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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/292: Iran-Report Nr. 5 - Mai 2013


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 5 - Mai 2013
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand



Der Konflikt um das iranische Atomprogramm, die Wahlfälschung vom Juni 2009, die Verfolgung der Opposition und die Verletzung der Menschenrechte sind einige der wiederkehrenden Themen des Iran-Reports. Er wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus, auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter. Der Iran-Report wird einem breiten Interessentenkreis aus Politik, Wissenschaft und Medien zur Verfügung gestellt.

INNENPOLITIK

• Wahlen
• Keine "kollektive Vernunft" in der Regierung Ahmadinedschad
• Kandidaten der Konservativen
• Kandidaten der Reformer
• Chatami lehnt Kandidatur ab, aber nicht eindeutig
• Auch Rafsandschani will nicht kandidieren
• Sicherheitsmaßnahmen für die Wahl
• Kundgebung des Präsidenten
• Mehr als zwei Millionen Drogenkonsumenten
• Verhaftungswelle in der Provinz Chusestan
• Doppel so viele Zuschauer als im Vorjahr


WAHLEN
KEINE "KOLLEKTIVE VERNUNFT" IN DER REGIERUNG AHMADINEDSCHAD

Der Vizepräsident des iranischen Parlaments, Mohammad Resa Bahonar, sagte auf einer Pressekonferenz in der Stadt Chorramabad, in der Regierung Ahmadinedschad habe es keine "kollektive Vernunft" gegeben. Bahonar, der möglicherweise von den Konservativen als Spitzenkandidat für die Präsidentenwahl aufgestellt werden wird, übte scharfe Kritik an der amtierenden Regierung. Er sagte: "Man kann die gegenwärtigen Probleme der Wirtschaft nicht allein auf die Sanktionen zurückführen. Ein Großteil der Probleme, das heißt mehr als 60 Prozent, sind hausgemacht."

Eine besondere Parole habe er für den Wahlkampf nicht, sagte Bahonar. Da aber während der achtjährigen Regierung Ahmadinedschad genauso viele Minister und Staatssekretäre entlassen worden seien wie in acht vergangenen Amtsperioden, wolle er im Falle eines Sieges all jene, denen "Unrecht widerfahren ist" wieder beschäftigen.


KANDIDATEN DER KONSERVATIVEN

Unter den Konservativen haben sich bislang zwei Kandidatenlisten gebildet, eine, die sich "Koalition der drei" nennt, an der der frühere Außenminister und derzeitige außenpolitische Berater des Revolutionsführers, Ali Akbar Welayati, der Bürgermeister von Teheran, Mohammd Ali Ghalibaf und der Parlamentsabgeordnete Haddad Adel teilnehmen. An der zweiten Koalition ("Koalition der fünf") nehmen neben Bahonar der frühere Außenminister Manuchehr Mottaki, Jahja Al Eshagh, Vorsitzender der Handels- und Industriekammer, Mostafa Purmohammadi, früherer Innenminister und Mohammad Hossein Abutorabifard, früherer Vizepräsident des Parlaments, teil. Beide Listen wollen bis zum Datum der offiziellen Registrierung der Bewerber gemeinsam Wahlkampf führen. Danach werden sie als endgültigen Kandidaten jeweils einen aus ihrer Mitte wählen. Der Versuch, zwischen beiden Listen Einigkeit herzustellen, um schließlich einen Kandidaten zu wählen, der dann von der gesamten Fraktion der Konservativen unterstützt wird, ist bislang gescheitert. Daher befürchten die Konservativen, dass ihre Wähler sich spalten und deren Stimmen auf zwei oder mehrere Kandidaten verteilt werden, die dann nicht ausreichend Stimmen erhalten, um mit Kandidaten aus anderen Lagern konkurrieren zu können. Die Konservativen stehen nach eigenem Bekenntnis voll und ganz hinter Revolutionsführer Chamenei. So sagte Welayati am 7. April den Journalisten, die "Koalition der drei" werde sich voll und ganz den Ansichten des Revolutionsführers unterordnen. Die drei würden die "mächtigste Regierung seit der Revolution" bilden. Die Koalition werde Experten für Wirtschaft, Kultur, Politik und Soziales präsentieren, um die Wähler zu überzeugen, dass sie nicht nur eine Person, sondern eine starke Regierung wählen.

Die anderen Fraktionen, die Gruppe um Ahmadinedschad und die Reformer, halten sich weiterhin bedeckt. Politische Beobachter gehen davon aus, dass Ahmadinedschad, der selbst nach zweimaliger Amtszeit nicht wieder gewählt werden kann, seinen engsten Berater Rahim Maschai durchsetzen möchte, um nach vier Jahren wieder das Ruder übernehmen zu können.


KANDIDATEN DER REFORMER

Noch herrscht Rätselraten darüber, ob die ehemaligen Staatspräsidenten Mohammad Chatami oder Haschemi Rafsandschani für das Amt des Präsidenten kandidieren werden. Wie die Internetseite Baztab am 16. April berichtete, zeigt eine aktuelle Umfrage, dass die beiden genannten Politiker im Falle ihrer Kandidatur im Vergleich zu den Kandidaten der Konservativen weit mehr Stimmen erhalten würden.

Der Umfrage nach, die landesweit, die Hauptstadt Teheran ausgenommen, durchgeführt wurde, würde Chatemi 20 Prozent und Rafsandschani 15 Prozent der Stimmen erhalten. Die Kandidaten der Konservativen erhielten demnach weit weniger Stimmen. Ghalibaf läge bei 10 Prozent, Parlamentspräsident Ali Laridschani bei 8 Prozent, Welayati bei 7,5 Prozent und der frühere Kommandant der Revolutionswächter, Mohsen Resai, bei 7,2 Prozent. Der mögliche Kandidat der Regierung, Rahim Maschai, würde nur 4 Prozent der Stimmen für sich verbuchen können. Wer die Umfrage durchgeführt hat und wie viele Personen befragt wurden, teilt der Bericht nicht mit. Berücksichtigt werden muss zudem, dass die Reformer in Teheran sicherlich über weitaus mehr Stimmen verfügen als in der Provinz.


CHATAMI LEHNT KANDIDATUR AB, ABER NICHT EINDEUTIG

Nach langem Zögern hat Ex-Präsident Mohammad Chatami, der von seinen Anhängern immer mehr zur Teilnahme an der Wahl gedrängt wurde, in einer wichtigen Stellungnahme seine Kandidatur abgelehnt. Doch die Ablehnung ist nicht eindeutig, denn die Gründe, die er nennt, scheinen eher als Herausforderung der Gegenseite gedacht zu sein. Die Internetseite Bahar News veröffentlichte am 20. April die Rede Chatamis vor einer Versammlung von Kriegsveteranen, aus der wir im Folgenden zitieren.

Zunächst betonte Chatami seine Loyalität gegenüber der Staatsordnung und der Verfassung der Islamischen Republik. "Von dem, der Staatspräsident wird, kann man nicht erwarten, dass er sich gegen die Staatsordnung stellt", sagte er. Natürlich sei es jedem erlaubt, die Verfassung zu kritisieren. Aber sie bilde die Basis des Staates. Zu den Grundsätzen der Verfassung gehöre das System des Welayat-e fagieh (Herrschaft der Geistlichkeit). "Daran müssen wir alle festhalten." Doch zugleich gebe es einen weiteren Grundsatz, der besagt, dass alle Angelegenheiten des Staates durch Wahlen bestimmt werden. Der Staatspräsident habe die Aufgabe, Gesetze und Beschlüsse der Volksvertretung durchzusetzen und zugleich Kontrolle auszuüben, um Gesetzesübertretungen zu verhindern.

"Unser Hauptproblem besteht darin, dass die Gesetze in allen Bereichen missachtet werden", sagte Chatami. "Es wäre gut, wenn es ein Verfassungsgericht mit unabhängigen, erfahrenen Juristen gäbe, die all jene, die die Gesetze missachten, bestrafen würde."

"Unser Land ist mit Drohungen und Druck aus dem Ausland konfrontiert und befindet sich international in der Isolation. Unser Weg ist klar. Wir müssen der Welt mit Kompromissbereitschaft gegenüber treten, aber zugleich an unseren nationalen Interessen und Werten festhalten", sagte Chatami. Während seiner Präsidentschaft sei zum ersten Mal die iranische Atomtechnologie offiziell anerkannt worden. "Wir haben damals die Welt nicht provoziert, haben Milliarden Dollar ausgegeben, um internationales Vertrauen herzustellen."... "Heute ist abgesehen von den wirtschaftlichen, politischen und außenpolitischen Krisen, die eine schwere Belastung darstellen, das Fehlen des gegenseitigen Vertrauens ein großes Problem. Die besten, fähigsten Leid tragenden Persönlichkeiten unseres Landes befinden sich im Gefängnis. Das Verderben hat sich überall im Land verbreitet. Die Basis der Wirtschaft ist stark beschädigt. Die Planorganisation, das schlagende Herz für Planung und Entwicklung, wurde entmachtet."

"Wir müssen alle Kräfte geballt einsetzen, um aus dieser Krise herauszukommen. Das Land kann nicht mehr von einer Fraktion monopolistisch regiert werden. Warum sitzen heute die besten jungen Menschen unter merkwürdigen Vorwänden im Gefängnis? Warum befinden sich Mussavi und Karrubi (zwei führende Politiker der Grünen Bewegung) im Hausarrest? Ich habe bereits meine Bedingungen für freie und gesunde Wahlen genannt. Als ein Bürger dieses Landes erkläre ich, dass freie und korrekte Wahlen die Freilassung der politischen Gefangenen, Aufhebung der polizeistaatlichen Atmosphäre, Offenheit und ... voraussetzen."

"Lügen und Denunzierungen sind weit verbreitet. Man unterstellt uns Zusammenarbeit mit dem CIA, Mossad und dergleichen mehr. Es gibt keine Möglichkeit zur Selbstverteidigung. Stellt uns doch vor ein unabhängiges Gericht, damit sich die Wahrheit herausstellt."

"Sachverständige und Professoren haben in einem Bericht festgestellt, dass wir erst einmal vier Jahre brauchen würden, um den Nullpunkt des Entwicklungsplans zu erreichen. Das bedeutet, dass die Inflation nicht schon morgen auf eine einstellige Zahl sinken kann, neue Arbeitsplätze nicht explosionsartig entstehen werden und unsere außenpolitischen Probleme sich nicht so leicht lösen lassen. Selbst wenn alle Kräfte gemeinsam arbeiten würden, darf man kein Wunder erwarten."

"Es waren die politischen und polizeistaatlichen Maßnahmen, die uns in diese Katastrophe geführt haben. Wenn diese aufgehoben werden würden, könnte man die Arbeit beginnen, wenn nicht, ist jede Hoffnung auf Besserung aussichtslos. Ich sehe kein Zeichen des Willens nach Veränderung. Wenn es kleinste Zeichen gäbe, könnte man sich überlegen, ob man zur Wahl antreten sollte. Die gibt es aber leider nicht."

"Nun aber zu den Hoffnungen, die geweckt worden sind. Tatsache ist, dass man uns ohnehin nicht auf die Bühne lassen wird. Das Gerede, es werde eine neue Entwicklung und dergleichen mehr geben, ist wohl ein Witz. Selbst wenn es wahr wäre und ich kandidieren würde, würde dies die Befürchtungen der Gegenseite verstärken. Die Zeche dafür würdet ihr zahlen müssen. Man wird es nicht dulden, dass Leute wie ich die Regierung übernehmen. Wie könnte man, wenn sie es nicht wollen und die Arbeit zu behindern versuchen, das Land regieren und erst recht die brennenden Probleme lösen? Wir wären bereit, die Lasten zu tragen, wenn die Lage besser, aber nicht, wenn sie noch schlimmer werden würde."

"Wenn ich antreten soll, müssten meine Rahmenbedingungen akzeptiert werden. Ich würde natürlich im Rahmen der Verfassung und im Einklang mit dem Revolutionsführer arbeiten. Das gehört zu meinen Prinzipien. Aber wenn sie nicht wollen, dass ich die Regierung übernehme, werden sie alle Instanzen gegen mich mobilisieren. Ich bin zu jedem Opfer bereit, um meine Dienste zu leisten. Doch alles deutet darauf hin, dass sie es nicht wollen und es auch nicht zulassen würden. Daher bin ich der Meinung, dass es besser wäre, eine fähige Person zu unterstützen, der weniger Widerstand erregt und daher besser arbeiten könnte", sagte Chatami.


AUCH RAFSANDSCHANI WILL NICHT KANDIDIEREN

Es gibt eine unbestätigte Stellungnahme von Rafsandschani, die von der der Opposition nahe stehenden Webseite Saham News am 16. April veröffentlicht wurde. Diesem Bericht zufolge soll Rafsandschani bei einem Treffen mit einigen Provinzgouverneuren, die ihn zu kandidieren aufgefordert haben, erklärt haben, er werde nicht kandidieren, weil er nicht mehr das Vertrauen des Revolutionsführers genieße. Zudem habe er nach einem längeren Gespräch mit Chamenei festgestellt, dass der Revolutionsführer nicht an die Existenz von großen Problemen im Land glaube. Da er (Rafsandschani) aber der Meinung sei, dass die Probleme sich ohne Unterstützung des Revolutionsführers nicht lösen ließen, sei er nicht bereit, für das Amt des Präsidenten zu kandidieren.

Dem Bericht zufolge übte Rafsandschani auch scharfe Kritik an der Organisation der Revolutionswächter (Pasdaran). "Wir haben damals nach dem Krieg (iranisch-irakischer Krieg 1980-1988) die Pasdaran zum Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur des Landes eingesetzt. Das war sowohl für die Pasdaran gut als auch für das Land. Aber jetzt haben die Pasdaran sowohl die gesamte Wirtschaft als auch die Außen- und Innenpolitik des Landes unter ihre Kontrolle gebracht und sind mit nicht weniger zufrieden, als mit der Herrschaft über das ganze Land", sagte der Ex-Staatspräsident.

Am 17. April kam ein Dementi aus dem Büro Rafsandschanis. Rafsandschani sei nicht korrekt zitiert worden, hieß es. Daraufhin erklärte Saham News, die Zitate seien von zwei anderen Quellen bestätigt worden. Sie bleibe bei dem Bericht. Die Webseite würde niemals so brisante Zitate veröffentlichen, ohne sicher zu sein.

Es ist nicht das erste Mal, dass Politiker in Iran bewusst etwas lancieren lassen und sich später davon distanzieren. So wie bei Chatami ist auch bei Rafsandschani in der Ablehnung ein Zögern zu spüren. Die endgültige Entscheidung über eine Kandidatur Rafsandschanis sowie die der anderen möglichen Bewerber wird sich erst in der Zeit der Registrierung, vom 7. bis 11. Mai herausstellen.

Bemerkenswert bei dem gegenwärtigen Wahlkampf ist, dass potentielle Bewerber selten ihr Programm vorstellen und Wege zur Lösung der Probleme aufzeigen, obwohl eine aktuelle Umfrage des staatlichen Fernsehens zeigt, dass die Wähler in erster Linie an einem Programm der Kandidaten interessiert sind. Bei der Umfrage, deren Ergebnis am 15. April bekannt gegeben wurde, erklärte 60 Prozent der 345.000 Befragten, für sie sei das Programm der Kandidaten für ihre Entscheidung ausschlaggebend. Für 145000 der Befragten stehen die Vergangenheit der Kandidaten an zweiter Stelle und sein Team an dritter Stelle.


SICHERHEITSMAßNAHMEN FÜR DIE WAHL

General Said Montazer al Mahdi, Vizechef der Ordnungskräfte, gab am 16. April die "Bildung eines Stützpunktes für die Sicherheit der Wahlen" bekannt. Ziel der Maßnahme sei die "vollständige Sicherheit" zur Durchführung der Präsidenten- und Kommunalwahlen am 14. Juni zu gewährleisten, sagte al Mahdi. Dabei gehe es vor allem auch darum, "sämtliche Satelliten- und Internetnetze, feindliche Webseiten und Sozialnetze" unter Kontrolle zu halten.

Alle Wahlveranstaltungen müssten vom Innenministerium genehmigt werden, daher "müssen Gruppen und Parteien unaufgefordert die Genehmigung vorzeigen, damit die Polizei ihnen die Durchführung der Veranstaltung erlaubt". Die Wahlen im Juni sind die ersten nach den großen Protestdemonstrationen von 2009 gegen die Wiederwahl von Präsident Ahmadinedschad, die monatelang andauerten. Mehrere verantwortliche Politiker und Militärs haben vor möglichen Unruhen bei den kommenden Wahlen gewarnt.

Am 22. April erklärte der Oberkommandierende der iranischen Streitkräfte, General Hassan Firuzabadi, die Streitkräfte seien vorbereitet, um jeden Verschwörungsversuch bei den Wahlen zu vereiteln. "Unsere bewaffneten Kräfte sind erfahren genug. Sie haben bereits 2009 im Umgang mit Verschwörungen Erfahrungen gesammelt und sind in der Lage, Gefahren zu begegnen", sagte der General. Obwohl die Streitkräfte nicht ausreichend politisch geschult seien, um die Lage analysieren zu können oder "die Lösung der Probleme der Zeit zu überlassen", fühlten sie sich verpflichtet, jederzeit einsatzfähig zu sein und jeden Ort, an dem sich etwas ereignen könnte, unter Kontrolle zu haben.


KUNDGEBUNG DES PRÄSIDENTEN

Eine Großkundgebung, an der nach Ankündigung von Präsident Ahmadinedschad mehr als 100.000 Personen teilnehmen sollten, fand am 18. April im Fußballstadion Azadi (Freiheit) statt. Busse, Eisenbahnen und Lastwagen haben zehntausende Regierungsbeamte und -angestellte in die Hauptstadt gebracht. Offiziell war die Kundgebung als Dank für die Arbeit gedacht, die Regierungsmitarbeiter geleistet hatten, damit die Menschen im Land in den zweiwöchigen Feiertagen zum iranischen Neujahr zu ihren Familien reisen konnten. Doch nach Meinung der politischen Beobachter sollte die Kundgebung zu einer Wahlveranstaltung für den Wunschkandidaten des Präsidenten, Esfandiar Rahim Maschai, für die Präsidentenwahl im Juni werden. Da aber im Vorfeld viel Kritik laut wurde und dem Präsidenten vorgeworfen wurde, Staatsgeldern für eigene Zwecke zu missbrauchen, wurde kurzerhand die Parole: "Ja zum Revolutionsführer" für die Kundgebung ausgegeben, womit die Kritiker zum Schweigen gebracht wurden.

Am Ende sind laut IRNA rund 70.000 Menschen zu der Kundgebung erschienen. Zur Unterhaltung des Publikums wurden Volkstänze verschiedener iranischer Ethnien aufgeführt, womit demonstriert werden sollte, wie groß der Wert ist, den Ahmadinedschad ethnischen Minderheit im iranischen Vielvölkerstaat beimisst. Die Wahlen blieben in der Rede des Präsidenten unerwähnt und Maschai blieb wider Erwarten der Veranstaltung fern. Dennoch konnte es niemandem verborgen bleiben, dass der Präsident mit der Feier seine Massenbasis zur Schau stellen und Macht demonstrieren wollte.

Am selben Tag, dem so genannten Tag der Armee, sagte Ahmadinedschad während einer Militärparade im staatlichen Fernsehen, Iran sei nun militärisch so stark und in der Lage, den militärischen Drohungen von Weltmächten ohne Furcht erfolgreich Widerstand zu leisten. Die Macht des iranischen Militärs sei auf einem Niveau, auf dem die Nation niemals mehr die bittere Erfahrung der Niederlage machen würde. Auf der anderen Seite sei Iran immer für den Frieden und Erhalt der regionalen Sicherheit gewesen und "bietet daher seine volle Kooperation in dieser Hinsicht an".

Ahmadinedschad kritisierte die Entsendung ausländischer Streitkräfte an den Persischen Golf und in die Straße von Hormos als einen der Hauptgründe für regionale Spannungen und Unsicherheiten. Zugleich rief er die Nachbarstaaten auf, selbst für die regionale Sicherheit zu sorgen.

Am 20. April begab sich der Präsident wieder einmal auf eine Reise durch die Provinz. Diese Reisen durch das Land, die von keinem seiner Vorgänger so ungewöhnlich oft stattfanden, dienten in erster Linie der Verbreitung seiner Basis. Dabei verteilte er unter den Armen Almosen, die natürlich aus der Staatskasse bezahlt wurden. Zudem boten ihm die veranstalteten Massenkundgebungen eine Bühne zur Propagierung seiner Botschaften an seine Rivalen im Inland sowie zur Stellungnahmen zu außenpolitischen Fragen. Doch diese wohl letzte Reise während seiner zu Ende gehenden Amtszeit wird von politischen Beobachtern als Teil seines spektakulären Wahlkampfs zu Gunsten seines Wunschkandidaten Maschai betrachtet.

Bei einer Kundgebung in der südwestlich gelegenen Provinz Chusistan am 22. April sagte Ahmadinedschad, es sei ihm bestellt worden, sollte er sich zuviel herausnehmen, werde man es ihm bald heimzahlen. Wer ihm die Botschaft geschickt habe und wer der Überbringer war, sagte er nicht. "Wir werden bis zum Ende unseres Lebens der Gerechtigkeit, der Revolution, dem Volk und den Nachfolgern des Propheten dienen", sagte er. "Tausende Ahmadinedschads können für einen Tropfen Gerechtigkeit und für ein Haar des Volkes geopfert werden", zitierte ihn die Agentur ISNA am 22. April

"Wir müssen einen Staat nach dem Vorbild des vom Propheten Ali regierten Gemeinwesens auf die Beine stellen, in dem Gerechtigkeit, Wohlstand und Entwicklung herrschen", fuhr Ahmadinedschad fort. Er werde gefragt, warum er am Ende seiner Amtszeit noch herumreise. "Gibt es denn einen Unterschied zwischen Anfang und Ende der Amtszeit?", fragte er. "Sie sagen, sie werden es mir heimzahlen. Wie viele seid ihr, dass ihr es wagt, euch mit dem Volk anzulegen? Nichtig seid ihr. Das iranische Volk hat nicht einmal vor den Supermächten kapituliert, sondern ihnen im Gegenteil ins Gesicht geschlagen, und das wird es wieder tun. Ihr seid nicht einmal der Rede wert. Wenn wir nur einen Zipfel eurer Akten lüften würden, könntet ihr euch nicht mehr unter dem Volk blicken lassen."

"Wir müssen einen idealen iranischen Staat aufbauen, uns weiterentwickeln und die Fahne der Gerechtigkeit und des Glaubens muss immer gehisst sein, sonst werden die Mächte des Verderbens alle verschlingen. Die Welt wartet auf ein Vorbild und eine Stütze. Iran muss diese Stütze werden." An die Feinde gerichtet sagte der Präsident: "Ihr seid bei allem, was ihr unternommen habt, gründlich gescheitert. Ihr und eure verderblichen Nachfolger könnt den Fortschritt nicht aufhalten. Wir müssen mit Hilfe von Arbeit und Fleiß die Einheit des Volkes herstellen. Das Volk wird auf seine Rechte nicht verzichten und euch in den Mülleimer der Geschichte werfen."

Weiter sagte Ahmadinedschad: "Wir stehen noch am Anfang unseres Wegs. Immer wenn es einen Fortschritt gab, wurde euer Geschrei laut. Merkt euch gut, Recht und Gerechtigkeit bahnen sich ihren Weg. Wir haben mehrere tausend Jahre Geschichte und zahlreiche Ereignisse hinter uns. Die Feinde des Volkes landeten immer wieder in den Mülleimern. Übrig geblieben ist das Volk. Wir sind stolz auf dieses Volk."

Iran sei ein reiches Land, sagte der Präsident und dieser Reichtum müsse im ganzen Land gerecht verteilt werden. Alle müssten die Chance zum Fortschritt erhalten. Der Reichtum gehöre dem Volk, das Volk selbst müsse die Wirtschaft verwalten. "Es geht nicht, dass einige sich als Herren wähnen und glauben, das Volk sei nur dazu da, um ihnen zu dienen. Manche glauben mit der Revolution und der Gründung der Islamischen Republik sei alles getan. Dabei stehen wir erst am Anfang unseres Wegs. Wir müssen das Land aufbauen. Es genügt nicht, wenn wir zum Beispiel den Koran lesen, dem Freitagsprediger zuhören und einen gläubigen Präsidenten haben. Wir stehen auf der ersten Stufe unserer Entwicklung und wir müssen eine Gesellschaft aufbauen, in der Ungleichheiten vollständig beseitigt sind und das Verderben verbannt worden ist. Die Islamische Republik ist gegründet worden, damit über das Unrecht sowohl im Inland als auch international nicht geschwiegen wird. Manche werfen uns vor, wir würden mit unseren Äußerungen die Ansprüche der Bevölkerung hochschrauben. Ich bin Staatspräsident geworden, um dem Volk das Recht zu geben, das ihm zusteht, damit über Ungerechtigkeit und Verderben nicht mehr geschwiegen wird."

Auf der Rednertribüne stand neben dem Präsidenten Maschai mit der iranischen Fahne in der Hand. Die Kundgebungsteilnehmer forderten ihn auf, auch eine Rede zu halten, was er tat, während Ahmadinedschad hinter seinem Rücken stand.

Die Rede Ahmadinedschads hat ihm viel Kritik eingebracht. Der Oberkommandierende der iranischen Streitkräfte, Hassan Firuzabadi, bezeichnete die Äußerungen als "inakzeptabel". Sie dienten dazu, beim Wahlvolk "Verwirrung" zu stiften, sagte der General. Er forderte den Präsidenten auf, dergleichen Äußerungen endlich zu unterlassen.

Der Parlamentsabgeordnete Ali Resa Sakani sagte: "Der Kampf gegen Korruption scheint für manche Leute zu einer Parole geworden zu sein, mit der Verwirrung gestiftet werden soll. Jemandem, dessen Mitarbeiter zum Teil in einem Meer der Korruption zu ertrinken scheinen, steht es nicht gut an, sich als Vorkämpfer gegen Korruption zu präsentieren." Leider gehörten die Beteiligten des großen Dreimilliarden Dollar Korruptionsskandals bei der staatlichen Versicherung und ähnlicher Fälle zu dem engen Kreis um Ahmadinedschad. Um diese Personen habe jedoch der Präsident eine rote Linie gezogen, um sie vor dem Zugriff der Justiz zu schützen.

Der Abgeordnete Nader Ghasipur sagte, die Äußerungen Ahmadinedschads stellten einen Rechtsbruch dar. Er forderte die Staatsanwaltschaft auf, der Sache nachzugehen.

Selbst Revolutionsführer Ali Chamenei scheint die Geduld verloren zu haben. Allgemein empfahl er den Bewerbern, ihre eigenen Fähigkeiten nicht zu überschätzen und sich genau zu informieren, was ein Staatspräsident zu leisten habe. Auch sollten sie der Bevölkerung nicht zu viel versprechen. Zudem sollten alle darauf achten, mit ihren kritischen Äußerungen über die Wirtschaftspolitik keine Resignation zu verbreiten. "Die Kritik, die hier und dort geäußert wird, ist wirklich unbegründet", sagte Chamenei am 27. April in Teheran. Dann sagte er, er habe in den letzten Jahren die Staatspräsidenten unterstützt und ihnen Ratschläge gegeben. "Ein sich oft wiederholender Ratschlag war, sie sollten die Menschen nicht überbelasten, ihnen keine zusätzlichen Probleme bereiten, keine Unruhe stiften und Ängste und Sorgen verbreiten." Diese Bemerkung wurde von den Kommentatoren als deutliche und vielleicht letzte Warnung an Ahmadinedschad interpretiert. Chamenei betonte, dass die Auswahl der Bewerber durch den Wächterrat korrekt erfolgen werde und lehnte jede Kritik an dem Gremium ab. Die Mitglieder des Rats seien "gerechte, unabhängige und weitsichtige Männer" und ihr Urteil werde vom ganzen Volk hoch geachtet.

Auch diese Bemerkung schien eine Vorbeugung zu sein für den Fall, dass Ahmadinedschads Wunschkandidat abgelehnt wird, was allgemein angenommen wird. Ahmadinedschad hatte indirekt gedroht, im Falle einer Ablehnung die Wahlen auszusetzen. Bemerkenswert ist, dass das nach dem neuen Wahlgesetz zu bildende Gremium, das für die Wahlen verantwortlich sein soll, noch nicht gebildet worden ist. Dem Gesetz nach muss das Gremium, das sich aus Vertretern des Innenministeriums, der Staatsanwaltschaft, des Parlaments und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zusammensetzt, spätestens drei Monate vor den Wahlen gebildet werden. Doch bisher hat die Regierung die mehrmaligen Aufforderungen des Parlaments und der Justiz, endlich das Gremium einzuberufen, ignoriert. Es wird darüber gerätselt, ob dies ein Zeichen dafür ist, dass Ahmadinedschad die Wahlen verhindern wird. Chamenei betonte zum Schluss seiner Rede: "Die Wahlen werden zu dem festgelegten Termin stattfinden."


MEHR ALS ZWEI MILLIONEN DROGENKONSUMENTEN

Nach den neuesten Statistiken, die von der "Armee zum Kampf gegen den Drogenkonsum" am 2. April in Teheran veröffentlicht wurden, leben in Iran mehr als zwei Millionen Drogenkonsumenten. Das Durchschnittsalter von 700.000 der Konsumenten liegt bei 21 Jahren. Von den zwei Millionen sind 1,325 Millionen drogensüchtig, rund 700.000 Gelegenheitskonsumenten.

Ali Moajedi, Leiter der Truppe, sagte: "In jede Stunde werden fast 30 Dealer festgenommen. In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres (März 2012 bis März 2013) wurden rund 200.000 Dealer festgenommen." Dem Bericht der Polizei zufolge wurden durchschnittlich jede Stunden 75 Kilogramm Drogen beschlagnahmt.

Die Drogen, die zumeist aus Afghanistan stammen, werden über die östlichen Grenzen des Landes nach Iran geschmuggelt und über die westlichen Grenzen weiter nach Europa gebracht.

Nach Angaben der Gerichtsmedizin fielen im vergangenen Jahr im Durchschnitt täglich elf Personen dem Drogenkonsum zum Opfer. Die meisten von ihnen seien jung gewesen, viele hätten keinen festen Wohnsitz gehabt.


VERHAFTUNGSWELLE IN DER PROVINZ CHUSESTAN

Einem Bericht der in den USA ansässigen Human Rights Watch vom 14. April zufolge wurden innerhalb der vergangenen fünf Wochen in der im Südwesten Irans gelegenen Provinz Chusestan mehr als 180 Personen in Haft genommen. Nach Aussagen der Familienangehörigen hätten Sicherheitsbeamte, die in die Häuser der Betreffenden eindrangen, keinerlei Gründe für die Festnahme vorgewiesen. Über die meisten Verhafteten gebe es keine Informationen. Man wisse nicht, wohin sie gebracht worden seien und was mit ihnen geschehe.

Karim Dahimi, ein Menschenrechtsaktivist, der für die Rechte der in Chusestan ansässigen Arabisch sprechenden Bevölkerung kämpft, sagte in einem Interview mit der BBC, mit den jüngsten Festnahmen habe die neuerliche Verhaftungswelle 208 Personen erfasst. Unter den Verhafteten seien auch einige Lehrer und Kulturschaffende. Einige seien nach einer Lesung verhaftet worden.

In der Provinz Chusestan kommt es immer wieder zu Unruhen. Die Arabisch sprechende Bevölkerung fühlt sich als ethnische Minderheit benachteiligt und verlangt gleiche Rechte. In Chusestan liegen die reichsten Ölquellen Irans, doch die Einnahmen aus dem Ölexport werden kaum für die Entwicklung der Provinz eingesetzt. In Chusestan gibt es einige Gruppen und Verbände, die nach Autonomie streben, auch einige, die einen selbständigen, von Iran getrennten Staat fordern. Diese Gruppen erhalten aus den arabischen Golfstaaten Unterstützung.


DOPPEL SO VIELE ZUSCHAUER ALS IM VORJAHR

Einer von dem britischen Sender BBC am 2. April veröffentlichten Umfrage zufolge, hat sich die Zahl der Zuschauer des persischsprachigen Fernsehsenders trotz massiver Störmanöver innerhalb eines Jahres verdoppelt und liegt nun bei 11,4 Millionen.

Der Fernsehsender, der mit seinem Persisch-Programm 2009 begonnen hatte, scheint immer mehr Zuschauer zu gewinnen. 2011 lag die Zahl bei sechs Millionen, was im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg von 85 Prozent aufzeigte. Der Leiter der BBC World Service, Peter Harox, sagte, der enorme Anstieg der Zahl der Zuschauer sei all jenen zu verdanken, die trotz Sanktionen iranischer Behörden gegen sich und ihre Familien mutig ihre Arbeit fortsetzen. Selbstverständlich seien solche Maßnahmen, die zur Beeinträchtigung der Arbeit und des Ansehens der BBC ergriffen worden seien, von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Täglich nehme die Zahl der Menschen zu, die das Programm anschauen, um unabhängige und korrekte Informationen zu erhalten.

Der jüngsten Umfrage zufolge schalten wöchentlich im Durchschnitt 19 Prozent der iranischen Bevölkerung BBC ein.

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WIRTSCHAFT

• Atomverhandlungen abermals gescheitert
• Reaktionen auf das Scheitern der Verhandlungen
• Dschalili erläuterte Irans Position
• Neues Zentrum zur Uranproduktion eröffnet
• Türkei schickte Gold nach Iran
• Wirtschaftswachstum null Prozent
• Massive US-Waffenlieferungen an Israel und arabische Staaten geplant
• Kerry fordert Kongress auf, mit zusätzlichen Sanktionen zu warten
• Weitere Reaktoren im Erdbebengebiet geplant
• Das Unternehmen ZTE zieht sich aus Iran zurück


ATOMVERHANDLUNGEN ABERMALS GESCHEITERT

Bereits im Vorfeld der Verhandlungen um das iranische Atomprogramm sagte der frühere Außenbeauftragte der EU, Javier Solana, der von 2003 bis 2009 mit Iran verhandelte, bei einer Podiumsdiskussion am 1. April in der Denkfabrik Brookings in Washington, Iran konzentriere sich zurzeit auf die Präsidentenwahl und daher sei es unwahrscheinlich, dass es bis nach den Wahlen zu einer Vereinbarung über das umstrittene Atomprogramm kommen würde. Auch der iranische Verhandlungsführer Said Dschalili habe keine ausreichenden Befugnisse, sagte Solana. Er wiederhole nur das, was ihm aufgetragen werde.

Ferner meinte Solana, die Atomverhandlungen mit Iran stünden im unmittelbaren Zusammenhang mit den Ereignissen in Syrien. "Unser zweites großes Problem ist Syrien. Ich denke nicht, dass man ohne eine Lösung für Syrien mit der iranischen Führung Vereinbarungen treffen kann", meinte Solana. Er glaube, dass die USA wegen der Verhandlungen mit Iran keine aktive Rolle in Bezug auf Syrien übernommen hätten, um die Gespräche nicht zu gefährden. Washington gehe davon aus, dass eine direkte Kampfansage an Assad oder eine militärische Intervention in Syrien die Atomverhandlungen mit Iran negativ beeinflussen würde.

Am 2. April, drei Tage vor Beginn der Verhandlungen, sagte der IAEA-Direktor Yukia Amano in einem Interview der Nachrichtenagentur AP, seine Behörde habe Hinweise, dass Iran noch immer an Nuklearwaffen arbeiten könnte. Es gebe Indizien für derartige Aktivitäten Irans "in der Vergangenheit und jetzt".

Die Verhandlungen zwischen der 5+1-Gruppe - die fünf UN-Vetomächte und Deutschland - mit Iran begannen in der kasachischen Stadt Almaty am 5. April. Zum Auftakt sagte die Außenbeauftragte der EU, Catherine Ashton, die von ihr als Verhandlungsführerin geleitete 5+-1Gruppe erwarte von Teheran eine "wohlüberlegte" Antwort auf die Vorschläge zur Beendigung des Atomstreits. Die Vorschläge hatte die Gruppe bei den letzten Gesprächen im Februar, die ebenso in Almaty geführt wurden, Teheran vorgelegt. Demnach sollte Iran im Gegenzug für eine Lockerung der Sanktionen die Urananreicherung auf 20 Prozent aussetzen, den bereits angehäuften Uran-Bestand ins Ausland bringen und die Atomanlage Fordo schließen. Iran lehnte ab. Die iranische Delegation habe "einige interessante, aber nicht vollkommen erklärte allgemeine Bemerkungen" gemacht und dabei weitgehend frühere Äußerungen wiederholt, sagte ein westlicher Diplomat der Agentur AFP am 5. April. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Ruprecht Polenz, sagte im SWR, er sehe Hinweise, dass Iran bei den Verhandlungen erstmals "ernsthaft in eine Kosten-Nutzen-Analyse" einsteige. Die Sanktionen hätten Teheran offenbar zum Überlegen gebracht, ob sich ein militärisches Atomprogramm lohne. Sollte es in Almaty keine Fortschritte geben, muss sich Iran auf weitere Strafmaßnahmen einstellen. Der russische Vizeaußenminister Sergej Rjabkow sagte, Teherans Antwort werfe weitere Fragen auf. Die Verhandlungen nannte er "schwierig, aber interessant".

Ein Mitglied der iranischen Delegation, Ali Bagheri, nannte in einem Interview mit der BBC am 6. April folgende Schritte, die nach Meinung Irans nacheinander unternommen werden müssten, um den Konflikt zu lösen: 1. Die 5+1-Gruppe erkennt das Recht Irans an, Uran anzureichern. 2. Iran erklärt seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Atombehörde zur Klärung anstehender Fragen bezüglich einer vermuteten atomaren Bewaffnung. Im Gegenzug werden alle Sanktionen, die einseitig von Mitgliedern der 5+1-Gruppe auferlegt wurden, aufgehoben. 3. Iran stoppt vorläufig die 20-prozentige Anreicherung. Im Gegenzug werden alle von der UNO beschlossenen Sanktionen aufgehoben. 4. Zusammenarbeit Iran mit der 5+1-Gruppe im Bereich der Atomtechnologie. 5. Aufnahme nichtnuklearer Zusammenarbeit Irans mit der 5+1-Gruppe. Die gleichen Vorschläge habe Iran bereits bei den Gesprächen in Moskau im Juni 2012 vorgelegt, sagte Bagheri.

Auch der zweite Tag der Verhandlungen am 6. April führte nicht zum Erfolg. Beide Seiten lägen "noch weit auseinander", sagte Ashton im Anschluss. Es wurde auch kein neuer Termin vereinbart. Es gebe zwischen den beiden Seiten kein "gegenseitiges Einverständnis", sagte Rjabkow. "Aus Sicht der Iraner ist die Position der westlichen Partner etwas enttäuschend", sagte er. Er sprach sich dafür aus, Iran auch das Recht auf Anreicherung von Uran zuzugestehen - im Gegenzug für eine Kontrolle durch die IAEA. Russland lehne einseitige Sanktionen ab, betonte der russische Diplomat. "Wir haben beschlossen, dass alle Teilnehmer in ihre Hauptstädte zurückkehren, um zu bewerten, wo der (Verhandlungs-)Prozess steht", sagte Ashton. Sie werde mit dem iranischen Verhandlungsführer Said Dschalili zu der Frage, wie es weitergehen soll, in Kontakt bleiben. Sie lobte aber Qualität und Tiefe der Verhandlungen. "Erstmals habe ich den Austausch zwischen der Gegenseite und uns gesehen." Alle Fragen seien detaillierter diskutiert worden als zuvor. Dschalili machte indirekt den Westen für das Scheitern der Gespräche verantwortlich. Diese müssten erst einmal das Vertrauen seines Volkes erwerben. Dazu müssten sie sich "Mühe geben", ihre "Aufrichtigkeit zeigen" und "ein angemessenes Verhalten an den Tag legen". Die Anreicherung von Uran gehöre zu den unveräußerlichen Rechten des iranischen Volkes.

Indes steht der Termin für neue Gespräche zwischen der IAEA und Iran fest. Wie die Atombehörde am 23. April bekannt gab, soll das Treffen am 15. Mai in Teheran stattfinden. Dabei wollen die IAEA-Experten einen weiteren Anlauf unternehmen, Teheran zum Einlenken zu bewegen, eine Untersuchung seines Atomprogramms zu erlauben. Bei einem vorangegangenen Treffen im Februar hatte die IAEA vergeblich erbeten, in der Militäranlage Parchin Inspektionen durchzuführen.


REAKTIONEN AUF DAS SCHEITERN DER VERHANDLUNGEN

Israel warf Iran wieder einmal Scheinverhandlungen vor. "Iran zieht die Gespräche absichtlich in die Länge, um weiter Uran anreichern zu können", sagte der Minister für strategische Angelegenheiten, Juval Steinitz, am 7. April im israelischen Rundfunk. Das Ziel Irans sei weiter der Bau einer Atombombe. Er forderte die internationale Gemeinschaft auf, einen klaren Zeitpunkt für einen Verhandlungsschluss festzulegen. "Es ist an der Zeit, dass die Welt eine entschlossene Haltung einnimmt und den Iranern unmissverständlich klarmacht, dass die Maskerade der Verhandlungen kurz vor ihrem Ende steht." Sein Land habe bereits davor gewarnt. "Ohne eine greifbare und deutliche Drohung mit einer kurzen, klaren, definitiven Frist, wird es nicht möglich sein, das Atomprogramm zu zerschlagen", sagte der Minister.

Israel hatte in der Vergangenheit mehrfach mit einem Angriff auf iranische Atomanlagen gedroht. Die "gesamte Welt, die USA und der Westen" müssten der Islamischen Republik mit militärischen Schritten oder einer anderen "unmissverständlichen roten Linie" drohen, um Ergebnisse zu erzielen, sagte der Vertraute von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. "Sanktionen reichen nicht, und Gespräche reichen nicht." Sofern Iran nicht aufhöre, Uran anzureichern, sollte innerhalb von "ein paar Wochen", einem Monat" gehandelt werden. Die Iraner reden und lachen sich zu einer Bombe, während sie Uran anreichern. Das Beispiel Nordkorea zeige, was passieren könne, wenn es Iran gelinge, eine Atombombe zu bauen. "Irgendwie hat es die internationale Gemeinschaft zugelassen, dass Nordkorea Nuklearwaffen bekommt und sie gegen Südkorea, Japan und sogar die Vereinigten Staaten einzusetzen droht. Stellen Sie sich vor, was in zwei, drei Jahren nicht nur Israel, sondern auch Europa, den USA und der gesamten Welt, widerfahren könnte, wenn das fanatische und extreme Regime in Teheran Nuklearwaffen bekommt", sagte Steinitz.

Auch die USA warnten Iran, in dem Atomkonflikt auf Zeit zu spielen. Die Tür für Gespräche bleibe offen, sagte Außenminister John Kerry am 7. April bei einem Besuch in Istanbul. Der diplomatische Prozess sei jedoch nicht unendlich. "Wir können nicht nur reden um des Redens Willen." Kerry räumte ein, dass die im Juni anstehende Präsidentenwahl in Iran die Sache nicht leichter mache. Diplomaten zufolge ist man unsicher, welchen Kurs Iran nach der Wahl verfolgen wird.

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich besorgt über das Scheitern der Verhandlungen. "Ich bin enttäuscht, dass es keine Fortschritte bei den Verhandlungen gab", sagte Merkel am 11. April in Berlin nach dem Treffen mit dem indischen Ministerpräsidenten Manmohan Singh. Dieser forderte Iran auf, seine Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Nichtverbreitung von Atomwaffen zu erfüllen. Dies würde bedeuten, dass Iran wieder Inspektionen der IAEA zulassen müsste. Zugleich deutete Singh an, dass Indien wegen seiner Importabhängigkeit den Sanktionsweg des Westens nicht weiter mitgehen wolle. Iran sei für Indien einer der größten Lieferanten von Eisen und Öl, sagte er. Außerdem lebten sechs Millionen Inder in der Golf-Region. Deshalb sei sein Land an einer friedlichen Lösung des Konflikts interessiert.

Aus Teheran meldete sich am 7. April der Vorsitzende des Ausschusses für Nationale Sicherheit und Außenpolitik, Alaeddin Borudscherdi. Sein Land könne Uran "für bestimmte Projekte" sogar noch höher als 20 Prozent anreichern, zitierte ihn die Agentur ISNA. Teheran könnte auch ernsthaft über einen Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag nachdenken, sollte der Westen die Sanktionen gegen Iran verschärfen oder die Angelegenheit an den UN-Sicherheitsrat übergeben, wurde der Abgeordnete am 8. April vom staatlichen Fernsehsender Al Alam zitiert. Iran könne nicht am Atomwaffensperrvertrag festhalten und zugleich mit Sanktionen belegt werden. Sein Land wolle keine Atomwaffen bauen, habe aber das Recht, Uran bis auf jede Stufe anzureichern, die es für nötig erachtet.

Am 16. April sagte der Chef des iranischen Atomprogramm Fereidun Abbasi laut einem Bericht der Agentur Fars, sein Land habe zwar keine Pläne für eine Anreicherung über die bisher angegebenen 20 Prozent hinaus. "Aber in einigen Fällen wie bei Schiffen oder U-Booten brauchen wir kleine Maschinen, die Brennstoff mit einem Reinheitsgrad von bis zu 56 Prozent benötigen." Es war das erste Mal, dass sich ein ranghoher iranischer Beamter zum möglichen Ziel einer höheren Anreicherung äußerte. Unklar blieb, ob Iran das Uran importieren oder selbst produzieren will.


DSCHALILI ERLÄUTERTE IRANS POSITION

Nach den zweitägigen ergebnislosen Gesprächen in Almaty erläuterte der iranische Verhandlungsführer Said Dschalili auf einer Pressekonferenz Irans Position in der Atomfrage. Iran habe bei den Gesprächen seine konkreten Vorschläge ausführlich dargelegt und sich mit den Vorschlägen der Gegenseite auseinandergesetzt. Selbstverständlich gebe es noch größere Abstände zwischen den Positionen. "Wir haben wiederholt betont, dass wir ausgehend von unseren international verankerten Rechten, darunter das Recht zur Urananreicherung, Verhandlungen und Angebote zur Zusammenarbeit begrüßen, sagte Dschalili. Es gäbe zwei wichtige Grundsätze, erstens die Anerkennung des Rechts zur Anreicherung und zweitens Beendigung von Feindseligkeiten gegenüber Iran.

Auf die Frage eines Journalisten, ob der Verzicht auf eine Anreicherung von 20 Prozent zur Sprache gekommen sei, sagte Dschalili: "Wir haben immer unser Recht auf Anreicherung betont, gleichgültig ob 5 oder 20 Prozent." Wenn dies klar gestellt sei, könne man über Einzelfragen verhandeln. Seine Delegation hätte gerne die Verhandlungen fortgesetzt. Doch die Verhandlungspartner hätten sich zunächst in ihren Hauptstädten beraten wollen. Frau Ashton wolle bald mit ihm Kontakt aufnehmen. Auf die Frage, ob über die Einstellung von Feindseligkeiten gesprochen worden sei, sagte der Diplomat, Vertrauensbildung könne nicht einseitig geschehen. Iran habe den ersten Schritt gemacht, nun sei die Gegenseite an der Reihe.

Auf die Frage, ob das Ergebnis der Präsidentenwahl einen Einfluss auf die Position Irans haben werde, sagte Dschalili, sämtliche Parteien und Strömungen sowie die gesamte Bevölkerung seien sich in der Atomfrage und darin, dass Iran das Recht auf Anreicherung hat, einig. Umso vehementer werde das Volk nach der erfolgreichen Wahl auf seine Rechte insistieren. Ob sich unter den Vorschlägen der 5+1-Gruppe welche befinden, die Iran akzeptieren könne, wurde Dschalali gefragt. Die Vorschläge seien genau geprüft worden, sagte er. Über manche Vorschläge könne man verhandeln. Leider würden manche Teilnehmer versuchen Positionen anderer Staaten in die Verhandlungen hineinzubringen, manche zögen sogar die Interessen anderer Staaten den eigenen vor. "Wir haben ihnen gesagt, opfert nicht euere nationalen Interessen denen der Zionisten oder denen, die euch die Kosten tragen lassen wollen, während sie Nutzen daraus ziehen", sagte Dschalali.

Die Verhandlungen könnten trotz bestehender Differenzen aufgrund der Gemeinsamkeiten fortgesetzt werden, sagte der Diplomat. "Eine gemeinsame Basis bilden der NPT (Atomwaffensperrvertrag) und die darin enthaltenen Rechte der Mitglieder, darunter das Recht der Anreicherung von Uran ebenso wie das Recht zur friedlichen Nutzung der Atomenergie. Diese Anerkennung, die logisch und international verankert ist, kann zur Annäherung der Standpunkte führen."

Auf die Frage, ob über den Abbau von US-Sanktionen gesprochen worden sei, sagte Dschalili, das sei eines der Hauptthemen gewesen, über die gesprochen worden sei. "Wir meinen, dass jene, die Vertrauen bilden wollen, ihre Feindseligkeiten gegen Iran unterlassen müssen. Das gehört zu unseren Hauptforderungen. Die USA sollten wissen, dass ihnen ihre 34-jährige Feindschaft gegen Iran nichts als Misserfolge gebracht hat."


NEUES ZENTRUM ZUR URANPRODUKTION ERÖFFNET

Am 9. April, das heißt nur drei Tage nach dem Scheitern der Atomverhandlungen in Almaty, hat Präsident Mahmud Ahmadinedschad die Eröffnung einer Uran-Mine und einer Uran-Konversionsanlage angeordnet, berichtete die Nachrichtenagentur IRNA. Die Minen befänden sich in Sagand in rund 100 Kilometern Entfernung zu dem neuen Produktionszentrum, berichtete das iranische Staatsfernsehen. Der Komplex habe eine jährliche Kapazität von 60 Tonnen konzentriertem Uran, so genanntem Yellowcake. Dazu wird Uranoxid aus dem Gestein gelöst. Aus dem heraus gelösten Stoff - Yellowcake - kann man je nach Bedarf Urandioxid für Brennelemente oder Uranhexafluorid zur Urananreicherung gewinnen.

Russland hat die Pläne kritisiert. Das Vorhaben verstoße zwar nicht gegen Vereinbarungen und UN-Resolutionen, trage aber auch nicht zum gegenseitigen Vertrauen und Verständnis bei den internationalen Gesprächen über den iranischen Atomkonflikt bei, teilte das Außenministerium am 12. April mit.


TÜRKEI SCHICKTE GOLD NACH IRAN

Wie die Agentur Reuters am 29. März berichtete, schickte die Türkei im Februar Gold im Wert von 120 Millionen Dollar nach Iran. Das zeigt, dass trotz der strengen Sanktionen der USA gegen Iran, die auch den Handel mit Gold verbieten, Iran für Gaslieferungen Gold von der Türkei erhält. Das konnte offenbar trotz zunehmenden Drucks aus Washington nicht verhindert werden.

Seit der Verhängung der Sanktionen der USA und der EU im Atomkonflikt gegen Iran, ist Teheran weitgehend von internationalen Finanztransaktionen isoliert. Das hat dazu geführt, dass das Land einen Teil seines Außenhandels mit Gold abwickelt. Im Januar war die Goldlieferung nach Iran aus der Türkei wegen Unsicherheit in Bezug auf die Sanktionen ins Stocken geraten. Im Februar hingegen erhielt Iran Gold im Wert von 117,9 Millionen Dollar.

Die Türkei ist der größte Abnehmer des iranischen Erdgases. Die USA haben der Türkei eine Frist bis Juli eingeräumt. Die Lieferung wird nun teilweise in Gold und teilweise in türkischer Währung bezahlt.


WIRTSCHAFTSWACHSTUM NULL PROZENT

Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses im iranischen Parlament, Mesbahi Moghaddam, sagte am 7. April der Agentur Fars zufolge, das Wirtschaftswachstum Irans liege derzeit bei null Prozent oder darunter. "Uns ist es nicht gelungen, die Potenziale der Wirtschaft auszuschöpfen", sagte Moghaddam bei einer Sitzung der Handelskammer. Iran sei nicht in der Lage, die zweite Phase des Abbaus der staatlichen Subventionen durchzuführen. Daher werde das Parlament den Abbauplan der Regierung ablehnen. Das bedeute nicht, dass der Plan für immer verworfen werde.

Der Plan zum Abbau staatlicher Subventionen wurde vor etwas mehr als zwei Jahren schrittweise in Kraft gesetzt. In einer ersten Phase wurden die Investitionen für manche Güter entweder ganz abgebaut oder reduziert. Als Gegenleistung erhielt jeder Haushalt monatlich 45,5 tausend Tuman (umgerechnet etwa 23 Euro).

Während der Umsetzung der ersten Phase nahm die Inflationsrate ständig zu und überschritt im März 2012 die Grenze von 31 Prozent. Zu Beginn der ersten Phase lag die Inflationsrate laut Moghaddam noch bei 11 Prozent. Das Parlament könne der Umsetzung der zweiten Phase unter diesen "ungünstigen Umständen" nicht zustimmen, sagte Moghaddam. "Wir müssen mit der Umsetzung warten, bis die Inflationsrate auf eine einstellige Zahl sinkt, die Wirtschaft Stabilität erreicht und die Bevölkerung nicht mehr über die Zukunft besorgt ist."

Demgegenüber scheint die Regierung Ahmadinedschad entschlossen zu sein, auch die zweite Phase des Subventionsabbaus durchzuführen. Dafür hat sie im Haushaltsentwurf, den sie verspätet dem Parlament vorgelegt hat, zur Finanzierung des Abbaus die zweifache Summe dessen vorgesehen, was sie für die erste Phase verwendet hat. Allerdings wird die Regierung nur noch bis Mitte Juni im Amt sein. Daher hat das Parlament nur den Haushalt für das erste Quartal (21. März bis 21. Juni) genehmigt. Die Regierung wollte schon im vergangenen Jahr die zweite Phase durchführen, scheiterte jedoch an der Ablehnung des Parlaments.

Die rasche Zunahme der Inflationsrate sowie der wachsende Druck durch die Sanktionen bilden eine große Belastung für die iranische Wirtschaft. Die Preise steigen von Tag zu Tag und der Regierung fehlen die finanziellen Mittel und die Durchsetzungskraft, um die Preise zu kontrollieren. Der Minister für Industrie und Handel Mehdi Ghasanfari schätzt die Deviseneinnahmen im vergangenen Jahr auf 50 Milliarden US-Dollar. Dies sei die Hälfte der von der Regierung erwarteten Einnahmen, sagte er. Vor dem Ölboykott exportierte Iran rund zweieinhalb Millionen Barrel Öl pro Tag. Die Sanktionen haben den Export um die Hälfte reduziert. Die Folge ist eine drastische Reduzierung der Deviseneinnahmen, was den Preis für ausländische Devisen in die Höhe treibt und den Wert der einheimischen Währung entsprechend senkt. Kein Wunder, dass das Wachstum in diesem Jahr bei Null oder sogar darunter liegt.

Indes meldete die Agentur Reuters am 10. April, Iran sei es trotz Wirtschaftssanktionen gelungen, am Jahresanfang deutlich mehr Öl zu exportieren. Händlern und Reutes-Daten zufolge stiegen in den ersten drei Monaten im Vergleich zum vergangenen Quartal die Ausfuhren von Heizöl um fast 12,5 Prozent auf knapp 18 Millionen Barrel. Die iranischen Behörden hätten kreative Strategien entwickelt, um die Sanktionen zu umgehen, hieß es.

Diese reichten von Umladungen von Öl auf See, das Ansteuern von abseits gelegenen Häfen bis zur Vermischung iranischen Öls mit anderem Berennstoff, um die Herkunft zu verschleiern. Allerdings, betont Reuters, hätten die Sanktionen im vergangenen Jahr zu einer Halbierung der Rohöl-Exporte geführt.


MASSIVE US-WAFFENLIEFERUNGEN AN ISRAEL UND ARABISCHE STAATEN GEPLANT

Am 19. April berichteten die Zeitungen New York Times und Jediot Achronot, US-Verteidigungsminister Chuk Hagel werde bei einer Reise Ende April nach Israel, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten letzte Details der Verträge über den Verkauf von US- Rüstungsmaterial im Gesamtwert von etwa 10 Milliarden Dollar klären. Dies sei ein deutliches Signal an Teheran. Bei seinen Gesprächen in den drei Ländern werde Hagel auch über die Lage in Syrien und das iranische Atomprogramm diskutieren.

Die drei Staaten sollen mit den modernsten Waffen ausgerüstet werden, um Iran in die Schranken weisen zu können. Darunter auch mit Waffen, die für einen möglichen Angriff Israels gegen Iran nützlich sein könnten. Die drei Länder sollten in die Lage versetzt werden, auf iranische Bedrohungen zu reagieren, zitierte die New York Times einen ungenannten Regierungsvertreter.

Israel soll den Berichten zufolge neue Raketen für Kampfjets erhalten, die gegnerische Radarstellungen zerstören könnten, sowie verbesserte Radarsysteme für seine Kampfflugzeuge und neue Tankflugzeuge. Die Reichweite israelischer Kampfjets werde dadurch erhöht. Außerdem sei der Verkauf von Truppentransportern vom Typ V-22 Osprey geplant, der mit Schwenkpropellern wie ein Hubschrauber starten kann und dann wie eine normale Propellermaschine fliegt. Es wäre das erste Mal, dass die USA diese Maschine exportieren. Diese Systeme wären für Israel bei einem möglich Angriff gegen iranische Atomanlagen von großer Bedeutung.

Die Vereinigten Arabischen Emirate würden nach den Berichten 26 Kampfflugzeuge von Typ F-16 im Gesamtwert von allein fünf Milliarden Dollar kaufen sowie neuartige Luft-Boden-Raketen für diese Maschinen. Saudi-Arabien solle die gleichen Raketen für seine umfangreiche Flotte amerikanischer Kampfflugzeuge erhalten.

Es werde nicht mit größerem Widerstand im US-Kongress gegen die Rüstungsgeschäfte gerechnet - vor allem nicht von Parlamentariern aus Regionen mit Rüstungsunternehmen, die unter Einsparungen im US-Militärhaushalt litten, schrieb die New York Times.

Dazu schrieb "Spiegel Online", der Einfluss der USA auf Streitkräfte der Region werde nicht auf die Lieferung von Waffen beschränkt bleiben. Washington habe Israel versichert, dass die gelieferten Waffen in Saudi-Arabien und den Emiraten unter der Kontrolle der Vereinigten Staaten bleiben würden und ihr Einsatz nur nach Zustimmung aus Washington möglich sein werde. Das zeige, welche diplomatischen Hürden bei diesem Waffengeschäft überwunden werden mussten. Das Verhältnis zwischen Israel und Saudi-Arabien sei "schwierig". Dennoch würden beide Staaten von den USA wegen des anhaltenden Streits mit Iran als wichtige Verbündete betrachtet.


KERRY FORDERT KONGRESS AUF, MIT ZUSÄTZLICHEN SANKTIONEN ZU WARTEN

US-Außenminister John Kerry hat den Kongress aufgefordert, mit weiteren Sanktionen gegen Iran zu warten. Vor dem außenpolitischen Ausschuss des Kongresses betonte der Außenminister am 18. April, in zwei Monaten seien Präsidentenwahlen in Iran. Bis dahin bleibe die Lage unklar. "Wir wissen sehr wohl, wie die Lage in den letzten Monaten vor der Wahl des Präsidenten bei uns aussieht. So können Sie sich vorstellen, wie es in Iran aussieht. Ich denke, wir sollten Geduld aufbringen. Die Vorgänge in Iran werden von uns genau beobachtet."

Offenbar wird im Kongress über eine Resolution debattiert, in der die Unterstützung Israels durch die USA gefordert wird, falls das Land einen Angriff gegen Iran starten sollte. Darin wird das iranische Atomprogramm als eine internationale Bedrohung bezeichnet und die vollständige Durchsetzung der Sanktionen gegen Iran verlangt. Die Resolution wurde eine Woche zuvor im außenpolitischen Ausschuss des Senats verabschiedet und soll nun zur Abstimmung dem Plenum vorgelegt werden.

Kerry forderte die Senatoren auf, künftig Beschlüsse zu Iran zuvor mit dem Außenministerium zu beraten. Das Scheitern der letzten Verhandlungen über das iranische Atomprogramm in Almaty bezeichnete er als "entmutigend". Er glaube nicht, dass sich in den nächsten Monaten Nennenswertes im Bezug auf Iran ereignen werde. Es sei denn, Iran würde neue Zentrifugen installieren. Aber darüber würden die USA rechtzeitig informiert werden, sagte der Außenminister. Er betonte, dass die Regierung von Präsident Obama entschlossen sei, den Bau von Nuklearwaffen in Iran zu verhindern. Er sprach von einer engen Zusammenarbeit mit Israel und betonte, für die USA hätten diplomatische Lösungen Priorität, aber die Zeit für Verhandlungen sei nicht endlos.

Zuvor hatte das US-Finanzministerium einer Meldung der dpa vom 12. April zufolge im Rahmen der Sanktionen gegen Teheran einen iranischen Geschäftsmann und mehrere Unternehmen auf die schwarze Liste gesetzt. Ihnen werde Geldwäsche in Milliardenhöhe zugunsten des iranischen Regimes und der iranischen Revolutionsgarden vorgeworfen, hieß es.

Es handele sich um den Geschäftsmann Babak Sabdschani, die malaysische Bank FIIB, das Unternehmen Sorinet Commercial Trust Bankers (SCT Bankers) aus Dubai sowie die Schweizer Tochter der National Iranian Oil Company, Naftiran Intertrade Company. Gemäß der Sanktionen muss ihr Vermögen bei US-Banken eingefroren werden; auch dürfen US-Bürger und Unternehmen keine Geschäfte mit ihnen treiben.


WEITERE REAKTOREN IM ERDBEBENGEBIET GEPLANT

Wie die iranische Nachrichtenagentur "Mehr" berichtete, plant die Regierung auch nach dem Erdbeben in der Nähe des Atomreaktors in Bushehr den Bau weiterer Reaktoren in derselben Region. Die Anlage sei durch das Beben nicht beeinträchtigt worden, zitierte Mehr am 10. April den Chef der iranischen Atomenergiebehörde, Fereidun Abbassi-Dawani. In "naher Zukunft" werde in Bushehr mit dem Bau von zwei weiteren Reaktorblöcken begonnen. Das Kraftwerk sei entworfen worden, um Beben der Stärke 8,0 auf der Richter-Skala zu überstehen.

Wie Reuters ebenso am 10. April berichtete, hatten die US-Denkfabrik Carnegie Endowment und die Federation of American Scientists in einem Bericht gewarnt, dass der Reaktor in Bushehr am Schnittpunkt von drei Erdplatten steht. Die Warnungen vor der Gefahr durch Erdbeben seien jedoch auf "taube Ohren" gestoßen, hieß es. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien teilte nach dem Beben mit, iranischen Angaben zufolge sei in Bushehr kein Schaden entstanden. Auch Radioaktivität sei nicht ausgetreten.

Bei dem Beben der Stärke 6,3 am 9. April starben nach offiziellen Angaben 37 Menschen. Mehr als 900 Menschen wurden verletzt. Dem Roten Halbmond zufolge waren 92 Dörfer betroffen. Die Erdstöße waren in der gesamten Golfregion zu spüren. In Iran selbst wurden zahlreiche Nachbeben registriert. Dort kommt es immer wieder zu schweren Erdbeben. Im Jahr 2003 starben in der Stadt Bam und Umgebung mehr als 25000 Menschen bei einem Beben der Stärke 6,6.

Noch stärker als das Beben in Bam war das bislang letzte und seit 1957 stärkste Beben am 16. April 2013 mit einer Stärke von 7,8 auf der Richter-Skala im Grenzgebiet zwischen Iran und Pakistan. Zum Glück ereignete sich das Beben in einem dünn besiedelten Gebiet tief unter der Erde, so dass die Zahl der Opfer, die nach offiziellen Angaben bei 41 Toten und mehr als 100 Verletzten lag, weit geringer ausfiel als die Stärke des Bebens befürchten ließ.

Indes äußerten die arabischen Golfanrainerstaaten ihre Sorge um mögliche Schäden, die das Beben am Atomreaktor in Bushehr verursacht haben könnte. Der Golfkooperationsrat forderte am 14. April die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) auf, eine entsprechende Untersuchung in Bushehr durchzuführen. Er richtete auch eine Warnung an Iran, alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit des Atommeilers zu gewährleisten.


DAS UNTERNEHMEN ZTE ZIEHT SICH AUS IRAN ZURÜCK

Das chinesische Kommunikationsunternehmen ZTE, zweitgrößter Produzent von Kommunikationsgeräten in China, hat sich dem Druck aus den USA nachgebend aus dem Iran-Geschäft zurückgezogen.

Die USA werfen dem Unternehmen vor, Geräte in Iran verkauft zu haben, deren Verkauf an Iran durch Sanktionen untersagt worden ist, zum Beispiel Abhörgeräte oder Geräte zur Kontrolle des Internetnetzes.

Wie der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens am 18. April erklärte, werde ZTE zwar keine Geräte mehr an Iran verkaufen, aber weiterhin Dienstleistungen für bereits verkaufte Geräte anbieten. Weiter sagte er, andere Firmen würden dieselben Geräte an Iran verkaufen, "sogar weit mehr als wir", "und nun werden uns Einschränkungen auferlegt, während andere weiter verkaufen können. Das ist nicht gerecht." Er nannte als Beispiel ein weiteres chinesisches Unternehmen Huawei.

Huawei erklärte, auf dem iranischen Markt stark eingeschränkt aktiv zu sein und hauptsächlich Kundendienste anzubieten. Ein Ausschuss im amerikanischen Kongress hatte der Regierung empfohlen, Aktivitäten beider Unternehmen auf dem US-Markt zu verbieten und amerikanischen Unternehmen Geschäfte mit ihnen zu untersagen.

ZTE hat die Regierung in Peking gebeten, über die Aufhebung der Einschränkungen mit der US-Regierung zu verhandeln.

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AUSSENPOLITIK

• Salehi: Kein Hindernis bei Wiederaufnahme der Beziehungen zu London
• IAEA-Vizechef Grossi tritt zurück
• Erste Flüge zwischen Teheran und Kairo seit 30 Jahren
• Wiesel fordert Festnahme Ahmadinedschads
• Bombenanschläge in Boston verurteilt
• Kritik an Akademie Loccum wegen Einladung des iranischen Botschafters


SALEHI: KEIN HINDERNIS BEI WIEDERAUFNAHME DER BEZIEHUNGEN ZU LONDON

Irans Außenminister Ali Akbar Salehi sagte am 30. März in einem Interview mit der Webseite "Maschregh News", es gäbe kein Hindernis zur Wiederaufnahme der Beziehungen zu London. "Wir habe keine Probleme damit. Es liegt ein Beschluss des Parlaments vor, der dem Außenministerium dafür freie Hand lässt. Wir haben mehrmals den Briten mitgeteilt, dass ihr Geschäftsführer zurückkommen und seine Arbeit wieder aufnehmen kann", sagte der Minister.

Er sagte, der Sturm auf die britische Botschaft in Teheran Ende 2011 sei "wahrlich schwerwiegend gewesen" und hätte nicht stattfinden dürfen. Er habe während eines Aufenthalts in Saudi-Arabien von der Aktion erfahren. Es sei ein Zufall gewesen, dass seine Gespräche, die er dort führte, unter anderem um den Schutz der Botschaften gingen. Er habe sofort mit dem britischen Außenminister gesprochen und ihm sein Bedauern über den Vorfall, "der nicht hätte passieren dürfen", zum Ausdruck gebracht. "Es war den Protestlern erlaubt worden, eine Kundgebung vor der Botschaft zu veranstalten. Dagegen ist nichts einzuwenden. Es war aber nicht erlaubt, dass sie in die Botschaft eindringen und Zerstörungen veranstalten. Was könnten wir den Briten vorwerfen, wenn sie nun genauso handeln würden", sagte Salehi. Auch im Umgang mit Gegnern müssten gewisse Regeln eingehalten werden. "Sie hielten sich in unserem Haus, in unserem Land auf. Dafür gibt es gewisse Vereinbarungen, die wir über Bord geworfen haben. Das war nicht richtig."

Die britische Botschaft in Teheran wurde am 29. November 2011 von einer Gruppe, die gegen die britische Iran-Politik protestierte, gestürmt. Daraufhin rief das Londoner Außenministerium ihre Mitarbeiter nach England zurück und verordnete die Schließung der iranischen Botschaft und wies die Mitarbeiter der Botschaft aus. Zugleich erklärte das Ministerium, die Schließung der Botschaften bedeutete nicht den völligen Abbruch der Beziehungen zwischen den beiden Staaten, sondern eine Herabstufung auf eine niedrigere Ebene.

Auch der Vizepräsident des iranischen Parlaments, Mohammad Resa Bahonar, erklärte am 4. April laut Medienberichten: "Jedes Land, das auf unserem Territorium eine Botschaft hat, genießt unseren Schutz. Niemand darf die Botschaften angreifen. Selbst wenn ein Verbrechen stattgefunden haben sollte, wäre das eine Angelegenheit der Justiz." Verstöße gegen diese Grundsätze müssten hart bestraft werden.


IAEA-VIZECHEF GROSSI TRITT ZURÜCK

Der Vize-Vorsitzende der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, der maßgeblich an den Verhandlungen um das iranische Atomprogramm beteiligt war, hat seinen Rücktritt eingereicht. Das teilte ein IAEA-Sprecher einer Meldung der AFP vom 21. April zufolge in Wien mit. Der Zeitpunkt des Rücktritts werde in Kürze bekannt gegeben, sagte der Sprecher. Eine Begründung wurde nicht genannt.

Auch an anderer Stelle muss die IAEA einen wichtigen Posten neu besetzen, da der Chefinspekteur, der Belgier Herman Nackaerts, im kommenden Jahr in den Ruhestand geht. Sein Nachfolger wird der Finne Tero Varjoranto. IAEA-Chef Yukia Amano war im März für eine zweite vierjährige Amtszeit gewählt worden. Diese beginnt im Dezember.

Nackaerts und Grossi hatten im vergangenen Jahr keinen Erfolg bei den Verhandlungen um das iranische Atomprogramm gehabt. Bei mehreren Treffen hatten sie es nicht geschafft, Teheran eine Zustimmung zu umfassenderen Inspektionen der iranischen Atomanlagen abzuringen.


ERSTE FLÜGE ZWISCHEN TEHERAN UND KAIRO SEIT 30 JAHREN

Einer Vereinbarung zwischen Iran und Ägypten zufolge wurde der Flugverkehr zwischen den beiden Ländern nach 30 Jahren wieder aufgenommen. Am 30. März landete die erste Maschine der Fluggesellschaft "Air Memphis" aus Kairo in Teheran. An Bord befanden sich lediglich der iranische Geschäftsführer in Kairo und seine Familie. Am selben Tag startete eine Maschine in Teheran mit fünfzig Touristen an Bord nach Assuan, berichtete die Agentur Fars. Ägypten gab bekannt, dass demnächst auch Charterflüge auf dieser Route zum Einsatz kämen. Doch ein genaues Datum wurde nicht genannt.

Der ägyptische Minister für Tourismus, Hesham Zalzu, sagte der Agentur AP, von iranischen Touristen sei keine Gefahr für Ägypten zu erwarten. Im Gegenteil, sie würden sogar für die Tourismusindustrie nützlich sein. "Seit dreißig Jahren haben wir keine iranischen Gäste empfangen. Bei den Einreisenden handelt es sich ausschließlich um Touristen. Soweit ich weiß, haben sie nicht die Absicht, in Ägypten eine Revolution anzuzetteln."

Ein Mitarbeiter des ägyptischen Außenministeriums sagte laut Medien, iranischen Touristen seien bestimmte Einschränkungen auferlegt worden. Der Besuch vieler Orte, darunter auch der Hauptstadt Kairo und schiitischer Moscheen, sei nicht erlaubt. Außerdem dürften Gruppenreisen nicht mehr als hundert Personen umfassen.

Die Wiederaufnahme der Flüge zwischen Teheran und Kairo ist in Ägypten umstritten. Insbesondere radikale Islamisten befürchten, dass Iran versuchen werde, bei der Bevölkerung für den Schiismus zu werben. So versuchte eine Gruppe von mehreren Dutzend Personen am 5. April, die iranische Interessenvertretung in Kairo zu stürmen. Nach Einschätzung der Beobachter gehörten die meisten Teilnehmer den rechtsextremen Salafisten an, auch einige oppositionelle Syrer waren unter den Demonstranten. Sie bewarfen das Gebäude mit Steinen und hissten darauf die Fahne der syrischen Opposition, die dann von Ordnungskräften wieder heruntergeholt wurde. Ihr Versuch, in das Gebäude einzudringen, wurde von der Polizei verhindert. Die Demonstranten forderten die sofortige Ausweisung des Geschäftsführers aus Ägypten, die Annullierung der Flugvereinbarung und warnten auf Plakaten vor der Verbreitung des Schiismus. Zeitgleich mit der Demonstration wurde in einer der ältesten Moscheen Ägyptens eine Tagung mit dem Thema "Gefahren des Schiismus" veranstaltet.

Der ägyptische Oppositionspolitiker und früherer Chef der Internationalen Atombehörde, Mohammad El-Baradei, verurteilte den Beschluss, iranischen Touristen Besuchseinschränkungen zu verordnen. "Wieso können wir Sunniten mit Schiiten gemeinsam an den Zeremonien der Pilger im islamischen Wallfahrtsort Mekka teilnehmen, während wir den Iranern den Besuch einiger Moscheen untersagen", fragte der frühere Friedensnobelpreisträger. "Ägypten wird ohne Vernunft und ohne Akzeptanz von Fremden nicht auf eigenen Beinen stehen können."

Doch die Proteste der Radikalen zeigten bald Wirkung. Tourismusminister Hescham Saasua gab laut einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur am 8. April bekannt, dass die Flüge zwischen Iran und Ägypten bis zum 15. Juni ausgesetzt würden. Eine Begründung für die überraschende Entscheidung lieferte der Minister nicht.


WIESEL FORDERT FESTNAHME AHMADINEDSCHADS

Der Holocaustüberlebende und Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel forderte am 5. April wieder einmal, Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad solle festgenommen werden. Zur Begründung verwies er auf das iranische Atomprogramm und die Drohungen Ahmadinedschads gegen Israel. "Ahmadinedschad verfolgt zwei Ziele: erstens die Erlangung von Atomwaffen, zweitens die Zerstörung des Staates Israel", sagte Wiesel der Nachrichtenagentur dpa. "Tatsache ist, dass er (Ahmadinedschad) das wirklich meint." Wiesel schlug vor, Ahmadinedschad bei einer Auslandsreise etwa zu den UN nach New York festzunehmen und an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu überstellen.


BOMBENANSCHLÄGE IN BOSTON VERURTEILT

Revolutionsführer Ali Chamenei hat in einer am 17. April veröffentlichten Mitteilung die Bombenanschläge in Boston verurteilt, jedoch gleichzeitig den USA Doppelmoral vorgeworfen. "Die Islamische Republik Iran, welche der Logik des Islam folgt, lehnt jegliche Bombenanschläge und das Töten Unschuldiger ab, egal, ob in Boston, Pakistan, Afghanistan, Irak oder Syrien und verurteilt dies", hieß es. Gleichzeitig kritisierte Chamenei in seiner an iranische Kommandeure gerichteten Rede die USA für die Tötung von Menschen durch den Einsatz von Drohnen in Pakistan und Afghanistan sowie für die Unterstützung von Truppen, welche im Irak und in Syrien Menschen töteten.

"Die USA und andere, die behaupten, die Menschenrechte zu unterstützen, bleiben stumm gegenüber dem Massaker an unschuldigen Menschen in Pakistan, Afghanistan, Irak oder Syrien, aber rufen eine globale Kontroverse hervor, wenn sich Explosionen in den USA ereignen", sagte Chamenei weiter. Wegen solcher Doppelmoral gehe die westliche Zivilisation zugrunde.


KRITIK AN AKADEMIE LOCCUM WEGEN EINLADUNG DES IRANISCHEN BOTSCHAFTERS

Der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Hannover, Kay Schweigmann-Greve, übte scharfe Kritik an der Evangelischen Akademie Loccum, weil diese den iranischen Botschafter zu einer Iran-Tagung eingeladen hat. Damit liefere die Akademie in Niedersachsen "der iranischen Variante eines expansiven, antidemokratischen und antisemitischen Islamismus" die Möglichkeit zur Werbung. Sie lade "den höchsten Vertreter des iranischen Mörderregimes in Deutschland ein, sein Land zu repräsentieren", sagte Schweigmann-Greve. Der Botschafter dürfe sich einem politisch interessierten Publikum als diskursfähiger Intellektueller präsentieren und die Zuhörer "mit Charme, Witz und Desinformation" über die wahren Intentionen seines Landes täuschen. Dazu dürfe sich die Akademie nicht missbrauchen lassen.

Auch die Grüne Jugend Hannover erklärte am 11. April, sie nehme mit Schrecken zur Kenntnis, dass die Akademie ausgerechnet den höchsten Vertreter des iranischen Mullah-Regimes in Deutschland eingeladen habe. Im iranischen Staat würden Homosexuelle ermordet, Ehebrecherinnen gesteinigt und Oppositionelle gefoltert. Ein Vertreter dieses Regimes dürfe keine Bühne erhalten. Die Organisation kündigte Proteste an, sollte der Botschafter nicht ausgeladen werden. Dies sei bereits in Leipzig und Frankfurt am Mai geschehen.

Tagungsleiter Marcus Schaper sagte dem epd, Botschafter Attar werde selbstverständlich keine Plattform bekommen, um sein Land schönzureden. Es gehe darum auszuloten, wie ein Bau der Atombombe in Iran ohne Krieg verhindert werden könne. In Iran stünden gerade Wahlen bevor, und die reformierten Kräfte hätten dort Chancen. "Gerade deshalb ist der Botschafter für die Tagung ungeheuer wichtig." An der Tagung seien im Übrigen fast ausnahmslos regimekritische Referenten beteiligt. Bei ihnen seien Thema und Planung auf Zustimmung gestoßen.

Die dreitägige Tagung, an der der iranische Botschafter Ali Reza Scheikh Attar am 18. April teilnahm, lief unter dem Titel "Neue Politik für den Mittleren Osten - Wie kann die iranische Gesellschaft gestärkt werden". Attar gilt als enger Vertrauter von Präsident Ahmadinedschad. Ihm wird vorgeworfen, in den 80er Jahren für Massaker an Kurden verantwortlich gewesen zu sein. Begleitet wurde Attars Auftritt von Protesten von rund 50 Personen, die vor dem Landeskirchenamt Hannover demonstrierten. Den Protesten des Bündnisses "Stop the bomb" schlossen sich auch Exil-Iraner, Mitglieder der Liberalen Jüdischen Gemeinde in Hannover, der Jusos und der Grünen Jugend, Vertreter evangelischer Kirchengemeinden und der Deutsch-Israelischen Gesellschaft an.

Attar warf der westlichen Welt vor, sie sei nicht an einer friedlichen Einigung im Atomstreit interessiert. "Ein Dialog im Beisein der Waffen ist nicht möglich", sagte er. Zugleich forderte er insbesondere die USA auf, sich nicht in die inneren Angelegenheiten Irans einzumischen. Die Islamische Republik strebe keine Atomwaffen an, betonte der Botschafter. "Wir sind nicht Pakistan oder Nordkorea." Diese Staaten seien politisch und wirtschaftlich isoliert. Als Nation mit einer mehr als 7000-jährigen Geschichte wolle Iran jedoch eine geistig-spirituelle Vorbildfunktion in der Region des Nahen und Mittleren Osten einnehmen. "Durch Atomwaffen kann man keinen Einfluss haben."

Massenvernichtungswaffen seien in seinem Land darüber hinaus verboten, sagte der Diplomat mit Blick auf ein islamisches Rechtsgutachten des Revolutionsführers Ali Chamenei. "Diese Fatwa ist die wichtigste und höchste Garantie." Die Staatengemeinschaft solle die damit gemachte Zusage anerkennen und so ein Zeichen des Vertrauens aussenden.

Der frühere deutsche Botschafter in Teheran und jetzige geschäftsführende stellvertretende Präsident der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Paul Freiherr von Maltzahn, mahnte einer Meldung der epd vom 19. April zufolge an, die Lösung der Nuklearfrage müsse "höchste Priorität" haben. Andere Fragen müssten dahinter zurückstehen. So solle die Frage der Menschenrechte einerseits nicht unterschätzt, anderseits aber auch nicht zu sehr in den Vordergrund gerückt werden.

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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2013