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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/344: Iran-Report Nr. 5 - Mai 2015


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 5 - Mai 2015
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Mit der Wahl Hassan Rohanis zum iranischen Präsidenten und dessen Amtsantritt am 3. August 2013 wurde in der iranischen Politik ein bedeutender Wandel eingeleitet. Besonders augenfällig ist dies im Kurswechsel der Atompolitik. Die Öffnung der iranischen Politik nach außen und die Ankündigung innenpolitischer Reformen werden im Land von den konservativen Kräften heftig bekämpft. Der Widerstand lässt Rohani und seiner Regierung wenig Spielraum.

Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


INNENPOLITIK

• Rohani: Polizei hat sich nach den Gesetzen zu richten
• Revolutionsgarden planen keinen Staatsstreich
• Mehr als zwölf Millionen persischsprachige BBC-Zuschauer
• Frauen dürfen nun teilweise doch in Sportstadien
• Iran in den Vorstand von UN Women gewählt
• Rohani: Frauen in den Beruf und raus aus der Isolation
• Frauenzeitschrift Zanan verboten
• Acht Grenzschützer getötet


ROHANI: POLIZEI HAT SICH NACH DEN GESETZEN ZU RICHTEN

Irans Staatspräsident Hassan Rohani sagte vor einer Versammlung von Polizeioffizieren am 25. April: "Die Pflicht der Polizei ist es nicht, den Islam umzusetzen. Ihre Pflicht ist es, sich nach den Gesetzen zu richten." Die Polizei könne nur dort einschreiten, wo die Gesetze es erlauben. Zudem müssten die Gesetze und Befehle eindeutig sein. "Alle Bürger in Iran sind vor dem Gesetz gleich. Bestimmend sind nur die Gesetze", betonte der Präsident.

Das, was die Sicherheit am meisten bedrohe, seien Armut und Arbeitslosigkeit, sagte Rohani. "Sie bringen Verderben hervor, sie müssen beseitigt werden. (...) Wir klammern uns an islamische Nebensächlichkeiten und glauben damit das Verderben vernichten zu können."

Es bestehe ein großer Unterschied zwischen einer sicheren Gesellschaft und einem Polizeistaat, fuhr Rohani fort. In diesem Zuge begrüßte er auch die neue Führung der iranischen Polizei. Vor etwa zwei Monaten hatte Revolutionsführer Chamenei General Hossein Aschtari zum neuen Polizeipräsidenten ernannt.

Die Äußerungen Rohanis riefen bei einigen konservativen Geistlichen Proteste hervor. Drei bekannte religiöse Instanzen, Nasser Makarem Schirazi, Hossein Nuri Hamedani und Safi Golpayegani, meldeten sich öffentlich zu Wort. Ayatollah Hamedani sagte am 27. April, wenn gesagt werde, dass die Polizei nicht verpflichtet sei, den Islam umzusetzen, bedeute dies, dass sie nicht dazu verpflichtet sei, das Gute gegen das Böse durchzusetzen. "Dazu ist aber jeder Muslim, also auch die Polizei, verpflichtet."

Ayatollah Golpayegani wies die Verantwortlichen darauf hin, auf ihre Äußerungen zu achten. Sie sollten Stellungnahmen unterlassen, die die Gläubigen kränken könnten. Und Ayatollah Schirazi meinte, die Worte des Präsidenten erweckten den Anschein, als gebe es "zwischen unseren Gesetzen und den Grundsätzen des Islam Unterschiede. (...) Dabei basieren alle unsere Gesetze auf dem Islam. Somit sind alle, Polizisten und Zivilisten, verpflichtet, sich nach dem Islam zu richten." Solche Worte, wie die des Präsidenten "verunsichern" die Polizei bei der Durchsetzung der islamischen Gesetze und "leisten dem moralischen Verderben Vorschub".


REVOLUTIONSGARDEN PLANEN KEINEN STAATSSTREICH

General Hassan Rastegarpanah, stellvertretender Leiter der Abteilung für Forschung und nationale Sicherheit der Revolutionsgarden (Pasdaran), sagte in einem Interview mit der Zeitung Ghanun am 22. April, die Revolutionsgarden "haben einen Staatsstreich nicht nötig". Die Garden verlangten weder in der Politik noch in der Wirtschaft einen Anteil. "Es mag einzelne Fehltritte gegeben haben, aber das kommt bei allen Revolutionen vor." Doch die Pasdaran hätten nie versucht, "mit der Waffe in der Hand eine politische Beteiligung durchzusetzen oder Sitze im Parlament oder Ministerposten im Kabinett zu verlangen, obwohl die Hüter der Revolution überall anders in der Welt meist einen besonderen Anteil (an der Macht) besitzen". "Manche behaupten, die Pasdaran planen einen Staatsstreich", sagte Rastegarpanah. "Das ist nicht richtig, denn die Pasdaran haben ihren eigenen Platz in der Staatsführung und haben solche Pläne nicht nötig." Die Pasdaran von heute seien mit denen von 1979 nicht zu vergleichen. Heute hätten sie weitaus bessere Methoden, um die Werte der Revolution zu schützen. Sie wollten auch kulturell eine Vorbildstellung einnehmen.

Auf die Frage, ob die Regierung den Pasdaran eine besondere Unterstützung gewähre, sagte der General: "Nein, so ist es nicht. Das unterstellen Fremde." Die Regierung kümmere sich mehr um die Angestellten des Ölministeriums als um die Revolutionswächter. Diese Unterstellungen sollten die Pasdaran nur in Verruf bringen.

Die Pasdaran wurden 1979 nach der Machtübernahme von Ayatollah Chomeini gegründet.


MEHR ALS ZWÖLF MILLIONEN PERSISCHSPRACHIGE BBC-ZUSCHAUER

Laut Angaben des britischen Senders BBC hat die Zahl der Zuschauer des persischsprachigen Programms 2014 im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent (610.000) zugenommen und damit die Zahl von 12,1 Million Zuschauern erreicht. Die Angaben basieren auf einer Umfrage. Demnach schaut im Durchschnitt jeder fünfte Iraner den Sender.

Nach Meinung des Programmleiters, Sadegh Saba, zeige die hohe Zuschauerzahl, dass BBC unter den angebotenen Sendern das größte Vertrauen genieße. Die höchsten Quoten verzeichnen die Programme Nachrichten und Reportagen. Obwohl es beim Empfang des Senders oft Probleme gebe, zum Beispiel durch Störmanöver und Filterungen, sei es der BBC gelungen, den bestehenden Informationsmangel in Iran weitgehend auszugleichen, sagte Saba am 22. April.

Der Umfrage nach sind 60 Prozent der Zuschauer zwischen 15 und 34 Jahre alt.


FRAUEN DÜRFEN NUN TEILWEISE DOCH IN SPORTSTADIEN

Trotz unterschiedlicher offizieller Ankündigungen ist immer noch nicht klar, ob der Zutritt zu den Stadien nun endlich für Frauen erlaubt wird oder nicht. Das Zutrittsverbot wurde trotz häufiger Proteste im In- und Ausland bislang aufrechterhalten. Selbst ein Versuch des damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad, das Verbot aufzuheben, scheiterte am vehementen Widerstand der konservativen Geistlichkeit.

Im vergangenen Jahr hatte das Zulassungsverbot für Frauen dazu geführt, dass Iran nicht als Gastgeber für die internationalen Volleyball-Meisterschaften der Jugend akzeptiert wurde.

In den letzten Wochen spitzte sich die Diskussion erneut zu. Anlass war der Protest des FIFA-Präsidenten Joseph S. Blatter, der im FIFA-Wochenblatt das Zutrittsverbot für Frauen als "unakzeptabel" bezeichnet hatte. Er forderte die Verantwortlichen auf, die Maßnahme zu beenden.

"Als ich im November 2013 Iran besuchte, fiel mir nicht allein die große Begeisterung der Bevölkerung für Fußball auf. Ich stellte auch fest, dass es ein Gesetzt gibt, das den Frauen den Zugang zu den Stadien verbietet", schrieb Blatter. Er habe Präsident Rohani gebeten, mittelfristig das inakzeptable Verbot aufzuheben. Seitdem sei aber in dieser Angelegenheit nichts unternommen worden. Dieser Zustand könne nicht andauern, erklärte Blatter. "Ich fordere die Verantwortlichen auf, die Tore der Stadien für Frauen zu öffnen."

Der Präsident des iranischen Fußballverbands Ali Kaffaschian reagierte auf die Äußerung Blatters mit der Aussage, das Frauenproblem sei "definitiv lösbar", sollte die FIFA Iran als Gastgeber des nächsten Asien-Cups akzeptieren. Es war nicht klar, wie Kaffaschian zu dieser Aussage gekommen war, ohne dafür befugt zu sein, das Verbot aufzuheben.

Am 4. April erklärte der Vizeminister für Sport und Jugend, Abdolhamid Ahmadi, der Rat der Nationalen Sicherheit habe einer Vorlage seines Ministeriums über die Zulassung von Frauen zu den Sportstadien zugestimmt. Der Rat ist eine Abteilung des Innenministeriums. In der Vorlage seien "kulturelle, soziale und religiöse Aspekte" berücksichtigt worden, sagte Ahmadi. Konkrete Einschränkungen nannte er nicht. Er sagte nur, es gebe bestimmte Sportarten, bei denen die Teilnahme von Frauen weder von den Familien gewünscht werde noch möglich sei. "Denn einige dieser Sportarten sind männlich."

Am nächsten Tag folgte ein Dementi des Nationalen Sicherheitsrats. Der Pressesprecher des Innenministeriums, Babak Dinparast, erklärte, der Rat habe über die Zulassung von Frauen zu den Stadien nichts beschlossen.

Am 6. April erklärte die Vizepräsidentin für die Angelegenheiten von Frauen und Familien, Schahindocht Mollawerdi, es habe im Innenministerium mehrere Sitzungen über eine Vorlage zur Teilnahme von Frauen an Volleyball-Spielen gegeben. Die Vorlage sei nun genehmigt, aber noch nicht offiziell angekündigt worden.

In der Vorlage würden nicht alle Sportarten gleich behandelt, denn sie seien verschieden, sagte Mollawerdi. Bei manchen sei die Anwesenheit von Frauen "nicht notwendig". Das gelte für Sportarten wie Schwimmen, Boxen und Fußball. Hingegen sei der Zugang von Frauen zu Volleyball-, Basketball- und Tennis-Wettkämpfen frei. Man sei nun übereingekommen, dass es für die Zulassung von Frauen zu den Stadien keinerlei religiöse Hindernisse gebe. Es gebe nun eine entsprechende Rangliste unterschiedlicher Sportarten, die von einem Gremium, bestehend aus Vertretern des Sportministeriums, des Innenministeriums und des Präsidialamtes genehmigt worden sei, sagte Mollawerdi.

Aus welchen Gründen die Teilnahme an Volleyball- und Basketball-Spielen erlaubt, aber an Fußball-Spielen verboten sein soll, sagte Mollawerdi nicht. Offenbar haben sich die ideologischen Hardliner wieder einmal gegen die Reformer durchgesetzt. Wie die FIFA auf diese Entscheidung reagieren wird, ist noch ungewiss. Sicher ist, dass das Thema in der Islamischen Republik weiterhin für kontroverse Diskussionen sorgen wird.


IRAN IN DEN VORSTAND VON UN WOMEN GEWÄHLT

Trotz Ablehnung der USA konnte Iran die Mitgliedschaft im Vorstand der UN-Frauenorganisation, United Nations Entity for Gender Equality and the Empowerment of Women (UN Women), erringen. Als "Völlig absurd" bezeichnete die US-Botschafterin bei der UNO, Samantha Power, den iranischen Antrag zur Aufnahme in den Vorstand. Dennoch erhielt Iran 36 von 53 Stimmen.

Die geringe Stimmzahl, die Iran erhalten habe, zeige, dass die UN-Mitglieder über eine Mitgliedschaft Irans im Vorstand der UN-Frauenorganisation besorgt seien, sagte Power. Die Wahl habe sie hoffnungslos gemacht.

Die Vorstandsmitglieder werden für drei Jahre gewählt. Iran wird am 1. Januar 2016 seine Mitgliedschaft antreten.


ROHANI: FRAUEN IN DEN BERUF UND RAUS AUS DER ISOLATION

Bei einer Rede während einer Tagung zu Ehren der Frau von Ayatollah Chomeini am 12. April sagte Präsident Rohani, seine Regierung sei bemüht, Frauen auf den Arbeitsmarkt und aus der Isolation heraus zu bringen. Eine "Widerstandswirtschaft" sei nur möglich, wenn alle Kräfte der Gesellschaft optimal eingesetzt würden. "Die Hälfte unserer Ausgebildeten sind Frauen. Wie sollen wir ohne sie die angestrebte Widerstandswirtschaft realisieren?"

Die Widerstandswirtschaft ist ein Begriff, den der Revolutionsführer im Zusammenhang mit den gegen Iran verhängten Sanktionen verwendete. Nur mit einer Widerstandswirtschaft ließen sich die Sanktionen wirkungslos machen, sagte er. Gemeint ist eine Wirtschaft, die sich unabhängig vom Ausland nur auf die eigenen, einheimischen Kräfte stützt.

Die Regierung sehe sich verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um den Frauen Erfolge und Präsenz in der Gesellschaft zu sichern und ihnen gleiche Möglichkeiten zu gewähren, sagte Rohani. Er kritisierte, dass der Grundsatz, das Gute zu wollen und das Schlechte abzulehnen, "vorwiegend gegen Frauen" angewendet werde. Beide Geschlechter müssten gleich behandelt werden. "Aber wir beobachten auf den Straßen, wie der Grundsatz, das Böse zu bekämpfen, vor allem gegen Frauen eingesetzt wird." Am schlechtesten sei jedoch die Arbeitslosigkeit von Frauen, die es zu bekämpfen gilt, sagte Rohani.

Einen Tag zuvor hatte Rohanis Vizepräsidentin Schahindocht Molawerdi, verantwortlich für den Bereich Familie und Frauen, kritisiert, dass Frauen bei Einstellungen "allzu häufig" ungleich behandelt würden. Dies sei nicht im Sinne des Präsidenten, sagte sie. Weiter sagte sie: "Unter der Arbeitsstellen, die in dreizehn verschiedenen staatlichen Institutionen benötigt werden, sind ganze sechzehn Stellen für Frauen und mehr als 2.000 für Männer vorgesehen."

In Iran gibt es unter den Arbeitslosen doppelt so viele Frauen wie Männer.


FRAUENZEITSCHRIFT ZANAN VERBOTEN

Die in Teheran erscheinende Frauenzeitschrift "Zanan" wurde laut iranischen Medien am 26. April von dem Gremium zur Kontrolle der Presse wegen Propaganda für "weiße Ehen" (Partnerschaft ohne Eheschließung) verboten. Der Fall wurde an die Justiz weitergeleitet. Kritiker der "weißen Ehen" warnen, diese Form der Partnerschaft könnte sich rasch verbreiten und das gesamte Wertesystem der Islamischen Republik unterhöhlen.

Einer der religiösen Meinungsführer und Bürochef des Revolutionsführers, Ayatollah Mohammadi Golpayegani, bezeichnete die Partnerschaft ohne Eheschließung als "beschämend". Wenn es so weitergehe, werde es bald lauter Bastarde geben, sagte er und forderte die Justiz auf, dagegen einzuschreiten.

Die Zeitschrift Zanan, die von Schahla Scherkat herausgegeben wird, ist eine der bekanntesten Frauenzeitschriften Irans. Sie wurde erst 2014 nach einem siebenjährigen Verbot wieder zugelassen.

Der Sprecher des Justizministeriums, Hossein Nuschabadi, sagte am 28. April: "Jede Publikation, die etwas verbreitet, was sich gegen die religiösen und nationalen Werte richtet, wird verboten." Die Zeitschrift Zanan habe in verschiedenen Artikeln die Partnerschaft ohne Eheschließung akzeptiert und unterstützt. Dies sei strafbar.

Scherkat sagte, sie hoffe, sie werde das Gericht davon überzeugen, dass kein Fehlverhalten der Zeitschrift vorliege und hoffe, die nächste Nummer bald herausgeben zu können.


ACHT GRENZSCHÜTZER GETÖTET

Eine Gruppe von Terroristen hat am 7. April acht Grenzschützer an der Grenze zu Pakistan getötet. Nach Angaben des Vizegouverneurs der Provinz von Sistan und Belutschistan, Asghar Mirschekari, sind die Terroristen nach dem Attentat nach Pakistan geflohen. Seit Oktober 2013 war dies der blutigste Angriff in dieser Provinz. Damals waren dreizehn Soldaten getötet worden.

Mitschekari forderte die pakistanische Regierung auf, die Terroristen zu verhaften und an Iran auszuliefern.

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KULTUR

• Teheraner Symphonieorchester wieder im Einsatz
• Puppentheateraufführung wegen Frauenstimme nicht zugelassen
• Iran steht bei Pressezensur weltweit an 7. Stelle
• Hohe Beteiligung am Karikaturenwettbewerb
• Reporter wegen Spionage verurteilt


TEHERANER SYMPHONIEORCHESTER WIEDER IM EINSATZ

Nach einer fünfjährigen Pause hat das Teheraner Symphonieorchester seine Arbeit wieder aufgenommen. Unter der Leitung des bekannten Dirigenten Ali Rahbari spielte das Orchester in Anwesenheit von ranghohen Politikern und zahlreichen Musikern und Künstlern die 9. Symphonie von Ludwig van Beethoven. Davor wurde zum Auftakt unter großem Beifall des Publikums die iranische Nationalhymne gespielt.

Der zurzeit in Wien lebende Dirigent Rahbari sprach vom "schönsten Abend" seines Lebens. "Einige Jahre vor dem Sieg der islamischen Revolution habe ich mit den Vätern dieser Musiker zu arbeiten begonnen und jetzt Ž nach so vielen Jahren Ž setze ich die Arbeit mit ihren Enkeln fort. Glauben Sie mir liebes Publikum, dies sind Ihre eigenen Kinder und wenn Sie sie verstoßen, begehen Sie eine große Sünde. Ich bin so glücklich, Musiker wie diese in meinem Land, Iran, zu haben", sagte Rahbari. Sie seien ein großer Schatz für Kunst und Kultur in Iran.

Die Verantwortlichen forderte Rahbari auf, das Orchester zu unterstützen. Gleichzeitig bedankte er sich bei Präsident Rohani und Kulturminister Ali Dschannati, die sich für die Reaktivierung des Orchesters eingesetzt hatten.

Rohani hatte bereits während seines Wahlkampfs die Wiedereröffnung des Orchesters in Aussicht gestellt. Das Orchester war in der Regierungszeit von Präsident Mahmud Ahmadinedschad angeblich aufgrund von finanziellen und organisatorischen Unstimmigkeiten zur Passivität gezwungen, jedoch nicht direkt verboten worden.


PUPPENTHEATERAUFFÜHRUNG WEGEN FRAUENSTIMME NICHT ZUGELASSEN

Piruz Ardschomand, Leiter der Musikabteilung des Kulturministeriums, sagte in einem Interview mit der Agentur ISNA am 12. April, er habe aufgrund bestehender Gesetze eine Aufführung des Puppentheaters mit dem Titel "Saadi-Oper" wegen der Solo-Stimme einer Frau nicht zugelassen. "Wir dürfen Aufführungen mit Frauenstimmen nicht zulassen." Es habe einige Fälle gegeben, bei denen das Gesetz von Veranstaltern missachtet worden sei. Doch sobald Beamte dies gemerkt hätten, sei die Aufführung verboten worden.

Die Oper, die nun nicht mehr im Rahmen des diesjährigen Theater- und Musikfestivals aufgeführt werden darf, sollte am 20. April in Schiraz, der Geburtsstadt des großen Poeten und Mystikers Saadi aufgeführt werden. Saadi gehört zu den berühmtesten klassischen Lyrikern der iranischen Literatur. Er lebte im 13. Jahrhundert.

Wie der Regisseur Behrus Gharibpur sagte, wurde das Ensemble von radikalen Gruppen bedroht. "Sollte die Oper in Schiraz aufgeführt werden, werden die Veranstalter dasselbe erleben, was der Abgeordnete Ali Mottahari erlebt hat", lautete die Botschaft der Gegner. Mottahari war vor einigen Wochen in Schiraz, wo er einen Vortrag halten sollte, von Schlägern in seinem Auto angegriffen worden. Das Auto wurde demoliert. Er hatte Glück und konnte unverletzt entkommen.

Gharibpur sagte, die Schauspielerin Sahar Mohammadi sollte wie die anderen Kollegen auch hinter der Bühne für eine der Figuren sprechen. "Wir haben die Gesetze keineswegs missachtet."

Seit Monaten achten die Sittenwächter strenger als zuvor darauf, dass keine Frauen bei Musikaufführungen auftreten. Ardschomand sagte, der Solo-Gesang von Frauen sei nur bei Aufführungen möglich, bei denen das Publikum ausschließlich aus Frauen bestehe. "Wir haben diese Bestimmung allen Musikgruppen mitgeteilt. Wir hoffen, dass sie sich daran halten werden."


IRAN STEHT BEI PRESSEZENSUR WELTWEIT AN 7. STELLE

Das in New York ansässige regierungsunabhängige Komitee zum Schutz von Journalisten, Committee to protect Journalists (CPJ), stuft Iran in seinem jüngsten Berichtals eins der Länder ein, in dem die Zensur der Presse und die Arbeitseinschränkungen von Journalisten am strengsten gehandhabt werden. Weltweit steht Iran in puncto Pressezensur demnach an siebter Stelle. An erster Stelle steht Eritrea, gefolgt von Nordkorea und Saudi-Arabien. Nach Äthiopien, Aserbaidschan und Vietnam folgt schließlich Iran.

"Die iranische Regierung setzt willkürliche Massenverhaftungen als Druckmittel ein, um Oppositionelle zum Schweigen zu bringen und Journalisten zur Flucht ins Ausland zu zwingen", heißt es in dem Mitte April veröffentlichten Bericht. Zudem gebe es in Iran die weltweit härteste Zensur des Internets. Millionen Webseiten, darunter Nachrichtendienste, würden gefiltert.

Der frühere Reporter der staatlichen Agentur IRNA, Siamak Ghaderi, der vor neun Monaten nach einer vierjährigen Haft und einer Strafe von sechzig Peitschenhieben aus dem Teheraner Evin-Gefängnis entlassen wurde, sagte der BBC: "Journalismus und der freie Austausch von Informationen sind in Iran praktisch verboten." Frei seien nur Informationen, sie für das Regime positiv seien. "Alle anderen Informationen werden als Schwarzmalerei eingestuft", sagte Ghaderi.

Das Komitee kritisierte auch die Regierung Rohani, in deren Regierungszeit sich bisher nichts an der beschriebenen Situation geändert habe. In einem Interview mit der BBC sagte ein Vorstandsmitglied des CPJ, Courty Radesh, man habe gehofft, unter der Regierung Rohani werde sich die Lage der iranischen Presse bessern. Aber leider sei kein Fortschritt festzustellen. Zu den Versprechen Rohanis gehörte die Zulassung des seit sechs Jahren verbotenen Journalistenverbands. Dieses Versprechen sei jedoch bis heute nicht eingelöst worden.

Den Einschätzungen des Komitees zufolge ist Iran nach wie vor eines der größten Gefängnisse für Journalisten weltweit. Manche seien der Meinung, dass sich die Atmosphäre geändert habe. "Das scheint nur so", sagte Ghaderi. Es gäbe keinen großen Unterschied zwischen der aktuellen Regierung und den Vorgängerregierungen. Zwar trete die Regierung für mehr Öffnung ein, aber die Justiz und andere Organe hielten die bestehenden Einschränkungen weiterhin aufrecht.


HOHE BETEILIGUNG AM KARIKATURENWETTBEWERB

Den Angaben des Kulturinstituts Sartscheschmeh zufolge haben Zeichner aus 50 Staaten an dem Karikaturenwettbewerb zum Holocaust teilgenommen, wie die Agentur Fars am 4. April berichtete. Die meisten Beiträge stammten aus Iran, der Türkei und Frankreich. Auch deutsche Zeichner beteiligten sich an dem Wettbewerb. Mit der Aktion reagierte Iran auf die Karikaturen des französischen Sartire-Magazins Charlie Hebdo. Die Gewinner des Wettbewerbs sollen eine Prämie von umgerechnet bis zu 20.000 Euro erhalten. Das Ergebnis des Wettbewerbs beziehungsweise die Namen der Gewinner sind bislang jedoch nicht bekannt.


REPORTER WEGEN SPIONAGE VERURTEILT

Den Angaben der Washington Post zufolge, wird Jason Rezaian, der als Reporter für die Zeitung in Teheran gearbeitet hatte, beschuldigt, Spionage betrieben, gegen die Islamische Republik propagiert und mit feindlichen Geheimdiensten und Regierungen zusammengearbeitet zu haben. Dies geht aus den Aussagen seiner Anwältin Leila Ahsan hervor.

Der 39-jährige Rezaian wurde vor neun Monaten, am 22. Juli vergangenen Jahres, verhaftet, die Begründung für seine Festnahme war bislang jedoch nicht offiziell bekannt gegeben worden. Er besitzt sowohl die iranische als auch die amerikanische Staatsbürgerschaft. Iran akzeptiert jedoch nicht die doppelte Staatsbürgerschaft. Der Sprecher des US-Außenministeriums bezeichnete die Vorwürfe gegen Rezaian als "absurd".

Der Chefredakteur der Washington Post, Martin Baron, sagte am 20. April, die Beschuldigungen seien "lächerlich". Er verlange, dass Rezaian erlaubt werden, einen eigenen Anwalt zu bestellen. Sofern der Prozess gegen Rezaian fair sein werde, werde es auch einen Freispruch geben, sagte Baron.

Ali Rezaian, der Bruder des Inhaftierten, der sich in den USA aufhält, betonte in einem Interview mit der BBC, es gebe keinerlei Beweise zur Begründung der Vorwürfe gegen seinen Bruder. Sein Bruder habe keinen Zugang zu geheimen Unterlagen gehabt. Über den Fall sowie über die Fälle andere US-Bürger, die sich in iranischer Haft befinden, sei auch bei den Atomverhandlungen zwischen Iran und den USA gesprochen worden. Dabei hätten die iranischen Vertreter gesagt, dass man den Prozess abwarten müsse, sagte Rezaian. Er hoffe auf einen baldigen Abschluss.

Einige amerikanische Senatoren schrieben in einer gemeinsamen Erklärung, es habe den Anschein, dass Rezaian wegen seines Berufs als Journalist und wegen seiner amerikanischen Staatsangehörigkeit Repressalien ausgesetzt worden sei. Dies zeige den wahren Charakter des Teheraner Regimes. Die Obama-Regierung müsse zunächst die sofortige Freilassung Rezaians und aller anderen Amerikaner fordern und erst danach die Atomverhandlungen fortsetzen, forderten die Senatoren.

Dazu erklärte das US-Außenministerium, der Fall Rezaian und die Atomverhandlungen seien zwei verschiedene Themen. Zwar sei der Fall bei den Verhandlungen erörtert worden, aber nur weil die Verhandlungen dazu die Gelegenheit geboten hätten, sagte Sprecherin Marie Harf am 21. April.

Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif, der sich wegen der Teilnahme an der internationalen Atomabrüstungskonferenz in den USA aufhielt, erwähnte bei einem Vortrag in New York am 30. April, dass Rezaian möglicherweise von einem amerikanischen Agenten ausgenutzt worden sei. "Leider muss Ihr Freund und mein Freund Jason sich wegen einer ernsten Straftat vor Gericht verantworten. Ich hoffe, dass er freigesprochen wird. Er muss sich vor Gericht den Vorwürfen stellen. Er ist iranischer Staatsbürger. Es ist bedauerlich, dass ein niederer Geheimdienstler ihn ausgenutzt hat", sagte Sarif. "Tatsache ist, dass manche Leute den Wunsch anderer, eine Einreiseerlaubnis für die USA zu bekommen, ausnutzen und dafür Gegenleistungen verlangen, die illegal und gefährlich sind und den Ruf des Reporters schädigen."

Was Sarif damit genau meinte, sagte er nicht. Vermutlich hatte er die Frau von Rezaian, Yeganeh Salehi, im Blick, die sich um ein Visum für die USA bemüht hatte. Salehi wurde im vergangenen Jahr ebenfalls in Haft genommen, aber nach zwei Monaten wieder freigelassen. Sie ist Journalisten und arbeitet für eine arabische Zeitung.

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WIRTSCHAFT

• Atomkonflikt
• Chamenei: Die Lösung der Wirtschaftsprobleme liegt nicht in Lausanne, Genf oder New York
• Putin hebt Lieferverbot für S-300-Raketen auf
• Ausländische Unternehmen hoffen auf lukrative Aufträge
• Amerikanische Unternehmen in Teheran
• Iran kritisiert Wiederaufnahme der EU-Sanktionen
• Iran in neue chinesische Entwicklungsbank für Asien aufgenommen


ATOMKONFLIKT

Bei den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm standen insbesondere Iran und die USA offenbar unter Erfolgszwang. Die selbstgesetzte Frist, der 31. März, konnte trotz der Marathonsitzungen der Außenminister der USA und Irans, John Kerry und Dschawad Sarif, an denen immer wieder auch ihre Amtskollegen aus Russland, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und China teilnahmen, nicht eingehalten werden. Trotzdem sprach man von "konstruktiven" Verhandlungen, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, "das Endspiel hat nun begonnen". Entsprechend ungeduldig wartete die Außenwelt auf konkrete Ergebnisse.

In dieser euphorischen Stimmung wäre ein Scheitern der Verhandlungen für alle Seiten nicht nur blamabel gewesen, sondern hätte auch weitreichende Folgen für die Regierungen von Obama und Rohani haben können. So zogen die beteiligten Akteure es vor, einen "Durchbruch" zu verkünden. Man habe sich über die Eckpunkte geeinigt, hieß es in der Erklärung vom 2. April. Worin aber dieser "Durchbruch" konkret bestand, wurde nicht näher erläutert. Bis Ende Juni werde man die technischen Details klären und ein endgültiges Abkommen vereinbaren.

Doch bereits wenige Stunden nach der Freude verbreitenden Nachricht kam die Ernüchterung. Es stellte sich heraus, dass die wichtigsten Punkte, über die man sich monatelang gestritten hatte, nach wie vor ungeklärt geblieben waren. Ersichtlich wurden die Differenzen schon darin, dass es neben der kurzen Erklärung, die am 2. April gemeinsamen von Sarif und der EU-Außenbeauftragten Frederica Mogherini in Lausanne vorgetragen wurde, zwei weitere Erklärungen gab, eine in englischer Sprache, autorisiert vom US-Außenministerium und eine zweite in persischer Sprache, die vom Teheraner Außenministerium ohne Unterschrift der Presse übergeben wurde. Zwischen den beiden Erklärungen bestehen jedoch gravierende Unterschiede.

Die umstrittensten Punkte betreffen die Anzahl der Zentrifugen bzw. die erlaubte Menge an angereichertem Uran, die internationale Kontrolle der Atomanlagen, den Schwerwasserreaktor in Arak und die Sanktionen.

Nach der amerikanischen Version sollen von den rund 19.000 installierten Zentrifugen in den nächsten zehn Jahren nur noch 6.104 ältere Zentrifugen eingesetzt, davon jedoch nur 5.060 zur Urananreicherung verwendet werden. Die anderen Zentrifugen sollen unter Aufsicht der Internationalen Atombehörde demontiert und deponiert oder verkauft werden. Uran dürfe nur noch in der Anlage Natanz angereichert werden und die umstrittene Untergrundanlage Fordo solle fortan nur noch zu medizinischen Forschungszwecken genutzt werden.

Sollten diese Bedingungen tatsächlich zutreffen, käme dies praktisch einer Einfrierung des iranischen Atomprogramms gleich. Zwar hätte Iran sein Recht, Uran im eigenen Land anzureichern durchgesetzt. Aber dürfte dieses Recht, nicht oder nur sehr eingeschränkt in Anspruch nehmen.

In der iranischen Version sieht das Rahmenabkommen ganz anders aus. Demnach dürfen die Aktivitäten in sämtlichen Atomanlagen fortgesetzt werden. Keine Anlage werde eingeschränkt oder gar stillgelegt. Von der Reduzierung der Zentrifugen um zwei Drittel ist in der Erklärung des Teheraner Außenministeriums keine Rede.

Ginge es nach der amerikanischen Lesart, würde Iran nicht nur seine Atomindustrie, sondern auch größerer Teile seiner militärischen Anlagen für die nächsten 25 Jahren der Kontrolle der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) unterstellen. Außerdem würde Iran das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag unterzeichnen. Das Zusatzprotokoll erlaubt der IAEO, sämtliche Anlagen, die in Verbindung mit dem Atomprogramm stehen, zu jeder Zeit und an jedem Ort, ohne vorherige Anmeldung zu kontrollieren. Darüber hinaus sei Iran verpflichtet, der IAEO alle Möglichkeiten zu gewähren, um Unklarheiten auch im militärischen Bereich auszuräumen, so das US-Papier. Auch diese strengen Kontrollen werden in der Teheraner Version nicht erwähnt.

Der Schwerwasserreaktor in Arak soll nach amerikanischer Lesart so umgebaut werden, dass die Erzeugung von Plutonium ausgeschlossen wird. Die abgebauten Teile sollen von der IAEO verschrottet werden. In der iranischen Version heißt es hingegen, der Reaktor werde weniger Plutonium produzieren, aber sein Potenzial erheblich steigern.

Ein Vergleich der zwei Versionen zeigt auch, dass die Positionen in Bezug auf die Sanktionen gegen Iran weit voneinander entfernt liegen. Nach amerikanischer Darstellung sollen die Sanktionen unter der Voraussetzung, dass Iran alle Bedingungen vollständig erfüllt, schrittweise "ausgesetzt" werden. Ausdrücklich wird erwähnt, dass es sich bei der Aussetzung nur um Sanktionen handele, die im Zusammenhang mit dem Atomkonflikt von der UNO, den USA und der EU verhängt wurden. Hingegen sollen alle Strafmaßnahmen, die aufgrund von Menschenrechts-Verletzungen und der Unterstützung des internationalen Terrorismus beschlossen wurden, weiterhin aufrechterhalten werden.

Nach iranischer Darstellung sollen sämtliche Sanktionen unmittelbar nach der Unterzeichnung des Abkommens vollständig und endgültig "aufgehoben" werden.

Glaubt man der amerikanischen Version, muss Iran große Zugeständnisse gemacht haben. Nimmt man die iranische Darstellung, hat Teheran einen großen Sieg davon getragen. Und genau diese Darstellung war es auch, die die Menschen im Iran nach Abschluss des Rahmenabkommens mit Hoffnung und Freude erfüllte und auf bessere Zeiten hoffen ließ.

Als die iranische Verhandlungsdelegation aus der Schweiz kommend in Teheran eintraf, wurde sie von einer jubelnden Menge empfangen. "Hoch lebe Sarif, hoch lebe Rohani", skandierten die Versammelten. Viele formten das Siegeszeichen oder schwenkten weiße Tücher. Auf einem Plakat wurde Sarif mit dem legendären Ministerpräsidenten Mossadegh verglichen, der Anfang der fünfziger Jahre die Ölindustrie nationalisierte und damit Iran von der britischen Vorherrschaft befreite. Sarif standen Tränen in den Augen.

Regierungstreue Medien lobten das Rahmenabkommen. Die staatliche Nachrichtenagentur IRNA beglückwünschte die Regierung für den "großen Erfolg". Selbstverständlich hätten beide Seiten Zugeständnisse machen müssen. Sonst wäre keine Einigung zustande gekommen, schrieb IRNA. Die einheimischen Gegner des Abkommens seien dieselben Menschen, die damals die UN-Resolutionen gegen Iran als ein "Fetzen wertloses Papier" bezeichnet und das Land in die Isolation getrieben hätten. Wichtig für Iran seien das Recht auf Urananreicherung und die vollständige Aufhebung der Sanktionen. Genau dies hätten die Verhandlungsführer erreicht, erläuterte IRNA.

Dem widersprach der einflussreiche, von Revolutionsführer Ali Chamenei ernannte Chefredakteur der Tageszeitung Kayhan, Hossein Schariatmadari. "Nichts haben wir erreicht", schrieb er. "Wir haben ein gesatteltes Pferd verschenkt und dafür einen zerrissenen Zaum erhalten." Offenbar hatten Schariatmadari und andere nicht nur die iranische, sondern auch die amerikanische Version des Rahmenabkommens gelesen.

So warf der konservative Abgeordnete Esmail Kosari der iranischen Verhandlungsdelegation vor, ein Jahr lang die "Zeit totgeschlagen" zu haben, während die westlichen Verhandlungspartner auf ihren Forderungen beharrt und sie am Ende durchgesetzt hätten. Der Abgeordnete Hossein Taghawi, Mitglied des Ausschusses für Nationale Sicherheit und Außenpolitik, sagte: "Wir werden kein Abkommen akzeptieren, das nicht die sofortige Aufhebung der Sanktionen beinhaltet."

Der Abgeordnete Aliresa Sakani veröffentlichte eine Liste mit zwölf Punkten, bei denen die von Iran festgesetzten roten Linien angeblich überschritten wurden. Das von Konservativen gegründete "Komitee zur Verteidigung iranischer Interessen" bezeichnete das Rahmenabkommen in einem Schreiben an Präsident Rohani als "endgültigen Abschied vom iranischen Atomprogramm".

Die Regierung von Präsident Rohani, die nach eigenen Angaben einen wirtschaftlichen Aufschwung und die Öffnung nach außen und innen anstrebt, hat mächtige Gegner im eigenen Land. Diese sitzen an den Schalthebeln der Macht, in der Justiz, im Wächterrat, bei den Revolutionsgarden und in den Geheimdiensten. Auch die Mehrheit der geistlichen Instanzen unterstützt die Konservativen und Ultras. Den Gegnern geht es nicht nur um die Macht, sie befürchten, dass Reformen und die Liberalisierung der Innen- und Außenpolitik einer westlichen Unterwanderung Vorschub leisten könnte und dadurch die Islamische Republik ideologisch, kulturell und folglich auch politisch unterhöhlen würde und diese somit ihre Legitimität verlieren würde.

Nun haben sich Rohani und Sarif in ihrer bisher zweijährigen Regierungszeit in erster Linie auf die Lösung des Atomkonflikts konzentriert, mit dem Ziel, die Sanktionen aufzuheben und damit die stark kriselnde Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Denn ihnen ist offenbar bewusst, dass sie ihre Basis im Volk nur durch einen wirtschaftlichen Aufschwung festigen und sich im internen Machtkampf durchsetzen können.

Auch ihre Gegner kennen diese Rechnung. Doch sie befinden sich in einem Dilemma. Einerseits müssen sie wohl oder übel die Bemühungen der Regierung um die Lösung des Atomkonflikts gutheißen, um die drohende Wirtschaftskatastrophe zu verhindern. Andererseits gilt es, einen Erfolg Rohanis und seiner Regierung zu verhindern. Die Lösung, die sie für dieses Dilemma scheinbar gefunden haben, ist es, alle Reformen im Innern zu blockieren und gleichzeitig in der Außenpolitik dafür zu sorgen, dass die Verhandlungen mit den USA und dem Westen ausschließlich über Atomfragen geführt werden, jedoch keineswegs zu einer Annäherung an die USA führen. Genau dies hat auch Chamenei immer wieder betont. Ob mit oder ohne Atomabkommen, die Feindschaft mit den USA und die antiwestliche Ideologie solle unter allen Umständen aufrechterhalten werden.

Chamenei, der laut Verfassung bei wichtigen Entscheidungen das letzte Wort hat, schwieg zunächst zu dem Rahmenabkommen. Erst nach einer Woche meldete er sich zu Wort. Wozu habe er sich auch äußern sollen, solange nichts Konkretes vorliege, sagte er. "Es kommt auf die Details an. Was bisher vereinbart worden ist, garantiert nicht den Inhalt eines Abkommens, ja nicht einmal abschließende Verhandlungen." Er unterstütze Vereinbarungen, bei denen die Interessen und die Würde Irans gewahrt würden. "Aber eine Ablehnung ist weit ehrenhafter als die Zustimmung zu einem Abkommen, dass unsere Interessen und unsere Würde missachtet."

Chamenei verwies auf die von den USA veröffentlichte Erklärung und sagte: "Diese Erklärung, die sie als Fact Sheet bezeichnen, beinhaltet viele Verwirrungen und Unwahrheiten." Iran werde niemals Inspektionen seiner Militäranlagen zulassen und auch keine unüblichen Untersuchungen erlauben, die Iran zu einem Sonderfall machten. Chamenei empfahl den iranischen Verhandlungsführern, der Gegenseite nicht zu trauen. "Was bei den kommenden Verhandlungen vereinbart werden muss, ist, dass unmittelbar nach der Unterzeichnung eines Abkommens die Sanktionen gänzlich aufgehoben werden. Das Gerede von der Aussetzung der Sanktionen werden wir nicht akzeptieren." Chamenei betonte abermals, dass Verhandlungen mit den USA ausschließlich über das Atomprogramm geführt würden und nicht über die Beziehungen zwischen den beiden Staaten.

Genau das Gegenteil scheint jedoch aus westlicher, und insbesondere amerikanischer Sicht das übergeordnete Ziel der Atomverhandlungen zu sein. Lange Zeit hindurch strebte die amerikanische Iran-Politik einen Regimewechsel an. Daher weigerte sich Washington in den ersten Jahren auch an den Atomverhandlungen teilzunehmen. Die USA setzten sogar die europäischen Verhandlungspartner (Frankreich, Deutschland und Großbritannien) unter Druck, damit diese Maximalforderungen an den Iran stellten, die das Land nicht erfüllen konnte. Auch die harten Sanktionen dienten demselben Ziel. Es gab sogar ernsthafte Pläne für einen militärischen Angriff auf Iran.

Es scheint, dass die Lehren aus den Kriegen in Afghanistan und im Irak die Obama-Regierung zu einem Kurswechsel gegenüber Iran veranlasst haben. Wandel durch Annäherung ist nun die Devise. Die Islamische Republik ist inzwischen zu einer regionalen Großmacht mit erheblichem Einfluss in den arabischen Staaten aufgestiegen. Aus der Sicht der USA wäre es höchst wünschenswert, wenn Iran sich in die neu zu gestaltende geostrategische Architektur im Nahen und Mittleren Osten integrieren ließe. In dieselbe Richtung konnte auch Rohanis Äußerung gedeutet werden, der sagte, eine neue Zusammenarbeit in der Welt, auch über den nuklearen Bereich hinaus, werde "ein neues Kapitel für den Iran" aufschlagen. "Wir haben Spannungen und sogar Feindseligkeiten mit anderen Ländern, wir hoffen aber auf ein Ende der Spannung und Feindseligkeiten."

Ein solches Ansinnen ruft nicht nur die Hardliner in Iran auf die Barrikaden, sondern auch die arabischen Staaten und nicht zuletzt Israel. Vor allem Saudi-Arabien, das seit dem Sturz des Schah-Regimes im Iran als engster Verbündeter der USA und des Westens insgesamt gilt, befürchtet, dass es durch eine Annäherung Irans an die USA seine Rolle und Bedeutung im Nahen Osten verliert. Die Normalisierung der Beziehungen zwischen Teheran und Washington könnte sogar zu einer neuen Machtkonstellation in der Region führen, was in den arabischen Staaten Veränderungen erzwingen könnte, von denen auch die autoritären Königshäuser betroffen wären.

Daher hat Saudi-Arabien alles versucht, um ein Abkommen mit dem Iran zu verhindern. Es war wohl kein Zufall, dass die Saudis und ihre Verbündeten wenige Tage vor dem Ablauf der für die Atomverhandlungen festgesetzten Frist einen Luftangriff auf die Huthis in Jemen starteten, die angeblich von Iran unterstützt werden (siehe auch ausführlichen Bericht unter Außenpolitik).

Dieser Angriff machte den USA einen Strich durch die Rechnung. Denn er verwandelte den Bürgerkrieg in Jemen in einen Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und Iran. Zwar leugnet Teheran jede militärische Einmischung in Jemen, aber sicher ist jedenfalls, dass Iran die schiitischen Huthis politisch unterstützt und sich nun durch den saudischen Angriff auch zu einer militärischen Unterstützung herausgefordert fühlen könnte.

Als erklärte Schutzmacht Saudi-Arabiens sind nun auch die USA zur Einmischung aufgefordert. Sie haben bislang nur logistische Unterstützung bereitgestellt. Im Falle einer weiteren Fortdauer des Krieges wird es aber möglicherweise nicht dabei bleiben.

Auf der anderen Seite gibt es im Nahen Osten inoffiziell bereits seit geraumer Zeit zwischen den USA und Iran eine Koordinierung des Kampfes gegen den sogenannten Islamischen Staat im Irak und in Syrien. Ferner sind die USA bei der Lösung der Probleme in eben diesen Staaten sowie in Afghanistan und Libanon auf eine wie auch immer geartete Kooperation mit der Islamischen Republik angewiesen. Das militärische Engagement im Jemen-Krieg stellt die Kursänderung in der amerikanischen Iran-Politik infrage. Es liefert auch weitere Argumente zugunsten der Gegner eines Atomabkommens mit Iran.

Israel und die Republikaner in den USA behaupten, das Abkommen mit Iran und die Aufhebung der Sanktion verschaffe dem Land große Möglichkeiten, seinen Einfluss in der Region zu steigern und damit die radikalen Kräfte weiter zu stärken. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnete Iran als den "gefährlichsten terroristischen Staat der Welt." Laut der Zeitung Haaretz sagte er: "Leider ist alles wahr geworden, was ich gesagt habe, um vor der Rahmenvereinbarung zu warnen, die in Lausanne ausgearbeitet worden ist. Diese Rahmenvereinbarung öffnet dem führenden terroristischen Staat der Welt einen sicheren Weg zu Atomwaffen." Zuvor hatte Netanjahu gefordert, dass auch das iranische Raketenprogramm in das Abkommen aufgenommen und eine Kursänderung der iranischen Außenpolitik sichergestellt werden solle. Vor allem solle Iran das Existenzrecht Israels anerkennen. Netanjahu warf der Staatengemeinschaft vor, im Umgang mit Iran denselben Fehler zu begehen wie einst mit Nazi-Deutschland. "Die Westmächte haben einen fatalen Fehler vor dem Zweiten Weltkrieg gemacht, und wir sind überzeugt, dass sie auch jetzt einen bitteren Fehler machen", sagte er.

Auch die Republikaner in den USA versuchen der Obama-Regierung bei dem Bestreben nach einer diplomatischen Lösung des Atomkonflikts mit allen Mitteln Steine in den Weg zu legen. Obama reagierte darauf mit scharfer Kritik. Die Gegner des Abkommens hätten mit ihrer Voreingenommenheit jegliche Grenzen überschritten, sagte der Präsident. Namentlich kritisierte er Senator John McCain, der gesagt hatte, die vom US-Außenministerium veröffentlichte Erklärung zum Rahmenabkommen sei "irgendwie weniger vertrauenswürdig" als die Äußerungen des iranischen Revolutionsführers Chamenei. Das Außenministerium müsse klarstellen, was tatsächlich vereinbart worden sei.

Die Republikaner forderten zunächst ein Mitspracherecht des Kongresses bei einem Abkommen mit Iran, was die Regierung strikt ablehnte. Zuletzt wurde der Streit durch einen Kompromiss beigelegt. Der Kongress werde der Regierung bis zum Ende der festgesetzten Verhandlungsfrist, dem 30. Juni, freie Hand lassen. Im Gegenzug wurde dem Kongress zugebilligt, dass die Aufhebung der Sanktionen von der Zustimmung der Abgeordneten abhängig gemachen werde. Dieser Kompromiss wird voraussichtlich die Verhandlung mit dem Iran zusätzlich belasten.

Die Kritiker des Atomabkommens haben zumindest erreicht, dass sich die Positionen inzwischen wieder verhärtet haben. Die USA bestehen darauf, dass auch in Militäranlagen Inspektionen durchgeführt werden. "Es (das Abkommen) kann nicht auf Vertrauen basieren", sagte US-Verteidigungsminister Ashton Carter. Inspektionen müssten "auf jeden Fall" auch Militäranlagen einschließen. Gerade dies hatte aber, wie bereits erwähnt, Chamenei ausgeschlossen.

Auch im Bezug auf Sanktionen liegen die Positionen weit auseinander. Jeff Rathke, stellvertretender Sprecher des US-Außenministeriums, betonte, dass die Sanktionen in Phasen "ausgesetzt" werden sollen, vorausgesetzt, Teheran werde den vereinbarten Verpflichtungen nachkommen. Demgegenüber sagte Chamenei, die Sanktionen müssen unmittelbar nach dem Ende der Verhandlungen "aufgehoben" werden, "nicht schrittweise, erst recht nicht in sechs Monaten". Auch Sarif betonte: "Bedingung für die Unterzeichnung eines Abkommens ist die sofortige Aufhebung der Sanktionen."

Ob es der Diplomatie gelingen wird, trotz der verhärteten Fronten eine Brücke zu schlagen, auf der man sich einigen kann, wird sich in den nächsten Wochen herausstellen.


CHAMENEI: DIE LÖSUNG DER WIRTSCHAFTSPROBLEME LIEGT NICHT IN LAUSANNE, GENF ODER NEW YORK

Revolutionsführer Ali Chamenei, der aus Anlass des "Tags der Arbeit" vor einer Versammlung von Werktätigen sprach, sagte, "der Schlüssel zur Lösung unserer Wirtschaftsprobleme liegt nicht in Lausanne, Genf oder New York, er liegt in der Stärkung unserer eigenen Wirtschaft".

In den drei genannten Städten laufen die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm. Er wolle die Wirkung der "ungerechten" Sanktionen gegen Iran nicht leugnen, sagte Chamenei. "Aber ich leugne, dass sie (die Außenmächte) uns daran hindern könnten, unsere eigene Wirtschaft weiterzuentwickeln. (...) Wenn wir unsere Wirtschaft voranbringen wollen, müssen wir uns auf die einheimische Produktion konzentrieren."

Chamenei forderte die Regierung auf, nichts von dem, was in der Verwaltung gebraucht werde, aus dem Ausland zu importieren. Er ordnete an, alles was möglich sei im Inland zu produzieren und ausländische Waren als "haram" (religiös verboten) zu betrachten.

Chamenei kam auch auf die Korruption zu sprechen. Es habe keinen Sinn, ständig über die Korruption zu reden, sagte er. "Was nutzt es, wenn wir 'haltet den Dieb' rufen. Das wird die Diebe nicht von ihrer Tat abhalten. "Es muss gehandelt werden. Wir müssen der Korruption wirklich Einhalt gebieten."


PUTIN HEBT LIEFERVERBOT FÜR S-300-RAKETEN AUF

Den Agenturmeldungen vom 13. April zufolge hat Russlands Präsident Wladimir Putin das Ausfuhr-Verbot für hoch entwickelte S-300 Luftabwehrraken nach Iran aufgehoben. Der Kreml teilte mit, dass Putin ein entsprechendes Auslieferungsdekret unterzeichnet habe. Das System, das gegen Marschflugkörper und Flugzeuge eingesetzt werden kann, wurde bereits zu sowjetischer Zeit entwickelt. Iran will die Raketen erwerben, um sich gegen einen möglichen Angriff auf seine Atomanlagen zur Wehr setzten zu können.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow verwies auf das Anfang April vereinbarte Rahmenabkommen zwischen Iran und der 5+1-Gruppe und betonte in einem Fernsehinterview, "die S-300 ist eine ausschließlich defensive Waffe, die nicht für offensive Zwecke eingesetzt werden kann und deshalb die Sicherheit keines Landes Ž Israel inbegriffen Ž gefährden könnte".

Die USA kritisierten den Vorgang. Der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, sagte, Außenminister John Kerry habe sich in einem Telefongespräch mit Lawrow über die Entscheidung Moskaus besorgt gezeigt. "Ich bin nicht in der Lage, über die russische Entscheidung zu spekulieren. Aber ich kann sagen, Russland wird nachvollziehen können, dass die USA die Sicherheitsbedenken ihrer Verbündeten ernst nehmen", erklärte der Sprecher.

Der Vertrag über die Lieferung von S-300 im Wert von 800 Millionen Dollar wurde bereits 2007 zwischen Russland und Iran abgeschlossen. Doch 2010 erklärte Moskau, dass sich die Lieferung gegen die von der UNO verhängten Sanktionen gegen Iran richten würden und deshalb nicht erfolgen könnten. Demgegenüber erklärte Teheran, die Lieferung falle nicht unter die Sanktionen, denn die S-300 sei defensiv. Das Land verlangte vor einem Gericht in Genf einen Schadenersatz von vier Milliarden Dollar. Ein Urteil steht noch aus.

Iran begrüßte die jüngste Entscheidung Moskaus. Verteidigungsminister Hossein Dehghan sagte der Nachrichtenagentur IRNA: "Die Intensivierung bilateraler Beziehungen und der Beziehungen zu anderen Nachbarstaaten könnten für die Sicherheit der Region sehr nützlich sein. Die überregionalen Bedrohungen und die Zunahme der Aktivitäten terroristischer Gruppen machen die Intensivierung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten notwendig. Dies ist auch die Richtlinie, die stets die Grundlage der Beziehungen zwischen Iran und Russland bildete."

Die S-300-Rakete gehört zu den modernsten Abwehrraketen. Sie ist in der Lage, bis zu hundert Ziele gleichzeitig zu erfassen. Die neueste Version der Rakete hat eine Reichweite zwischen 195 und 300 Kilometern und kann Objekte in der Luft bis zu einer Höhe von 27 Kilometern treffen.

Der israelische Minister für internationale Beziehungen, Juval Steinitz, veröffentlichte eine Erklärung zu der Raketenlieferung, in der es hieß, diese sei das direkte Ergebnis des Atomabkommens und der damit einhergehenden neuen Legitimität, die Iran hiermit verliehen wurde. Es werde deutlich, dass eine wirtschaftliche Stärkung Irans, die mit der Aufhebung der Sanktionen erreicht werde, nicht zum Wohl des Volkes dienen , sondern zur weiteren Aufrüstung genutzt werde. Während Iran die vereinbarten Rahmenbedingungen nacheinander verletze, habe die Weltgemeinschaft bereits mit dem Abbau von Strafmaßnahmen gegen Iran begonnen. "Statt von Iran zu verlangen, seine terroristischen Aktivitäten in der Region und in der ganzen Welt zu beenden, wird dem Land erlaubt, sich mit modernen Waffen aufzurüsten, was das Land noch aggressiver macht", sagte Steinitz.

Auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu übte scharfe Kritik an der russischen Entscheidung. Diese Entscheidung werde "Irans Aggressivität in der Region" steigern und die Sicherheit des gesamten Nahen Ostens gefährden, sagte Netanjahu laut einer Meldung vom AFP vom 14. April in einem Telefongespräch mit Lawrow. Aus dem Kreml hieß es, Putin habe "detailliert die Logik hinter den Schritten von Russlands Führung" erklärt. Am 19. April nahm Netanjahu noch einmal öffentlich gegen die Raketenlieferung Stellung. Die Entscheidung sei "schwerwiegend", sagte er. Iran verstärke von Jahr zu Jahr sein Raketenarsenal, das gegen Israel gerichtet sei. "Angesicht all dieser Bedrohungen wird Israel alles Notwendige unternehmen, um die Sicherheit des Landes zu gewährleisten", sagte der Regierungschef.

Der Kritik gegen den Deal zwischen Teheran und Moskau schloss sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel an. Sie empfehle, "dass man Sanktionen möglichst geschlossen aufhebt", sagte sie nach einem Gespräch mit Indiens Regierungschef Narendra Modi in Berlin. Dennoch glaube sie nicht, dass das Geschäft ein Hindernis für die Fortsetzung der Atomverhandlungen im bisherigen Rahmen darstellen würde.

Am 15 April nahm Moskau zu den Gerüchten, Iran würde die Raketen mit Öl bezahlen, Stellung. Es handele sich um ein Geschäft zwischen Unternehmen beider Staaten, sagte Energieminister Alexander Nowak. "Wir sprechen hier nicht über Lieferungen von iranischem Öl. Sie (die Iraner) können den Markt selbst beliefern, nachdem die Sanktionen aufgehoben werden", sagte er. "Zudem werde Russland keine iranischen Güter auf dem Weltmarkt verkaufen."


AUSLÄNDISCHE UNTERNEHMEN HOFFEN AUF LUKRATIVE AUFTRÄGE

Die Aussicht auf eine Einigung im Atomkonflikt lässt deutsche Unternehmen auf lukrative Geschäfte mit Iran hoffen. "Die Vereinbarung wird von der deutschen Wirtschaft als ermutigendes Signal bewertet", sagte der Außenwirtschaftsexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) Felix Neugart laut einer Meldung der Agentur Reuters vom 3. April. Sollte die festgesetzte Frist, der 30. Juni, eingehalten werden und ein Abkommen zustande kommen, "könnte das Iran-Geschäft ab dem zweiten Halbjahr deutlich an Dynamik gewinnen". Das Exportvolumen könnte sich sogar innerhalb weniger Jahre verdoppeln, meinte Neugart.

Bereits die im vergangenen Jahr erfolgten Zugeständnisse an Iran und die Lockerung der Sanktionen hatten den deutschen Export nach Iran um 30 Prozent auf 2,4 Milliarden erhöht. "Langfristig könnte der Handel durchaus in zweistelligen Milliardenbereich liegen", sagte Neugart. "Iran bietet nicht nur aufgrund seines Rohstoffreichtums und seiner großen Bevölkerung ein Potenzial." Die in Deutschland produzierten Waren und deutsche Dienstleistungen seien traditionell sehr gefragt. "Insbesondere das Interesse an deutsche Maschinen und Anlagen ist nach wie vor sehr hoch." Große Chancen sieht der Experte für die Autoindustrie, die chemische Industrie, die Pharmazie, die Medizintechnik sowie für erneuerbare Energien. "Um jedoch die Potenziale vollständig ausschöpfen zu können, müssen sowohl die EU als auch die USA den Sanktionsabbau möglichst schnell vorantreiben."

Die Schweiz hatte bereits 2014 mit dem Abbau von Sanktionen gegen Iran begonnen. Nun sollen die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern rasch ausgebaut werden. Am 25. April begab sich eine Wirtschaftsdelegation unter der Leitung der früheren Schweizer Botschafterin Livia Leu zu viertägigen Konsultationen nach Teheran. Im vergangenen Jahr lag das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern bei 640 Millionen Franken (ca. 617 Millionen Euro).

Auch die westlichen Ölkonzerne stehen in den Startlöchern. Diese hatten im Laufe der letzten Jahrzehnte nach und nach Iran verlassen. Zunächst waren es die US-Konzerne, die infolge der von den 1979 verhängten Sanktionen gegen Iran dem Land den Rücken kehren mussten. Mit den Sanktionen der UNO und der EU, die 2006 verhängt wurden, beendeten auch die europäischen Konzerne nacheinander ihre Aktivitäten in Iran. Zuletzt verließ der französische Konzern Total 2008 Iran.

Die Sanktionen haben in den letzten Jahren zu einer drastischen Abnahme des iranischen Ölexports geführt. 2008 lag der Export noch bei vier Millionen Barrel pro Tag, 2014 wurden nur noch 1,1 Million Barrel pro Tag exportiert. Iran verfügt nicht nur im Bereich Erdöl über ein großes Potenzial, das Land verfügt auch über die zweitgrößten Gasreserven in der Welt.

Doch die Rückkehr der Ölkonzerne nach Iran wird auch nach der Aufhebung der Sanktionen nicht unproblematisch sein. Die Agentur AFP weist in einem Bericht vom 3. April auf einige Schwierigkeiten hin. Iran müsse zunächst sein gelagertes Öl auf den Markt werfen. Auch der schlechte Zustand der Raffinerien müsse behoben werden, was ohne das Engagement ausländischer Investoren kaum zu schaffen sein wird. Die Bedingungen für Investoren seien jedoch nicht günstig. International sei es üblich, dass in der Ölbranche Verträge "als Konzessionen oder mit einer Aufteilung der Produktion abgeschlossen werden", schreibt die Agentur. Iran verlange bisher "Buy-back-Verträge", bei denen die Unternehmen gemäß den Investitionen, die sie vornehmen, vergütet werden. Das wolle Teheran nun ändern, um ausländischen Unternehmen größere Anreizen für Investitionen zu bieten.


AMERIKANISCHE UNTERNEHMEN IN TEHERAN

Offenbar glauben die amerikanischen Unternehmer mehr noch als die Politiker an eine baldige Lösung des Atomkonflikts beziehungsweise an eine rasche Aufhebung der Sanktionen. Die beiden Zeitungen New York Times und Financial Times berichteten am 16. April über eine Reise einer US-Unternehmergruppe nach Iran. Zwar hatten Vertreter amerikanischer Unternehmen bereits zuvor in Europa und in Staaten des Nahen Ostens iranische Unterhändler getroffen. Dies war aber das erste Mal, dass sie offiziell nach Iran reisten. Organisiert wurde die Reise von dem Verband Junger Unternehmer, der ein Netz von Experten bildet, die er an Unternehmen vermittelt. Ein Vereinsmitglied, das an der Reise nach Iran teilnahm, sagte der New York Times: "Wir sind Touristen, aber einige die mitgereist sind, leiten große Geschäfte."

Das Treffen der Gruppe mit iranischen Geschäftsleuten fand aus Sicherheitsgründen in einem Restaurant statt. Die iranischen Teilnehmer schilderten ihren amerikanischen Kollegen die Lage auf dem iranischen Markt, legten Informationen über das iranische Kommunikationsnetz vor und sprachen über Möglichkeiten der Zusammenarbeit.

Die Gruppe besuchte auch die Stadt Schiraz und die heilige Stadt Ghom. "Wir sind hier sehr beliebt", sagte ein Mitreisender der Zeitung. Er habe in Ghom einen Geistlichen gefragt, warum die Parole "Tod den USA" immer noch gerufen werde. Der Geistliche habe geantwortet, diese Parole gehöre der Vergangenheit an, "was Sie hier erleben, ist der neue Iran".

Ein westlicher Diplomat sagte der Financial Times, die amerikanischen Unternehmen müssten mit dem Iran-Geschäft bis zu den Wahlen 2016 warten.

In den iranischen Medien wurde der Besuch der Gruppe aus den USA nicht erwähnt.


IRAN KRITISIERT WIEDERAUFNAHME DER EU-SANKTIONEN

Iran kritisierte, dass die EU Sanktionen, die durch den Europäischen Gerichtshof aufgehoben wurden, von der EU erneut in Kraft gesetzt wurden. Die Sprecherin des Teheraner Außenministeriums, Marsiyeh Afkham, bezeichnete die Maßnahme als "politisch motiviert und unfreundlich". Sie sagte am 9. April der Presse: "Während die Verhandlungen (über das iranische Atomprogramm) im Gange sind und alle Seiten um das Erreichen einer Einigung bemüht sind, ist die von der EU ergriffene Maßnahme (...) konterproduktiv."

Am Tag zuvor hatte die EU offiziell die Wiedereinsetzung von Sanktionen gegen die iranische Handelsbank und gegen 32 Reedereien bekannt gegeben. Im Januar hatte das zweithöchste EU-Gericht die Sanktionen gegen 40 Schiffsunternehmen und die Bank aufgehoben und deren eingefrorene Guthaben freigegeben, mit der Begründung, dass die Strafmaßnahmen auf einer falschen Rechtsgrundlage basierten.

Zur Begründung der Wiederaufnahme der Sanktionen heißt es in der im Amtsblatt der EU veröffentlichten Erklärung, die von der Regierung abhängige Handelsbank spiele mit der Kreditbeschaffung und durch Geldtransaktionen bei den Aktivitäten der staatlichen Öl- und Gasindustrie und beim Kauf von "verbotenen Geräten" eine wichtige Rolle.

Die Handelsbank gehört zu den größten Geldinstituten Irans. Sie unterhält eigene Filialen in Deutschland, Großbritannien und Frankreich. Nun sind ihre Aktivitäten in Europa untersagt und ihre Guthaben eingefroren worden.

Die 32 bestraften Reedereien gehören nach Angaben der EU der staatlichen Schifffahrtsgesellschaft an, die bereits Sanktionen unterliegt.

Die neue Maßnahme der EU weise nach Meinung politischer Beobachter darauf hin, dass bei den Atomverhandlungen beide Seiten in der letzten Phase alle Hebeln in Bewegung setzen, um auf die Gegenseite Druck auszuüben.


IRAN IN NEUE CHINESISCHE ENTWICKLUNGSBANK FÜR ASIEN AUFGENOMMEN

Einer Meldung der Agentur Reuters vom 8. April zufolge wurde Iran als Gründungsmitglied der neuen von China ins Leben gerufene Entwicklungsbank für Asien aufgenommen. Die Entscheidung wurde von den anderen Mitgliedern, unter ihnen Italien, Frankreich, Indien und Großbritannien, mitgetragen. Laut einer Ankündigung will auch die Weltbank mit der neuen Entwicklungsbank zusammenarbeiten. Zu den neu aufgenommenen Mitgliedern gehört auch Saudi-Arabien.

Wie Reuters berichtete, hatten die USA zunächst befürchtet, die Entwicklungsbank werde mit der Weltbank, die stark durch den US-Einfluss geprägt wird, konkurrieren. Die neue Entwicklungsbank hat sich die Aufgabe gesetzt, mehr Unternehmer zu Investitionen in Asien zu ermuntern. Dabei stehen Investitionen in die Infrastruktur sowie in die Telekommunikationstechnologie im Vordergrund.

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AUSSENPOLITIK

• Iran und der Konflikt in Jemen • Die Feindschaft zwischen Iran und Saudi-Arabien spitzt sich zu • Erdogan in Teheran • Iran zu Gesprächen über Syrien-Krise eingeladen


IRAN UND DER KONFLIKT IN JEMEN

Wenige Tage vor der Veröffentlichung des Rahmenabkommens im Atomkonflikt haben Saudi-Arabien und mit ihm verbündete Staaten einen Angriff gegen die Huthi-Rebellen in Jemen gestartet. Die Rebellen haben weite Teile des Landes, einschließlich der Hauptstadt Sanaa, erobert und den Präsidenten Abed Rabbo Hadi zur Flucht ins Ausland getrieben. Hadi, der nach Saudi-Arabien floh, bezichtigt Iran, die Huthi-Rebellen nicht nur politisch, sondern auch militärisch zu unterstützen. Dasselbe behauptet Saudi-Arabien. Iran bestreitet diese Vorwürfe. "Solche Unterstellungen sind grundlos und können daher auch nicht die Angriffe (Saudi-Arabiens) rechtfertigen", sagte die Sprecherin des Teheraner Außenministeriums, Marsieh Afkham, am 31. März. Am selben Tag meldete die staatliche Agentur IRNA, der iranische Rote Halbmond habe 19 Tonnen Medikamente und medizinische Ausrüstung und zwei Tonnen Nahrung in die umkämpften Gebiete geliefert.

Am 5. April verurteilte das iranische Parlament die Angriffe Saudi-Arabiens und seiner Verbündeten gegen Jemen. Vizeparlamentspräsident Mohammad Hassan Torabifard sagte, der Angriff sei ein "unmenschlicher Verstoß gegen die wehrlose jemenitische Bevölkerung". Er forderte die Parlamente der islamischen Länder auf, gegen "diesen illegitimen Angriff, der sich gegen religiöse und moralische Prinzipien richtet", Widerstand zu leisten. Bereits zuvor hatte Parlamentspräsident Ali Laridschani erklärt, "der Angriff, mit welcher Absicht er auch immer geführt wird, ist ein Schlag gegen die islamische Gemeinschaft, von dem nur das zionistische Regime und die Großmächte profitieren können". In einem Telefongespräch mit seinem pakistanischen Amtskollegen sagte Laridschani, Iran plädiere für Verhandlungen zwischen den rivalisierenden Kräften in Jemen. Teheran lehne jede Einmischung ausländischer Militärs, auch die Pakistans, ab. "Solche Angriffe schaden den Muslimen, sie machen die Lage weitaus komplizierter als sie ohnehin schon ist."

Indes schlug Russland im UN-Sicherheitsrat einen sofortigen Waffenstillstand in Jemen vor. Das Internationale Rote Kreuz forderte eine Waffenruhe für 24 Stunden.

Das Interesse der Regional- und Großmächte gilt mehr noch als dem Staat Jemen der strategisch wichtigen, für den internationalen Handel bedeutsamen Meerenge Bab al-Mandab, die rund 190 Kilometer von dem Hafen Aden entfernt liegt. Die rund 30 Kilometer breite Meeresstraße verbindet das Rote Meer mit dem Golf von Aden und dem indischen Ozean. Die meisten Schiffe fahren hier hindurch über den Suezkanal zum Mittelmeer. Fast 40 Prozent des internationalen Handels wird auf diesem Weg abgewickelt.

Die Krise in Jemen droht zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Teheran und Riad zu werden. Die iranische Marine gab am 8. April die Entsendung eines kleinen Flottenverbands in Richtung Jemen bekannt. Den Angaben des Pressesprechers der iranischen Streitkräfte zufolge, handelte es sich um einen Logistik-Kreuzer und ein Kriegsschiff, die zum Schutz der iranischen Handelmarine vor Piraterie und der Wahrung iranischer Interessen auf internationalen Gewässern eingesetzt worden seien. Einen Tag zuvor hatte Revolutionsführer Ali Chamenei die militärische Einmischung in den Jemenkonflikt verurteilt, ohne Saudi-Arabien beim Namen zu nennen. Es sei bedauerlich, dass "einige islamische Staaten den Islam verraten und die Feinde des Islam finanziell und mit all ihren Möglichkeiten unterstützen". Chamenei sprach von "Verbrechen" und "Völkermord", die rechtlich verfolgbar seien.

Die Brisanz des Konflikts nahm zu als die USA Saudi-Arabien ihre Unterstützung zusagten. Die Außenamtssprecherin Marie Harf sagte am 8. April, die Politik der USA bestehe darin, dass "wir die Allianz (der Saudis) logistisch unterstützen, auch mit Dingen wie Geheimdienst-Erkenntnissen".

Iran drängte weiterhin auf einen sofortigen Waffenstillstand und einen nationalen Dialog in Jemen. Außenminister Dschawad Sarif warnte bei seinem Besuch in Pakistan am 8. April vor dem wachsenden Einfluss der Terrormiliz Islamischer Staat und des Terrornetzwerkes Al Qaida. "Wir sind mit Extremismus konfrontiert und müssen miteinander kooperieren, um den Konflikt in Jemen beenden zu können", sagte Sarif auf einer Pressekonferenz. Er habe mit der Regierung der Türkei, Omans und nun Pakistans einen vier stufigen Plan beraten, der einen Waffenstillstand, humanitäre Hilfe, Verhandlungen und die Bildung einer nationalen Regierung vorsehe.

Oman ist zwar neben Saudi-Arabien, den Arabischen Emiraten, Katar, Bahrain und Kuwait Mitglied des Golf Kooperationsrats, ist jedoch der von den Saudis initiierten Allianz nicht beigetreten. Stattdessen hat das Land angeboten, alle an dem Konflikt in Jemen Beteiligten zu einer Jemen-Konferenz nach Oman einzuladen.

Am 8. April erklärte US-Außenminister John Kerry in einem Interview mit dem Sender PBS: "Wir sind über die Ereignisse (in Jemen) sehr besorgt. (...) Wir sind uns darüber bewusst, dass Rüstungsgüter aus Iran nach Jemen gebracht wurden. Jede Woche gibt es einige Flüge nach Jemen, die uns bekannt sind und die von uns beobachtet werden." Er fuhr fort: "Wir sind uns über die iranische Unterstützung bewusst. Iran sollte wissen, dass die Vereinigten Staaten nicht einfach zuschauen werden, wenn die Region ihre Stabilität verliert oder wenn Staaten offenkundig über ihre Grenzen hinaus militärische Aktivitäten gegen andere Staaten vornehmen." Kerry betonte zugleich, dass dies nicht zu einer direkten Konfrontation mit Iran führen werde. Aber die USA würden auf der Seite jener Staaten stehen, die sich von Iran bedroht fühlten.

Nach Angaben von Milizionären in Aden wurden am 11. April zwei iranische Offiziere, die die Huthis beraten haben sollen, festgenommen. Es handele sich um einen Oberst und einen Hauptmann der iranischen Revolutionsgarden. Teheran wies die Meldung zurück. Vizeaußenminister Hossein Amir Abdollahian sagte der Agentur IRNA am 13. April, Iran sei in Jemen militärisch nicht präsent. Auch die Huthis bestritten eine militärische Beteiligung Irans an dem Konflikt.

Am 13. April lehnte das pakistanische Parlament eine Beteiligung an der saudischen Allianz ab. Premierminister Newaz Sarif forderte Iran auf, seinen Einfluss bei den Huthis geltend zu machen und sie an den Verhandlungstisch zu bringen.

Indes meldete sich der geflüchtete Präsident Jemens, Hadi, zu Wort. In einem Gastkommentar für die New York Times vom 13. April warnte er vor den Huthi-Rebellen, die die nächste Hisbollah von Irans Gnaden bilden könnten. Die Öltransporte durch das Rote Meer, von denen der Großteil der Welt abhänge, würden infrage gestellt, und Al Qaida und andere Gruppen würden aufblühen, schrieb Hadi.

Zwei Tage später forderte Irans Präsident Hassan Rohani die Saudis auf, die Luftangriffe sofort zu beenden. "Wenn ihr wirklich Stabilität in der Region haben wollt, solltet ihr auf Iran hören, das wäre zu eurem Vorteil", sagte er. Saudi-Arabien werde mit dem Abwurf von Bomben auf unschuldige Menschen, mit dem Töten von Frauen und Kindern und mit der Zerstörung der Infrastruktur eines Landes sicher nicht die erwünschte, regionale Vormachtstellung erreichen. "Weder gestern mit euren Dollars noch heute mit euren Bomben." Am 18. April wiederholte Rohani bei einer Militärparade in Teheran die Forderung nach Einstellung der Kampfhandlungen. Bei einem Treffen mit der australischen Außenministerin Julie Isabel Bishop verlangte Rohani von der UNO den Einsatz eines Untersuchungsausschusses, der feststellen solle, wieviele unschuldige Menschen in den vergangenen Wochen den Angriffen zum Opfer gefallen seien. "Iran ist bereit, mit allen Ländern in und außerhalb der Region zusammenzuarbeiten, um das Blutvergießen zu beenden", sagte der Präsident.

Aufsehen erregte der Oberkommandierende der iranischen Armee, General Ahmad Resa Purdastan, mit der Äußerung: "Wir sind mit Stellvertreterkriegen konfrontiert, wir müssen uns zum Eintritt in diese Sphäre wappnen." Bei der Präsentation neuer Waffen für die Armee am 15. April in Teheran sagte der General: "Heute begehen der Islamische Staat und Boko Haram Verbrechen stellvertretend für die USA. Und Jemen wird Opfer einer unehrenhaften Allianz. Wir müssen uns auf diese Lage vorbereiten." Purdastan sprach von zwei Kampfplänen südöstlich (Jemen) und südwestlich (Syrien) von Iran, auf der Grundlage eines Stellvertreterkriegs. Bereits vor drei Tagen hatte der General Saudi-Arabien gewarnt und erklärt, es werde bei seinem Angriff eine Niederlage erleiden. "Noch ist keine Kugel auf die Streitkräfte der Saudis abgefeuert worden. Und schon sehen wir die Zeichen der Niederlage in der (von den USA) geborgten saudischen Armee. Was wird geschehen, wenn eines Tages ein paar Knallerbsen in Riad abgefeuert werden?"

Jemen lehnte am 19. April den iranischen Friedensplan ab. Der Sprecher, der im Exil weilenden Regierung Jemens, Rajeh Badi, bezeichnete den Plan als "politisches Manöver".

Am 20. April wurde bekannt, dass die iranische Botschaft in Jemen bei den Angriffen auf Stellungen der Huthis nur knapp einem Treffer entging. Daher bestellte das Teheraner Außenministerium den saudischen Botschafter ein und forderte Saudi-Arabien auf, die Verpflichtung, diplomatische Vertretungen zu schützen, einzuhalten.

Am 21. April schickten die USA den Flugzeugträger USS Theodor Roosevelt und USS Normandy zur Verstärkung ihrer militärischen Präsenz ins Arabische Meer. Damit soll nach Angaben der US-Marine die Sicherheit der Wasserwege für die Handelsschiffe gewährleistet werden. Laut AFP vom 21.4. dementierte Pentagon-Sprecher Steven Warren Berichte, die Schiffe seien dazu beordert worden, den iranischen Flottenverband abzufangen. Ein Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums sagte der AFP, der iranische Konvoi bestehe aus neun Schiffen, deren Ziel unbekannt sei, die aber weiter beobachtet würden. Die Agentur AP hatte berichtet, dass die iranischen Schiffe möglicherweise Waffen an Bord hätten, die für die Huthis bestimmt seien.

Ein Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, erteilte zwar keine konkreten Angaben über die Aufgaben der Marine, betonte jedoch, dass die USA über die Unterstützung, die Iran den Huthis gewähre, besorgt seien. "Wir haben Indizien über die Lieferung iranischer Waffen und Ausrüstung an die Huthis. Diese Unterstützungen wird die Aggressionen in dem Land verstärken. Das ist genau das, was wir im Blick haben, wenn wir von den destabilisierenden Aktivitäten Irans in der Region sprechen", sagte Earnest. Allerdings betonte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, "unserer Einschätzung nach liegen das Kommando und die Führung der Huthi-Rebellen nicht in iranischer Hand".

Am 22. April warnte Präsident Barack Obama Iran indirekt vor Waffenlieferungen an die Huthies. Falls "Waffen an Fraktionen innerhalb des Jemen geliefert werden, die die Schifffahrt bedrohen könnten, ist das ein Problem", zitiert dpa den Präsidenten. Dies sei Teheran deutlich gemacht worden. Indes leitete die saudische Allianz eine neue Phase ein. Nach der nach Angaben des Sprechers der Koalition, Ahmad Asiri, erfolgreichen ersten Phase "Sturm der Entschlossenheit", solle nun die zweite Phase "Wiederherstellung der Hoffnung" folgen. Allerding habe auch diese Phase eine "militärische Komponente". Gerüchte besagten, dass Saudi-Arabien möglicherweise eine Bodenoffensive plane. Nach Einschätzung von Experten haben die Luftangriffe keine wesentliche Veränderung der Machtkonstellation in Jemen zufolge gehabt, verursachten jedoch zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung. "Die absurden Militäroperationen der vergangenen 27 Tage haben mit einer katastrophalen Niederlage geendet", sagte Irans Parlamentspräsident Ali Laridschani einer Meldung der Agentur Fars vom 22. April zufolge.

Am 23. April äußerte sich US-Verteidigungsminister Ashton Carter besorgt über die iranischen Schiffe, die möglicherweise mit Waffen für die Rebellen in Jemen beladen sein könnten. Am nächsten Tag meldete das US-Verteidigungsministerium, dass der iranische Schiffskonvoi Richtung Norden abgedreht sei. Die neun iranischen Schiffe seien nicht mehr auf dem gleichen Kurs, hieß es. Laut Angaben des Pentagon sind die USA mit zwölf Kriegsschiffen, darunter neun Flugzeugträger, in dem weiten Gebiet vom Roten Meer bis zum Golf von Aden und dem Arabischen Meer präsent. Allein der Flugzeugträger Roosevelt verfügt über eine rund fünftausend-köpfige Besatzung und sechzig Kampfflugzeuge. Das Pentagon begrüßte den Kurswechsel der iranischen Schiffe. Es habe den Anschein, dass Iran zu einer Deeskalation der Lage beitragen wolle, hieß es.

Am 25. April dementierte Iran die Berichte über den Kurswechsel. Marinegeneral Habibollah Sayari sagte, iranische Schiffe seien nach wie vor im Golf von Aden präsent und erfüllten weiterhin ihre Mission. Der Vizekommandant der iranischen Streitkräfte, Ali Schademani, erklärte in einem Interview mit der Agentur Fars: "Während des achtjährigen Kriegs (Iran-Irak-Krieg, 1980-1988) waren wir nur in der Lage, einen Teil der Kurden im Nordirak zu unterstützen. Denn sie vertraten dieselbe Position wie wir und kämpften gegen Saddam Hussein. Aber jetzt kämpfen in Libanon, Syrien, Irak, Jemen und Afghanistan alle, die gegen Unrecht sind, unter der Fahne der Islamischen Republik. Wir erklären offen, dass wir den Widerstand in Jemen, genauso wie den in Palästina, Libanon, Irak und Afghanistan unterstützen." Schademani fuhr fort: "Revolutionsführer Chamenei vertraut den Revolutionsgarden und er habe daher ihnen die Führung der Widerstandfront überlassen."


DIE FEINDSCHAFT ZWISCHEN IRAN UND SAUDI-ARABIEN SPITZT SICH ZU

Die diplomatischen Beziehungen zwischen Iran und Saudi-Arabien, die nun seit neunzig Jahren bestehen, waren nie ganz frei von Krisen. Ein wichtiger Faktor war dabei ihr jeweiliges Verhältnis zu den USA. Während in der Schah-Zeit Iran neben Israel als wichtigster Verbündeter der USA galt, wendete sich nach der iranischen Revolution das Blatt. Zwischen Teheran und Washington begann eine Feindschaft, die bis in unsere Tage hinein andauert, während die Saudis die Rolle Irans übernahmen. Allein diese Tatsache stellte eine große Belastung für die Beziehungen zwischen Teheran und Riad dar. Hinzu kamen noch andere Faktoren wie etwa die Furcht der Saudis, die islamische Revolution könnte in den arabischen Staaten als Vorbild dienen oder Iran könnte die Schiiten in der Region zur Rebellion ermuntern. Auch territoriale Ansprüche, wie zum Beispiel der Anspruch Irans auf Bahrain, verhinderten eine ungetrübte Freundschaft zwischen den Nachbarstaaten.

Doch in jüngster Zeit haben verschiedene Konflikte im Nahen Osten die bisherigen Kontroversen in eine geradezu offene Feindschaft verwandelt, zuletzt durch die sich abzeichnende Annäherung zwischen Teheran und Washington und den Konflikt in Jemen. In dieser Atmosphäre wird jede Handlung der einen Seite von der Gegenseite als feindlich bzw. politisch motiviert gedeutet. So zum Beispiel die Weigerung der Saudis am 9. April, einer iranischen Passagiermaschine mit 260 Pilgern die Landung in Dschidda zu erlauben, mit der Begründung, die Maschine sei älter als 25 Jahren. Iran protestierte scharf gegen die Maßnahme, das Parlament erwog sogar, iranische Pilgerfahrten nach Mekka vorübergehend auszusetzen. Am 11. April versammelte sich trotz eines Verbots eine Gruppe von Demonstranten vor der saudischen Botschaft in Teheran. Sie protestierten gegen die angebliche sexuelle Misshandlung zweier männlicher Pilger von zwei Polizisten auf dem Flughafen von Dschidda. Die beiden Pilger waren gerade von der Pilgerfahrt aus Mekka und Medina zurückgekommen. Das iranische Außenministerium verlangte eine Bestrafung der verantwortlichen saudischen Beamten.

Der Abgeordnete Gholamresa Kateb sagte der Presseagentur des Parlaments am 13. April, man müsse den Saudis "eine harte Abreibung erteilen". Er warnte, das Parlament werde "unehrenhafte Handlungen" gegen iranische Staatsbürger nicht hinnehmen. Auch Revolutionsführer Chamenei erklärte, es habe immer Probleme zwischen Iran und Saudi-Arabien gegeben. "Aber wir sagten immer, die Saudis zeigen in ihrer Außenpolitik eine gewisse Würde. Doch nun haben sie auch diese Würde verloren. Sie haben das Schicksal ihres Landes in die Hände von einigen unerfahrenen jungen Menschen gelegt, die nun dabei sind, die Würde durch primitive Wildheit zu ersetzen. Das wird ihnen teuer zu stehen kommen."

Am selben Tag erklärte Irans Minister für Kultur und islamische Führung, Ali Dschannati, im Staatsfernsehen, er habe an die Organisation für Pilgerfahrten die Anweisung erteilt, bis auf weiteres alle Pilgerfahrten auszusetzen. Diese Entscheidung gelte, solange die Verantwortlichen für die sexuelle Misshandlung nicht bestraft seien. Irans Würde sei verletzt worden, sagte der Minister. Er habe aus Riad die Zusicherung erhalten, dass die Täter festgenommen worden seien, sie würden möglicherweise hingerichtet werden, doch bislang sei nichts geschehen.

Am 12. April warf der saudische Außenminister Saud al Feisal Iran vor, "die Aggressionen in Jemen zu schüren" und damit die Krise in dem Land zu verschärfen. Allerdings betonte er, sein Land führe in Jemen keinen Krieg gegen Iran. Er lehnte den iranischen Friedensplan ab. "Iran hat nicht die Verantwortung für Jemen", sagte er.

Der Ton zwischen den beiden Staaten wurde von Tag zu Tag rauer. An die Adresse der Saudis gerichtet, sagte Präsident Rohani am 18. April: "Welche Ziele verfolgt ihr? Wird es euch stark machen, Kinder zu töten? Ihr habt die Saat des Hasses in dieser Region gesät und ihr werdet die Antwort darauf früher oder später bekommen." Und am Tag darauf erklärte Armee-Kommandant General Ahmad Resa Purdastan, Saudi-Arabien "besitzt keine Kriegserfahrungen", seine militärischen Kräfte seien "leicht brüchig". Bei einem Zermürbungskrieg würde das Land schwere Schläge hinnehmen und eine herbe Niederlage erleiden. Die Jemeniten hätten ausreichend Waffen, um den Saudis schwere Schläge zuzufügen. Die Saudis wären besser beraten, mit dem Krieg aufzuhören und zu versuchen, eine politische Lösungen zu finden.

Am 24. April wurde der Geschäftsführer der saudischen Botschaft in Teheran ins Außenministerium einbestellt. Begründet wurde die Einbestellung damit, dass saudische Kampfflieger iranische Flugzeuge mit in Iran behandelten jemenitischen Frauen und Kinder sowie Medikamenten und medizinischen Geräten an Bord daran gehindert hätten, in Jemen zu landen. Die Flugzeuge hätten sowohl von Oman als auch von Jemen eine Flugerlaubnis erhalten. Zudem seien die Flüge mit den Hilfsprogrammen des Internationalen Roten Kreuzes koordiniert gewesen. "Die Maßnahme bedeutet eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Jemens und dessen Lufthoheit", hieß es aus Teheran.

Präsident Rohani sagte am 21. April vor einer Reise nach Indonesien, Saudi-Arabien habe mit seinen Angriffen auf Jemen seine Niederlagen im Irak, Syrien und Libanon wettmachen wollen. "All die Niederlagen haben sich angesammelt und für ein mentales und emotionales Ungleichgewicht für dieses Land gesorgt", sagte er. Der Oberkommandierende der Revolutionsgarden, General Mohammad Ali Dschafari, erklärte am 27. April, was aus dieser Entwicklung folgen könnte. Demnach stehe die Herrschaft der Saudis am Abgrund und "sie wird hoffentlich mit dem nächsten Stoß herabstürzen". Saudi-Arabien habe mit "Dreistigkeit, Unverschämtheit und Ehrlosigkeit alle Grundsätze des Islam mit Füßen getreten und ein islamisches Land, das für seine Unabhängigkeit kämpft, überfallen und bombardiert". Nun sollten die Verantwortlichen (in Iran) ihr Schweigen beenden und ihre Rücksichtnahme (Saudi-Arabien gegenüber) fallen lassen.

Am 28. April hatten saudische Kampfflieger die Landebahn des Flughafens von Sanaa zerstört, um die Landung einer iranischen Maschine zu verhindern. Iranischen Medien zufolge, gehörte die Maschine dem Roten Halbmond und hatte Medikamente an Bord. Die Maschine hatte laut dem Sprecher der von Saudi-Arabien geführten Militärallianz, General Ahmad al-Assiri, die Erlaubnis erhalten, über Saudi-Arabien in den Jemen zu fliegen, habe jedoch eine nicht autorisierte Route über Oman gewählt. Daher habe man die Landebahn zerstört, um eine Landung der iranischen Maschine zu verhindern. Dem gegenüber berichtete IRNA, die Maschine habe auch von Oman eine Flugerlaubnis erhalten.

Iran legte scharfen Protest ein und warf Saudi-Arabien vor, Methoden des Kalten Krieges anzuwenden. Der Protest richtete sich auch gegen den Abwurf von Flugblättern über Jemen, in denen es hieß, Ziel der Allianz sei es, die Bevölkerung Jemens "gegen die iranische Expansion" zu unterstützen. Dazu sagte der Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrats Irans, Ali Schamkhani, Ziel der Aktion sei es, innerhalb der jemenitischen Bevölkerung Ängste zu schüren. "Diese Methode wurde während des Kalten Krieges von westlichen Regierungen angewendet." General Firusabadi sagte, die saudischen Aktivitäten "bedürfen einer gebührenden Antwort".


ERDOGAN IN TEHERAN

Obwohl Äußerungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan über die Rolle Irans in Jemen in Teheran für Unmut gesorgt und die Beziehungen der beiden Staaten belastet hatten, reiste der türkische Präsident am 7. April wie geplant zu einem Besuch in die iranische Hauptstadt. Erdogan hatte Iran vorgeworfen, in der Region nach Vorherrschaft zu streben. In einem Interview mit einem französischen Sender am 26. März sagte Erdogan: "Iran ist bestrebt, die Region zu beherrschen. Muss man das erlauben? Diese Politik missfällt uns, Saudi-Arabien und auch anderen Staaten am Persischen Golf. Diese Politik ist unerträglich. Iran muss das verstehen und seine Truppen aus Jemen, Syrien und dem Irak abziehen." Erdogan zeigte sich auch besorgt über das militärische Engagement Irans gegen den Islamischen Staat im Irak und Syrien und warf Teheran vor, sektiererische Absichten zu verfolgen. Iran wolle die Lücke füllen, die der Islamische Staat erzeugt habe. "Was ist das Ziel Irans fragt man sich. Das Ziel ist der Ausbau der Macht der Schiiten im Irak", sagte Erdogan.

Im Gegenzug warf Teheran Ankara vor, die Region zu destabilisieren. Der Geschäftsführer der türkischen Botschaft in Teheran wurde ins Außenministerium einbestellt. Konservative Blätter forderten die Regierung auf, den angekündigten Besuch Erdogans wegen Beleidigung abzusagen.

Zwischen den beiden Staaten gibt es seit dem Ausbruch des Aufstands in Syrien eine getrübte Atmosphäre. Während die Türkei die Rebellen politisch und militärisch unterstützt, steht Iran fest an der Seite des Assad-Regimes. In allerjüngster Zeit sorgte die Krise in Jemen für kontroverse Positionen zwischen den beiden Nachbarstaaten. Die Türkei trat der von Saudi-Arabien geführten Allianz gegen die Huthi-Rebellen in Jemen bei, während Iran die Huthis unterstütze.

Dennoch stehen Iran und die Türkei wirtschaftlich eng beieinander. Die Türkei ist auf den Import von Flüssiggas aus Iran angewiesen und Iran auf den Handel mit der Türkei. Beide Staaten hoffen, mit der Aufhebung der Sanktionen, ihre Wirtschaftsbeziehungen ausweiten zu können. Die Sanktionen haben nicht nur Iran, sondern auch der Türkei großen Schaden zugefügt. Der Export der Türkei nach Iran sank von 10 Milliarden Dollar im Jahre 2012 auf 4 Milliarden Dollar im Jahre 2014. Auch die Tourismusindustrie der Türkei litt unter den Sanktionen. Das Land gehört zu einem der beliebtesten Urlaubsländer der Iraner. Fest steht jedenfalls, dass die Türkei von der Aufhebung der Sanktionen enorm profitieren würde. Dennoch blickt Ankara mit gemischten Gefühlen in die Zukunft. Eine Einigung im Atomkonflikt wird Iran nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch stärken. Ankara befürchtet, dass dies Iran noch mehr als bisher dazu bewegen wird, seine Interessen in der Region durchzusetzen und eine dominante Position anzustreben.

Eine weitere Annäherung an Teheran wird ohne Zweifel das Verhältnis der Türkei zu Saudi-Arabien belasten, um dessen Verbesserung Ankara in jüngster Zeit bemüht war. Dennoch scheint die Türkei nicht bereit zu sein, ihre Beziehungen zu Teheran durch eine klare Parteinahme für Saudi-Arabien zu gefährden.

Begleitet wurde Erdogan bei seinem Iran-Besuch von einigen Ministern. Wie angekündigt wurden die Gespräche über die wirtschaftliche Zusammenarbeit geführt, aber auch über die Konflikte in der Region. Dabei versuchte Erdogan die politischen Differenzen in den Hintergrund zu rücken.

Erdogans Besuch in Teheran verdeutlichte die gegenwärtige Position der Türkei, die in den letzten Jahren zwischen die Fronten geraten und von Unsicherheit gezeichnet ist. Das Land hatte nach dem sogenannten Arabischen Frühling versucht, in den islamischen Staaten eine Vorreiterrolle zu übernehmen, was vor allem durch die Entwicklung in Ägypten misslang. Nun steht die Türkei zwischen den von Iran einerseits und Saudi-Arabien andererseits gegründeten Fronten, eine Position, die umso schwieriger wird, je mehr die Feindschaft zwischen diesen beiden Polen zunimmt.


IRAN ZU GESPRÄCHEN ÜBER SYRIEN-KRISE EINGELADEN

Die UNO hat Iran zur Teilnahme an Gesprächen zur Lösung der Krise in Syrien eingeladen. Neben Iran sollen die Großmächte sowie einige Staaten der Region an den Gesprächen teilnehmen. Iran war zunächst zu den beiden Syrien-Konferenzen, die im vergangenen Jahr in Genf stattfanden, eingeladen, aber dann auf Drängen sowohl der USA als auch syrischer Oppositionsgruppen wieder ausgeladen worden.

Laut Angaben des UN-Syrienbeauftragten Staffan de Mistura sollen in den nächsten vier bis sechs Wochen Einzelgespräche stattfinden, unter anderem mit Vertretern der syrischen Regierung und Opposition. Zwar würden bei der nächsten Konferenz die beiden in Syrien einflussreichen Gruppen, der Islamische Staat und al Nusra nicht anwesend sein, aber andere Gruppen, die eingeladen wurden, hätten zumindest Verbindung zu diesen Gruppen.

UN-Sprecher Ahmad Fauzi sagte, Irans Gesprächspartner würden der UN-Syrienbeauftragte und sein Stellvertreter sein. Es werde keinen Runden Tisch geben, an dem alle Staaten und Organisationen sich treffen würden.

Der Iran-Report kann kostenfrei auf der Website der Heinrich Böll Stiftung abonniert werden unter
https://themen.boell.de.

Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Bauke Baumann
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
14. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 5/2015 - Mai 2015 / 14. Jahrgang
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2015

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