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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/311: Iran-Report Nr. 2 - Februar 2014


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 2 - Februar 2014
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand



Der Konflikt um das iranische Atomprogramm, die Wahlfälschung vom Juni 2009, die Verfolgung der Opposition und die Verletzung der Menschenrechte sind einige der wiederkehrenden Themen des Iran-Reports. Er wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus, auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter. Der Iran-Report wird einem breiten Interessentenkreis aus Politik, Wissenschaft und Medien zur Verfügung gestellt.

INNENPOLITIK

• Rohani: Die Iraner haben genug vom Extremismus
• Auseinandersetzungen über Unruhen von 2009 dauern an
• Rohani kritisiert Parlament
• Auftritt Ebtekars beim Freitagsgebet verhindert
• Informationsminister zur Befragung im Parlament einbestellt
• Amnesty: 40 Hinrichtungen seit Jahresbeginn


ROHANI: DIE IRANER HABEN GENUG VOM EXTREMISMUS

Präsident Hassan Rohani hielt bei einem Treffen mit den Provinzgouverneuren erneut eine Grundsatzrede, bei der er seine Politik der Vernunft und Mäßigung erläuterte. Wie die Tageszeitung Schargh am 8. Januar berichtete, übte Rohani zunächst gemäßigte Kritik am Parlament, weil in den vergangenen Wochen mehrere Minister mehrmals zur Befragung einbestellt wurden. Die Radikalen und Konservativen, die im Parlament die absolute Mehrheit bilden, stehen einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Parlament und der Regierung skeptisch gegenüber. Es sei nicht üblich - und dies habe es in der Geschichte der Islamischen Republik bisher nicht gegeben, dass erst der vierte Vorschlag des Präsidenten für die Besetzung eines Ministeramts die Zustimmung des Parlaments erhalte, sagte Rohani. Er fügte versöhnlich hinzu: "Aber dazu hat das Parlament ein Recht und wir sollten es nicht übel nehmen."

Nach dieser Einleitung übte Rohani, ohne auf Abgeordnete Bezug zu nehmen, scharfe Kritik am Extremismus. "Die Menschen haben den Extremismus satt", sagte er wörtlich. Es sei für sie nicht wichtig, aus welcher Fraktion dieser oder jener stamme, "die Menschen wollen Taten sehen, Maßnahmen, die ihre Versorgungsprobleme lösen". Die gegenwärtige Wirtschaftslage sei der Menschen in Iran "nicht würdig". Die Regierung sei bestrebt, den Menschen die Lasten, die sie zu tragen hätten, abzunehmen. Dabei sei die Regierung auf die Unterstützung der Bürger, der Verbände und der Vereine, angewiesen. "Ohne diese Unterstützung können wir nichts erreichen", fügte der Präsident hinzu.

Die Gouverneure sollten darauf achten, , dass sich niemand benachteiligt fühle. Selbst bei rivalisierenden Fraktionen dürfe es nicht sein, dass die Mehrheit alles gewinne und die Minderheit alles verliere. Gerechtigkeit könne nur herrschen, wenn alle Staatsbürger gleich behandelt würden. "Es darf keine Benachteiligung nationaler Minderheiten geben. Das Recht macht keinen Unterschied zwischen einem Perser, einem Kurden, einem Araber, einem Belutschen oder anderen. Alle sind Bürger Irans", erklärte der Präsident.

Rohani betonte, dass das Land eine offene Atmosphäre brauche. Die Menschen müssten gesellschaftliche, zivile und politische Freiheiten genießen. Es dürfe keine polizeistaatliche Atmosphäre geben.

Zur Außenpolitik seiner Regierung sagte Rohani, Verhandlungen, bei denen es am Ende einen Verlierer und einen Gewinner gäbe, seien nicht anzustreben, denn das Ergebnis werde sich nicht lange halten lassen. Wenn nicht beide Seiten gewinnen, werde der Verlierer über kurz oder lang das Ergebnis anfechten und die Vereinbarungen über Bord werfen.


AUSEINANDERSETZUNGEN ÜBER UNRUHEN VON 2009 DAUERN AN

Die Ereignisse während und nach der Präsidentenwahl von 2009 bilden immer noch ein Thema, über das weiterhin heftig gestritten wird; nicht zuletzt, weil sowohl die beiden führenden oppositionellen Politiker Mehdi Karrubi und Mir Hossein Mussavi unter Hausarrest stehen und zahlreiche Politiker, Journalisten, Menschrechtsaktivisten und Anwälte sich immer noch im Gefängnis befinden. Monatelang hatten 2009 landesweit Millionen gegen die Fälschung der Wahlergebnisse protestiert, aufgrund derer Mahmud Ahmadinedschad als Sieger hervorging. Die Proteste wurden brutal niedergeschlagen und tausende Oppositionelle wurden verhaftet. Dabei hat es nachweislich Tote und schwere Folterungen gegeben. Das Regime bezeichnete die Proteste als "eine Verschwörung", die vom Ausland gesteuert worden sei.

Der konservative Parlamentsabgeordnete Ali Mottahari nahm am 12. Januar Äußerungen von Mohammad Dschwad Laridschani, dem Beauftragten der Justiz für Menschenrechte, zum Anlass für eine überraschende Stellungnahme. - Laridschani, Bruder von Parlamentspräsident Ali Laridschani und dem Justizchef Sadegh Laridschani, hatte erklärt, die Geschichte der "Verschwörung" von 2009 sei längst geklärt und zu den Akten gelegt -.

Mottahar sagte, die staatliche Propagandakampagne über die Ereignisse von 2009 dauere immer noch an, weil man wisse, dass "die einseitige Darstellung der Ereignisse" für die Menschen im Land nicht glaubwürdig sei. "Die schwache Organisation und das Ignorieren der Proteste der Zivilgesellschaft" durch die Staatsführung seien schuld an den Problemen, die damals entstanden. Der Staat habe "mit allen Mitteln" versucht, die Proteste als "einen gezielten Staatsstreich gegen die Islamische Republik" darzustellen um diese Behauptung glaubwürdig erscheinen zu lassen, sagte Mottahari.

Es sei ein Fehler gewesen, frühzeitig zu verkünden, dass Mussavi die Wahl gewonnen habe, auch die Parteinahme einiger Mitglieder des Wächterrats und einiger staatlicher Institutionen für Ahmadinedschad hätten Mussavi in eine Ecke gedrängt, in die er nicht gehöre.

Mottahari fragte Laridschani, warum die Justiz mit so viel Lärm und Getöse immer noch versuche nachzuweisen, dass sie mit ihrer Darstellung Recht hatte, wenn doch die Angelegenheit längst zu den Akten gelegt worden sei. "Offensichtlich merken Sie selbst, dass die Menschen nicht an das glauben, was Sie in den vergangenen vier Jahren ihnen weiszumachen versucht haben", sagte er. "Warum werden Mussavi und Karrubi nicht in einem öffentlichen und ordentlichen Prozess zur Verantwortung gezogen, wenn, wie Sie behaupten, die Angelegenheit längst geklärt sei?" Mottahari hatte bereits am 29. Dezember den Hausarrest gegen Karrubi und Mussavi und die harten Urteile gegen Oppositionelle kritisiert und verlangt, dass auch der ehemalige Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad vor Gericht gestellt werden solle. Es sei illegal wenn Mussavi und Karrubi ohne ein Gerichtsurteil Hausarrest erdulden müssten -.

Der Sprecher der iranischen Staatsanwaltschaft, Gholamhossein Ejehi, bestätigte am 31. Dezember die zuvor von der Agentur IRNA verbreitete Nachricht, die Staatsanwaltschaft habe Mottahari wegen dessen Äußerungen angeklagt. Mottahari bezeichnete die Maßnahme als "illegal" und betonte, dass Abgeordnete nach der Verfassung das Recht hätten, sich zu allen Angelegenheiten des Staates zu äußern. Wenn dieses Recht außer Kraft gesetzt werde, könne man das Parlament schließen. Er habe niemanden beleidigt. Der Hausarrest der beiden Oppositionspolitiker sei weder juristisch noch religiös haltbar, schrieb Mottahari in einer Erklärung, die am 31. Dezember, die von IRNA veröffentlicht wurde. "Solange die Gegenseite kein Rederecht bekommt und sich nicht verteidigen kann, während die andere Seite alles behaupten kann, kann diese politische Krise nicht beendet werden", hieß es in der Erklärung.

Der Abgeordnete Dschawad Karimi, Mitglied des Sicherheitsausschusses, erklärte vor dem Parlament am 31. Dezember, nach Meinung des Revolutionsführers Ali Chamenei, sei die Verschwörung von 2009 dreißig Jahre lang von einem besonderen Zentrum geplant und gesteuert worden. Das Zentrum sei ihm aber nicht bekannt.

Indes sagte Laridschani der Agentur ISNA, es gebe eine Anklageakte gegen Mussavi und Karrubi. Der Hausarrest sei eine Sicherheitsmaßnahme und sei gesetzlich legitimiert. Wenn es noch nicht zu einem Prozess gegen Mussavi und Karrubi gekommen sei, liege es nicht an Mangel an Beweisen, sondern an der Rücksichtnahme auf die früheren Verdienste der beiden für die Islamische Republik. Der Prozess werde zu einem günstigen Zeitpunkt aufgenommen werden. Mussavi, seine Frau Sahra Rahnaward und Karrubi befinden sich seit drei Jahren im Hausarrest.


ROHANI KRITISIERT PARLAMENT

Präsident Hassan Rohani hat die Abgeordneten im Parlament kritisiert, weil sie zu oft Minister zur Befragung einbestellen, diese mit Misstrauensanträgen bedrohen und Forderungen stellen, die mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren seien.

Abgeordnete hätten zwar das Recht, Fragen zu stellen, aber die aufgewendete Zeit für die häufigen Befragungen stehe im keinem Verhältnis zu der Zeit, die die Minister benötigen, um ihre eigentlichen Aufgaben und Pflichten zu erfüllen. Außerdem dürfe ein Minister nicht mit Misstrauensanträgen bedroht werden, wenn er eine Forderung, die den Gesetzen widerspreche, ablehne, sagte Rohani Medien zufolge am 30. Dezember bei einem Treffen mit Abgeordneten aus der Provinz Gilan.

Ein Abgeordneter, der an dem Treffen teilgenommen hatte, sagte, dass der Präsident die Art des Umgangs mit den Ministern kritisiert habe. Djabbar Kuchekisadeh, Abgeordneter aus Rascht, erklärte , Rohani habe berichtet, dass seit der Bildung der neuen Regierung mehr als 300 Befragungen an die Minister gestellt worden seien. Dabei hätten manche Befragungen über vier Stunden lang gedauert. Rohani habe sich auch über aggressives Verhalten der Abgeordneten gegenüber Kabinettsmitgliedern beschwert, so dass manche Minister mit Rücktritt gedroht hätten, weil sie unter diesen Umständen nicht ihren Pflichten nachkommen könnten, sagte Kuchekisadeh.

Der Vorsitzende der Fraktion der Konservativen, der Abgeordnete Haddad Adel, sagte der Agentur IRNA, es sei nichts Neues, dass Präsidenten sich über die Befragung der Minister beschweren, Rohani bilde damit keine Ausnahme. Dennoch seien die Abgeordneten der Meinung, dass sich die Minister bei Besetzungen und Entlassungen von Posten nicht um die Meinung der Abgeordneten scheren. Die Befragungen seien eine Reaktion darauf.

Das iranische Parlament, das 2012 gewählt wurde, ist mehrheitlich mit Konservativen und Radikalen besetzt, die nicht selten versuchen, der reformorientierten Regierung Rohani Steine in den Weg zu legen.


AUFTRITT EBTEKARS BEIM FREITAGSGEBET VERHINDERT

Masoudeh Ebtekar, Vizepräsidentin und Verantwortliche für den Schutz der Umwelt, sollte beim Freitagsgebet am 17. Januar eine Rede halten, wurde jedoch vorher wieder ausgeladen. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur IRNA sagte sie am Rande einer Kabinettssitzung am 22. Januar: "Ich wurde offiziell eingeladen, alle organisatorischen Fragen waren geklärt. Doch 48 Stunden vor dem Freitagsgebet wurde mir mitgeteilt, dass die Rede von der Tagesordnung gestrichen worden sei. Eine Begründung gab es nicht."

Anlass für die Einladung war der Beginn der "Woche saubere Luft". Ebtekar sollte 20 Minuten vor dem Hauptprediger reden. Yadollah Schirmardi, Organisator des Freitagsgebets in Teheran, hatte erklärt, Ebtekar habe aufgrund von Krankheit und Zeitmangel die Einladung abgesagt. Demgegenüber sagte Ebtekar, sie habe die Rede vorbereitet gehabt und sich sehr wohl gefühlt. Einige Medien berichteten, die Einladung sei zurückgenommen worden, weil einige Geistliche dagegen gewesen seien.

Es ist nicht üblich, dass Frauen beim Freitagsgebet Reden halten. Aber vor wenigen Jahren hatte die amtierende Gesundheitsministerin Wahid Dastdscherdi in der "Woche der Gesundheit" beim Freitagsgebet geredet.

Ebtekar äußerte die Hoffnung, dass die politische Atmosphäre es künftig den Verantwortlichen des Staates erlaube, auch beim Freitagsgebet ihre Pläne den Gläubigen zu erläutern.


INFORMATIONSMINISTER ZUR BEFRAGUNG IM PARLAMENT EINBESTELLT

Auch Informationsminister Mahmud Alawi musste am 7. Januar laut Medien dem Ausschuss für Sicherheit und Außenpolitik Rede und Antwort stehen. Befragt wurde der Minister über das Treffen einer Delegation des Europaparlaments mit dem Filmemacher Dschafar Panahi und der Rechtsanwältin Nassrin Sotudeh, - beide gehören der Opposition an, und ihnen wird Zusammenarbeit mit den "Verschwörern" von 2009 vorgeworfen.

Der Abgeordnete Ahmad Ariainejad fragte den Minister, warum er keine Maßnahme im Vorfeld eingeleitet habe, um das Treffen zu verhindern. Alawi erwiderte, die notwendige Koordination zwischen den verantwortlichen Instanzen sei nicht ausreichend gewesen. Allerdings habe sein Ministerium sich klar gegen das Treffen ausgesprochen. Arianejad hielt die Antwort für nicht befriedigend.

Der Abgeordnete Ebrahim Aghamohammadi fragte, was der Grund für das Treffen gewesen sei und ob die EU-Delegation das Treffen zur Bedingung ihrer Reise nach Iran gemacht hätte. Alavi antwortete, sein Ministerium habe nichts gegen den Besuch der Delegation einzuwenden gehabt, hätte jedoch ein Treffen mit den Oppositionellen abgelehnt. Auch Aghamohammadi zeigte sich mit der Antwort unzufrieden. Eine Unzufriedenheit mit der Antwort wird im iranischen Parlament als "gelbe Karte" bezeich net. Bekommt ein Minister drei gelbe Karten, kann gegen ihn ein Misstrauensantrag gestellt werden

Eine achtköpfige Delegation des Europaparlaments hatte Mitte Dezember Iran besucht und am 13. Dezember Sotudeh und Panahi in der griechischen Botschaft in Teheran getroffen. Die Parlamentarier hatten den beiden den Sacharow-Preis überreicht, mit dem sie das EU-Parlament im Dezember 2012 für ihren Einsatz für die Meinungsfreiheit ausgezeichnet hatte.

Alawi war nicht das erste Mitglied der Regierung Rohani, der zur Befragung einbestellt wurde. Vor ihm haben bereits drei seiner Kabinettskollegen gelbe Karten erhalten, zuletzt war es der Minister für Kultur und islamische Führung, mit dessen Antwort die Abgeordneten ebenfalls unzufrieden waren. Politische Beobachter deuten die ungewöhnlich häufigen Befragungen als Versuch der Konservativen, die Regierung unter Druck zu setzen.


AMNESTY: 40 HINRICHTUNGEN SEIT JAHRESBEGINN

Die in London ansässige Zentrale der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) berichtete am 17. Januar, dass seit Beginn des neuen Jahres vierzig Personen in Iran hingerichtet worden seien. 23 Personen wurden innerhalb einer Woche erhängt. Von den 40 Personen seien 21 offiziell hingerichtet worden, von der Hinrichtung der restlich 19 Personen habe die Organisation aus "sicheren Quellen" erfahren. Die meisten Hingerichteten waren wegen Drogenschmuggels zum Tode verurteilt worden.

Amnesty International zeigte sich äußerst besorgt. Die stellvertretende Abteilungsleiterin für Mittelost und Afrika, Hassiba Sahraoui, sagte: "Die Zahl der Hinrichtungen ist besorgniserregend hoch. Die Bemühungen der iranischen Regierung, das Ansehen des Landes zu verbessern, ist bei dieser hohen und ständig steigenden Zahl an Hinrichtungen, sinnlos." Sie forderte: "Die iranischen Behörden müssen die Todesstrafe dringend abschaffen. Die Erfahrung zeigt immer wieder, dass die Todesstrafe auf Straftäter nicht im Geringsten abschreckend wirkt."

Sahraoui wies weiter darauf hin, dass eine Hinrichtung am 13. Januar in der Öffentlichkeit stattgefunden habe.

"In Iran werden Drogendelikte vor Revolutionsgerichten behandelt, welche sich gewöhnlich nicht nach den internationalen Standards für faire Verfahren richten". Menschen werden in unfairen Prozessen skrupellos zum Tode verurteilt. Dies ist untragbar. Die Prozesse vor den Revolutionsgerichten laufen zumeist hinter verschlossenen Türen ab. Den Richtern steht es in bestimmten Fällen frei, den Verteidigern während der Ermittlungen den Zugang zu ihren Mandanten zu verwehren", erklärte Sahraoui.

Auch im Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, der am 22. Januar veröffentlicht wurde, werden Iran eklatante Verletzungen der Menschenrechte vorgeworfen. Trotz der Versprechungen des iranischen Präsidenten Hassan Rohani, die Menschenrechte zu achten, würden diese in Iran ernsthaft missachtet, heißt es in dem Bericht. Seit der Regierungsübernahme Rohanis seien zwar einige Gefangene freigelassen worden, aber nach wie vor säßen zahlreiche Verteidiger der Menschenrechte, wie der Rechtsanwalt Abdolfattah Soltani und Politiker wie Mehdi Karrubi und Mir Hossein Mussavi, in Haft bzw. stünden unter Hausarrest.

Der Bericht erinnert daran, dass die Regierung Rohani dem Menschenrechtsbeauftragten der UNO für Iran, Ahmad Schaheed, immer noch keine Besuchserlaubnis für Iran erteilt habe.

In vielen Bereichen wie dem Ehe-, Scheidungs-, Erb- und Sorgerecht seien die Frauen benachteiligt, schreiben die Autoren des Berichts. Faras Sanei, Mitarbeiter von Human Rights Watch sagte in einem Interview mit der BBC, obwohl der Ton bei der Regierung Rohani sich im Vergleich zur vorigen Regierungen geändert habe, seien bei der Situation der Menschenrechte in Iran keine wesentliche Verbesserung zu verzeichnen.

Wie AI äußerte sich auch Human Rights Watch besorgt über die Häufigkeit der Hinrichtungen in Iran. Offiziellen Angaben zufolge seien 2013 mindestens 270 Personen hingerichtet worden, heißt es in dem Bericht. Die tatsächliche Zahl liege jedoch weitaus höher.

Einer Erklärung vom 17. Januar der im Ausland ansässigen "Internationalen Kampagne für Menschenrechte in Iran" zufolge ist die Zahl der Hinrichtungen im Iran pro Kopf der Gesamtbevölkerung weltweit die höchste. 2013 seien 402 Verurteilte hingerichtet worden, davon 53 öffentlich. Nach Angaben der Organisation seien 2011 mehr als 600 Menschen hingerichtet worden. Hinter China mit 1,3 Milliarden Einwohnern sei Iran der Staat mit den zweitmeisten Todesstrafen in der Welt gewesen.

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KULTUR

• Rohani: Wir fürchten uns nicht vor gelben Karten
• Reaktionen auf Rohanis Rede
• Vier Millionen Facebook-Nutzer in Iran
• Frauen-Zeitschrift "Zan" darf wieder erscheinen - neuer Name
• Massenemigration von Experten
• Problem des Journalistenverbands soll bald gelöst werden
• Geheimdienstminister sorgt sich um die Existenz des sozialistischen Gedankenguts


ROHANI: WIR FÜRCHTEN UNS NICHT VOR GELBEN KARTEN

Staatspräsident Hassan Rohani versprach vor einer Versammlung vor Künstlern und Kulturschaffenden, dass sich seine Regierung trotz des Drucks durch das Parlament auf das Kulturministerium für die Wiedereröffnung des nationalen Symphonieorchesters einsetzen werde.

Die Regierung, die der Aggressivität der Konservativenden Kampf angesagt habe und überall für diplomatische Lösungen werbe, strecke den Künstlern ihre Hand zur vertraulichen Zusammenarbeit entgegen, sagte Rohani am 9. Januar. "Kunst ohne Freiheit macht keinen Sinn und schöpferische Arbeit ist ohne Freiheit nicht möglich." Allerdings gäbe es auch gewisse Einschränkungen für die Kunst. Bevor die staatliche Zensur eingreife, bildeten zu allererst die "menschliche Gemeinschaft und die Gesellschaft den Rahmen für die Kunst". Erläuternd sagte Rohani, Sitten und Gebräuche, die in der Gesellschaft herrschende Moral, das Denken und die Vorstellungen, seien Kriterien, die die Grenzen der Kunst bestimmen. Daher habe jede Staatsordnung ihre "roten Linien", die allerdings klar formuliert sein müssten. Nur so ließe sich Willkür verhindern und nur dann könnte die Kontrollfunktion auf die dafür zuständigen Verbände und Vereine übertragen werden.

Die Kunst könne nicht bestellt werden, fuhr Rohani fort. Sie sei ein Produkt der Schöpferkraft des Künstlers. Zur gesellschaftlichen Rolle der Kunst sagte der Präsident, der Künstler solle weder als Aushängeschild dienen, noch die Rolle der Opposition spielen, weder an der Spitze der politischen Umwälzungen stehen, noch sich aus der Gemeinschaft ausschließen. Der Künstler sei nicht aufgefordert, die Auffassungen der Gesellschaft oder gar die der Intellektuellen darzustellen, denn er vertrete seine eigene Auffassung. Er solle auch nicht mit der Gesellschaft und dem Staat streiten.

Zu den Errungenschaften der Islamischen Revolution gehöre auch die Versöhnung zwischen den Gläubigen und der Kunst, sagte Rohani. Erst in der Ära Chomeini sei die religiöse Akzeptanz der Musik durch Revolutionslieder erreicht worden. Die islamische Revolution habe die Basis für die darstellende Kunst bereitet. Dies zeige zum Beispiel die Entwicklung des iranischen Films, die in den 90er Jahren begann und die inzwischen so weit vorangeschritten sei, dass sie sich um internationale Preise wie den Oscar bewerben könne.

Seine Regierung habe nicht die Absicht, die Zensur in der Weise fortzusetzen, dass sie für die Arbeit der Künstler hinderlich sein könnte, sagte Rohani. "Wir müssen die Rahmenbedingungen schaffen, damit jeder weiß, wie er sich zu verhalten hat. Das Kulturministerium muss sich auf Verwaltungsarbeit beschränken." Die Kunst dürfe nicht unter dem "Aspekt der Sicherheit" betrachtet werden. Die Sicherheit werde heute durch Armut, Prostitution, Mangel an Vertrauen und Wirtschaftskorruption bedroht. Die Kunst könne den Staat auf diese Gefahren aufmerksam machen.

Zu der so genannten "kulturellen Invasion" von außen sagte der Regierungschef: "Wenn man kulturelle Gleichschaltung anstrebt, wenn wir der Kunst und den Künstlern die Flügel abschneiden, und wenn die Menschen in unserem Land nicht im eigenen Land ihre Helden und Vorbilder entdecken können, dann werden sie diese jenseits der Ozeane suchen."

Rohani äußerte sein Bedauern darüber, dass das nationale Symphonieorchester seine Arbeit einstellen musste. Die Regierung werde "mit Sicherheit" innerhalb der nächsten Monate das Orchester wieder beleben.

Über das Symphonieorchester wurde vor zweieinhalb Jahren debattiert. Manche äußerten sich besorgt darüber, dass das Orchester nicht mehr aktiv sei. Die amtierende Regierung bestritt, die Auflösung angeordnet zu haben, es gehe vielmehr um eine Neuorganisierung.

Dennoch berichtete die Agentur ILNA damals, die Regierung habe die finanzielle Unterstützung des Orchesters eingestellt.

Rohani verwies auf die kürzlich geäußerte Kritik mancher Parlamentarier gegen die neuen Maßnahmen des Kulturministers Ali Dschannati und sagte: "Selbst wenn Herr Dschannati noch mehr gelbe Karten bekommen sollte, wird die Regierung ihre im Wahlkampf gegebenen Versprechen halten. Gelbe Karten kümmern uns nicht, wir sind auf Menschen wie Dschannati, die für die Rechte und Freiheiten der Künstler eintreten, sehr stolz."

Das Parlament hatte eine Woche zuvor den Minister einbestellt weil er sich für die Aufhebung der Zensur im Internet eingesetzt und das Verbot der Nutzung der Sozialnetze als "lächerlich" bezeichnet hatte.


REAKTIONEN AUF ROHANIS REDE

Die Rede Rohanis forderte von links und von rechts Kritik heraus, fand aber auch viel Zustimmung bei den Kulturschaffenden. Die ultrarechte Tageszeitung Kayhan, die als Sprachrohr des Revolutionsführers angesehen wird, stellte in ihrer Ausgabe vom 11. Januar die Frage, ob der Präsident mit der Äußerung, er kümmere sich nicht um die gelben Karten des Parlaments, gemeint habe, dass die Regierung künftig gegenüber der Verbreitung von Unmoral durch die Kultur neutral bleiben, aber die Kritiker zurückweisen wolle. Der ebenso ultrarechte Online-Dienst Redscha News protestierte gegen die Äußerung Rohanis, der gemeint hatte, es sei falsch, von wertvoller und wertloser Kunst zu sprechen. Diese Sichtweise sei "falsch und gefährlich", sie führe zur Verbreitung des Verderbens unter dem Deckmantel der Kunst. Man müsse bedenken, dass es Schriftsteller gebe, die die Zweifel über die Grundsätze des Glaubens verbreiteten oder Aufruhr und Verschwörungen gegen den Staat unterstützten. Von dem "Geistlichen Rohani" sollte man erwarten dürfen, dass er Tendenzen zur Säkularisierung der Kunst nicht unterstützt, schrieb Redscha News.

Demgegenüber erklärten einige Kulturschaffende ihre Zufriedenheit mit den Äußerungen Rohanis. Der populäre Schriftsteller Mahmud Doulatabadi begrüßte in einem Artikel, den die Agentur ISNA am 11. Januar veröffentlichte, dass die seit Jahren geforderten Rechte und Freiheiten nun aus dem Munde des Regierungschefs zu hören seien. Er frage sich nur, ob die Äußerungen Rohanis als ein Geschenk gemeint seien e, oder als Einsicht in die Notwendigkeit, eine offene politische Atmosphäre und Achtung vor individuellen und gesellschaftlichen Rechten zu schaffen; nicht nur im Bereich der Kunst und Literatur, sondern für alle Bereiche der Gesellschaft.

Der Sänger und Musiker, Schahin Nadjafi dagegen rügte in einem Videoclip die Anbiederungen der Kulturschaffenden und äußerte seine Verwunderung über jene, die die Ankündigungen Rohanis ernst genommen hätten.


VIER MILLIONEN FACEBOOK-NUTZER IN IRAN

Zum ersten Mal wurde in der Islamischen Republik von der Staatsführung offiziell verkündet, dass die Sozialnetze trotz Verbot, massenhaft genutzt werden. Der Minister für Kultur und Islamische Führung, Ali Dschannati, sagte am 14.Januar in einem Interview mit dem arabischen Sender al Dschasira, es gäbe in Iran vier Millionen Facebook-Nutzer, er fügte hinzu: "Früher oder später müssen die Nutzungseinschränkungen aufgehoben werden." Er habe die Hoffnung, dass "bald alle Iraner" zu allen Sozialnetzen Zugang haben werden.

Auf die Frage, ob auch er Facebook und Twitter nutze, sagte Dschannati, er sei seit drei Jahren Facebook-Mitglied und nutze das Netzwerk, um die Verbindung zu Freunden weltweit aufrechtzuerhalten. Twitter nutze er nicht. Ob die Nutzung nicht illegal sei? "Manche halten die Nutzung für illegal", weil Facebook gefiltert werde, sagte der Minist er. "Wir versuchen uns an die Gesetze zu halten und sind gemeinsam mit anderen Ministerien bestrebt, Voraussetzungen zu schaffen, die es allen Iraner erlauben, die Sozialnetze zu nutzen. Diese Netze dienten der Kommunikation und dem Austausch von Meinungen. Die Tatsache, dass es bereits vier Millionen Facebook-Nutzer im Land gebe, zeige, dass ein großer Bedarf bestehe. Daher "müssen die Einschränkungen früher oder später aufgehoben werden."

Auf die Frage, ob die Politik der Versöhnung und des Dialogs der Regierung und die neue Atmosphäre der gegenseitigen Verständigung auch auf die Justiz übergreifen werde, sagte der Minister: "Wir haben jetzt einen neuen Regierungschef, aber der Justizchef ist immer noch der alte. Es ist selbstverständlich, dass auch die Justiz sich der neuen Entwicklung anpassen muss. Wir hoffen jedenfalls, dass es auch in der Justiz ähnliche Veränderungen geben wird." Er gehe davon aus, dass auch der Wunsch der Bevölkerung nach Veränderungen sowohl die Justiz als auch das Parlament, "in dem die Konservativen die Mehrheit haben", beeinflussen werde.

Wie zu erwarten, riefen die Äußerungen Dschannatis bei der Justiz Proteste hervor. Der Sprecher der Justiz, Gholamhossein Mohseni Ejehi, sagte bei einer Pressekonferenz am 14. Januar in Teheran, er hoffe, der Kulturminister sei nicht korrekt zitiert worden, denn "Herr Dschannati besitze nicht die Kompetenz, um der Justiz Vorschriften zu machen". Er habe die Übersetzung des Interviews gelesen und sei nicht sicher, dass der Minister sich tatsächlich sich in dieser Weise geäußert habe. Sollte er nicht korrekt zitiert worden sein, müsse er "deutlich und klar dementieren und gegen den Sender scharf protestieren". Sollte er sich jedoch tatsächlich so geäußert haben, sollte er wissen, dass es einem Kulturminister nicht anstehe, sich in Angelegenheiten der Justiz einzumischen und ihr Vorschriften zu machen.

Indes hatte der Minister für Kommunikation und Informationstechnologie, Mahmud Waesi, am 6. Januar bei einer Elektronikausstellung bekannt gegeben, dass die Bandbreite des Internets um das zehnfache erhöht werde. Die Bandbreite, die zu Beginn seiner Amtsübernahme im Juli 2013 einundsiebzig Gigabyte in der Sekunde betrug, sei inzwischen auf 120 Gigabyte pro Sekunde erhöht worden und werde bis zum März dieses Jahres auf die doppelte Geschwindigkeit erhöht. Das nationale Internet werde für die Nutzung des internationalen Internets keine Einschränkungen bringen, sagte der Minister. Das nationale Internet war in der Regierung Ahmadinedschads geplant worden, um die Internetnutzer besser kontrollieren zu können.

Einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von 7. Januar zufolge hat Revolutionsführer Ali Chamenei ein religiöses Edikt, eine Fatwa, erlassen, die das Chatten zwischen nicht verheirateten oder nicht verwandten Männern und Frauen verbietet. Anlass bot eine an ihn gerichtete Frage. "Aufgrund der Unsittlichkeit, die oft mit dieser Kommunikationsform verbunden ist, wird sie nicht gestattet", schrieb Chamenei, der zwar in religiösen Kreisen nicht als religiöse Instanz anerkannt ist und demzufolge auch keine Fatwa erlassen kann. Es war aber nicht das erste Mal, dass er die Rolle einer Instanz spielte, wohl wissend, dass niemand dagegen zu protestieren wagt.

Am 24. Januar erklärte Abdolsamad Chorramabadi, Leiter der "Gruppe zur Feststellung von Straftaten im Internet", die für die Zensur im Internet zuständig ist, im staatlichen Fernsehen, die Filterung der Internetze erfolge nach den Pressegesetzen. Er kritisierte Mitglieder der Regierung, die diese Netze benutzen. Nach der Filterung eines Netzes sei es nicht richtig, wenn ein Regierungsmitglied dieses Netz nutzt.

"Wir sind davon überzeugt, dass man das Strafbare und das Nichtstrafbare in Facebook nicht voneinander trennen kann, sagte Chorramabadi. Darüber herrsche mit "manchen Kollegen" Unstimmigkeit. "Wenn jemand Medien, die den Islam beleidigen, unterstützt, kann er in unserem Staat keine verantwortliche Stelle übernehmen." Sechs Minister im Kabinett hätten ein Konto bei Facebook, sagte Chorramabadi und betonte: "Wir haben Facebook und Twitter aufgrund bestehender Gesetze konsequent gefiltert." Facebook arbeite für amerikanische Geheimdienste und der Chef des Netzwerks sei ein "Zionist". "Die Menschen in unserem Land haben keine Probleme mit der Filterung feindlicher Netzwerke, sagte Chorramabadi.


FRAUEN-ZEITSCHRIFT "ZAN" DARF WIEDER ERSCHEINEN - NEUER NAME

Die bekannte Frauenrechtlerin und Chefredakteurin der verbotenen Frauenzeitschrift "Zan" ("Die Frau"), Schahla Scherkat, schrieb am 2. Januar in Facebook: "Gerade habe ich eine Nachricht erhalten, auf die ich seit sechs Jahren warte: Zanane Emruz ("Frauen von heute") darf wieder erscheinen. Ein Haufen Arbeit liegt vor mir, Frauen meiner Heimat, helft mir, helft mir."

Zahlreiche Frauen äußerten ihre Freude und Begeisterung über die Nachricht. Die Zeitschrift Zan wurde sechzehn Jahre nach ihrer Gründung vor sechs Jahren verboten. Eine der ehemaligen Mitarbeiterinnen von "Zan", die Journalistin Fahimeh Heidari veröffentlichte ein Foto der ehemaligen Redaktionsmitglieder in Facebook und schrieb dazu: "Die Redaktion war die heiterste, die ich jemals gekannt habe, eine Redaktion, die ausgelöscht und auseinander gerissen, aber niemals vergessen wurde. Denn die Ergebnisse ihrer Arbeit waren glänzend, ehrlich und wirkungsvoll. Schahla Scherkat war in die Zeitschrift vernarrt. Jeder Artikel und jedes Wort musste redigiert und gefeilt werden. Wir liebten unsere Arbeit, auch unsere Auseinandersetzungen und Probleme. Denn wir waren miteinander solidarisch ..."

Die Zeitschrift Zan hat vor allem in den neunziger Jahren eine unschätzbare Rolle bei der Selbst-Bewusstwerdung von Frauen gespielt. Eine ihrer wichtigsten Leistungen bestand darin, dass es ihr gelang, islamische mit säkularen Frauen zu einer gemeinsamen Arbeit zusammenzuführen. Die Zeitschrift soll unter dem neuen Namen "Zanane Emruz" erscheinen.


MASSENEMIGRATION VON EXPERTEN

Wissenschaftsminister Resa Faradschidana sagte Medienberichten zufolge am 7. Januar, jährlich gingen rund 150.000 iranische Akademiker ins Ausland. Diese "Massenauswanderung der Köpfe" bedeute für das Land jährlich einen Verlust von 150 Milliarden Dollar. Für die Ausbildung eines Experten zahle der Staat rund eine Million Dollar. "Bei einem Bildungshaushalt wie in diesem Jahr von 70 Milliarden Dollar, schenken wir der Welt infolge der Emigration von Experten jährlich 150 Milliarden Dollar", sagte der Minister. "Wir haben grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, dass unsere Kinder im Ausland studieren. Wir alle haben einige Jahre in der Fremde verbracht, um danach unserem Land dienen zu können."

Einige Monate zuvor hatte die "Nationale Stiftung für Experten" erklärt, dass 308 Träger einer Olympia-Medaille und 350 der landesweit geprüften besten Studenten zwischen 2003 und 2007 das Land verlassen hätten. Den Angaben zufolge sind derzeit allein 250.000 iranische Ingenieure und Ärzte in Nordamerika beschäftigt.


PROBLEM DES JOURNALISTENVERBANDS SOLL BALD GELÖST WERDEN

Der Minister für Kultur und islamische Führung, Ali Dschannati, sagte am 31. Dezember der Agentur IRNA zufolge: "Ich habe das Gefühl, dass in der nun entstandenen Atmosphäre sich das Problem des Journalistenverbands bald lösen lassen wird."

Angesichts der Stellungnahme des Informationsministeriums und Arbeitsministeriums habe er die Hoffnung, dass der Verband demnächst eine Vollversammlung einberufen und einen Vorstand wählen könne.

Auch die Agentur ILNA zitierte den Minister mit den Worten: "Mit der Amtsübernahme der neuen Regierung spüren wir die Notwendigkeit, diesen Berufsverband wieder zu eröffnen und wir sind entschlossen, Vorbereitungen zur Einberufung einer Vollversammlung und zur Durchführung von Wahlen zu treffen."

Demgegenüber hatte der Sprecher der Justiz im vergangenen Monat erklärt, im Bezug auf den Journalistenverband sei nichts beschlossen worden. Deshalb sei es dem Verband nicht erlaubt, seine Arbeit aufzunehmen. Sollte der verbotene Verband ohne Zustimmung der Justiz reaktiviert werden, werde die Justiz dagegen einschreiten. Gegen diese Äußerung protestierte der Vorsitzende des Vereins Maschallah Schamslvaezin. Es sei bisher von keiner Instanz ein Verbotsurteil gegen den Verein ausgesprochen worden, sagte er am 4. Januar der Agentur ISNA zufolge. Die Räume des Vereins seien als Vorbeugemaßnahme im Zuge der Präsidentenwahl 2009 plombiert worden. Dieser Grund sei heute nicht mehr relevant.

Der Verband der Journalisten wurde 1997, wenige Monate nach der Amtsübernahme von Präsident Mohammad Chatami gegründet. Er wurde als Berufsorganisation beim Ministerium für Arbeit offiziell registriert. Die Aktivitäten des Vereins dauerten bis kurz nach der Wiederwahl Präsident Mahmud Ahmadinedschads 2009. Ein Beschluss der Staatsanwaltschaft führte zur Schließung des Vereins. Auf seiner ersten Pressekonferenz nach seinem Wahlsieg im Juni 2013 sagte Präsident Hassan Rohani auf die Frage nach dem Schicksal des Vereins, die Regierung werde sich dafür einsetzen, dass Berufstätige die Möglichkeit erhalten, ihre Interessenmit Hilfe Verbände durchzusetzen.

In der islamischen Republik gibt es keine staatsunabhängigen Gewerkschaften und Berufsverbände. Die wenigen Verbände, wie der Schriftstellerverband oder der Verband der Filmemacher oder der Journalisten waren stets Repressalien ausgesetzt und wurden immer wieder verboten.

Am 27. Januar haben 770 iranische Journalisten in einem offenen Brief an Präsident Rohani gefordert, ihren Verein wieder zuzulassen. Der Brief wurde von der Tageszeitung Etemad veröffentlicht. "Wir bewahren weiter die Hoffnung auf die Erfüllung Ihres Versprechens und bitten Sie, die notwendigen Anweisungen zu geben, um die Wiedereröffnung des Vereins zu beschleunigen", heißt es in dem Brief.


GEHEIMDIENSTMINISTER SORGT SICH UM DIE EXISTENZ DES SOZIALISTISCHEN GEDANKENGUTS

Vor einer Versammlung von Kaufleuten und Unternehmern in der Provinz Ostaserbaidschan sagte Geheimdienstminister Mahmud Alawi am 11. Januar Medienberichten zufolge: "Leider sind in unserer Gesellschaft noch Reste des sozialistischen Gedankenguts vorzufinden." Er betonte, die Notwendigkeit der Sicherheit für das Kapital. Brachliegendes und unwirksames Kapital werde im Islam nicht gerne gesehen, sagte der Geistliche. Der Islam setze für die Vermehrung des Kapitals keine Grenzen, sondern zeige den richtigen Weg zur Verwendung und zum Einsatz von Kapital, zur gleichzeitigen Beteiligung der Armen und Bedürftigen. Auch die Regierung sehe sich zum Schutz des Kapitals verpflichtet. Genauso wie das Kapital Sicherheit brauche, benötige die Sicherheit eine Stärkung des Kapitals. "Wir müssen uns besonders ausländische Investitionen bemühen", sagte der Minister.

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WIRTSCHAFT

• Atomkonflikt
• Das Abkommen
• Nicht alle Details des Atomvertrags mit Chamenei abgesprochen
• Rohani warb um ausländische Investoren
• Streik der Arbeiter bei "Iran Tayer"
• Hisbollah: Qualität der Raketen gesteigert


ATOMKONFLIKT

Bei den Atomverhandlungen zwischen Iran und der Gruppe 5+1 (UN-Vetomächte plus Deutschland) bildeten sich in Iran zwei Fraktionen in denen sich auf der einen Seite jene versammelten, die den radikalen Kurs der Vorgängerregierung fortsetzen wollen und auf der anderen Seite jene, die den von der Regierung Rohani angekündigten gemäßigten Kurs unterstützten. Jede Seite versucht neben Aktivitäten im Hintergrund auch Gerüchte und falsche Nachrichten zu verbreiten, die der eigenen Strategie dienlich sein könnten.

So erklärte der Abgeordnete und Mitglied des Ausschusses für Sicherheit und Außenpolitik, Esmail Kossari, der Tageszeitung Schargh vom 1. Januar zufolge, da die bisherigen Verhandlungen nicht ausreichend zugunsten Iran verlaufen seien, würden zwei weitere Mitglieder dem "Rat zur Kontrolle der Atomverhandlungen" beitreten. Die Nachrichtenagentur Fars berichtete am selben Tag, laut Kossari habe der Rat im Beisein der höchsten Verantwortlichen des Landes getagt. Schließlich zitierte die Agentur "Mehr" Kossari mit der Aussage, der Staatspräsident, der Parlamentspräsident und der Chef der Justiz seien Mitglieder des Rats.

Zweck dieser Nachricht, die sich später als falsch erwies, war offensichtlich, die Diskreditierung der Verhandlungsführer. Zudem wollte die Rechte damit demonstrieren, dass sie auf wichtige Entscheidungen immer noch großen Einfluss habe. Radikale und Teile der Konservativen werfen den Verhandlungsführern vor, zu viele Zugeständnisse gemacht und zu wenige Gegenleistungen erhalten zu haben. "Bei allen wichtigen und sensiblen Schritten hat der oberste Führer die Regierung und ihre Politik unterstützt", sagte Rohani.

Am 3. Januar sagte der Leiter der iranischen Verhandlungsdelegation und Vizeaußenminister, Abbas Araghchi, er wisse nichts von der Existenz eines Kontrollrates und demzufolge auch nicht von den zwei neuen Mitgliedern, die dazu gekommen sein sollen.

Präsident Rohani wies die Kritiker am 7. Januar im staatlichen Fernsehen zurück. "Die vorläufige Einigung mit den sechs großen Mächten zur atomaren Frage war keine einfache Aufgabe, sondern sehr schwierig und kompliziert." Das Interimsabkommen habe "mutige Entscheidungen" erfordert. Er scheue sich nicht vor "den Lärm einiger Leute", die das Abkommen kritisieren. Der Präsident betonte, dass alle Details mit dem Revolutionsführer abgesprochen worden seien und dieser dazu seine Zustimmung erteilt habe.

Auch in den USA blieben die Gegner des Abkommens mit Iran nicht untätig. Mehr als die Hälfte der US-Senatoren befürworten eine Ausweitung der Sanktionen gegen Iran. Am 8. Januar schlossen sich laut Reuters weitere sechs Senatoren der Kampagne "Iran frei von Atomwaffen" an. Damit wird der Entwurf eines neuen Antrags zu zusätzlichen Sanktionen von 59 von 100 Senatoren unterstützt, darunter 16, die der Demokratischen Partei angehören. Dennoch wurde der Antrag noch nicht zur Abstimmung vorgelegt, denn bereits zuvor hatte Präsident Obama gedroht, sollte der Antrag verabschiedet werden, würde er sein Veto dagegen einlegen.

Am 10. Januar gaben die Verhandlungspartner in Genf bekannt, dass bei den Sachgesprächen alle Konfliktpunkte ausgeräumt worden seien. "Wir haben Lösungen für alle Streitpunkte gefunden, aber die Umsetzung hängt von der endgültigen Ratifizierung durch die einzelnen Hauptstädte ab", sagte Araghchi im iranischen Staatsfernsehen. Ähnlich äußerte sich die EU-Außenbeauftragte, Cathrin Ashton. Präsident Obama begrüßte in einer Erklärung das Ergebnis, das er als "spürbaren Fortschritt" bezeichnete.

Am 13. Januar gaben beide Seiten bekannt, dass nun der Weg für die Umsetzung des auf sechs Monate befristeten Abkommens frei sei. Die Washington Post berichtete, dass Iran von den vereinbarten 4,2 Milliarden Dollar, die aus dem im Ausland eingefroren Guthaben gezahlt werden sollen, die erste Rate in Höhe von 550 Millionen Dollar überwiesen bekommen werde. Im Gegenzug werde Teheran die Urananreicherung auf 20 Prozent einstellen.

Am 14. Januar sicherte laut Reuters US-Vizepräsident Joe Biden Israel zu, dass die USA wesentliche Sanktionen gegen Iran beibehalten werden, so dass die "Sanktionsstruktur" weiterhin bestehen bleibe.


DAS ABKOMMEN

Am 17. Januar veröffentlichten die USA die Details des auf sechs Monate befristeten Abkommens. Demnach verpflichtet sich Iran, die Produktion des auf 20 Prozent angereichten Urans ab sofort zu beenden und die dafür notwendigen Zentrifugen funktionsunfähig zu machen. Das bereits auf 20 Prozent angereicherte Uran soll zur Hälfte verdünnt und zur Hälfte in Brennstoff verwandelt und damit für die Herstellung von Nuklearwaffen unbrauchbar gemacht werden. Weiterhin soll Iran knapp die Hälfte der installierten Zentrifugen in der Anlage Natans sowie dreiviertel der installierten Zentrifugen in der Anlage Fordo stilllegen. Weitere Anlagen zur Erhöhung der Anreicherungskapazität dürfen nicht gebaut werden. Ferner soll Iran auf weiterführende Studien oder Forschung zur Urananreicherung verzichten. Am Schwerwasserreaktor in Arak sollen keine neuen Komponenten angebracht und auf den Bau von zusätzlichen Kapazitäten, um bei der Wiederaufarbeitung Plutonium zu gewinnen, soll verzichtet werden. Die Urananreicherung soll auf höchstens fünf Prozent beschränkt bleiben. Schließlich verpflichtet sich Iran, für höchste Transparenz zu sorgen und die Kontrolle der Umsetzung des Abkommens durch die Internationale Atombehörde ohne Einschränkung ermöglichen.

Im Gegenzug werden die Sanktionen gegen Öl-Export aus Iran und Import von Gütern für die Autoindustrie aufgehoben, ebenso die gegen Ausfuhr von Gold und anderen Edelmetallen. Rohölverkäufe Irans sollen nicht weiter eingedämmt werden. Die sechs Verhandlungspartner Irans verpflichten sich, dafür zu sorgen, den Zugang Irans zu den 4,2 Milliarden Dollar, die aus dem eingefrorenen Guthaben des Landes im Ausland in Raten freigegeben werden sollen, zu erleichtern. Schließlich soll das Limit für Geldtransfer nach und aus Iran um das Zehnfache erhöht werden.

Am 20. Januar bestätigten Inspekteure der Internationalen Atomkontrollbehörde (IAEA), die nach Iran gereist waren, dass Iran der Vereinbarung gemäß mit der Drosselung des auf 20 Prozent angereichten Urans begonnen habe. Das bereits auf 20 Prozent angereicherte Uran werde verdünnt oder in Brennstoff verwandelt. Auch der Bau des Schwerwasserreaktors in Arak sei gestoppt worden, erklärte die Internationale Atomkontrollbehörde.

Auch die USA und die EU unternahmen die ersten Schritte zu der vereinbarten Lockerung von Sanktionen. Die erste Rate der vereinbarten Summe in Höhe von 550 Millionen Dollar soll Iran am 1. Februar zur Verfügung gestellt werden.


NICHT ALLE DETAILS DES ATOMVERTRAGS MIT CHAMENEI ABGESPROCHEN

Hamid Baidinejad, hochrangiger Diplomat und Mitglied der iranischen Verhandlungsdelegation bei den Atomverhandlungen sagte am 24. Januar der Agentur IRNA, die iranischen Delegationsmitglieder wollten nicht zur Legitimation ihrer Aktivitäten "alles auf die Rechnung des Revolutionsführers" setzen. Obwohl die Details d er Verhandlungen den zuständigen Gremien mitgeteilt und damit auch dem Revolutionsführer vorgelegt würden, behaupten die Verhandlungsführer nicht, dass alle Einzelheiten des Abkommens dem Revolutionsführer bekannt und von ihm genehmigt worden seien.

Grund für diese Erklärung scheint die von einigen vorgebrachte Kritik gegen die Außen- und Atompolitik der Regierung gewesen zu sein, die in den Tagen davor immer lauter geäußert wurde. Es wurde sogar behauptet, auch der Revolutionsführer habe sich zu den Atomverhandlungen kritisch geäußert. Die beiden Abgeordneten Mahmud Nabawian und Dschawad Karimi Ghoddusi erklärten, Chamenei habe in einem nicht öffentlichen Kreis gesagt, in dem vorläufigen Atomabkommen werde das Recht Irans auf Urananreicherung nicht anerkannt. Das Büro von Chamenei hat bislang die Aussage weder bestätigt noch dementiert.

Baidinejad sagte, Chamenei werde kontinuierlich über den Ablauf der Verhandlungen informiert. "Er ist derjenige, der entscheidet, wann und über welche Kanäle Mitteilungen a n die Verhandlungsführer weitergeleitet werden." "Die Entscheidung des Revolutionsführers ist für uns wie ein Befehl. Aber ich denke nicht, dass es angebracht wäre, ihn zu einer öffentlichen Stellungnahme aufzufordern."

Chamenei hatte einmal gesagt, niemand dürfe die iranischen Verhandlungsführer schwächen, bemerkte aber zugleich, bei Verhandlungen mit dem Westen sei er nicht optimistisch.

Iran hatte stets erklärt, dass die Anerkennung des Rechts zur Urananreicherung für das Regime die rote Linie bilde. Dazu sagte Baidinedschad: "Uns kommt es nicht auf das Wort ,Urananreicherungsrecht' an, denn das ist kein Recht, das sie (die Verhandlungspartner) uns geben können. Wir besitzen dieses Recht aufgrund international anerkannter Verträge und Dokumente."

Schließlich meldete sich auch Ex-Staatspräsident Haschemi Rafsandschani zu Wort. Medienberichten zufolge sagte Rafsandschani am 26. Januar, Revolutionsführer Chamenei sei sowohl vor als auch nach dem Abschluss des Abkommens von Genf über die Vorgänge informiert worden und habe den Aktivitäten der Verhandlungsführer zugestimmt. Es sei erstaunlich, dass gerade jene, die sich "zur treuen Gefolgschaft des Revolutionsführers bekennen", trotz seiner Zustimmung ständig bemüht seien, Misstrauen und Enttäuschung zu verbreiten. "Sie wollen das Atomabkommen als eine Niederlage unserer diplomatischen Vertreter darstellen. Damit geben sie ihren Gruppeninteressen gegenüber nationalen Interessen den Vorzug", sagte Rafsandschani.


ROHANI WARB UM AUSLÄNDISCHE INVESTOREN

"Die Tore der iranischen Wirtschaft sind für die ganze Welt offen", sagte Präsident Hassan Rohani bei seiner Rede am 23. Januar auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Iran sei zu einer engen Kooperation im Energiebereich bereit und begrüße die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Er lud internationale Investoren ein, Iran zu besuchen und dabei die iranische Gastfreundschaft zu erfahren. Auch am Rande der Veranstaltung in Davos traf sich Rohani in Begleitung des Ölministers, Bijan Namdar Sangeneh, mit Vorständen internationaler Öl- und petrochemischer Konzerne, die er mit Hinweis auf die großen Öl- und Gasreserven in Iran ermunterte, in Iran zu investieren.

Rohani sprach von einem "neuen Model" der Ölverträge und erklärte, seine Regierung werde die Zahlungsprobleme beseitigen und einen akzeptablen Gewinn garantieren. Auch versprach er, dass die verschiedenen Phasen der Gasförderung in Süd-Pars eine "fast unbegrenzte und kostengünstige Menge Nahrung für die chemische Industrie" liefern werde.

Bei seiner Rede auf dem Forum sagte Rohani, Iran besitze die Kapazität, in den kommenden drei Jahrzehnten zu den zehn größten Wirtschaftsmächten der Welt aufzusteigen. Die Ereignisse der vergangenen sechs Jahre hätten gezeigt, dass kein Land alleine leben könne. "Wir alle sitzen in einem Boot und müssen aufeinander achten."

Internationale Verständigung und Zusammenarbeit gehörten zu den Hauptzielen seiner Regierung, sagte Rohani. Sein Land sei bereit, mit allen Nachbarstaaten gemeinsam gegen den Terrorismus zu kämpfen und politisch sowie wirtschaftlich zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten habe für ihn Priorität, seine Regierung habe die Absicht, auch die Zusammenarbeit mit dem Irak, der Türkei und Saudi-Arabien intensiv voranzutreiben.

Das Angebot Irans zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit ist besonders für die europäischen Unternehmer sehr interessant. Traditionell waren Iran und die meisten europäischen Länder wirtschaftlich eng verbunden. Dies gilt nicht nur für die Zeit des Schah-Regimes. Auch nach der Revolution wurde die Zusammenarbeit fortgesetzt. Erst der Atomkonflikt und die damit verbundenen Sanktionen vertrieben die europäischen Unternehmen aus dem iranischen Markt. Die Lücke, die dadurch in der iranischen Wirtschaft entstand, versuchten andere Länder, allen voran China und Russland zu füllen. Heute ist Iran mit chinesischen Produkten überfüllt. Es wird sicherlich viel Zeit in Anspruch nehmen, bis die Europäer wieder ihre alte Position in der iranischen Wirtschaft zurück gewinnen können. Die Regierung Rohani scheint sehr daran interessiert zu sein und ihre Angebote finden bei den europäischen Konzernen großen Anklang. Doch noch ist Vorsicht angesagt, der Atomkonflikt ist noch nicht endgültig beigelegt und noch sind die Sanktionen nicht aufgehoben.

Dennoch haben bereits Vertreter eines französischen Lobby-Verbands, der mehr als 100 Firmen repräsentiert, ihren Besuch in Teheran angekündigt. Neben Ölkonzernen wie Total, Shell und BP sind vor allem die Auto- und Luftfahrtindustrie an Geschäften mit Iran interessiert. Die europäischen Autokonzerne wie die französischen Autokonzerne PSA (Kraftfahrzeughersteller mit den Marken Peugeot und Citroën. 2007-2010 war die PSA- nach der Volkswagen AG - Europas zweitgrößter Automobilhersteller). Peugeot Citroen und Renault waren bis 2011 stark in Iran vertreten. PSA verzeichnete 2011 einen Absatz von 455.000 Fahrzeugen. Iran war für das Unternehmen nach Frankreich der größte Absatzmarkt. Auch Renault verkaufte im selben Jahr rund 100.000 Fahrzeuge in Iran.

Die iranische Autoindustrie befindet sich seit Jahren in der Krise. Hunderttausende Beschäftigte in der Branche wurden entlassen. Der größte Autoproduzent Iran Chodro ist auf internationale Kooperationspartner angewiesen.

Irans Luftfahrt ist ebenso dringend auf Ersatzteile und neue Maschinen angewiesen. Auch die Ölindustrie befindet sich in einem schlechten Zustand. Die Anlagen sind veraltet, die Raffinerien sind nicht in der Lage, den Benzinbedarf des Landes zu decken. Das ölreiche Land Iran muss daher einen nicht geringen Teil seines Benzinbedarfs importieren. So ist Iran mit seinen 75 Millionen Einwohnern, Energiequellen und lukrativen Investitionsmöglichkeiten für die europäischen Länder ein verlockendes Land. Bereits jetzt haben die deutsche Lufthansa und die Österreichische Austrian Airlines zusätzliche Flüge nach Iran angekündigt. Austrian Airlines wird künftig fünf Mal nach Teheran fliegen, die Lufthansa, die täglich Teheran anfliegt, will ebenfalls ihren Flugplan erweitern.


STREIK DER ARBEITER BEI "IRAN TAYER"

Einem Bericht der Agentur ILNA vom 26. Januar zufolge befinden sich Arbeiter der Autoreifenfirma Tayer aus Protest gegen die hohe Unsicherheit ihrer Arbeitsplätze und wegen fehlender sozialer Absicherung seit sieben Tagen im Streik. "Gestern waren 80, heute sind es 120 Zeitarbeiter und Tagelöhner, die aus dem Unternehmen entlassen wurden. Nach Mitteilung des Vorstands sollen bis zum Jahresende (das Jahr in Iran endet am 21. März) weitere Entlassungen folgen", schreibt ILNA.

Einer der streikenden Arbeiter sagte, rund tausend Arbeiter seien in der Firma beschäftigt, 600 von ihnen hätten nur Zeitverträge. Einige der entlassenen Arbeiter seien seit mehr als fünfzehn Jahren in dem Unternehmen beschäftigt gewesen.

Die Firma Iran Tayer wurde vor fünfzig Jahren gegründet. Zurzeit ist die "Stiftung für Bedürftige" mit fünfzig Prozent an dem Unternehmen beteiligt.

Ein Arbeiter berichtete der Agentur, es habe sich herausgestellt, dass die Firma die Sozialabgaben nur sporadisch leiste. Daher hätten die entlassenen Arbeiter kein Recht auf Arbeitslosengeld.

Zeit- und Tagesverträge sowie Mangel an Vertragssicherheit und sozialer Absicherung gehören allgemein zu den wichtigsten Problemen der iranischen Arbeiter. Die Unternehmer erklären, dass sie aufgrund von Produktionsproblemen Entlassungen vornehmen müssen.

Die iranische Wirtschaft befindet sich seit geraumer Zeit in einer schweren Krise. Grund dafür sind Misswirtschaft, Korruption und Sanktionen. Unter der Krise leiden die Arbeiter am stärksten. Selbst die Regierung bezeichnet die Lage der Arbeiter und die hohe Zahl der Arbeitslosen als "dramatisch".


HISBOLLAH: QUALITÄT DER RAKETEN GESTEIGERT

Der Luftwaffenkommandeur der iranischen Revolutionsgarden (Pasdaran), Amir Ali Hadschisadeh sagte der Webseite der Pasdaran (sepahnews) vom 11. Januar zufolge "Nach unseren Informationen hat sich die militärische Qualität der Hisbollah soweit entwickelt, dass ihre Raketen inzwischen jedes Ziel in den (von Israel) besetzen Gebieten mit sehr geringen Fehlerquoten treffen können."

Laut einem Bericht der Agentur Fars vom selben Tag sagte Hadschsadeh mit dem Hinweis auf das Attentat gegen einen führenden Mitglied der Hisbollah in Beirut, der Ermordete Hessan Al Gheiss und die gesamte Hisbollah "haben, wie wir wissen, Erfolge erzielt, die sich die Zionisten kaum vorstellen können. Wenn da etwas passiert, wird es interessant sein, zu sehen, wie sich die Zionisten verhalten werden. Sie werden sicherlich in eine schlimme und unvorstellbare Situation geraten."

Die Hisbollah beschuldigte Israel für das Attentat. Al Gheiss wurde vor seinem Haus in Beirut durch Kopfschüsse ermordet. Es war ein schwerer Schlag für die Hisbollah. Israel bestritt, an dem Anschlag beteiligt gewesen zu sein. Der Sohn von Al Gheiss war 2006 während eines einmonatigen Konflikts mit Israel getötet worden.

Die Hisbollah habe stets den Feind überrascht, dies habe sie vor allem im 33-tägigen Widerstand gegen einen Angriff der israelischen Streitkräfte auf Libanon 2006 bewiesen, sagte Hadschsadeh.

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AUSSENPOLITIK

• Chamenei: Atomverhandlungen haben die Feindschaft der USA gezeigt
• Israel attackiert Iran
• Abbau der Sanktionen gegen Iran nutzt allen
• Hilfe beim Kampf gegen Al Kaida für Irak angeboten
• Israel bestritt Tötung der Attentäter von Buenos Aires
• Jack Straw gesteht Fehler des Westens ein
• Syrien-Konferenz


CHAMENEI: ATOMVERHANDLUNGEN HABEN DIE FEINDSCHAFT DER USA GEZEIGT

Der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA vom 9. Januar zufolge sagte Chamenei: "Ein Segen der Verhandlungen war, dass die Feindschaft der USA Iran und dem Islam gegenüber für alle sichtbar wurde." Er empfahl den Verantwortlichen der Regierung, dass sie - obwohl sie zur Lösung der "außenpolitischen Problemen" verhandelten - "ihren Blick nicht nach außen" richten, sondern sich auf die Kraft des eigenen Landes stützen sollten.

Chamenei betonte, Iran verhandle nicht wegen der Sanktionen. "Wir haben bereits früher erklärt, dass wir nach unseren Erwägungen über bestimmte Themen verhandeln, um Schäden, die der Satan (USA) anrichtet, zu verhindern."

Chamenei hatte bereits bevor es zu dem vorläufigen Vertrag zwischen Iran und der Gruppe 5+1 gekommen war, erklärt: "Verhandlungen, die die Erfahrung und die Denkfähigkeit unseres Volkes steigern, sind nicht schädlich, aber ich bin nicht optimistisch."

Die Äußerungen Chameneis gewinnen umso mehr an Bedeutung, weil sie wenige Stunden vor der Fortsetzung der Atomverhandlungen in Genf stattgefunden haben. Es fällt auf, dass Chamenei einerseits die iranischen Verhandlungsführer unterstützt und ihnen weitgehend freie Hand lässt und auf der anderen Seite bei jeder gegebenen Gelegenheit seine Skepsis äußert. Offenbar ist er zwar von der Notwendigkeit der Verhandlung und der Kompromissbereitschaft Irans überzeugt, sonst würde er als der mächtigste Mann in der Islamischen Republik der Regierung Zügel anlegen. Gleichzeitig will er seine radikalen Anhänger nicht verprellen. Es ist in der Tat nicht einfach, die antiwestliche Ideologie der Islamischen Republik, die nun seit 34 Jahren propagiert wird, über Bord zu werfen.

Entgegen der Meinung des Revolutionsführers, sagte Präsident Rohani in einem Interview mit dem Schweizer Fernsehen am Rande des Weltwirtschaftforums am 23. Januar in Davos, Iran habe die Absicht, seine Beziehungen zu den USA deutlich zu verbessern. Es sei möglich, als Zeichen der Entspannung, die seit 33 Jahren geschlossene US-Botschaft in Teheran wieder zu eröffnen. Er betonte, dass es zwischen den beiden Staaten noch große Differenzen gebe, man müsse jedoch die Feindschaft in Freundschaft verwandeln. "Keine Feindschaft dauert für immer, auch keine Freundschaft hält ewig. Also müssen wir Feindseligkeiten in Freundschaft verwandeln", sagte Rohani.

Bei seiner Rede auf dem Weltwirtschaftsforum erklärte Rohani, seine Regierung strebe eine Öffnung nach außen an und wolle in diesem Rahmen auch die Beziehungen zu Europa und den USA ausbauen. "Die Beziehungen zu Europa werden sich mit dem Genfer Abkommen stabilisieren. Zu den USA haben erstmals direkte Kontakte stattgefunden, um die Differenzen in der Atomfrage zu klären. Das ist ein wichtiger Schritt."

Zum Atomkonflikt sagte Rohani, die Chancen zu einem endgültigen Abkommen seien groß. "Wir wollten nie Atomwaffen herstellen, und das wollen wir auch in Zukunft nicht. Wir wollen eine friedliche Nutzung, immer unter der Überwachung der Internationalen Atombehörde. Wir werden unsere friedliche Forschung zur Stromerzeugung und medizinischen Anwendung fortsetzen."

Zur Krise in Syrien sagte Rohani, die beste Lösung seien freie und faire Wahlen. Doch erst einmal sollte das Blutvergießen aufhören und die von außen eingedrungenen Terroristen sollten hinausgetrieben werden. Dann müsste der Dialog zwischen der Regierung Assad und der Opposition, ohne äußeren Druck aufgenommen werden. "Mit Friedenskonferenzen kann die Krise in Syrien nicht bewältigt werden, vorher müssen sich alle Parteien auf die Bekämpfung des Terrorismus einigen", sagte Rohani. Dann solle ein Korridor für humanitäre Hilfe eingerichtet werden. Dadurch könne der Weg zu einem Dialog zwischen der Opposition und der Regierung geebnet werden.


ISRAEL ATTACKIERT IRAN

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der beim Weltwirtschaftsforum in Davos wenige Stunden nach Rohani sprach, nahm zu dessen Rede Stellung. Rohanis Darbietung sei nur eine "Täuschung", sagte er. "Rohanis sanfte Worte klingen gut, sind aber falsch." "Iran wandelt die Worte, aber nicht sein Handeln. "Rohani fordere den Abzug fremder Kräfte aus Syrien und sei gegen eine Intervention, verschweige jedoch, dass sein Land selbst an dem Krieg in Syrien direkt beteiligt sei. Iran beeinflusse auch die Palästinenser. "Wenn der iranische Schirm von diesen Leuten weg wäre, wäre das eine Chance für den Frieden."

Zum Atomkonflikt und der Genfer Vereinbarung sagte Netanjahu, er sei sich mit den arabischen Staaten darin einig, dass Iran unbedingt daran gehindert werden müsse, sich nuklear zu bewaffnen. Zu der Frage, ob er glaube, dass sich Irans Politik gegenüber Israel irgendwann grundsätzlich ändern würde, sagte der Regierungschef: "Das wäre wundervoll. Es würde auch die Sicherheitslage in der gesamten Region völlig verändern."

Netanjahu hatte zuvor seine Bereitschaft zu einem Treffen mit Rohani erklärt, machte aber zur Bedingung, dass Iran Israel anerkennt. "Wenn Rohani sagen würde: "Wir erkennen den jüdischen Staat an und sind bereit, mit ihm Frieden zu schließen und wissen, dass Israel für immer existieren wird", ja das würde mein Interesse (an einer Begegnung) wecken, in Davos oder anderswo, sagte Netanjahu der Zeitung Jerusalem Post" zufolge am 17. Januar.

Auch Israels Staatspräsident Shimon Peres, der in Davos eigens zu einer Stellungnahme zu Rohanis Rede eine Pressekonferenz ansetzte, sagte, trotz der schönen Worte Rohanis liefere dessen Land Waffen an Terroristen. "Iran ist das Zentrum des Terrorismus in unserer Zeit." Iran habe keinen Beitrag zum Frieden geleistet. Das Land schicke weiterhin Waffen an die libanesische Hisbollah, die damit Israelis töte. Er glaube auch nicht an Rohanis Worte, wenn dieser behaupte, sein Land strebe keine Atomwaffen an. Wozu brauche Iran dann Raketen, die mit Atomsprengköpfen bestückt werden könnten, sagte Peres. Auch Peres hatte sich zu einem Gespräch mit Rohani bereit erklärt, das Rohani ablehnte.


ABBAU DER SANKTIONEN GEGEN IRAN NUTZT ALLEN

Der Ministerpräsident der Arabischen Emirate, Scheich Muhammed bin Raschid Al Maktum sagte am 13. Januar in einem Interview mit der BBC, der Abbau der Sanktionen gegen Iran sei für alle nützlich. "Je schneller sie aufgehoben werden, desto besser." Alle Nachbarstaaten würden davon profitieren, wenn Iran mehr Spielraum bekäme.

Auf die Frage, ob er den gegenwärtigen Zeitpunkt für den Abbau der Sanktionen für günstig halte, sagte Al Maktum: "Iran ist unser Nachbar, und wir wollen keine Probleme mit dem Land haben. Wenn Iran und die USA sich einigen, wird diese Einigung uns allen zu Gute kommen."

Die Arabischen Emirate haben gute wirtschaftliche Beziehungen zu Iran. Dennoch gibt es politisch wegen der drei Inseln Klein- und Großtomb und Abumussa im Persischen Golf Unstimmigkeiten zwischen den Nachbarstaaten. Dennoch hat Iran in den letzten Jahren zunehmend versucht, die Sanktionen über die Arabischen Emirate zu umgehen. Zahlreiche iranische Unternehmen haben sich in den Emiraten angesiedelt, obwohl auch sie wegen der Sanktionen Probleme hatten und haben, vor allem wegen Devisentransfer, Warentransport und Aufenthaltsgenehmigungen. Teilweise wurden wegen des Drucks aus den USA auch Bankkonten iranischer Unternehmen gesperrt und eingefroren.

Iraner bilden in den Emiraten immer noch die größte Gemeinde unter den Ausländern, obwohl vielen in den letzten Jahren mit Ausweisung gedroht wurde. Vor einigen Monaten wurde bekannt, dass rund 500 Iraner, von denen manche seit mehr als 25 Jahren in den Emiraten gewohnt hatten, ohne Begründung ausgewiesen wurden.


HILFE BEIM KAMPF GEGEN AL KAIDA FÜR IRAK ANGEBOTEN

Iran hat der Regierung in Bagdad angeboten, sie beim Kampf gegen Al Kaida, die im Westen des Landes größere Gebiete besetzt hat, militärischen Beistand zu leisten. Ein Ableger von Al Kaida, Islamischer Staat, hat in der Provinz Anbar das Zentrum der Stadt Falludscha und Teile von Ramadi besetzt. Das Ziel der Gruppe, die auch in Syrien kämpft, ist die Gründung eines islamischen Staats.

Den iranischen Medien zufolge sagte Stabchef Mohammad Hedschasi, "Irak ist unser Freund". Teheran habe Irak militärische Ausrüstung und Berater angeboten. Er betonte jedoch, dass Iran keine Truppen in das Nachbarland schicken werde.

Die irakischen Kräfte haben Anfang Januar versucht, die Terroristen zu vertreiben. Dabei kamen 22 Soldaten und zwölf Zivilisten ums Leben. Wie viele Terroristen getötet wurden, ist nicht bekannt. Auch die USA haben Irak militärische Hilfe angeboten, dabei aber betont, dass sie keine Truppen in das Land schicken würden.


ISRAEL BESTRITT TÖTUNG DER ATTENTÄTER VON BUENOS AIRES

Israel dementierte die die Äußerungen des früheren Botschafters Itzhak Aviran, die meisten Täter bei dem Bombenanschlag auf den Argentinisch-Jüdischen Verband (AMIA) von 1994 in Buenos Aires seien inzwischen getötet worden. "Die große Mehrheit der Verantwortlichen ist nicht mehr auf dieser Welt, und dafür haben wir gesorgt", sagte der Botschafter am 2. Januar der Nachrichtenagentur AJN, die in Argentinien ansässig ist. Er nannte keine Namen, sagte auch nicht, aus welchem Land die Attentäter stammten. Bei dem Anschlag waren 85 Menschen getötet und hunderte verletzt worden. Aviran war von 1993 bis 2000 israelischer Botschafter in Argentinien.

Der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Jigal Palmor, bezeichnete die Behauptung des Botschafters am 4. Januar im Nachrichtenportal "Ynet" als "vollkommenen Unsinn".

Zuvor war bereits 1992 eine Autobombe vor der israelischen Botschaft in Buenos Aires detoniert. Dabei gab es 20 Tote und mehr als 200 Verletzte.

Die argentinische Justiz macht bereits seit Jahren Iran für die Attentate verantwortlich; Iran bestreitet hingegen jede Teilnahme an dem Attentat.


JACK STRAW GESTEHT FEHLER DES WESTENS EIN

Der frühere britische Außenminister, der eine britische Parlamentariergruppe bei einem Besuch in Iran leitete, sagte am 8. Januar bei einer Pressekonferenz in Teheran, Großbritannien habe bei den Unruhen von 2009 in Iran keine Rolle gespielt. Iran hatte das Gegenteil behauptet. "Ehrlich gesagt, Sie messen den britischen Diplomaten eine Macht bei, die sie nicht haben und auch nicht haben wollen."

Straw hatte als Außenminister Teheran fünf Mal besucht und war dabei bemüht, die Beziehungen zwischen Iran und Großbritannien auszubauen. Diese wurden jedoch 2011 nach der Erstürmung der britischen Botschaft und des Residenzgeländes durch Demonstranten auf Eis gelegt. Nach der Wahl Präsident Rohanis haben beide Seiten Schritte zur Wiederaufnahme der Beziehungen unternommen und unter anderem zur vorläufigen Erledigung der Botschaftsangelegenheiten jeweils einen diplomatischen Geschäftsführer ernannt.

In einem Interview mit dem Persisch-Programm der BBC am 10. Januar sagte Straw, die Regierung Rohani sei bemüht, Iran aus der Isolation herauszuholen. Sollte aber der Westen Fehler begehen, würden Rohanis Positionen geschwächt werden. Er verwies auf die Reformregierung von Mohammad Chatami und fuhr fort: "Nach dem 11. September (2001) hat Chatami westlichen Regierungen aktive und konstruktive Zusammenarbeit angeboten. Dazu hat er Schritte unternommen, die sowohl für sein Land als auch für die USA nützlich waren. Doch anstatt ihm zu helfen, reihte ihn der damalige US-Präsident George W. Bush in die Länder ein, die er als Schurkenstaaten bezeichnete." Das sei der Beginn der Schwächung der Regierung Chatamis gewesen. Danach hätten Deutschland, Großbritannien und Frankreich versucht, Iran Konzessionen einzuräumen, nachdem das Land sich bereit erklärt hatte, die Urananreicherung einzustellen. Dafür war die Zusammenarbeit der USA nötig, die jedoch durch konservative Kräfte verhindert wurde. "Das Ergebnis war, dass Chatami und Rohani, der damals Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrats war, erklärten, dass sie ihr Angebot zurückziehen werden", erläuterte Straw. "Das Kuriose dabei ist, dass Bush und die Neokonservativen Präsident Ahmadinedschad die beste Unterstützung zu seinem Sieg bei den Wahlen von 2005 geleistet haben. Solche Fehler dürfen sich nicht wiederholen."

Straw sagte weiter, sowohl die USA als auch Großbritannien hätten früher in Bezug auf Iran eine "schädliche Rolle" gespielt. Er verwies dabei auf den Putsch von 1953 gegen den damaligen Ministerpräsidenten Mohammad Mossadegh. "Wir haben einen Putsch gegen einen demokratisch gewählten Präsidenten organisiert." Auch im iranisch-irakischen Krieg habe der Westen keine rühmliche Rolle gespielt, in dem er Saddam Hossein, der den Krieg begonnen hatte, massiv unterstützt habe.

Das Ziel seiner Reise sei Vertrauensbildung zwischen Iran und Großbritannien gewesen, sagte Straw. Am 26. Januar bot Teheran London die Wiedereröffnung der britischen Botschaft an. "Von unserer Seite gibt es keine Probleme mehr, und wir sind bereit zur Wiedereröffnung der Botschaft", sagte Abbasali Mansuri, Leiter der Freundschaftsgruppe beider Länder.

Auch Präsident Barack Obama bekannte sich einem Bericht der Tageszeitung Schargh vom 21. Januar zufolge zu der Rolle der USA beim Putsch gegen Mossadegh. Obama habe in einem langen Interview mit der Wochenzeitung "The New Yorker" gesagt, ein notwendiger Bestandteil der Diplomatie sei die Anerkennung historischer Realitäten, so zum Beispiel die Rolle der USA beim Sturz von Mossadegh. Er fügte hinzu, wenn die Verhandlungen mit Iran zum Erfolg führten, werde in der Region eine neue Stabilität einkehren. Möglicherweise werde man nicht alle Probleme mit Iran lösen können, aber wenn die USA Iran zur Übernahme von Verantwortung auffordern würden, werde es ein Gleichgewicht zwischen Iran und den arabischen Staaten geben, bei dem es zwar Konkurrenz und Misstrauen geben würde, aber keine Stellvertreterkriege und direkten Feindschaften. Der Präsident fügte noch hinzu, er denke nicht, dass (vom Kongress beschlossene, neue) Sanktionen "über meinen Tisch gehen, denn ich würde sofort ein Veto dagegen einlegen."


SYRIEN-KONFERENZ

Über eine Beteiligung Irans an der Syrien-Konferenz wurde lange gestritten. Während die meisten Staaten, auch die UNO, die Teilnahme Irans für notwendig hielten, sprachen sich vor allem die USA, aber auch syrische Oppositionelle dagegen aus. Erst am 6. Januar stimmte Washington einer eingeschränkten Beteiligung Irans zu. Auf einer Presskonferenz in Jerusalem sagte US-Außenminister John Kerry, Iran könne am Rande der Konferenz, die am 22. Januar in Genf veranstaltet werden solle, eine konstruktive Rolle spielen. Eine direkte Beteiligung lehne Washington nach wie vor ab, es sei denn, Iran würde der Abschlusserklärung, die bei der ersten Syrien-Konferenz (Genf 1) verabschiedet worden sei, zustimmen. Hauptforderung der Resolution war die Bildung einer Übergangsregierung für Syrien unter Beteiligung der Opposition ohne Assad. Iran lehnte diese Forderung ab.

AFP zitierte am 6. Januar einen nicht-genannten ranghohen Vertreter des US-Außenministeriums, der Kerry auf seiner Nahost-Reise begleitete. Kerry habe Iran aufgefordert, mit Druck auf die syrische Regierung zum Erfolg der Syrien-Konferenz beizutragen, Er wurde weiter zitiert" Teheran könne einiges tun, um der internationalen Gemeinschaft zu zeigen, dass Iranernsthaft ein positiver Akteur sein wolle". Iran solle unter anderem Syrien auffordern, die Angriffe auf die eigene Bevölkerung einzustellen und dafür sorgen, dass humanitäre Hilfeleistungen die Menschen erreichen.

Unterdessen hatte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon die Einladungen zu der Konferenz verschickt. Iran habe vorläufig keine Einladung erhalten, sagte er. Iran lehnte Kerrys Vorschlag ab, indirekt an der Konferenz teilzunehmen. Das Außenministerium in Teheran erklärte am 6. Januar Medienberichten zufolge, das Land werde keine Bedingungen akzeptieren, die seiner Würde nicht angemessen seien.

Anders als die USA sprach sich Deutschland für eine Teilnahme Irans. "Meine Position ist, dass man versuchen sollte, die Nachbarn, auch Iran, zu beteiligen", sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier am 8. Januar laut AFP.

Washington sprach sich gegen eine Teilnahme Irans mit der Begründung aus, Iran unterstütze auch militärisch das Regime in Damaskus, hatte aber nichts gegen die Teilnahme Saudi-Arabiens, Katars und der Türkei einzuwenden, die bekanntlich massiv die Opposition, auch die radikal-islamistischen Gruppen mit Waffen beliefern. Irans Präsident Rohani erklärte laut IRNA in einem Telefonat mit Russlands Präsident Wladimir Putin am 9. Januar , ohne Beteiligung einflussreicher Länder werde es keine Lösung der Krise in Syrien geben. "Genf 2 ist gescheitert, bevor es überhaupt begonnen hat", sagte Rohani.

Am 13. Januar traf US-Außenminister Kerry Russlands Außenminister Sergej Lawrow in Paris zu einem Vorgespräch über die Syrien-Konferenz. Lawrow forderte ebenso wie Ban Ki-moon, Iran zu beteiligen, konnte Kerry aber nicht umstimmen. Am selben Tag sagte der iranische Außenminister Dschawad Sarif, der sich in Beirut aufhielt, die Gegner einer Beteiligung Irans würden ihre Entscheidung bereuen. "Die syrische Krise muss vom syrischen Volk beigelegt werden." Sarif fügt hinzu: "Wenn wir eine Einladung ohne Vorbedingung erhalten, werden wir an der Friedenkonferenz Genf 2 teilnehmen", betonte jedoch, dass sein Land sich nicht um eine Einladung bemühen werde.

Überraschend für alle Beteiligten erklärte Ban Ki-moon am 19. Januar, dass er eine Einladung an Iran verschickt habe. Er habe in den vergangenen Tagen mit Irans Außenminister mehrmals gesprochen. Der Minister habe die Abschlusserklärung von Genf 1 als Grundlage für Genf 2 akzeptiert und sich verpflichtet "eine positive und konstruktive Rolle" in Syrien zu spielen.

Die USA reagierten auf die Einladung mit der Aufforderung an Iran, der Abschlusserklärung offiziell zuzustimmen. Die Nationale Syrische Allianz, die Hauptgruppe der syrischen Opposition, drohte, sie werde an der Konferenz nicht teilnehmen. Iran sei in Syrien präsent und bilde einen Teil des Krieges, könne also nicht ein Teil des Friedens sein. Das Land könne an der Konferenz teilnehmen, wenn es seine Truppen aus Syrien zurückziehen würde. Auch Saudi-Arabien erklärte, Iran fehlten die Voraussetzungen zur Teilnahme, Teheran habe nicht der Bildung einer Übergangsregierung zugestimmt und sei zudem am syrischen Krieg aktiv beteiligt.

Einen Tag später sorgte der UN-Generalsekretär abermals für eine Überraschung. Er erklärte am 20. Januar, die Konferenz werde ohne Iran stattfinden. Er sei "zutiefst enttäuscht", dass Iran seine zuvor abgegebene Zustimmung zu der Abschlussresolution dementiert habe.

Wenige Stunden zuvor hatte Irans Botschafter bei der UNO, Mohammad Chasai, eine Erklärung veröffentlicht, in der es hieß: "Die Islamische Republik würdigt die Bemühungen des UN-Generalsekretärs und dessen Syrienbeauftragten Lakhdar Brahimi, eine Lösung für die syrische Krise zu finden. Iran hat stets diese Bemühungen unterstützt. Dennoch wird Iran keine Vorbedingung zur Teilnahme an der Genfer Konferenz akzeptieren. Sollte die Zustimmung zu der Abschlusserklärung zur Teilnahmebedingung gemacht werden, wird Iran auf seine Teilnahme verzichten." Ähnlich hatte sich auch der stellvertretende Außenminister, Hossein Amir Abdollahian, geäußert. Wir haben an Genf 1 nicht teilgenommen und bei der Abschlusserklärung keine Rolle gespielt. Es ist unannehmbar, uns zu einer Zustimmung drängen zu wollen."

Russlands Außenminister Lawrow äußerte sein Bedauern über die Rücknahme der Einladung an Iran. Es sei "ein Fehler" gewesen, aber auch keine "Katastrophe. Russland habe immer betont, dass alle Länder, die mit der Syrien-Krise in Verbindung stehen, an der Konferenz teilnehmen sollten. Die Abwesenheit Irans sei nicht hilfreich für die Bemühungen um di Einheit in der islamischen Welt und im Kampf gegen den Terrorismus, der alle Länder, auch die islamischen, bedrohe. "Ich bedaure, dass die jüngsten Ereignisse die Autorität und die Position der UNO geschwächt haben", sagte Lawrow.

Irans Außenminister Sarif sagte am 21. Januar der Presse, Ban habe ihn in der vorherigen Woche mehrmals angerufen. Er habe ihm deutlich gesagt, dass Iran keine Vorbedingung zur Teilnahme akzeptieren werde. "Ich bedauere, dass Herr Ban dem Druck von außen nachgegeben und die Einladung zurückgezogen hat. Ein solches Verhalten ist der UNO nicht würdig." Die Agentur ISNA zitierte Sarif mit den Worten: "Iran hatte sich nicht zur Teilnahme aufgedrängt und hat erst nach der Einladung durch den UN-Generalsekretär zugesagt." Die Sprecherin des Teheraner Außenministeriums Marsieh Afkham erklärte, es sei bedauerlich, dass der Generalsekretär seine eigene Initiative unter Druck rückgängig gemacht habe. "Wir hätten erwartet, dass er uns die wahren Gründe seines Rückziehers mitgeteilt hätte."

Auch der frühere Außenminister Ali Akbar Welayati, der derzeit das Zentrum für strategische Forschung in Teheran leitet und außenpolitischer Berater des Revolutionsführers Ali Chamenei ist, brachte sein Bedauern zum Ausdruck. In einem Interview mit Press TV am 21. Januar sagte er mit Blick auf die Schlusserklärung von Genf 1, der syrische Staat sei international anerkannt, die Rebellen dagegen seien Terroristen, die, ginge es nach der Abschlusserklärung, neben der legitimen Regierung an einer Übergangsregierung teilnehmen sollen. Das würde bedeuten, dass die Hälfte der Übergangsregierung aus Terroristen bestehen würde.

AFP schrieb am 21. Januar über das UN-Debakel: "Die peinliche Episode untermauert das Bild von Ban als glücklos agierenden UN-Generalsekretär. Der frühere südkoreanische Außenminister musste sich immer wieder Kritik anhören, dass ihm der nötige Mumm für eine kraftvolle Krisendiplomatie fehle. Trotz der Kritik wählte ihn die UN-Vollversammlung im Sommer 2011 für eine zweite Amtszeit bis Ende 2016. Im Vergleich zu seinem charismatischen Vorgänger Kofi Annan blieb Ban auf der Weltbühne bislang blass."

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Autor: Bahman Nirumand
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2014