis, den Angelika Lohwasser im vergangenen Jahr erhalten hat.

Die nubische Kultur wurde schon früh von der ägyptischen geprägt. So wurden die Hieroglyphen als Schrift und auch die ägyptische Sprache unter der Fremdherrschaft übernommen. Später aber entwickelte sich eine eigene Schrift und eine eigene Sprache. "Die Schrift ist entschlüsselt, die Sprache nicht, so dass wir zwar schriftliche Zeugnisse haben, diese aber nicht lesen können", erzählt die Wissenschaftlerin. Die Geschichte des Landes ist deswegen in weiten Teilen unerforscht.

"Wir haben angefangen, indem wir nach Spuren von Brunnen suchten", erläutert sie die Vorgehensweise in ihrem Feldprojekt. "Und um diese Spuren zu finden, muss man sich die Gegend sehr genau ansehen. Das geht nur, wenn man dort entlang läuft." Alle paar Jahre führt das Wadi Wasser, was bedeutet, dass der Grundwasserspiegel relativ hoch ist. So war es einfach, Brunnen auszuheben, die deshalb nicht schwer befestigt werden mussten. In Vollwüsten dagegen ist es schwierig, an Wasser zu kommen, so dass Brunnen dort selten und mit größeren Umfriedungen als fixe Anlaufstellen verbunden sind.

"Der Boden im Wadi ist durchlöchert mit Brunnen aus verschiedenen Zeiten", erzählt die Wissenschaftlerin. "Und noch heute ist die Bebauung dort wie vor 3000 Jahren. Alle paar Kilometer ein Gehöft, auf dem die Menschen vom Ackerbau und der Ziegenhaltung leben. Wenn sich die Grundwassersituation ändert, ziehen die Menschen einfach weiter." Deshalb gaben die münsterschen Wissenschaftler die Suche nach Brunnen schnell auf, weil diese Wegmarken zu ungenau waren.

Auch eine weitere Möglichkeit schied aus: Noch heute werden in Wüsten so genannte "Alam", kleine Steinhäufchen, als Wegmarkierungen verwendet. Diese sind im Wadi nicht zu finden, da man sich einfach entlang des Flussbettes bewegen kann. Blieben noch Hüttengrundrisse, Gräber und andere Anzeichen von Aktivitätszentren wie Steine, mit denen Zelte befestigt oder Feuerstellen eingerichtet werden konnten. Nachweise dafür fand das Team aus allen Epochen, von mittelalterlichen Scherben bis hin zu zwei paläolithischen Werkstätten, in denen Urmenschen ihre Steingeräte zurecht gehauen haben. Insgesamt sei die Datierung schwierig, da Scherben oder Steine einfach verschoben werden konnten. "Deshalb hatten wir einen Geographen dabei, der genau sagen konnte, dass ein Stein nicht aus einer natürlichen Ursache heraus dort liegen konnte", erklärt Angelika Lohwasser, die seit dem Wintersemester in Münster lehrt.

Zehn Kilometer des rund 250 Kilometer langen Weges konnten bisher kartiert werden, eine mühsame Angelegenheit. "Dort ist es viel heißer als in Ägypten, bis zu 49 Grad", erzählt Angelika Lohwasser. "Immerhin konnten wir abends wieder in unser Grabungshaus zurück und den Luxus von frischem Obst und einer Dusche genießen." Wissenschaft an den Wurzeln eben ...


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Quelle:
wissen leben - Die Zeitung der WWU Münster, Nr. 3, 2. Juni 2010, S. 5
Herausgeberin:
Die Rektorin der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Dezember 2010