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MEMORIAL/146: Italien - Der Sturz der Monarchie im Referendum vom 2. Juni 1946 (Gerhard Feldbauer)


Der Sturz der Monarchie im Referendum vom 2. Juni 1946

Der letzte Sieg der Resistenza

von Gerhard Feldbauer, 28. Mai 2016


Nach dem Sieg über den Faschismus standen die Linken (Kommunisten, Sozialisten und die Aktionspartei - PdA) und bürgerliche Schichten, die mit ihnen gekämpft hatten, vor der Aufgabe, eine antifaschistische, antiimperialistische revolutionär-demokratische Umgestaltung einzuleiten, um die politischen und sozialökonomischen Grundlagen des Faschismus zu beseitigen. Eine zentrale Aufgabe war, die Monarchie, die zusammen mit Kapital und Klerus 1922 den Faschismus an die Macht gehievt und bis zum Sturz Mussolinis im Juli 1943 ein Träger war, zu stürzen.

Für einen sofortigen Übergang zum Sozialismus fehlte unter der Bevölkerung eine politisch überzeugte Mehrheit (subjektiver Faktor). Die IKP stellte folgerichtig keine sozialistischen Forderungen als Tagesaufgabe, forderte jedoch das Eigentum des Großkapitals und der Großagrarier durch Nationalisierungen und eine Agrarreform zu beschneiden. Der kommunistische Finanzminister Mauro Scoccimarro verlangte eine sofortige Währungsreform, eine progressive Besteuerung der Vermögen und eine außerordentliche für die Kriegsgewinne der Rüstungsunternehmen. Alle Reichtümer, die auf Funktionen innerhalb des faschistischen Regimes oder im Dienste der Deutschen zurückzuführen waren, sollten konfisziert werden. Mit der ISP, mit der die IKP seit 1934 durch ein Aktionseinheitsabkommen verbunden war, stimmte sie in diesen Fragen zunächst grundsätzlich überein. Allerdings wandte sich der Saragat-Flügel schon bald gegen diese enge Zusammenarbeit.


Die Umgruppierung der Klassenkräfte

Die führenden Kapitalkreise und das Königshaus lehnten die Forderungen der Arbeiterparteien ab. Es begann die Umgruppierung der Klassenkräfte. Aus einem Teil der Verbündeten im Kampf gegen Hitlerdeutschland - das waren vor allem großbürgerliche Kreise und Monarchisten - wurden in der neuen Etappe Gegner. Die Democrazia Cristiana (DC), nunmehr führende Partei der Großbourgeoisie, und in ihrem Schlepptau die Liberalen verlangten bereits im Mai 1945 von der Besatzungsmacht die Entwaffnung der Partisanenarmee. Die Forderung bezweckte, den örtlichen und regionalen Befreiungskomitees, welche in Norditalien die faktischen Machtorgane bildeten, ihre wichtigste Stütze zu nehmen. Mit ihrer Demission aus dem Kabinett zwangen Liberale und Christdemokraten den im Juni 1945 berufenen Regierungschef des PdA, Ferrucio Parri, im Dezember zum Rücktritt und setzten an seiner Stelle den USA-hörigen Alcide De Gasperi von der DC durch.

Im März 1946 fanden in 5.722 von insgesamt 7.294 Städten und Gemeinden Kommunalwahlen statt. Die DC erreichte etwa 50 Prozent, während IKP und ISP auf 40 kamen. Die restlichen etwa zehn Prozent entfielen vor allem auf die Liberalen und die faschistische Sammlungsbewegung Uòmo Qualunque (Jedermann), die, geduldet von der Besatzungsmacht, bereits im August 1945 als "parteienunabhängig" an die Öffentlichkeit treten konnte. Damit war es nicht gelungen, den Einfluss der Linken entscheidend zurückzudrängen.

Nach den Kommunalwahlen setzten scharfe Auseinandersetzungen über die Staatsform ein, das hieß über die Beseitigung der Monarchie. Nach einer Vereinbarung der antifaschistischen Einheitsregierung vom Juni 1944 sollte darüber die Verfassungsgebende Versammlung entscheiden. De Gasperi versuchte zunächst, die Wahlen zur Konstituente hinausschieben, damit die konservativen und reaktionären Kräfte wieder festen Fuß fassen konnten, um dann eine Abstimmung über die Monarchie scheitern zu lassen. Als das fehlschlug, setzte er darüber für den 2. Juni ein Referendum und gleichzeitig Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung an. Gegen das Referendum begannen die Monarchisten, unterstützt von Faschisten und Pius XII., eine wütende Hetze. Mit der Ausrufung des Prinzregenten zum König Umberto II. am 9. Mai wurde das ebenfalls im Juni 1944 geschlossene Abkommen über dessen Statthalterschaft gebrochen. Kommunisten und Sozialisten orientierten auf das Referendum, während die DC diese Frage offen ließ und sich darauf konzentrierte, die meisten Sitze in der Konstituente zu erringen. Die Liberalen sprachen sich für die Beibehaltung der Monarchie als auch vorfaschistischer Staatsstrukturen aus.


DC neue Massenpartei der Großbourgeoisie

Im Referendum erzielten die an den Zielen der Resistenza festhaltenden Kräfte mit 12.717.923 Stimmen für die Republik (54,3 Prozent) ihren letzten Sieg. Immerhin sprachen sich 45,7 Prozent, das waren 10.719.284 Wähler, für die Monarchie aus, darunter, wie Wahlanalysen belegten, ein Großteil Anhänger der DC. 1.509.735 Stimmen waren ungültig. Bei den Wahlen zu Verfassungsgebenden Versammlung erreichten die DC 35,2, die ISP 20,7 und die IKP 18,9 Prozent. Der PdA, der im antifaschistischen Widerstand eine aktive Rolle gespielt hatte, nur 1,5 Prozent. Er löste sich im Herbst 1946 auf. Ein Teil der Mitglieder ging zur ISP, andere zu den Republikanern. Die zur Wahl zugelassene faschistische Uòmo-Qualunque-Bewegung kam auf 5,3 Prozent. 7,8 Prozent Stimmen waren ungültig. Die restlichen Stimmen entfielen auf zehn kleinere Parteien. Das Wahlergebnis für die DC verdeutlichte, dass die Großbourgeoisie über eine neue Massenpartei verfügte.


Savoyer des Landes verwiesen

Umberto weigerte sich, die Niederlage anzuerkennen. Monarchisten und Faschisten entfesselten vor allem im Süden, wo unter den zum Teil noch halbfeudalen Verhältnissen und des kaum von Faschisten gesäuberten Staatsapparates eine Mehrheit für das Königshaus gestimmt hatte, blutige Auseinandersetzungen, um wegen angeblicher "Unregelmäßigkeiten" eine Annullierung der Referendumsergebnisse durchzusetzen. Als Kommunisten und Sozialisten Massendemonstrationen für die Republik organisierten, floh Umberto ins faschistische Spanien, von wo aus er weiter gegen die Republik hetzte. Als die Königsfamilie und ihre Anhänger bei ihrer feindseligen Haltung gegenüber der Republik blieben, wurden sie des Landes verwiesen und in der Verfassung für die männlichen Savoyer ein Rückkehrverbot festgeschrieben. Im Bündnis mit den Faschisten gehörten die Monarchisten weiterhin zur äußersten Reaktion und zu den Feinden der verfassungsmäßigen Ordnung.

Die mit dem Referendum erfolgte Proklamation der Republik Italien wurde neben dem Sieg über den Faschismus mit dem bewaffneten Aufstand am 25. April 1945 zum Staatsfeiertag erklärt. Die Verfassungsgebende Versammlung trat am 25. Juni 1946 zu ihrer ersten Sitzung zusammen, um die Verfassung der Republik auszuarbeiten.

Quelle: Ricostruiere. Resoconto del Congesso economico del PCI. Rom 1948. 



Die Offensive des Imperialismus

Schon zu Beginn des Jahres 1946, als die Offensive gegen den Frieden und die Demokratie noch nicht in allen Einzelheiten zu erkennen war, machten sich gewisse Vorzeichen bemerkbar, daß die aggressive Politik der anglo-amerikanischen Imperialisten aktiver wurde. Zuerst eine unverhüllte Pressekampagne gegen die Sowjetunion, dann die Einschüchterungspropaganda um die Atombombe und schließlich die Rede Churchills am 5. März 1946 in Fulton (USA), die eine unverhüllte Aufreizung zum Krieg gegen die Sowjetunion und gegen den Kommunismus darstellte...

Beunruhigt durch den Verlauf der Kommunalwahlen, begannen die monarchistischen Kräfte eine intensive Tätigkeit zu entfalten, um die Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung zu hintertreiben oder hinauszuzögern...

Nach monatelangem Schwanken sprach sich die Christlich-Demokratische Partei auf ihrem Parteitag für die Republik aus und veröffentlichte ihr Wahlprogramm, in dem sie, wenn auch nur in allgemeinen Umrissen, einige strukturelle Reformen der italienischen Wirtschaft verhieß. In Wirklichkeit jedoch setzte sich die Partei in ihrer Wahlpropaganda je nach den Umständen bald für die Monarchie, bald für die Republik ein. Immer aber war sie sich einig in ihren Angriffen und Verleumdungen gegen die Kommunisten...

Die Sozialistische Partei machte während des Wahlkampfes eine innere Krise durch und wurde von tiefen Widersprüchen zerrissen, da die von Saragat geführte Richtung auf dem Parteitag im April 1946 eine offen antikommunistische und arbeiterfeindliche Haltung einnahm...

Quelle: Il partito comunista italiano. Edizione PCI 1950.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Mai 2016

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