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MEMORIAL/081: 1943 - Blutige Rache für den Widerstand gegen die Okkupation Italiens (Gerhard Feldbauer)


Blutige Rache

Der Okkupation Italiens durch die Hitlerwehrmacht leisteten etwa 200.000 Soldaten und Offiziere Widerstand. Zehntausende von ihnen wurden nach der Gefangennahme ermordet.

von Gerhard Feldbauer, September 2013



Nach dem Sturz Mussolinis und einem Waffenstillstand Italiens mit den Alliierten besetzte die Hitlerwehrmacht am 8. September 1943 mit 30 Divisionen Nord und Mittelitalien und begann, die italienischen Streitkräfte zu entwaffnen. Etwa 200.000 italienische Soldaten und Offiziere, darunter Teile einer Armee und über zehn Divisionen widersetzten sich in Italien und sowie auf dem Balkan und Korsika in zum Teil über zwei Monate dauernden erbitterten Kämpfen der Entwaffnung.


Die zugesagte Landung der 82 US-Luftlandedivision bei Rom unterblieb

In Rom bezogen vier Divisionen Stellung gegen die deutschen Truppen. An ihrer Seite zogen bereits die ersten Kommunisten an der Porta San Paolo ins Gefecht. General Eisenhower, der Oberkommandierende im Mittelmeer, der versprochen hatte, zu ihrer Unterstützung die 82. US-Luftlandedivision abzusetzen, brach sein Versprechen und die Italiener stellten nach vier Tagen den Kampf ein. Die italienischen Kriegsschiffe liefen von verschiedenen Häfen nach Malta aus. Der Kommandant des Schlachtschiffes "Roma", Admiral Bergamini, weigerte sich auf der Höhe von Maddalena angesichts deutscher Luftangriffe zu kapitulieren und ging mit 1.500 Mann der Besatzung unter.


Die Insel Leros des Dodekanes zwei Monate gehalten

Den Flottenstützpunkt auf der Insel Leros des Dodekanes verteidigte die italienische Besatzung zusammen mit britischen Truppen bis zum 16. November und fügte den Wehrmachtstruppen schwere Verluste zu. Bis zum 22. November hielt die italienische Division "Cuneo" zusammen mit Briten und Griechen die griechische Insel Samos in der Ägäis, bevor sie sich auf das türkische Festland zurückzogen.

Nach der Kapitulation der Italiener nahm die Hitlerwehrmacht blutige Rache. Zusammen mit Feldmarschall Kesselring, dem Oberbefehlshaber im Mittelmeerraum, organisierte Feldmarschall Erwin Rommel, Befehlshaber der Heeresgruppe B in Italien, die blutigen Massaker. Kesselring befahl gegenüber den früheren Verbündeten "rücksichtsloses Vorgehen" und "gegen Verräter keine Schonung". Ein britisches Militärgericht verurteilte ihn nach dem Krieg unter anderem wegen der Kriegsverbrechen in Italien.


Feldmarschall Rommels kriegsverbrecherische Weisung

Rommel, der noch heute auf der Traditionsliste der Bundeswehr steht stand Kesselring in nichts nach. Er, von dem Goebbels sagte, "kaum ein General ist so durchdrungen von der Wichtigkeit des Propagandaeinsatzes", unterschrieb eine kriegsverbrecherische Weisung folgenden Inhalts: "Irgendwelche sentimentalen Hemmungen des deutschen Soldaten gegenüber Badogliohörigen Banden in der Uniform des ehemaligen Waffenkameraden sind völlig unangebracht. Wer von diesen gegen den deutschen Soldaten kämpft, hat jedes Anrecht auf Schonung verloren und ist mit der Härte zu behandeln, die dem Gesindel gebührt, das plötzlich seine Waffen gegen seinen Freund wendet. Diese Auffassung muss beschleunigt Allgemeingut aller deutschen Truppen werden."


Die Mordtaten der Gebirgsjägerdivision "Edelweiß" auf Kephallonia

Hunderttausende italienische Soldaten bezahlten ihren Widerstand gegen die Okkupation mit dem Tod oder der Deportation nach Deutschland. In Italien wurden 11.482 gefangene Soldaten und Offiziere ermordet, darunter fast alle Kommandeure, mehrere im Generalsrang. Besonders erbitterte Kämpfe fanden auf der griechischen Insel Kephallonia statt, wo die Infanteriedivision "Acqui" mehrere Tage die Angriffe der Wehrmachtstruppen immer wieder abwehrte. Erst den nach Kephallonia verschifften Einheiten der 1. Gebirgsjägerdivision "Edelweiß" gelang es mit massiver Luftunterstützung und überlegener Artillerie den Widerstand der geschwächten Italiener vom 20. bis 22. September zu brechen. In Gefangenschaft wurden danach von den Gebirgsjägern der Divisionskommandeur und 150 Offiziere sowie 4.750 Mann niedergemetzelt.


Offiziere vor versammelter Truppe enthauptet

Gerhard Schreiber, einer der renommiertesten deutschen Militärhistoriker, führte in seinem Buch "Deutsche Kriegsverbrechen in Italien" (München 1996) Beispiele an, wie die Weisungen Kesselrings und Rommels ausgeführt wurden. Der Kommandeur der Division Perugia, General Ernesto Chiminello, dessen Einheiten die süditalienische Hafenstadt Sarande verteidigt hatten, wurde mit 120 seiner Offiziere, nachdem sie den Kampf eingestellt hatten, bestialisch umgebracht. Nach Augenzeugenberichten enthauptete man zahlreiche Offiziere vor versammelter Truppe. Der vom Körper getrennte Kopf des Generals wurde wie eine "blutige Trophäe" zur Schau gestellt. 60 der ermordeten Offiziere seien in Säcke eingenäht und im Meer versenkt worden. Schreiber hält fest, dass "die Erschießung kriegsgefangener Offiziere sich nur als Mord bezeichnen lässt" und es sich "stets und zweifelsfrei um ein Verbrechen" handelte. Er verweist auf den internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg, der feststellte, die italienischen Truppen, die sich der Entwaffnung durch die Wehrmacht widersetzten, "erfüllten hinsichtlich ihres Status als Kriegführende alle Bedingungen der Haager Konvention". Als sich die über 600.000 in Gefangenschaft nach Deutschland verbrachten italienischen Soldaten überwiegend weigerten, in Mussolinis Salò-Republik an der Seite der Wehrmacht weiter zu kämpfen, wurden 30.000 von ihnen umgebracht und über 60.000 in Konzentrationslager verschleppt.


Vittorio Emanueles Tochter Marfalda von Savoyen ließ Hitler in Buchenwald umbringen

Der Terror des Hitlerfaschistischen Besatzungsregimes machte auch weiterhin vor italienischen Militärs und selbst Mitgliedern der Königsfamilie nicht halt. Zu den im März 1944 in den Ardeatinischen Höhlen bei Rom Ermordeten gehörten die Generale Simoni, Fenulli und Castaldi sowie der Oberst Montezemolo, die antifaschistische Positionen bezogen hatten. Um sich an Vittorio Emanuele zu rächen, ließ Hitler dessen Tochter Marfalda von Savoyen in die deutsche Botschaft in Rom locken und festnehmen. Sie wurde in das Konzentrationslager Buchenwald verschleppt, wo sie ums Leben kam.


Unbeschadet Karriere in der Bundeswehr fortgesetzt

Zahlreiche der als Kriegsverbrecher verurteilten oder daran beteiligten Wehrmachtsoffiziere konnten ihre Karriere unbeschadet in der Bundeswehr oder anderswo fortsetzen. Karl Wilhelm Thilo, erster Generalstabsoffizier der 1. Gebirgsdivision "Edelweiß", einem Eliteverband der Hitlerwehrmacht, der nach Gründung der Bundeswehr sofort unter demselben Namen übernommen wurde, schaffte es in der neuen Wehrmacht zum Drei-Sterne-General. Major Reinhold Klebe, unter dessen Kommando in Kephallonia, wie Schreiber in seinem Buch aufgrund der Quellenlage schlussfolgert, circa 400 Gefangene exekutiert wurden, brachte es in der Bundeswehr als Oberstleutnant bis zum Standortältesten von Mittenwald. In der Zeitschrift "Die Gebirgstruppe" konnte er den Einsatz in Kephallonia "als eine große Leistung deutscher Truppen im Gebirgskrieg" rühmen. Der kommandierende General des XXII. Gebirgsjägerkorps, zu dem die "Edelweiß"-Division gehörte, Hubert Lanz, wurde in Nürnberg als Kriegsverbrecher zu zwölf Jahren verurteilt, von denen er nur fünf verbüßte. Er wurde sicherheitspolitischer Berater der FDP. Wie unzählige in der Hitlerwehrmacht Verantwortliche für Kriegsverbrechen gingen auch die Gebirgsjäger straffrei aus. Zwar wurde gegen rund 300 Täter aus ihren Reihen ermittelt, aber schon 1972 sämtliche Verfahren eingestellt.

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Quelle:
© 2013 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2013