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WISSENSCHAFT/080: "Isis" - Wie eine Wissenschaftszeitung zum Bestseller wird (idw)


Friedrich-Schiller-Universität Jena - 08.10.2009

Wie eine Wissenschaftszeitung zum Bestseller wird

Wissenschaftshistoriker der Universität Jena arbeiten Briefwechsel zwischen Verleger Friedrich Arnold Brockhaus und Lorenz Oken auf
DFG unterstützt Forschungsprojekt

Jena (08.10.09) Sensationen, Klatsch und Tratsch sowie eine gehörige Portion Prominenz - das ist das Erfolgsrezept vieler auflagenstarker Zeitungen und Zeitschriften von heute. Dabei ist die Erkenntnis, wie sich eine hohe Auflage verkaufen lässt, nicht neu: Schon vor rund 200 Jahren setzte der Verleger Friedrich Arnold Brockhaus auf eine Mischung aus Polemik und Politik, brisanten Themen und enzyklopädischen Inhalten, um die neu gegründete naturwissenschaftliche Zeitschrift "Isis" an ein möglichst breites Publikum zu bringen. "Damit versuchte sich Brockhaus gegenüber dem Initiator und Herausgeber der 'Isis', dem Naturforscher Lorenz Oken, durchzusetzen", weiß Prof. Dr. Dr. Olaf Breidbach von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. "Oken wollte hauptsächlich wissenschaftliche, insbesondere naturhistorische Themen verbreiten", macht der Wissenschaftshistoriker deutlich. Der Erfolg gab Brockhaus anfangs Recht: Die "Isis" entwickelte sich ihrer Auflagenhöhe nach zur "GEO des 19. Jahrhunderts", bevor die Verschärfung der Pressezensur im Zuge der Karlsbader Beschlüsse einen empfindlichen Auflagenrückgang verursachte.

Der Erfolgsgeschichte der "Isis" wollen Wissenschaftshistoriker der Jenaer Universität in den kommenden zwei Jahren mit einem neuen Forschungsprojekt nachgehen. "Nachdem in der ersten Projektphase der publizistische - weniger der wirtschaftliche - Erfolg der "Isis" im Mittelpunkt stand, liegt das Augenmerk des aktuellen Forschungsprojekts auf der Edition, Kommentierung und Analyse der Korrespondenz zwischen Lorenz Oken und seinem Leipziger Verleger Brockhaus", macht Projektleiter Breidbach deutlich. Das Forschungsvorhaben wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

Anhand des umfangreichen Briefwechsels zwischen Oken und Brockhaus aus den Jahren 1814 bis 1850 wollen die Jenaer Forscher die Verleger- und Herausgeberstrategien analysieren. "Uns interessiert, welche Rolle die 'Isis' im Hinblick auf die Popularisierung und Kommerzialisierung der Naturwissenschaften und die Herausbildung eines neuen wissenschaftlich interessierten Lesepublikums gespielt hat", sagt Dr. Claudia Taszus, die das Projekt bearbeiten wird.

Die "Isis", die 1816 erstmals erschien, war die erste fachübergreifende naturwissenschaftliche Zeitschrift im deutschsprachigen Raum. Der Naturforscher und Naturphilosoph Lorenz Oken - zu diesem Zeitpunkt Professor an der Jenaer Universität - gab sie mit dem Ziel heraus, Naturwissenschaften zu popularisieren. "Das Ziel, Wissenschaft für jedermann auch unabhängig von einem Studium an einer Universität zugänglich zu machen, teilte Brockhaus mit Oken", so Dr. Taszus. Der Verleger war zu Beginn des 19. Jahrhunderts gerade dabei, den Buchmarkt mit seinem "Conversations-Lexicon" zu revolutionieren.

232 Briefe von Lorenz Oken an seinen Verleger und etwa 50 Briefregesten von Brockhaus an Oken hat Dr. Taszus im umfangreichen Brockhaus-Nachlass des Sächsischen Staatsarchivs Leipzig eruiert. "Der Briefwechsel spiegelt die personellen Verflechtungen wider, in die Oken vor allem über die ,Isis' und die von ihm mitbegründeten Versammlungen Deutscher Naturforscher und Ärzte eingebunden ist", sagt Dr. Taszus. In den kommenden zwei Jahren wird sie u. a. der Frage nachgehen, ob und inwieweit Brockhaus diese Netzwerke für sich explizit aufbaute und so Popularisierung und Kommerzialisierung des Wissens durch die "Isis" und ihren Herausgeber in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vorantrieb. Außerdem möchte sie die Rahmenbedingungen und äußeren Einflüsse für die Produktion, Distribution und Rezeption wissenschaftlicher Literatur - einschließlich der Zensur - untersuchen.

Weitere Informationen unter:
http://www.uni-jena.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Friedrich-Schiller-Universität Jena, Dr. Ute Schönfelder, 08.10.2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2009