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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/456: Iran-Report Nr. 1 - Januar 2020


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 1 - Januar 2020
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Iran steht an einem Scheideweg. Nach dem Austritt der USA und der Wiedereinführung von Wirtschaftssanktionen droht das Atomabkommen zu scheitern. Der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung, die Öffnung nach außen und vor allem auch die Liberalisierung der theokratischen Staatsordnung sind in weite Ferne gerückt. Über den Kurs des Landes, auch über die Rolle Irans in der Region, ist sich die Staatsführung nicht einig. Wie der Machtkampf, der schon seit geraumer Zeit zwischen Konservativen und Reformern tobt, ausgehen wird, ist ungewiss. Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.

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INNENPOLITIK

• Regierungssprecher: Rohanis Rücktritt steht nicht zu Debatte
• Nachwehen der Unruhen in Iran
• Kampf gegen katastrophale Umweltprobleme
• Harte Urteile gegen Arbeitsrechtsaktivisten
• Gesundheitsminister warnt vor Verbreitung von psychischen Krankheiten
• Bagheri Kani neuer Menschenrechtsbeauftragter der iranischen Justiz


REGIERUNGSSPRECHER: ROHANIS RÜCKTRITT STEHT NICHT ZU DEBATTE

Irans Regierungssprecher Ali Rabii hat am 16. Dezember auf Berichte in den iranischen Medien über einen bevorstehenden Rücktritt des Präsidenten mit den Worten reagiert: "Ein Rücktritt des Präsidenten steht absolut nicht zu Debatte."

Zeitungen hatten berichtet, einige Reformer hätten, auf Vorschlag des 1. Vizepräsidenten Eshagh Dschahangiri, eine Strategie zum Rücktritt des Präsidenten ausgearbeitet. Dazu meinte Rabii, weder habe Dschahangiri einen entsprechenden Vorschlag gemacht, noch sei das Thema unter den Reformern im Gespräch.

Die katastrophale Lage der Wirtschaft und die jüngsten Unruhen verstärkten die kritischen Stimmen gegen die Regierung und speziell gegen Präsident Rohani. Nachdem Abbas Abdi, ein bekannter Journalist, der den Reformern nahesteht, in einem Artikel mit der Zeitung "Etemad" und einem Interview mit dem Wochenblatt "Seda" über ein Rücktrittsplan gesprochen hatte, bekamen die Gerüchte Nahrung. Da der Rücktrittsplan im Kabinett erörtert worden sein soll, nahm der Regierungssprecher offiziell Stellung.

Abdi sprach von "vorzeitigen Wahlen," die nach dem Rücktritt von Rohani die "Spaltung in der Machtstruktur und die Konflikte innerhalb der Staatsverwaltung" beenden könnte. Diese Entscheidung sei nötig, "weil die Angriffe gegen die Regierung immer heftiger, die Krise immer bedrohlicher und die Probleme immer größer werden." Die Idee eines Rücktritts Rohanis sei bei einigen Mitgliedern des Kabinetts entstanden, weil sie zu dem Schluss gelangt seien, dass die "Konflikte zu groß geworden sind, um die Regierungsgeschäfte fortsetzen zu können."

Rabii bestritt, dass solche Ideen und Vorschläge im Kabinett erörtert worden seien. "Manche sind der Meinung, wenn man die Regierung nicht arbeiten lässt solle sie zurücktreten und das Regieren jenen überlassen, die meinen, das Land besser verwalten zu können," sagte er. Die "traditionellen Gegner der Regierung seien schon von Anbeginn der Meinung gewesen, dass diese Regierung nicht länger als sechs Monate im Amt bleiben werde." Aber "die Tage werden vergehen und die Regierung wird bis zum letzten Augenblick ihre Pflichten dem Volk gegenüber erfüllen," betonte der Regierungssprecher.

Die Beliebtheit Rohanis ist mittlerweile selbst bei seinen eignen Wählern stark gesunken, vor allem weil er und seine Regierung nicht in der Lage waren, zumindest einen Teil jener Versprechen einzulösen, die sie vor der Wahl abgegeben hatten. Dazu sagte Rohani beim Besuch einer Ausstellung der chemischen Industrie am 29. Dezember: "Manche kritisieren uns, weil wir im März 2017 etwas anderes gesagt haben als heute. Nun, die Äußerungen in Zeiten des Friedens sind anders als die in Zeiten des Krieges."

"Wir haben den Krieg nicht begonnen und wir haben auch keinen Vorwand für einen Krieg geliefert," sagte Rohani weiter. (Gemeint sind die US-Sanktionen, die in Iran als Wirtschaftskrieg bezeichnet werden.) Die harten Sanktionen hatten begonnen, nachdem die USA aus dem Atomabkommen ausgestiegen waren.

"Die Zeiten der Sanktionen und der Druck auf das iranische Volk werden vergehen, denn unsere Feinde haben erkannt, dass sie uns nicht zur Kapitulation zwingen können," sagte Rohani und behauptete, seiner Regierung sei es gelungen, den starken Anstieg der Inflationsrate 2018 im Frühjahr 2019 zu bremsen, was er als Indiz für Misserfolg der Feinde Irans deutete. "Der Feind (gemeint sind die USA) hatte 2017 einen umfassenden Wirtschaftskrieg gegen uns begonnen, ihm gelang es aber nicht diesen Krieg in einen politischen und juristischen Krieg zu verwandeln, um damit die ganze Welt, die UNO und alle Institutionen auf seine Seite zu ziehen."

Rohani behauptete, die Menschen in Iran hätten kein Problem, die Grundgüter für ihren Lebensalltag zu besorgen. Die USA hätten damit gerechnet, dass der wirtschaftliche Druck die Menschen nach wenigen Monaten auf die Straße treiben werde, und man ihnen für ihren Einzug nach Iran rote Teppiche auslegen werde. "Aber sie haben sich verrechnet. Die Iraner wissen sehr wohl, wer sie unter Druck setzt," sagte der Präsident.


NACHWEHEN DER UNRUHEN IN IRAN

Das brutale Vorgehen gegen die landesweiten Proteste im November, die eine Woche dauerten, hat die iranische Gesellschaft weiter gespalten. Das Ausmaß der Brutalität, über die Millionen Bürger und Bürgerinnen entsetzt waren, ist immer noch nicht genau bekannt. Es zeigt sich jedoch nach und nach, dass das Regime wie nie zuvor dazu entschlossen war, gezielt Demonstranten zu töten oder zu verletzen. Noch sind die Behörden nicht bereit, die tatsächliche Zahl der Toten und Verletzten sowie die der Gefangenen bekannt zu geben. Die Agentur Reuters berichtete von 1.500 Toten. Der Parlamentsabgeordnete Hossein Naghawi Hosseini sagte am 27. November, es habe mehr als 7.000 Festnahmen gegeben.

Die Staatsführung versucht indes, die Entscheidung den Benzinpreis zu erhöhen zu legitimieren und die Proteste als vom Ausland gelenkt zu diffamieren. Verteidigungsminister Amir Hatami behauptete am 24. November, die Preiserhöhung habe zu Geschlossenheit zwischen dem Volk und der Staatsführung geführt. Vor einer Versammlung von Basidsch-Milizen sagte er an die Demonstrierenden gerichtet, die er als Feinde bezeichnet: "Wir entscheiden das, was für unser Volk gut ist. Euere Hoffnung, dass wir nicht in der Lage sein werden, Entscheidungen zu treffen, könnt ihr mit ins Grab nehmen."

Immerhin räumte Innenminister Adolresa Rahmani Fasli ein, dass die jüngsten Protestdemonstrationen die größten seit vierzig Jahren gewesen seien. Seinen Angaben zufolge hätten 200.000 Menschen daran teilgenommen. Er beklagte, dass bei den Unruhen rund 730 Bankfilialen, 140 Regierungsgebäude und 70 Tankstellen in Brand gesetzt und mehr als 50 Stützpunkte der Sicherheitskräfte attackiert wurden. Revolutionsführer Ali Chamenei verurteilte die Proteste, bezeichnete sie als "sehr gefährliche Verschwörung." "Banditen" seien am Werk gewesen, gelenkt von Exilanten, den USA, Israel und Saudi-Arabien. Triumphierend sagte er: "Eine tiefe, breite und sehr gefährliche Verschwörung, in die eine große Menge Geld gesteckt wurde, ist durch das Volk zerschlagen worden." Auch Präsident Rohani sprach von einer Verschwörung. "Sie (die USA) dachten, dass sie mit solchen Verschwörungen die Menschen wütend machen und letztendlich einen Bürgerkrieg auslösen könnten. Aber das iranische Volk hat wieder einmal gezeigt, dass es sich gegen solche Verschwörungen zur Wehr setzen kann," sagte der Präsident am 27. November.

Der iranische Geheimdienst meldete am 27. November, dass bei den Unruhen acht als Reporter getarnte Agenten des US-Geheimdienstes festgenommen worden seien. Am gleichen Tag forderte der Religionswissenschaftler und Korandeuter Abolfasl Bahrampur im staatlichen Fernsehen, den Anweisungen des Korans gemäß sollten die Rebellen unter Qualen getötet werden. Dazu gehörten auch Amputationen von Händen und Beinen. Die Sendung hat in den sozialen Netzwerken heftige Proteste ausgelöst.

Der ehemalige Präsident Mohammad Chatami, der als Vater der Reformer gilt, schlug vor, "die friedlichen Demonstranten" von "Rebellen" zu trennen. Allerdings betonte er, kein Staat habe das Recht, gegen Protestierende Gewalt anzuwenden. Der Druck auf die Menschen sei groß, dementsprechend wachse die Unzufriedenheit. Vieles müsse reformiert werden, aber ohne Gewalt. "Wir müssen versuchen, unsere Kritik und Forderungen durchzusetzen, ohne dem System, der territorialen Integrität und der Sicherheit des Landes Schaden zuzufügen," sagte Chatami.

Eine Äußerung Präsident Rohanis am zweiten Tag nach Beginn der Unruhen erweckte Erstaunen und sorgten für bitteren Spott. Er habe, wie die meisten Menschen im Land, keine Ahnung gehabt, wann die Erhöhung des Benzinpreises angekündigt werde. "Als ich am Morgen aufgewacht bin, hörte ich die Nachricht," sagte der Präsident und lachte.

Am 2. Dezember forderte Mohammad Resa Aref, Vorsitzender der Fraktion Omid im islamischen Parlament, die Regierung auf, genaue Zahlen der Toten, Verletzten und Verhafteten vorzulegen. Seine Fraktion fühle sich verpflichtet, für die Sicherheit der Menschen zu sorgen, insbesondere für die Sicherheit der Journalistinnen und Journalisten, Umweltaktivist/innen und Studierenden, die sich in Haft befinden. Der Abgeordnete Mahmud Sadeghi drohte, sollte die Regierung sich weigern, genaue Zahlen der Toten, Verletzten und Verhafteten zu veröffentlichen, würden die Abgeordneten selbst die Öffentlichkeit darüber informieren.

Am 4. Dezember erklärte der Sprecher der Justiz, Gholamhossein Esmaili, die bislang veröffentlichten Zahlen der Opfer seien nicht korrekt. "Viele, die angeblich tot sein sollen, sind am Leben," sagte er. Zudem habe man Personen, die auf natürliche Weise gestorben seien, zu den Demonstranten gezählt, die getötet worden sein sollen.

Erst am 3. Dezember räumte die Staatsführung ein, bei den Unruhen tödliche Gewalt eingesetzt zu haben. Das staatliche Fernsehen berichtete, dass in mehreren Städten "Randalierer" erschossen worden seien. In der Stadt Mahschahr hätten Randalierer "halbschwere Waffen" getragen, mit denen sie "stundenlang einen bewaffneten Kampf" geführt hätten. "In solchen Fällen wurden Sicherheitskräfte aktiv, um das Leben der Menschen in Mahschahr zu schützen," hieß es in dem Bericht.

Die Abgeordnete Parwaneh Salahschuri, Mitglied der Farktion Omid, erklärte am 3. Dezember, ihre Fraktion habe sich für die Bildung einer Kommission zur Wahrheitsfindung eingesetzt. Die Menschen im Land hätten ein Recht darauf zu wissen, was in jenen Tagen tatsächlich geschehen sei, sagte sie. Sie kritisierte das staatliche Fernsehen wegen der einseitigen Berichterstattung. "Die Menschen seien auf die Straße gegangen, weil sie wütend sind, weil sie erniedrigt worden sind," sagte Salahschuri. "Sie sind wütend, weil die Führung ihre Belange nicht ernst nimmt und sie ignoriert. Das Lachen von Rohani hat bei ihnen eine tiefe Wunde hinterlassen."

Der Abgeordnete Ali Motaharri kritisierte, dass Menschen, die friedlich demonstriert hätten, festgenommen wurden. "Wieso haben Sicherheitsorgane Angst vor Protesten?"fragte er. Er forderte ein Misstrauensvotum gegen den Innenminister. "Die Ursache der Unruhen liegt darin, dass wir das Recht auf Versammlung und Demonstration nicht akzeptieren, ", sagte er

Am 4. Dezember behauptete Rohani, die Unruhen seien vor langer Zeit geplant worden. Man habe auf einen günstigen Zeitpunkt gewartet. Die Erhöhung der Benzinpreise habe eine gute Gelegenheit geboten loszuschlagen. Er forderte die Justiz auf, jene, die im Auftrag ausländischer Geheimdienste rebelliert hätten, zu verfolgen, aber gegen jene, die keine Straftat begangen hätten, Milde walten zu lassen. Er betonte: "Die Menschen in Iran lassen sich von ausländischen Geheimdiensten nicht überlisten." Zwar sei die Zahl der "Randalierer" bei den Unruhen gering gewesen, aber sie seien organisiert gewesen, hätten alles geplant, seien bewaffnet gewesen und hätten sich genau an die Anweisungen gehalten, die sie aus den reaktionären arabischen Staaten, aus den USA sowie Israel erhalten hätten.

Am 6. Dezember warf die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Michelle Bachelet laut dpa iranischen Sicherheitskräften vor, Demonstrierende gezielt getötet zu haben. Aus Videoaufnahmen sei ersichtlich, wie Unbewaffnete beim Weglaufen niedergeschossen worden seien. Nach Einschätzung der US-Regierung hat es bei den Unruhen mehr als tausend Tote gegeben. Es sei aber wegen des Fehlens der Internetverbindung schwer, genaue Zahlen zu nennen, sagte der Iran-Sonderbeauftragte Brian Hook. "Wir wissen sicher, dass es viele, viele Hundert waren."

Die bekannte iranische Schauspielerin Golshifteh Farahani bezeichnete das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstrierende als Massaker. "Dies ist ein Massaker, bei dem Hunderte getötet worden sind," sagte sie am 7. Dezember im Gespräch mit AFP. Das Volk leide "wirtschaftlich, politisch, demokratisch. Und wenn ein Volk leidet, dann kann es schnell explodieren."

Am 10. Dezember veröffentlichten 160 iranische Anwälte einen offenen Brief an Rohani, in dem sie ihn aufforderten, dafür zu sorgen, dass das Vorgehen der Sicherheits- und Ordnungskräfte bei den Unruhen genau untersucht werde und jene, die Straftaten begangen hätten, aus dem Amt entlassen und gerichtlich verfolgt werden. Zugleich zeigten sie sich besorgt über das Schicksal der Festgenommenen. "Tausende Familien sind auf dem Weg zu den Gefängnissen und Gerichten, um herauszufinden, wo ihre Angehörigen sich befinden und was mit ihnen geschieht. Doch statt ihre Sorgen zu mildern, werden sie von den Behörden beleidigt und zurückgewiesen. Offenbar ist die Justiz nicht gewillt, den Gefangenen ihr Recht zu gewähren, sich zu verteidigen," schreiben die Anwälte. Sie wollen von Rohani wissen, wer den Sicherheits- und Ordnungskräften erlaubt habe, von ihren Waffen Gebrauch zu machen.

Die konservative Zeitung Dschawan, die den Revolutionsgarden nahesteht, forderte die Regierung auf, der Bevölkerung zu erklären, weshalb es bei den Unruhen so viele Tote gegeben habe, damit später nicht behauptet werde, der Staat habe ohne Grund Gewalt eingesetzt. Die Zeitung behauptet, die "Hintermänner der Unruhen" hätten geplant, dass es bei den Demonstrationen möglichst viele Tote gibt. Die Regierung dürfe nicht schweigen, sonst könnten die Feinde der Islamischen Republik behaupten, der Staat habe nur zum eigenen Machterhalt die Rebellion mit Gewalt niedergeschlagen.

Am 16. Dezember veröffentlichte eine Gruppe von Ärzten eine Erklärung, in der sie von einer Spaltung zwischen Volk und Staat sprechen. "Während die Verantwortlichen das Vorgehen des Staates als makellos und korrekt bezeichnen, stellen sie die Menschen, die demonstriert haben als Schuldige dar. Die Sicherheits- und Ordnungskräfte hätten ihre Waffen auf die Bevölkerung gerichtet und unter dem Vorwand der Zerstörung öffentlicher Gebäude, die berechtigten Rufe der leidenden Menschen zu ersticken versucht."

Auch die Mütter und Angehörige der Toten veröffentlichten am 16. Dezember eine Erklärung, in der sie das Vorgehen der Sicherheitsorgane gegen die Demonstrierenden als "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" bezeichneten. Der Staat trage die Verantwortung für den Tod ihrer Söhne und Töchter, schreiben sie. "Unsere Kinder gehen auf die Straße und fordern Freiheit und ein menschenwürdiges Leben und werden dafür getötet." Hunderte seien getötet worden und Tausende würden jetzt in den Gefängnissen gefoltert. Nicht einmal Minderjährige werden verschont.

Eine Äußerung des Innenministers Fasli sorgte in den sozialen Netzwerken für Entsetzen. Der Minister hatte auf die Frage eines Abgeordneten, ob die Beamten nicht die Möglichkeit gehabt hätten, statt auf den Kopf oder die Brust, auf die Beine zu schießen, geantwortet: "Doch, es hat auch Schüsse auf die Beine gegeben."

Am 26. Dezember bezeichnete Irans Regierungssprecher, Ali Rabii, die Berichte über die Opferzahlen als "gelogen und substanzlos." "Einige ausländische Medien sind dafür bekannt, Lügen (über Iran) zu verbreiten," sagt er.


KAMPF GEGEN KATASTROPHALE UMWELTPROBLEME

Anfang Dezember mussten alle Kindergärten und Schulen in Teheran und zahlreichen Großstädten wegen der starken Umweltverschmutzung geschlossen werden. In vielen Städten wurde für Lastwagen Fahrverbote angeordnet. Der Himmel war grauschwarz und die Städte waren in tiefen Smog getaucht. Die meisten Menschen, die außerhalb der Häuser ihren Geschäften nachgingen, trugen auf den Straßen Masken. Viele Menschen litten unter starken Kopfschmerzen, Übelkeit und Atemnot.

Hauptursache für die verseuchte Luft ist der Straßenverkehr. Mangels öffentlicher Verkehrsmittel sind viele Menschen auf ihre Privatfahrzeuge angewiesen. Zudem ist die Zahl der Autos mit starken Abgasen groß und die Qualität des Benzins schlecht.

Die Luft ist seit Anfang Dezember so schlecht, dass einige wichtige Fußballwettkämpfe abgesagt werden mussten. Am 15. Dezember gab der Sprecher der Erste-Hilfe-Organisation in Teheran, Modschtaba Chaledi, bekannt, dass sich innerhalb eines Tages 1.500 Menschen wegen Atem- und Herzbeschwerden an die Organisation gewandt hätten.

Am 16. Dezember wurde die Provinz Chusistan im Südwesten des Landes von einer Überschwemmung heimgesucht. Betroffen waren vor allem die Provinzhauptstadt Ahwas und andere kleinere Städte. Die Überschwemmung hatte in erster Linie deswegen eine katastrophale und zerstörerische Wirkung, weil die Kanalisation für Abwasser verstopft war. Der gesamte Verkehr war in der ganzen Stadt zum Erliegen gekommen.

Keine Behörde war bereit, für die verstopfte Kanalisation die Verantwortung zu übernehmen. Der Bürgermeister der Stadt Ahwas entschuldigte sich dafür, aber auch er wollte keine Verantwortung übernehmen.

Am 17. Dezember sagte der Bürgermeister von Teheran, Pirus Hanatschi, die Luftverschmutzung in Teheran habe ein "gefährliches Ausmaß" erreicht und der Vorsitzende des Teheraner Stadtrats, Mohssan Haschemi, bezeichnete die Lage als "katastrophal." Auch an diesem Tag blieben die Kindergärten und Schulen geschlossen und der Straßenverkehr wurde stark eingeschränkt. Auf wichtigen Plätzen in Teheran standen Krankenwagen und Teams der ersten Hilfe bereit. Die Stadtbewohner wurden aufgerufen ihre Häuser, wenn möglich, nicht zu verlassen.

Zugleich ist in ganz Teheran ein übler Geruch vernehmbar. Doch alle Bemühungen der Regierung, die Ursache beziehungsweise Quelle des Geruchs zu finden, waren bisher vergeblich. Je größer die Luftverschmutzung, desto intensiver werde der Geruch, sagte der Teheraner Bürgermeister. So wie in Teheran leiden auch die Menschen in anderen größeren Städten unter der verseuchten Luft. Die Lage in den Städten Karadsch, Hamedan, Tabris, Maschhad, Ghaswin, Isfahan, Arak, Ghom, Semnan, Kermanschah und in den meisten Städten der Provinz Chusestan ist alarmierend.

Bemerkenswert ist, dass die landesweiten Proteste im November in den Städten mit größerer Umweltverschmutzung wesentlich heftiger waren als in den übrigen Städten. Die offiziellen Statistiken zeigen deutlich, dass die soziale und wirtschaftliche Lage in Gebieten mit größerer Umweltverschmutzung und Umweltschäden sich merklich verschlechtert hat. Die Folgen sind die Zunahme von Slumbewohnern und der Armut. Derzeit leben ein Viertel der Bewohner Irans am Rande der Städte. In den vergangenen 50 Jahren wurden 24.000 Dörfer und Siedlungen von den Bewohnern verlassen. Allein in den Gebieten von Süd-Chrorasan haben die Bewohner von 1.850 Dörfern wegen Wassermangel ihr Wohngebiet verlassen. 600 Kanate (traditionelle Form der Frischwasserförderung) sind ausgetrocknet. Bei anderen Kanaten ist der Wasserstand um 40 bis 50 Prozent gesunken. Die Bewohner, die ihre Dörfer verlassen, finden keine Arbeit in der Stadt.

Auch in Kurdistan herrscht, wie in vielen anderen Gegenden Irans, erheblicher Wassermangel. Häufige Waldbrände in den Wäldern des Zagros-Gebirges haben einen Teil der Natur vollständig zerstört. Allein im vergangenen Sommer fiel eine Waldfläche von 1.835 Hektar den Bränden zum Opfer. Das ist mehr als doppelt so viel wie im Jahr davor. Auch willkürliche Rodungen haben die Zahl der Arbeitslosen und Vertriebenen erheblich erhöht.

Die Kritik gegen die Regierung wird immer lauter, weil sie gegen diese katastrophale Lage kaum etwas unternimmt. Vor zwei Jahren verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das als "Gesetz der sauberen Luft" bezeichnet wurde. Demnach sollten unter anderem städtische Fahrzeuge, die zum Teil mehr als vierzig Jahre alt sind, durch neue ersetzt werden. Zudem sollte die Nutzung alter Privatautos, Motorräder und Lastwagen im Stadtverkehr verboten werden. Auch die Qualität des Benzins sollte verbessert werden. Doch nichts von alledem ist bislang geschehen.


HARTE URTEILE GEGEN ARBEITSRECHTSAKTIVISTEN

Das Revisionsgericht der Provinz Teheran hat Esmail Bachschi und Mohammad Chanifar, zwei führende Arbeitsrechtsaktivisten der Arbeiterstreiks in der Zuckerfabrik Haft Pappeh, zu je fünf Jahren Gefängnis plus Peitschenschläge verurteilt. Die Zuckerfabrik befindet sich in der im Südwesten des Landes gelegene Provinz Chusestan. Die streikenden Arbeiter hatten unter anderem die Auszahlung ihrer seit Monaten ausgebliebenen Löhne gefordert. Die Anwälte beschwerten sich, dass die Verurteilten keine Gelegenheit hatten, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Die Urteile seien "ungerecht" gewesen. Die Anwältin Farsaneh Gilani kritisierte den Justizchef Ebrahim Raisi, dass er sein Versprechen, dafür zu sorgen, dass die Anliegen und Forderungen der Arbeiter berücksichtigt würden, nicht eingehalten habe.

Dazu meinte der Vorsitzende des Teheraner Revolutionsgerichts, Mussa Ghasanfarabadi, beim Revisionsgericht hätten nur Angeklagte, die zum Tode verurteilt wurden, die Gelegenheit, sich zu verteidigen. Bei anderen Angeklagten sei dies nicht vorgesehen.

Die harten Urteile gegen streikende Arbeiter der Zuckerfabrik hatten selbst unter den Abgeordneten des Parlaments Proteste hervorgerufen. Daraufhin hatte Justizchef Raisi erklärt, er werde dafür sorgen, dass die Verurteilten beim Revisionsgericht fair behandelt werden würden.

Wie die Anwältin mitteilte, sei die Akte gegen Bachschi nicht abgeschlossen. Demnächst werde ein weiterer Prozess gegen ihn stattfinden. Bachschi und Sepideh Gholyan hatten berichtet, dass sie in der Untersuchungshaft gefoltert worden seien.

Die Aktivistin Sepideh Gholyan war wegen der Teilnahme an dem Streik zu 15 Jahren und Bachschi zu 14 Jahren Haft verurteilt worden. Auch der bereits pensionierte Arbeiter Ali Nedschati wurde einige Tage zuvor zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.


GESUNDHEITSMINISTER WARNT VOR VERBREITUNG VON PSYCHISCHEN KRANKHEITEN

Gesundheitsminister Said Namaki warnte bei einer Versammlung in der psychiatrischen Klinik Rasi in Teheran am 22. Dezember vor der Verbreitung psychischer Krankheiten in der Bevölkerung. Die Lage sei "alarmierend," sagte er. "Wir haben große Probleme auf diesem Gebiet und ich möchte als Gesundheitsminister vor den Folgen warnen." Wer Hoffnungslosigkeit und Resignation verbreite begehe "Verrat" gegen das Volk.

Es war nicht das erste Mal, dass der Gesundheitsminister vor psychischen Krankheiten warnte und in erster Linie die "gesellschaftliche Atmosphäre" dafür verantwortlich machte. Bereits im vergangenen Sommer sagte er: "Wir haben im schiitischen Glauben 14 Geburten und 13 Tode (gemeint sind die 14 Imame, die im Schiismus als Nachfolger des Propheten gelten. Der letzte Imam Mahdi, der verborgene, soll im Kindesalter verschwunden sein. Er werde eines Tages auftauchen und für Gerechtigkeit auf Erden sorgen). Doch statt uns über die Geburten zu freuen, weinen wir, weil die Imame gestorben sind. Wir müssen diese Triste Atmosphäre bekämpfen. Die depressive Stimmung ist der Grund für die Selbstmorde und Aggressionen in unserer Gesellschaft."

Vor einem Jahr hatte Namaki gesagt, die Iranerinnen und Iraner gehörten zu den depressivsten Völkern der Welt. Für diese Äußerung hat er viel Kritik hinnehmen müssen. Er forderte die Fernseh- und Radio-Sender dazu auf, für mehr Freude und Heiterkeit zu sorgen.

Viele Ärzte beklagen, dass in Iran trotz weit verbreiteter psychischer Erkrankungen, keine systematischen Strategien für deren Heilung existieren. Iraj Chosronia, Vorsitzender des Vereins der Internisten, sagte vor Kurzem, offizielle Statistiken zeigten, dass rund 30 Prozent der Menschen in Iran unter psychischen Krankheiten litten. Doch aus Furcht als Geisteskranke betrachtet zu werden, wendeten sie sich nicht an Ärzte.


BAGHERI KANI NEUER MENSCHENRECHTSBEAUFTRAGTER DER IRANISCHEN JUSTIZ

Justizchef Ebrahim Raisi hat den 52-jährigen Ali Bagheri Kani am 29. Dezember zum neuen Menschenrechtsbeauftragten der iranischen Justiz ernannt. Kani folgt damit Dschawad Ali Laridschani nach, der 14 Jahre lang das Amt innehatte. Bagheri Kani gehört zum engen Kreis um den konservativen Politiker Said Dschalali, der sich 2013 vergeblich um das Amt des Präsidenten beworben hatte. Damals war er Chef von Dschalalis Wahlkampfbüro.

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KULTUR

• Irans Botschafter in London droht Journalisten
• Nationales Internet soll rasch ausgebaut werden


IRANS BOTSCHAFTER IN LONDON DROHT JOURNALISTEN

Die Organisation Reporter ohne Grenzen hat am 26. November in einer Mitteilung die Drohungen und Repressalien Irans gegen iranische Journalisten im Ausland verurteilt. Diese sind entweder bei Persischprogrammen ausländischer Sender beschäftigt oder arbeiten selbstständig. Den iranischen Botschafter in London, Hamid Baidinejad, bezeichnete die Organisation als "drohenden Botschafter," weil er die Drohungen iranischer Sicherheitskräfte gegen Journalisten wiederhole und umsetze.

In der Mitteilung werden besonders die Drohungen und Repressalien gegen Journalisten und Journalistinnen und deren Angehörige, die bei der BBC, Radio Farda, Voice of Amerika, Man o to, Iran International und Kayhan London erwähnt.

Es gehöre nicht zu den Aufgaben eines Botschafters, Bürgerinnen und Bürgern, vor allem Journalistinnen und Journalisten seines Land, zu drohen, heißt es in der Mitteilung weiter. Die Organisation fordert die britische Regierung auf, diese die Pressefreiheit bedrohenden und für Journalistinnen und Journalisten und deren Angehörige gefährlichen Aktivitäten zu unterbinden.

Auch der britische Journalistenverband verurteilte die Aktivitäten Teherans gegen iranische Journalisten im Ausland. In einer Mitteilung des Vereins heißt es, eine neue Welle von Unterdrückungsmaßnahmen gegen Angehörige der iranischen Mitarbeiter der BBC und des Senders Iran International sei aktiviert worden. Die Angehörigen der Mitarbeitenden des Iran International seien aufgefordert worden, ihre Verwandten zu bitten, ihre Arbeit aufzugeben. Sollten die Journalisten der Aufforderung nicht folgen, bestehe die Gefahr, dass sie gekidnappt würden.

Angesichts der jüngsten Unruhen ist der Druck auf kritische Journalisten, nicht nur in Iran, sondern auch im Ausland, erheblich verstärkt worden. Daher hat sich auch die Internationale Journalisten-Föderation (IFJ) auf einer Sondersitzung am 17. Dezember mit der Lage der iranischen Journalisten beschäftigt. Die Organisation will sich gemeinsam mit Menschenrechtsorganisationen und den Vereinten Nationen dafür einsetzen, den Druck auf iranische Journalisten zu mildern. An der Sitzung in London hatten neben dem britischen Journalistenverband unter anderem auch das Persischprogramm der Deutschen Welle, Radio Farda und einige freie iranische Journalisten teilgenommen.

Indes hat die BBC wegen Repressionen gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihres persischsprachigen Programms eine Klage bei der UNO eingereicht. Darin werden zahlreiche Fälle aufgezählt, bei denen Angehörige der Journalisten, die in Iran leben, durch Sicherheitsbehörden unter Druck gesetzt, in Haft genommen und schweren Verhören ausgesetzt wurden. Iranische Behörden werfen ausländischen Sendern vor, Oppositionelle in Iran aufzuwiegeln und sie zu Protesten zu ermuntern.


NATIONALES INTERNET SOLL RASCH AUSGEBAUT WERDEN

Während der Haushaltsdebatte im Parlament am 8. Dezember hat Präsident Hassan Rohani erklärt, auf Anordnung des Revolutionsführers Ali Chamenei werde die Regierung den Ausbau des nationalen Internets rasch vorantreiben, um das Land soweit wie möglich vom Ausland unabhängig zu machen.

An dem Projekt wird seit Jahren gearbeitet, mit dem Ziel, eine Unabhängigkeit vom internationalen Internet zu erreichen. Die Sperrung des Internets in den Tagen, an denen landesweite Proteste stattfanden, lenkte nun mehr als je zuvor die Aufmerksamkeit auf das nationale Internet. Kritikerinnen und Kritiker befürchten, dass mit dem Ausbau des nationalen Internets, der Zugang zu internationale Netz immer weiter eingeschränkt werde. Doch die Regierung ignoriert diese Befürchtungen. "Die Menschen fühlen sich durch das nationale Internet sicherer," sagte Rohani im Parlament. Selbst der Minister für Technologie und Kommunikation, Mohammad Dschawad Asari Dschahromi, der gegen die Sperrung des Internets Stellung nahm und die Sicherheitsorgane dafür verantwortlich machte, verteidigte den Ausbau des nationalen Netzes. In einer Videobotschaft an die iranische Bevölkerung entschuldigte sich der Minister für den Ausfall der Internetverbindung. Sein Ministerium habe sich bemüht, so rasch wie möglich, vor allem für Reiseagenturen und Betreiber des Online-Handels, die Verbindung zu ermöglichen, um weitere Verluste zu vermeiden, sagte er. Der Ausbau des nationalen Internets biete den Nutzern Sicherheit. Die Sperrung des Zugangs zum internationalen Internet sei nicht geplant, sagte er.

Einflussreiche konservative Politiker und Geistliche äußern trotz starker Zensur des Internets immer wieder ihre Unzufriedenheit darüber, dass ein breiter Zugang zum internationalen Internet immer noch möglich sei und fordern weitere und dauerhafte Einschränkungen. Gholamresa Solemani, Chef der Miliz-Organisation, forderte kürzlich ein "sauberes Internet." Daran werde seine Organisation mitwirken, sagte er.

Der Plan, ein nationales Internet einzurichten, war während der Regierungszeit von Präsident Mahmud Ahmadinedschad entstanden.

Am 11. Dezember erklärte Rohani auf einer Kabinettssitzung, zu den Errungenschaften seiner Regierung gehöre der Ausbau der Kommunikationsmöglichkeiten für alle Bürgerinnen und Bürger. Sie habe das Breitbandnetz und die neue Generation des Internets eingeführt und damit die Möglichkeiten der Kommunikation im Vergleich zu früher ausgeweitet, soweit, dass heute zahlreiche Dienstleistungen in verschiedenen Branchen im Internet abgewickelt werden können. Niemand solle umlaufenden Gerüchten glauben. Es werde verbreitet, dass mit dem Ausbau des nationalen Internets die Verbindung zum internationalen Netz gesperrt werde. "Das ist absolut nicht der Fall," sagte der Präsident. "Unser Plan ist, das nationale Netz auszubauen, damit die Menschen die Möglichkeit bekommen, beide Netzwerke zu nutzen."

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WIRTSCHAFT

• Europäer nähern sich im Atomkonflikt Position der USA an
• Rund 200 Milliarden Dollar weniger Staatseinnahmen wegen Sanktionen
• Hohe Verluste wegen Schließung der Internetverbindung
• Milliarden-Kredit aus Russland
• Cyber-Angriff abgewehrt
• Schweiz plant Handelskanal nach Iran
• Deutscher Handel mit Iran schrumpft weiter


EUROPÄER NÄHERN SICH IM ATOMKONFLIKT POSITION DER USA AN

Allem Anschein nach nähern sich die Europäer im Atomkonflikt der Position der USA an. Frankreichs Außenminister Yves Le Drian drohte am 27. Oktober mit der Wiedereinführung der UN-Sanktionen gegen Iran. Da Iran alle zwei Monate einen Teil seiner Verpflichtungen aussetze, läge es nahe, dass die anderen Partner den im Atomabkommen vorgesehenen Streitschlichtungsmechanismus aktivierten.

Der Schlichtungsmechanismus kann aktiviert werden, wenn eine Seite der Meinung ist, dass die andere Seite des Abkommens ihre Pflichten nicht einhält. Das ist jedoch ein langwieriger, komplizierter Prozess, der Monate dauern könnte. Er kann allerdings, sollten die Vorwürfe zutreffen, zur Wiederaufnahme der Sanktionen führen. Diese waren durch das Abkommen nicht aufgehoben, sondern ausgesetzt worden. Bereits zwei Wochen zuvor hatten die europäischen Unterzeichner des Abkommens, Frankreich, Deutschland und Großbritannien, Iran mit der Wiederaufnahme der UN-Sanktionen gedroht.

Nach Drians Ansicht sei das Abkommen kaum noch zu retten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hätte sich im September vergeblich um ein Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Irans Präsident Hassan Rohani bemüht, sei aber aus verschiedenen Gründen gescheitert, sagte Drian. "Einige französische Staatsbürger befinden sich in iranischen Gefängnissen. Zudem ist es uns klargeworden, dass die jüngsten Anschläge in der Golfregion, insbesondere gegen saudische Ölanlagen, durch Iran organisiert wurden." Der Minister erwähnte auch den Umgang Irans mit Demonstrierenden bei den jüngsten Unruhen. "Angesichts des Verhaltens des Revolutionsführers und Präsident Rohanis scheint die Position der USA, den maximalen Druck auf Iran auszuüben, logisch und richtig zu sein," sagte Drian.

Iran lehnte einen Rückgriff auf den Schlichtungsmechanismus ab. Außenamtssprecher Abbas Mussawi sagte am 28. November: "Das Atomabkommen erlaube den europäischen Parteien nicht, den Mechanismus auszulösen, da Iran sein verbrieftes Recht ausübt, in Reaktion auf das illegale und einseitige Vorgehen der Vereinigten Staaten."

Überraschend war der Beitritt von sechs weiteren europäischen Staaten zu der Ersatzgesellschaft Instex, eine Gesellschaft, die Deutschland, Frankreich und Großbritannien gegründet haben, um trotz US-Sanktionen Geschäfte mit Iran abwickeln zu können. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin erklärte laut AFP vom 1. Dezember: "Als Grundaktionäre von Instex begrüßen Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich ausdrücklich die Entscheidung der Regierungen Belgiens, Dänemarks, Finnlands, der Niederlande, Norwegens und Schwedens, Instex als Aktionäre beizutreten." Diese Entscheidung stärke Instex und unterstütze die Bemühungen Europas, mit Iran Handel zu treiben. Instex sei "klarer Ausdruck unseres fortgesetzten Bekenntnisses" zum vereinbarten Abkommen mit Iran. Auch der neue EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erklärte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung," die EU stehe weiterhin zu dem Atomabkommen mit Iran. "Wir Europäer haben das allergrößte Interesse daran, dass das Nuklearabkommen überlebt." Er appellierte an die Regierung in Teheran, "alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um den Deal am Leben zu erhalten."

Iran reagierte auf den Instex-Beitritt weiterer europäischer Staaten ziemlich verhalten. "Es gibt einige Bewegungen (...). Es ist aber unklar, ob die konkret was bringen," sagte Parlamentspräsident Ali Laridschani am 1. Dezember. Entscheidend seien nicht verbale Bekundungen, sondern Taten. "Wichtig für Iran ist ja nicht der gute Wille der EU, sondern dass dieser (Instex) Rahmen auch irgendwie funktioniert," sagte Laridschani.

Israel kritisierte den Beitritt neuer Staaten zum Instex. Es wäre "effizienter und ethischer" die Verantwortlichen für den Tod von Zivilisten zu nennen. "Die Demonstranten, die bei den jüngsten Kundgebungen getötet worden seien, würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie von der europäischen Unterstützung für die iranische Führung hören würden," zitiert AFP den israelischen Ministerpräsidenten am 1. Dezember.

Indes erklärte der neue Direktor der Internationalen Atombehörde Rafael Grossi, er werde in Bezug auf das iranische Atomprogramm gerecht, aber entschieden handeln. Der 58-jährige Argentinier sagte in einem Interview mit der BBC am 1. Dezember, dem ersten Tag seiner Amtsübernahme, das Atomabkommen mit Iran sei für die Verhinderung der Verbreitung von Nuklearwaffen sehr wichtig. Er kündigte an, bald nach Iran zu reisen. Er stand bereits während seiner Tätigkeit bei der IAEA in den Jahren 2010 bis 2013 mit Vertretern Irans in Kontakt.

Trotz der Drohung der Europäer, haben sich, wie der Vertreter Chinas Fu Cong am 6. Dezember berichtete, die restlichen Partner bei einem Treffen in Wien nicht dazu entschlossen, den Schlichtungsmechanismus zu aktivieren. China hatte gegen einen solchen Schritt votiert. "Iran habe deutlich gemacht, dass alle Handlungen umkehrbar seien und dass sie bereit sind, zur vollständigen Einhaltung zurückzukehren," sagte Fu laut dpa vom 6. Dezember. Irans Vertreter Abbas Araghtschi erklärte, er glaube, dass bei den Weltmächten der Wille herrsche, praktische Wege zu finden, um den Handel mit Iran fortsetzen zu können. "Wir sehen Ernsthaftigkeit bei diesen Ländern, aber natürlich sind Probleme und Hindernisse im Weg."

Nachdem Iran die Urananreicherung in der Anlage Fordo wieder aufgenommen hatte, kündigte der staatlich russische Hersteller von Kernbrennstoff (TVEL) die Kooperation mit dem Land auf. Durch die Wiederaufnahme der Urananreicherung sei das geplante Projekt nicht durchführbar. Laut Atomabkommen sollte die Urananreicherungsanlage Fordo in ein Forschungszentrum umgebaut werden. Die Produktion von Isotopen sei mit Urananreicherung nicht vereinbar, begründete TVEL die Aufkündigung.

Am 21. Dezember erklärte Irans Präsident Hassan Rohani bei einem Treffen mit dem japanischen Ministerpräsidenten Abe, sollten Irans Interessen nicht akzeptiert werden, werde Iran möglicherweise das Abkommen verlassen. Iran habe viel Geduld aufgebracht. "Aber wenn wir sehen, dass das Abkommen uns kein Nutzen bringt, und nur wir allein unsere Verpflichtungen erfüllen sollen, wäre es natürlich, dass wir uns dazu entscheiden, unsere Mitgliedschaft zu kündigen."


RUND 200 MILLIARDEN DOLLAR WENIGER STAATSEINNAHMEN WEGEN SANKTIONEN

Nach Angaben von Präsident Hassan Rohani hat Iran aufgrund von Sanktionen in den letzten drei Jahren rund 200 Milliarden Dollar weniger Einnahmen gehabt. Bei der Einweihung der neuen Eisenbahnstrecke zwischen Golschahr nach Haschtgerd am 31. Dezember sagte Rohani: "Wenn wir keinen Wirtschaftkrieg gehabt hätten, hätten wir in den vergangenen drei Jahren rund 200 Milliarden Dollar mehr eingenommen. Hätte es keinen Ölboykott gegeben hätten wir im vergangenen und in diesem Jahr jeweils 50 Milliarden Dollar mehr Einnahmen gehabt."

Offiziell gibt es in Iran keine genauen Angaben über die Menge des Ölexports. Nach Einschätzung von Experten liegt derzeit der Ölexport bei weniger als 500.000 Barrel pro Tag. Im April 2018, also vor dem Austritt der USA aus dem Atomabkommen und dem Beginn der Sanktionen, lag er bei 2,5 Millionen Barrel pro Tag. "Das Geld fehlt uns und das macht das Regieren schwer," sagte Rohani weiter.


HOHE VERLUSTE WEGEN SCHLIEßUNG DER INTERNETVERBINDUNG

Die tagelange Sperrung der Internetverbindung während der Unruhen in Iran haben der Wirtschaft hohe Verluste beschert. Laut dem Minister für Technologie und Kommunikation, Mohammad Dschawad Asari Dschahromi, hat sie allein der nationalen Postgesellschaft einen Schaden von 40 Prozent ihrer täglichen Einnahmen zugefügt. Dies sei ein Beispiel für das Ausmaß der Verluste, die die Wirtschaft in den Tagen erlitten hat, in denen es keine Internetverbindung gab. Vor allem die Kleinunternehmen und der Handel hätten hohe Verluste hinnehmen müssen. Ein Gremium unter Teilnahme der Handelskammer, Gewerkschaften und von Vertretern der Unternehmen aus verschiedenen Branchen sei dabei, über die Verluste Bilanz zu ziehen. Er werde die Ergebnisse, sobald sie vorlägen, öffentlich bekanntgeben, sagte der Minister.

Während der Sperrung der Internetverbindung gab es Tage, an denen höchstens fünf Prozent der Nutzer ins Internet gelangen konnten. Zahlreiche Reisebüros, Devisenhändler, Geschäfte, die im Export-Import tätig sind, Kleinunternehmen, alle Betreiber von Online-Geschäften und dergleichen mehr mussten ihre Arbeit gänzlich einstellen.

Mohssen Dschalalpur, ehemaliger Chef der Handelskammer, sagte in einem Interview Chabar-Online, "Aufgrund der Angaben aus Regierungskreisen habe insgesamt die iranische Wirtschaft innerhalb einer Woche einen Verlust in Höhe von 75 Milliarden US-Dollar erlitten."


MILLIARDEN-KREDIT AUS RUSSLAND

Wie Präsident Hassan Rohani am 8. Dezember dem Parlament mitteilte, werde die Regierung für den Haushalt im kommenden Jahr (Beginn 21. März) einen Kredit in Höhe von 4,5 Milliarden Euro aus Russland erhalten. Die Unterstützung soll der Regierung ermöglichen, trotz schwerwiegender Sanktionen, über die Runden zu kommen. Politisch und wirtschaftlich betrachtet haben die Sanktionen unter anderem zufolge, dass das Land immer mehr in Abhängigkeit von Russland und China gerät, zwei Großmächte, die den iranischen Markt inzwischen weitgehend beherrschen.

Der neue Haushalt hat ein Volumen von rund 36 Milliarden Euro, das sind zwar 10 Prozent höher als der Haushalt 2019, allerdings liegt derzeit die Inflationsrate bei rund 40 Prozent.


CYBER-ANGRIFF ABGEWEHRT

Laut Angaben des Ministers für Technologie und Kommunikation, Mohammad Dschawad Asari Dschahromi, ist es Iran Mitte Dezember gelungen, zwei innerhalb einer Woche erfolgter Cyber-Angriffe abzuwehren. Ziel des Angriffs seien geheime elektronische Daten der Regierung gewesen, ein Akt der Spionage, der rasch durch das vorhandene Abwehrsystem "Dejfa" identifiziert und neutralisiert werden konnte, twitterte der Minister am 15. Dezember. "Dejfa" ist die Bezeichnung für das iranische Cyber-Abwehrsystem und die Abkürzung für "Schutzdamm Netzinformationen." Sie dient dem Schutz geheimer staatlicher Informationen und der digitalen Infrastruktur des Landes. "Solche Angriffe finden im Rahmen der bekannten APT 27 statt," schrieb er. "Wir haben die Spuren der Hacker festgestellt." Einzelheiten nannte der Minister nicht.

Wenige Tage zuvor hatte die Regierung einen ähnlichen " umfassenden" Angriffsversuch bekanntgegeben. Ziel dieses Angriffs seien demnach die elektronischen Infrastrukturen des Landes gewesen. Es habe sich um einen "massiven Angriff" gehandelt, der ohne eine staatliche Unterstützung nicht möglich gewesen wäre. Einen Tag zuvor hatte Dschahromi einen Hackerangriff auf Millionen Bankkonten dementiert.

Im vergangenen September gaben die USA Cyber-Angriffe auf die iranische Waffenindustrie bekannt. Laut der Washington Post hatte US-Präsident Donald Trump, nach dem Verzicht auf einem Luftangriff gegen Einrichtungen in Iran, Cyber-Angriffe auf technologische Einrichtungen zum Bau von Raketen angeordnet. Damals hatte Iran eine US-Drohne im Persischen Golf abgeschossen und laut offizieller US-Berichte Anschläge auf Öltanker verübt. Laut der New York Times sollten die Cyber-Angriffe als Vergeltung gegen die Anschläge verstanden werden. Iran hatte jegliche Verantwortung für die Anschläge bestritten.


SCHWEIZ PLANT HANDELSKANAL NACH IRAN

Einem Bericht der Agentur Reuters vom 12. Dezember zufolge plant die Schweiz einen Handelskanal nach Iran, um Medikamente und Nahrungsmittel nach Iran exportieren zu können. Demnach wurde das Vorhaben nach dem Gefangenenaustausch vom 7. Dezember zwischen Iran und den USA, bei der die Schweiz eine wichtige Rolle gespielt haben soll, bekanntgegeben. Die Schweizer Staatssekretärin im Außenministerium Pascale Baeriswyl sagte Reuters: "Wir haben wirklich vor, für die Menschen in Iran Nahrungsmittel und Medikamente zu schicken. Daher geben wir uns große Mühe, um diesen humanitären Handelskanal einzurichten. Allerdings hängt der Erfolg des Projekts von jenen Banken und Unternehmen ab, die bereit sind, an dem Projekt teilzunehmen. Wir sind in den letzten Wochen einige Schritte weitergekommen." Auf die Frage, ob das Projekt im ersten Halbjahr 2020 umgesetzt werden könne, sagte die Staatssekretärin: "Eine Prognose ist schwer, denn das Projekt liegt nicht allein in unserer Hand."

Auch der US-Botschafter in der Schweiz, Edward McMullen, äußerte sich optimistisch über das Projekt. "Wir sind zum Glück schon so weit, dass wir mit den Schweizern schon über letzte Details reden. Ich hoffe, wir werden in naher Zukunft zu einem Abschluss kommen."

Die Schweiz vertritt schon seit vierzig Jahren die Interessen der USA in der Islamischen Republik. Baeriswyl hatte zuletzt Irans Außenminister Sarif in Genf getroffen. Dann begegneten sie sich beim Gefangenenaustausch in Zürich.

Zwar sind Medikamente und Grundnahrungsmittel von den gegen Iran verhängten Sanktionen ausgenommen, doch die Banken weigern sich aus Furcht vor Bestrafung, Geschäfte mit Iran abzuwickeln.

Farbal Mostofi, Leiter der Kommission Geldbörse und Kapital in der Teheraner Handelskammer, hatte bereits zwei Wochen zuvor ein baldiges Funktionieren des Schweizer Handelskanals in Aussicht gestellt. Die Schweiz habe bereits früher über die Einrichtung eines solchen Kanals mit den USA Einvernehmen erzielt. Die Amerikaner hätten behauptet, Medikament und Grundnahrungsmittel seien von den Sanktionen ausgenommen, sagte Mostofi weiter. "Das ist nicht wahr; keine Bank war bereit, den Handel mit den Gütern abzuwickeln."


DEUTSCHER HANDEL MIT IRAN SCHRUMPFT WEITER

Wie das Bundesministerium für Wirtschaft am 31. Dezember mitteilte, sichert die Bundesregierung derzeit nur noch Geschäfte und Investitionen deutscher Firmen in Iran mit einem Gesamtvolumen von 280 Millionen Euro ab, so berichtete dpa. Das ist im Vergleich zu der Zeit vor den US-Sanktionen ein drastischer Rückgang.

Das Atomabkommen, das auch die Aufhebung der Sanktionen gegen Iran vorsah, hatte bei deutschen Unternehmen eine regelrechte Euphorie ausgelöst. Zahlreiche Unternehmer eilten nach Iran, um bei der Eroberung des iranischen Markts dabei zu sein. Man hoffte sogar, innerhalb weniger Jahre ein Handelsvolumen bis zu 10 Milliarden Euro erreichen zu können. Doch der Austritt der USA aus dem Atomabkommen machte den Investoren und Exporteuren einen Strich durch die Rechnung. Aus Furcht vor US-Sanktionen zogen sich die Unternehmen rasch aus dem Land zurück und bereits vereinbarte Verträge wurden gekündigt. Auch die von den drei europäischen Staaten eingerichtete Ersatzgesellschaft Instex, die den Handel mit Iran fernab der Sanktionen wiederbeleben sollte, hat zumindest bislang keine Abhilfe schaffen können.

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AUSSENPOLITIK

• Für Israel ist die Bombardierung Irans eine Option
• Irakische Demonstranten setzen iranisches Konsulat in Brand
• Gefährlicher Schlagabtausch zwischen Iran und USA im Irak
• Rektionen aus Iran
• General Ghassem Soleimani
• Rohani ruft muslimische Staaten zu Zusammenarbeit auf
• Gemeinsames Manöver mit Russland und China
• Beschlagnahme eines Öltankers und Festnahme von 16 Crew-Mitgliedern
• Europäer: Irans Raketenprogramm verstößt gegen UN-Resolution
• Washington dementiert Bericht über Truppenaufstockung in der Golfregion
• Bundesregierung weist US-Forderungen nach Sanktionen zurück
• Iranische Waffen für Jemen beschlagnahmt
• Omans Außenminister zu Besuch in Teheran
• Rohani triff Abe in Tokio
• UNO kann Teilnahme Irans an Anschläge gegen saudische Anlagen nicht bestätigen
• Iran lehnt Freilassung inhaftierter Franzosen ab
• Menschenrechtspreis für iranische Anwältin und Anwälte


FÜR ISRAEL IST DIE BOMBARDIERUNG IRANS EINE OPTION

Israels Außenminister Israel Katz sagte laut einem Bericht der dpa vom 7. Dezember während eines Besuchs in Italien der Zeitung "Corriere della Sera": "Wir werden Iran nicht erlauben, Atomwaffen zu produzieren oder zu erhalten." Gefragt, ob eine Bombardierung Irans als Möglichkeit erwogen werde, sagte der Minister "Ja, das ist eine Option." Diese Option käme aber nur dann in Frage, wenn alle anderen Möglichkeiten scheitern sollten. "Wenn es der letzte mögliche Weg wäre, um dies (die nukleare Bewaffnung Irans) zu verhindern, würden wir militärisch vorgehen."

Katz, der sich zur Teilnahme an der Mittelmeerkonferenz (MED) 2019 in Rom aufhielt, kritisierte die Europäer dafür, dass sie nicht bereit seien, sich der Strategie der Vereinigten Staaten anzuschließen und den maximalen Druck auf Iran zu unterstützen. Er forderte die westlichen und arabischen Staaten auf, eine Koalition gegen Iran zu bilden. Es sei "höchste Zeit," Iran dazu zu zwingen, sein Atomprogramm zu beenden.

Israels Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, forderte in der Tageszeitung "Die Welt" am 12. Dezember die Bundesrepublik dazu auf, mehr Druck auf Iran auszuüben und einen "härteren Gangart" einzuschlagen. "Die Iraner haben klar gezeigt, dass sie sich nicht an das Nuklearabkommen halten," sagte er. Iran habe sein Atomprogramm weiterentwickelt und damit die benötigte Zeit zum Bau einer Atombombe verkürzt. "Wir müssen dem Einhalt gebieten, sonst machen die Iraner weiter, bis es sehr gefährlich für uns alle wird."

Eine Reaktion auf die Drohung aus Iran ließ nicht lange auf sich warten. Israel würde einen Angriff auf Iran "bitter bereuen," sagte der Sprecher des Teheraner Außenministeriums Abbas Mussawi. "Wir werden eine militärische Aggression des zionistischen Regimes konsequent erwidern."


IRAKISCHE DEMONSTRANTEN SETZEN IRANISCHES KONSULAT IN BRAND

Am 27. November haben Demonstranten in der heiligen Stadt Nadschaf, dem Zentrum des schiitischen Glaubens, das iranische Konsulat in Brand gesteckt. Den Angaben der irakischen Behörden zufolge waren zuvor die Mitarbeiter des Konsulats evakuiert worden. Ordnungskräfte sperrten nach dem Anschlag die umliegenden Straßen. Die Polizei bestätigte am Abend des 28. November, eine Gruppe der Demonstranten habe in der Pilgerstadt Nadschaf das Gebäude des iranischen Konsulats gestürmt und es in Brand gesteckt. Veröffentlichte Aufnahmen in den irakischen und iranischen Medien zeigen ein völlig zerstörtes Gebäude. Einem Bericht der AFP zufolge skandierten die Demonstranten: "Sieg für Irak, Iran raus." Die staatlich iranische Agentur Irna berichtete, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Konsulats vor dem Angriff das Gebäude verlassen hätte und dass niemand zu Schaden gekommen sei.

Seit Oktober finden in weiten Teilen Iraks Demonstrationen gegen die Regierung statt. Die Demonstranten beklagen die weit verbreitete Korruption, die katastrophale Lage der Wirtschaft und die Unfähigkeit der Regierung, Lösungen anzubieten.

Etwa einen Monat zuvor hatten Demonstrierende das iranische Konsulat in Kerbela angegriffen. Sie protestierten gegen die iranische Einmischung in innere Angelegenheiten des Iraks. Dabei wurden vier Demonstranten erschossen. Iran bezeichnete die Angriffe als Versuch der USA, Israel und Saudi-Arabiens, das "gute und freundschaftliche Verhältnis" zwischen den Nachbarstatten Iran und Irak zu zerstören. Das Teheraner Außenministerium verurteilte am 28. November den Angriff auf das iranische Konsulat in Nadschaf. Ministeriumssprecher Abbas Mussawi forderte von der irakischen Regierung ein entschiedenes und verantwortliches Vorgehen "gegen die Zerstörer und Aggressoren." Mit Hinweis auf die Pflicht der irakischen Regierung, den Schutz von Diplomaten und diplomatische Einrichtungen sagte Mussawi, Iran habe seinen entschiedenen Protest dem irakischen Botschafter in Teheran offiziell mitgeteilt.

Wie die Agentur Tasnim berichtete, hat das Außenministerium in Bagdad den Angriff auf das iranische Konsulat verurteilt. Iran unterstützt die Regierung in Bagdad, gegen die sich die Proteste richten. Iran hatte mehr Unterstützung von der Bevölkerung in Nadschaf erwartet. Die Pilgerstadt wird jährlich von Millionen überwiegend iranischer Pilger besucht.

Zwei Tage nach dem ersten Brandanschlag wurde das iranische Konsulat in Nadschaf erneut von Demonstranten angegriffen. Sicherheitskräfte setzten Tränengas und scharfe Munition ein.

Neben den Konsulaten wurden bei den anhaltenden Protesten immer wieder Zentralen proiranischer Milizen und Parteien angegriffen. Indes kündigte der irakische Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi seinen Rücktritt an, was aber die Demonstrierenden nicht von der Fortsetzung der Proteste abhielt. Sie fordern grundsätzliche Reformen, ja eine Umwälzung des ganzen Systems, für das nach ihrer Auffassung auch Iran mitverantwortlich ist. Die Rücktrittsankündigung Abdel Mahdis war unvermeidlich geworden, nachdem der einflussreiche Großayatollah Ali al-Sistani das Parlament aufgefordert hatte, dem Ministerpräsidenten das Vertrauen zu entziehen, was sie auch tatsächlich taten.

Nach der Ankündigung Abdel Mahdis seinen Posten aufzugeben, begaben sich Vertreter Irans und des Libanons zur Beratungen über die Bildung einer neuen Regierung nach Bagdad. Einem Bericht der AFP vom 3.Dezember zufolge versuchte der iranische General Ghassem Soleimani, der praktisch die Außenpolitik Irans im Nahen Osten leitete, einen bestimmten Kandidaten als Nachfolger Abdel Mahdis durchzusetzen. Dabei werde er von dem Vertreter der libanesischen Hisbollah, Mohammad Kawtharani, unterstützt. Um welchen Kandidaten es sich handelte, geht aus dem Bericht nicht hervor.

Washington hat gegen die Aktivitäten Soleimanis protestiert. Seine Präsenz bestätige abermals, dass Iran sich, trotz der Massenproteste, weiterhin in innere Angelegenheiten Iraks einmische. Die Kandidatensuche für den Posten des Ministerpräsidenten ist äußerst schwierig, weil der Kandidat die Zustimmung verschiedener Gesellschaftsströmungen benötigt, die zerstritten sind. Schiitische Organisationen, die kurdische Autonomiebewegung und sunnitische Strömungen sind schwer unter einen Hut zu bringen.

Indes warnte Ayatollah Sistani am 6. Dezember vor ausländischer Einmischung bei der Bildung einer neuen Regierung. Er selbst sei an der Kandidatensuche nicht beteiligt, sagte er.

Die Lage im Irak könnte weiter eskalieren, weil die USA Iran für eine Reihe von Raketenangriffen auf US-Ziele im Irak verantwortlich machten. Davor warnte der scheidende irakische Präsident Abdel Mahdi. In einem Telefonat mit US-Verteidigungsminister Mark Esper am 16. Dezember appellierte er laut einem Bericht der AFP "an alle" Seiten eine bedrohliche Eskalation zu vermeiden.

"Wenn die irakische Regierung oder der irakische Staat geschwächt werden, wird das die Eskalation und das Chaos noch verschärfen," sagte der Ministerpräsident. Zuvor hatte sich Esper über die fortdauernden Angriffe besorgt gezeigt. Die Raketenangriffe, die seit dem 28. Oktober begonnen hatten, richteten sich gegen Sektoren, in denen amerikanische Militärs untergebracht sind. Dabei wurde ein irakischer Soldat getötet, mehrere Soldaten wurden verletzt. Bislang hat niemand die Verantwortung für die Anschläge übernommen. Dennoch warnte US-Außenminister Mike Pompeo die iranische Führung oder ihre Stellvertreter vor einer "entschlossenen Reaktion der USA." Sollten Amerikaner oder ihre Verbündeten durch Raketenangriffe getötet oder verwundet werden, würden die USA darauf mit aller Härte reagieren, sagte der Minister am 13. Dezember. Iran müsse "die Souveränität seiner Nachbarn respektieren" und jedwede Unterstützung anderer Kräfte im Irak und in der Region ab sofort beenden.


GEFÄHRLICHER SCHLAGABTAUSCH ZWISCHEN IRAN UND USA IM IRAK

Die USA teilten laut dpa am 28. Dezember mit, dass durch einen Raketenangriff auf einen ihrer Stützpunkte in Kirkuk im Norden Iraks ein US-Zivilist getötet und mehrere Soldaten verletzt wurden. "Die Schüsse waren sehr präzise. Der Angriff zielte genau auf das Gebiet ab, in dem sich die Amerikaner befinden, ganz in der Nähe des Sitzungssaals," zitierte die Agentur einen irakischen Sicherheitsbeamten. Es hätte viel mehr Tote geben können, denn dort hätte ein großes Treffen stattfinden sollen, das aber wegen schlechter Witterung abgesagt worden sei.

Die USA machten proiranische Milizen für den Angriff verantwortlich, ihre Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Am 29. Dezember bombardierte die US-Armee mehrere Stützpunkte der von Iran unterstützten Hisbollah-Brigaden im Irak und in Syrien. Dabei wurden den Angaben der proiranischen Hasched-al-Schabi zufolge 19 Kämpfer, darunter mehrere Kommandeure, getötet. Die Angriffe an drei Orten im Irak und zwei in Syrien hätten das Ziel, die Hisbollah zu schwächen, sagte Pentagon-Sprecher Jonathan Hoffmann. Sie, die Hisbollah, habe "eine starke Verbindung zu den iranischen Al-Kuds-Brigaden". Die irakische Regierung bezeichnete den Angriff als "Verletzung der irakischen Souveränität." Demgegenüber drohte US-Verteidigungsminister Mark Esper mit weiteren Angriffen, sollten die feindlichen Handlungen fortgesetzt werden. Präsident Trump sei über die Pläne informiert worden und auch "andere zur Verfügung stehende Optionen" seien mit ihm besprochen worden.

Iran verurteilte die Bombardierungen und warf den USA vor, Kräfte wie die Hisbollah-Brigade angegriffen zu haben, die zu den entschiedensten Gegnern des Islamischen Staates (IS) gehörten. "Mit diesen Angriffen hat Amerika seine feste Unterstützung für Terrorismus und seine Missachtung der Souveränität von Staaten gezeigt," sagte Irans Regierungssprecher Rabii am 30. Dezember. "Diese illegalen Taten werden Konsequenzen haben."

Auch die iranischen Revolutionsgarden drohten mit Vergeltung. In einer Erklärung vom 30. Dezember bezeichneten sie die schiitische Milizorganisation Hasched-al-Schabi als "echteste und mutigste Kraft innerhalb der Islamischen Widerstandsfront." "Sicherlich wird kein freies und unabhängiges Land es dulden, dass seine Söhne Opfer von Verbrechen fremder Mächte werden. Natürlich werden die Menschen im Irak sich das Recht vorbehalten, legal und gestützt auf internationale Konventionen, das große jüngste Verbrechen der USA zu vergelten," hieß es weiter.

Am gleichen Tag erklärte Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif, die Angriffe der USA seien "inakzeptabel." "Die USA erlauben sich, angeblich aufgrund der Selbstverteidigung in einem über tausend Meilen entferntes Land, ein Blutbad anzurichten," sagte der Minister am 30. Dezember bei einem Besuch in Russland. Der Sprecher seines Ministeriums Abbas Mussawi, bezeichnete den Angriff als "einen Akt des Terrorismus."

Am 31. Dezember griffen tausende Demonstranten nach einem Trauerzug für die Opfer der US-Angriffe die US-Botschaft in Bagdad an. Sie passierten ungehindert die Kontrollposten der sonst gut gesicherten Grünen Zone, riefen "Tod den USA" und forderten, amerikanische Militärs sollten unverzüglich Irak verlassen.

Dazu twitterte Präsident Trump: "Iran hat einen amerikanischen Auftragnehmer getötet, viele verwundet. Wir haben hart geantwortet, und werden das immer tun. Jetzt steuert Iran auf einen Angriff auf die US-Botschaft im Irak zu. Sie werden voll dafür verantwortlich gemacht werden."

Teheran erklärte, nichts mit den Ausschreitungen zu tun zu haben. "Die USA sollten mit diesen politischen Fehlkalkulationen und irrationalen Reaktionen vorsichtig sein," sagte Mussawi. Es wäre besser, sie würden über ihre "destruktive Politik im Irak nachdenken als anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben." Zudem sei es nicht ungewöhnlich, wenn Menschen gegen die Besatzer ihres Landes demonstrierten. Sarif lehnte eine militärische Konfrontation ab, betonte jedoch, dass Iran stets dazu bereit sei, sich gegen "Kriegstreiber" zu verteidigen.

Auch Trump erklärte, dass er keinen Krieg gegen Iran erwarte. "Ich sehe nicht, dass dies passieren wird," sagte er am 1. Januar auf die Frage eines Journalisten. "Ich mag den Frieden." Doch am selben Tag hatte er Iran gedroht, er werde, sollte es Menschenopfer oder Schäden amerikanischer Interessen geben, Iran "vollständig zur Verantwortung ziehen." "Sie werden einen sehr hohen Preis zahlen. Dies ist keine Warnung, es ist eine Drohung," sagte er. Zugleich verordnete er die Entsendung von rund 750 Mitgliedern der 82. Luftlandedivision von der Basis Fort Bragg im Staat North Carolina in den Nahen Osten. Laut Angaben des Verteidigungsministers sollen insgesamt bis zu 4.000 zusätzliche Soldaten in die Region entsandt werden.

Irans Revolutionsführer Ali Chamenei sagte vor einer Versammlung von Krankenschwestern: "Wir wollen keinen Krieg, aber wir erteilen Schläge gegen jene, die uns bedrohen." "Wenn die Islamische Republik sich dazu entschließt, zurückzuschlagen, dann wird sie dies rasch tun." "Wir werden, gegen jeden, der unsere Interessen bedroht, ohne Rücksichtsnahme vorgehen und zurückschlagen", betonte Chamenei. Zu Trumps Vorwurf, der Iran für den Sturm auf die US-Botschaft verantwortlich machte, sagte er: "Das sind hohle Worte und zudem unlogisch. Die Menschen in der Region hassen die USA."

Der vorerst höchste Gipfel der Eskalation des Konflikts zwischen den USA und Iran wurde mit der Tötung des Kommandeurs der Al-Kuds Brigade, Ghassen Soleimani, erreicht. Soleimani wurde in den frühen Morgenstunden des 3. Januar nach der Landung in Bagdad in einem Fahrzeugkonvoi in der Nähe des Flughafens durch mehrere Drohnen und Raketen getötet. Mit ihm starben auch der Stellvertreter des Kommandanten der proiranischen Hasched-al-Schaabi-Milizen, Abu Mehdi Mohandes, und weitere acht Personen.

Präsident Trump hatte die Tötung persönlich angeordnet. Er veröffentlichte auf Twitter zunächst nur das Bild einer US-Flagge, ohne Kommentar. Später schrieb er, Soleimani habe in einem längeren Zeitraum "Tausende Amerikaner getötet oder schwer verletzt." Er habe geplant, "viele weitere US-Bürger zu töten." Auch für den Tod zahlreicher Demonstranten in Iran sei er verantwortlich. In einem weiteren Tweet schrieb Trump: "Wir haben vergangene Nacht gehandelt, um einen Krieg zu stoppen. Wir haben nicht gehandelt, um einen Krieg zu beginnen." Er bezeichnete Soleimani als Terroristen Nummer 1 weltweit. "Wir haben ihn auf frischer Tat ertappt und ausgeschaltet."

US-Außenminister Mike Pompeo rechtfertigte die Tötung, die seiner Meinung nach das Leben zahlreicher US-Bürger gerettet habe. Er versicherte, die USA wollten keinen Krieg gegen Iran. "Aber wir werden nicht dastehen und zusehen, wie das Leben der US-Bürger in Gefahr ist," sagte der Minister. Das Pentagon erklärte, bei der Aktion habe es sich um eine Präventivmaßnahme gegen geplante Angriffe Irans gehandelt. "Die Vereinigten Staaten werden jede Maßnahme, die zum Schutz der amerikanischen Bürger und amerikanischen Interessen dient, durchführen." Der frühere Sicherheitsberater Trumps, John Bolton, beglückwünschte alle an dem Luftangriff Beteiligten, mit dem Soleimani "eliminiert" wurde. "Das war ein entscheidender Schlag gegen die Aktivitäten von Irans böser AL-Kuds-Einheit weltweit," zitierte ihn dpa am 3. Januar. Er "hoffe, dass dies der erste Schritt zum Regimewechsel in Iran ist." Auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der vorzeitig von seiner Griechenlandreise nach Israel zurückkehrte, begrüßte die Tötung Soleimanis, den er für den Tod amerikanischer Bürger und vieler anderer Unschuldiger verantwortlich machte. Angesichts der eskalierenden Lage haben die USA den Medien zufolge weitere 3.500 Soldaten in die Region geschickt.


REKTIONEN AUS IRAN

Die iranischen Revolutionsgarden bestätigten den Tod Soleimanis. Der frühere Kommandeur der Revolutionsgarden Mohssen Resai drohte mit Vergeltung, die "fürchterlich" sein werde. Auch Revolutionsführer Chamenei versprach Vergeltung. "Alle Feinde müssen wissen, dass der Dschihad des Widerstands mit doppeltem Ansporn weitergehen wird," sagte er. Den Tod Soleimanis werden "das iranische Volk und andere freie Völker in der Region den amerikanischen Verbrechern" heimzahlen, sagte Präsident Rohani. Der Nationale Sicherheitsrat Irans bezeichnete die Tötung als "größten strategischen Fehler" der USA. "Die USA sollte wissen, dass dies bis jetzt ihr größter strategischer Fehler in der Region war und dass sie aus dieser Sache nicht heil herauskommen werden," erklärte der Rat am 3. Dezember. Iran werde "zu einem geeigneten Zeitpunkt und an einem geeigneten Ort das Verbrechen" vergelten. Der Vizebefehlshaber der Revolutionsgarden General Mohammad Resa Naghdi sagte, die Amerikaner sollten "gleich heute ihre Stützpunkte in der ganzen Region räumen, oder sie sollen für ihre Soldaten Särge kaufen."

Das Teheraner Außenministerium bestellte den Schweizer Botschafter ein, der die Interessen der USA in Iran vertritt. Außenamtssprecher Mussawi sagte zudem: "Die Antwort Irans auf eine Botschaft der USA wurde dem Geschäftsführer der Schweizer Botschaft übermittelt." Nach Angaben der Revolutionsgarden hat Washington versucht, mit Teheran Kontakt aufzunehmen und in einer Botschaft Iran aufgefordert, eine mögliche Reaktion auf die Tötung Soleimanis möglichst "verhältnismäßig" ausfallen zu lassen, sagte Ali Fadawi, stellvertretender Befehlshaber der Garden. "Wenn ihr Rache wollt, dann nehmt Rache im Verhältnis zu dem, was wir getan haben," soll die Botschaft gelautet haben. Die Vereinigten Staaten seien nicht in der Lage zu bestimmen, wie Iran vorzugehen habe, sagte Fadawi im staatlichen Fernsehen am 4. Januar.

Die EU appellierte an alle Beteiligten, sich zurückzuhalten. "Die derzeitige Spirale der Gewalt im Irak muss gestoppt werden, bevor sie außer Kontrolle gerät," sagte der neue EU-Außenbeauftragte Josef Borrel am 3. Januar. Die irakische Regierung warnte vor einer verheerenden Eskalation, einem "zerstörerischen Krieg.". Der noch amtierende Ministerpräsident Adel Abdul Mahdi verurteilte die Tötung Soleimanis als Aggression gegen sein Land. Die Lage bezeichnete er als eine "gefährliche Eskalation, die die Lunte zu einem zerstörerischen Krieg im Iran, in der Region und in der ganzen Welt entzündet."

Am 4. Dezember warf im Sender Fox News Pompeo den Europäern vor, in der neu entstandenen Lage "nicht so hilfreich" gewesen zu sein wie er erwartet habe. "Ehrlich gesagt, waren die Europäer nicht so hilfreich, wie ich es mir wünschen würde. Die Briten, Franzosen, Deutsche müssen verstehen, dass das, was wir, was die Amerikaner getan haben, auch Leben in Europa gerettet hat," zitiert ihn die Agentur AFP. Bei den Gesprächen mit US-Verbündeten in der Region seien hingegen "alle phantastisch" gewesen.

Am 4. Januar drohten Irans Revolutionsgarden den USA erneut mit massiver Vergeltung. Wo immer die Amerikaner erreichbar seien, werde man sie bestrafen, sagte der Kommandeur der Garden General Gholamali Abuhamseh laut der Agentur Tasnim. In iranischer Reichweite gebe es 35 US-Stützpunkte und auch Tel Aviv sei erreichbar. "Die Straße von Hormos ist ein wichtiger Punkt für den Westen, und viele amerikanische Zerstörer und Kriegsschiffe passieren sie," sagte der General.

Indes hat Iran sich in einem Schreiben an den UN-Sicherheitsrat das Recht auf Selbstverteidigung vorbehalten. Madschid Tacht Rawantchi, Irans Botschafter bei der UNO, begründete dies damit, dass die Tötung Soleimanis nichts anderes als "Staatsterrorismus" sei und ein eklatanter Bruch des Völkerrechts. Auch Russland warf den USA Bruch des Völkerrechts vor. Außenminister Sergej Lawarow stimmte mit seinem iranischen Amtskollegen Sarif darin überein, dass die Tötung eine "unverhohlene Verletzung des grundlegenden internationalen Rechts" darstelle. Auch der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sprach vom Bruch des Völkerrechts. "Das Völkerrecht wurde verletzt und auch unser Verständnis von staatlicher Gewalt, die durch Recht und Demokratie begründet und eingegrenzt ist, "sagte er in der "Rheinischen Post."

Sowohl in Iran als auch im Irak gingen Hunderttausende nach dem Freitagsgebet auf die Straße und demonstrierten gegen die USA. Sie schworen Rache und wünschten den USA und Israel den Tod.

Die ganze Welt wartet mit bangen Gefühlen, wie Iran auf die Aktion der USA reagieren werde. Iran befindet sich im Zugzwang. Die Führung würde sich nach den verbalen Drohungen unglaubwürdig machen, wenn sie nichts unternehmen würde. Doch schon ein Angriff auf einen US-Stützpunkt könnte zu einem Flächenbrand in der gesamten Region führen.


GENERAL GHASSEM SOLEIMANI

Ghassem Soleimani gehörte zu den populärsten Figuren, die in der vierzigjährigen Geschichte der Islamischen Republik eine Rolle gespielt haben. Er wurde wie ein Nationalheld gefeiert. Sein Konterfei ist überall zu sehen, auf Plakaten, den Titelblättern von Zeitschriften, auch auf Briefmarken. Seine Anhänger verehren ihn als sei er ein Heiliger. Revolutionsführer Ali Chamenei bezeichnete ihn als "lebenden Märtyrer", das Parlament würdigte ihn als "Symbol des revolutionären Widerstands." Solche Ehrungen werden in der Islamischen Republik kaum jemanden zuteil.

Selbst junge Popmusiker, die mit Krieg und Märtyrertum nichts am Hut haben, haben ihn verehrt und gefeiert. Bei YouTube gibt es zahlreiche Clips über ihn, die von arabischen und iranischen Musikern produziert wurden. In einem Kommentar zu einem Clip heißt es: "Soleimani ist nicht nur ein iranischer Kommandeur, er gehört allen Ländern an, die die Freiheit lieben. Du lebender Märtyrer, wir lieben dich."

Soleimani wurde 1957 in einem kleinen Ort bei Kerman, im Südosten des Landes geboren. In den ersten Monaten nach der Islamischen Revolution von 1979 arbeitete er bei einem Wasserbetrieb in Kerman. Von dort aus wurde er zur Erledigung einer Dienstleitung bei den Revolutionsgarden (Pasdaran) beordert. "Ich sollte eigentlich nur zwei Wochen bei den Pasdaran bleiben," sagte Soleimani später. Doch er blieb dort bis zum Ende seines Lebens.

Im iranisch-irakischen Krieg (1980-1988) übernahm er verschiedene Aufgaben und stieg rasch auf. Bevor er zur Al-Kuds-Brigade ging kommandierte er die Devision Sarollah, die im Krieg gegen Irak eine Schlüsselrolle spielte. Die Al-Kuds-Brigade, eine Abteilung der Pasdaran, war bereits damals zuständig für Auslandseinsätze. Sie spielte aber zunächst keine wichtige Rolle. Erst nach dem Sturz von Saddam Hussein im Irak und der Einflussnahme Irans in dem Nachbarland, wurde die Brigade zu einem wichtigen Mitspieler auf der politischen und militärischen Bühne des Nahen Ostens.

Es waren aber nicht nur die externen Umstände, die der Brigade diese Rolle ermöglichten. Soleimani, der das Oberkommando der Brigade übernommen hatte, erwies sich als ein äußerst kluger und talentierter Stratege. Er sorgte für die Stärkung der libanesischen Hisbollah, organisierte die schiitischen Milizen im Irak und er war es, der einen Plan zur Rettung des syrischen Machthabers Baschar al-Assad entwickelte. 2015, als das Ende des Regimes in Syrien unabwendbar schien, begab er sich nach Moskau, überzeugte die Russen von seinem Plan und sorgte dafür, dass auch Russland in den syrischen Bürgerkrieg intervenierte.

Zur Berühmtheit gelangte Soleimani im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) im Irak. 2014 organisierte er schiitische Milizen, denen es gelang, in Amirli dem IS eine herbe Niederlage zuzufügen. 2015 übernahm Soleimani das Kommando über die schiitische Badr-Brigade und führte die bis dahin größte Offensive gegen den Islamischen Staat. Freunde und Feinde Soleimanis bestätigen, dass der General bei der Vertreibung und Vernichtung des Islamischen Staates sowohl im Irak als auch in Syrien eine entscheidende Rolle gespielt hat.

Dank seiner großen Erfolge, die ihn international berühmt machten, wurde Soleimanis Rolle im Machtgefüge der Islamischen Republik enorm aufgewertet. Zum Leidwesen des Teheraner Außenministeriums bestimmte nicht länger der Außenminister die iranische Politik im Nahen und Mittleren Osten, sondern General Soleimani. Er wurde sogar als Nachfolger des Revolutionsführers gehandelt. Sein Tod wird ohne Zweifel nicht ohne Folgen für Irans Rolle im Nahen Osten bleiben.


ROHANI RUFT MUSLIMISCHE STAATEN ZU ZUSAMMENARBEIT AUF

Während der Teilnahme an der islamischen Konferenz in Malaysia Ende Dezember rief Irans Präsident Hassan Rohani die islamischen Nationen dazu auf, wirtschaftlich miteinander zu kooperieren, ein gemeinsames Bankensystem zu gründen und die Zahlungen in eigenen Landeswährungen zu tätigen. Auch im digitalen Bereich sollten die Staaten enger miteinander zusammenarbeiten und sich austauschen. Dazu solle ein Fond eingerichtet werden, der die technologische Zusammenarbeit fördere. Nur so sei es möglich, sich von der Wirtschaft der Großmächte unabhängig zu machen.

Wirtschaftssanktionen dienten den USA dazu, ihre Dominanz in der Welt zu sichern, sagte Rohani. "Die muslimische Welt sollte Schritte planen, um sich vor der Vorherrschaft des US-Dollars und des amerikanischen Finanzsystems zu schützen." Die Einflussnahme des Westens werde umso leichter, je schwächer die wirtschaftliche Lage in den islamischen Ländern werde und Armut und Korruption zunähmen. Als Beispiel nannte er Afghanistan, Syrien und Jemen. Die US-Sanktionen gegen Iran hätten das Land schwer belastet. Doch dem Staat sei es inzwischen gelungen, sich vom Ölexport unabhängiger zu machen und die einheimische Wirtschaft zu stärken.


GEMEINSAMES MANÖVER MIT RUSSLAND UND CHINA

Die drei Staaten, Russland, China und Iran, haben am 27. Dezember mit einem gemeinsamen Manöver im Golf von Oman begonnen. Obwohl der iranischen Konteradmiral Gholamresa Tahani im staatlichen Fernsehen sagte, das Manöver sei eine "Botschaft des Friedens, der Freundschaft und der anhaltenden Sicherheit durch Zusammenarbeit und Einigkeit," bewerten politische Beobachter, angesichts der brisanten Lage am Persischen Golf, die Aktion als eine Warnung an die USA und ihre Verbündeten, mögliche Kriegspläne gegen Iran zu schmieden. Daher sprachen einige Medien von einem "neuen Dreieck der Macht."

An dem Manöver nehmen auch die iranischen Revolutionsgarden teil, die von den USA im April 2019 auf die Liste terroristischer Organisationen gesetzt worden waren.


BESCHLAGNAHME EINES ÖLTANKERS UND FESTNAHME VON 16 CREW-MITGLIEDERN

Der staatlichen Agentur Irna zufolge haben die iranischen Revolutionsgarden im Persischen Golf einen Öltanker beschlagnahmt und 16 malaysische Crew-Mitglieder festgenommen. Laut Ali Osmai, Kommandeur der sechsten Abteilung der Marine der Garden, war dies der sechste Tanker der von den Garden beschlagnahmt wurde. Der letzte Tanker hatte 1,312 Millionen Liter illegalem Öl an Bord. Welche Flagge das Schiff trug, ist nicht bekannt.


EUROPÄER: IRANS RAKETENPROGRAMM VERSTÖßT GEGEN UN-RESOLUTION

Die europäischen Mitglieder des Atomabkommens erklärten in einem Schreiben an UN-Generalsekretär Antonio Guterres, ein Teil des iranischen Raketenprogramms verstoße gegen die UN-Resolution. Der Bau von ballistischen Raketen, die in der Lage seien, Atomsprengstoffe zu transportieren, stelle einen Verstoß gegen die UN-Resolution 2.231 des UN-Sicherheitsrats dar, hieß es. Das Schreiben trägt das Datum vom 21. November, wurde aber erst am 4. Dezember öffentlich bekannt.

Die UN-Resolution 2.231, die 2015 aufgrund des Abkommens zwischen Iran und den UN-Vetomächten plus Deutschland verabschiedet wurde, untersagt ausdrücklich den Bau ballistischer Raketen, die atomar bestückt werden können.

Nun erklärten die UN-Botschafter Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens am 5. Dezember, Iran entwickle atomfähige ballistische Raketen. Sie forderten den UN-Generalsekretär Antonio Guterres auf, in seinem nächsten Bericht den Sicherheitsrat über das iranische Raketenprogramm zu informieren.

In dem Schreiben wird auf einen Videofilm hingewiesen, der am 22, April in den Medien gezeigt wurde. Der Film zeigt einen Test der Mittelstreckenrakete "Schahab 2," die nach Meinung von Experten zum Transport von Atomsprengstoffen geeignet sein soll. Zudem verweisen die Unterzeichner des Schreibens auf weitere drei Tests, die ihrer Ansicht nach gegen die UN-Resolution verstoßen. Am 24. Juli testete Iran eine Rakete mit einer Reichweite von mehr als 1.000 Kilometern.

Auch die USA und Saudi-Arabien verurteilen das iranische Raketenprogramm. Die USA versuchen seit ihrem Austritt aus dem Atomabkommen Iran durch " maximalen Druck" zu neuen Verhandlungen zu zwingen, nicht nur über das iranische Atomprogramm, sondern auch über das Raketenprogramm. Saudi-Arabien wirft Iran vor, den Kampf der Huthis in Jemen auch durch die Lieferung von Raketen zu unterstützen, Raketen, mit denen saudische Einrichtungen immer wieder angegriffen werden.

Iran lehnt den saudischen Vorwurf ab und behauptet, die Huthis seien selbst in der Lange, Raketen zu bauen. Auch den Vorwurf der EU-Staaten hat Teheran unmittelbar nach Bekanntwerden des Schreibens an den UN-Generalsekretär zurückgewiesen. Der Brief enthalte "eine verzweifelte Falschheit," erklärten Außenminister Mohammad Daschawad Sarif und UN-Botschafter Madschid Tacht Rawantschi. Die Behauptung, Iran baue atomwaffenfähige ballistische Raketen, sei grundlegend falsch, sagten sie. Iran werde den Bau ballistischer Raketen ebenso wie seiner Weltraumtechnik weiterhin entschlossen fortsetzen.


WASHINGTON DEMENTIERT BERICHT ÜBER TRUPPENAUFSTOCKUNG IN DER GOLFREGION

Das "Wall Street Journal" hat unter Berufung auf Vertreter der Regierung, die nicht genannt werden, am 4. Dezember berichtet, das US-Verteidigungsministerium plane angesichts der sich zuspitzenden Lage am Persischen Golf eine Aufstockung seiner Truppen um weitere 14.000 Soldaten und " dutzende" zusätzliche Kriegsschiffe. Die US-Regierung wies den Bericht zurück. "Die USA erwägen nicht, 14000 weitere Soldaten in den Nahen Osten zu schicken," twitterte laut AFP vom 5. Dezember eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums.


BUNDESREGIERUNG WEIST US-FORDERUNGEN NACH SANKTIONEN ZURÜCK

Die Bundesregierung hat Ende November nochmals betont, weiterhin am Atomabkommen mit Iran festhalten zu wollen. Sie wies Forderungen der Vereinigten Staaten, sich dem "maximalen Druck" der USA gegen Iran anzuschließen, zurück. "Das ist unser Ansatz und daran hat sich auch in den letzten Tagen nichts geändert," sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am 27. November in Berlin.

Anlass zu der Stellungnahme war ein Interview des Nationalen Sicherheitsberaters von US-Präsident Donald Trump, Robert O'Brien, mit der Bild-Zeitung, in dem er Deutschland aufforderte, "umfassende Sanktionen" gegen Iran zu verhängen, um das Land zu Verhandlungen über sein Atomprogramm zu zwingen.


IRANISCHE WAFFEN FÜR JEMEN BESCHLAGNAHMT

Den Angaben des US-Militärs zufolge wurden "große iranische Waffenlieferungen" für die Huthis in Jemen beschlagnahmt, berichtete dpa am 5. Dezember. Demnach soll ein Kriegsschiff der US-Marine bei einer Routinekontrolle eines Kleinboots im Norden des Arabischen Meeres Waffen und Raketenteile entdeckt haben, die aus Iran stammten und für die rebellierenden Huthis in Jemen bestimmt waren. Die modernen Raketenkomponenten deuteten darauf hin, sie könnten aus Iran stammen, sagte Pentagonsprecher Sean Robertson.

Sowohl Saudi-Arabien als auch die USA erklärten immer wieder, dass Iran Waffen nach Jemen liefere. Iran hingegen bestreitet dies und behauptet, nur als Berater in Jemen tätig zu sein. Sollten die Waffen tatsächlich aus Iran stammen, wäre dies das erste Mal, dass sie abgefangen wurden und ein Beweis für die bisherigen Behauptungen vorliegen könnte.


OMANS AUßENMINISTER ZU BESUCH IN TEHERAN

Es war der dritte Besuch des Außenministers von Oman, Youssef Bin Alawi, innerhalb der vergangenen acht Monate in Teheran. Oman gehört zu den wenigen Staaten am Persischen Golf, die gute Beziehungen zu Iran pflegen. Das Sultanat spielte in Krisensituationen stets, insbesondere wenn die Konflikte zwischen Iran und den USA bzw. Saudi-Arabien sich zuspitzten, eine wichtige Rolle. Bin Alawi hatte eine Woche vor seiner Reise nach Iran mit US-Außenminister Mike Pompeo in Washington Gespräche geführt und dabei unter anderem über den Krieg in Jemen gesprochen. In Teheran führte Bin Alawi Gespräche mit Außenminister Sarif, dem Generalsekretär des nationalen Sicherheitsrat Ali Schamchani und dem Parlamentspräsidenten Ali Laridschani.

Die staatliche Agentur Irna berichtete am 2. Dezember, ein wichtiges Thema bei den Gesprächen sei der von Iran vorgeschlagene "Initiative Frieden Hormus" gewesen, ein Projekt, das Iran im September zur Lösung der eskalierenden Lage im Persischen Golf der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York vorlegte. Irans Präsident Hassan Rohani hatte bei seiner Rede die Nachbarstaaten zur Teilnahme an dem Projekt aufgefordert, einem Projekt, das seiner Ansicht nach die Konflikte lösen und Sicherheit und Stabilität im Persischen Golf und in der Straße von Hormus gewährleisten könnte. Einige Staaten hatten Zustimmung zu dem Projekt signalisiert, nicht jedoch Saudi-Arabien, das zu den größten Rivalen Irans zählt.

Präsident Rohani hatte beim Treffen mit Bin Alawi erklärt, Iran habe kein Problem, seine diplomatischen Beziehungen zu Saudi-Arabien wieder aufzunehmen. "Wir müssen die Vergangenheit hinter uns lassen und in die Zukunft blicken," sagte Rohani. Zugleich kritisierte er die Regierung in Riad. "Die Politik Saudi-Arabiens in Syrien, Irak und Libanon hat für das Land nichts gebracht. Es wird Zeit, dass die Regierung in Riad einen Kurswechsel vornimmt."

Die diplomatischen Beziehungen zwischen Teheran und Riad wurden im Dezember 2015, nach einem Sturm einer protestierenden Gruppe auf die saudische Botschaft in Teheran abgebrochen. Seitdem vertritt die Schweiz die Interessen beider Staaten. Saudi-Arabien gehört neben Israel zu jenen Staaten, die den "maximalen Druck" der USA gegen Iran unterstützen. Teheran bezeichnet die Führung Saudi-Arabiens als "reaktionär," erklärte jedoch immer wieder, zur Normalisierung der Beziehungen zu Riad bereit zu sein.

Iranische Medien berichteten, Bin Alawi sei bezüglich einer Deeskalation der Konflikte zwischen Saudi-Arabien und Iran optimistisch.

Doch die saudische Reaktion auf die Offerten aus Teheran ist alles andere als versöhnlich. Der saudische Staatsminister für Auswärtiges, Adel al-Dschubair, bezeichnete Iran bei der Mittelmeerkonferenz in Rom am 6. Dezember als "das brutalste Regime in der Welt" und warnte vor einer Appeasement-Politik Teheran gegenüber. "Das Appeasement hat mit Hitler nicht funktioniert (...) und es wird mit dem heutigen Iran nicht funktionieren," zitierte ihn dpa am 6. Dezember. Er betonte, die Politik der USA, zu versuchen Iran durch wirtschaftlichen Druck an den Verhandlungstisch zurück zu holen, sei richtig. Es gehe nicht um einen Regimewechsel in Teheran. "Worüber wir sprechen, ist eine Verhaltensänderung," sagte er.

Demgegenüber berichtete das "Wall Street Journal" am 13. Dezember von Versuchen der Annäherung Saudi-Arabiens an Iran. Den Kurswechsel begründet die Zeitung mit der Furcht Saudi-Arabiens und anderer Staaten am Persischen Golf, die USA könnten ihre Unterstützung zurückziehen. Diese Befürchtung habe sich mit den Anschlägen gegen saudische Ölanlagen erheblich verstärkt. Die Saudis machen Iran für die Anschläge verantwortlich. Das Blatt zitierte einen ungenannten saudischen Amtsträger, der sagte, zwar könne man Iran nicht trauen, aber vielleicht ließen sich die Anschläge durch Verhandlungen vermeiden.

Bei einer Versammlung in Doha, der Hauptstadt Katars, präsentierte Irans Außenminister Sarif das Projekt "Initiative Frieden Hormus" und erklärte, "niemand wird von einer Konkurrenz, die die Vernichtung des Rivalen zum Ziel hat, profitieren. Die richtige Sicherheit ist wie das Wetter, das keine Grenzen kennt. Kann man Sicherheit und Stabilität kaufen?" Die immer größere Aufrüstung sei sinnlos. "Wir brauchen neue Paradigmen in der Region," sagte Sarif.


ROHANI TRIFF ABE IN TOKIO

Irans Präsident Hassan Rohani traf am 21. Dezember zu einem Gespräch mit dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe in Tokio ein. Abe ist seit geraumer Zeit bemüht, im Konflikt zwischen Teheran und Washington zu vermitteln. Japan gehörte zu den wichtigsten Abnehmern des iranischen Öls. Doch nach den US-Sanktionen wurde der Import aus Iran eingestellt.

Vor seiner Abreise sagte Rohani, er werde mit Abe unter anderem über den Schifftransport im Persischen Golf und dem Meer von Oman sprechen. Japan sei an der Sicherheit des Transports in diesem Gebiet besonders interessiert.

Abe war im vergangenen August nach einem Treffen mit US-Präsident Donald Trump nach Teheran gereist, mit dem Ziel, im Streit zwischen Teheran und Washington zu schlichten. Doch gerade während dieser Zeit häuften sich die Anschläge und Beschlagnahmung von Schiffen im Persischen Golf, was die Beziehung zwischen Iran und den USA zusätzlich belastete. Die USA machten Iran für die Anschläge verantwortlich und Irans Revolutionsführer Ali Chamenei lehnte im Gespräch mit Abe jeden Kontakt zu den USA grundsätzlich ab.

Wie die japanischen Medien berichteten, kam das neue Treffen zwischen Rohani und Abe auf Wunsch Irans zustande. Zugleich hieß es, auch die USA hätten Abe gegenüber Zustimmung zum Treffen mit Rohani signalisiert. Angesichts der engen Beziehungen zwischen Japan und den USA wurde in den Medien darüber spekuliert, Rohanis Wunsch Abe zu treffen hänge mit den Vermittlungsbemühungen Japans zusammen. Auf iranischer Seite wurde jedoch betont, dass eine mögliche Vermittlung nicht zu den Themen des Gesprächs zwischen Abe und Rohani gehören werde.

Bei dem Gespräch forderte Abe Iran auf, seine Verpflichtungen im Atomabkommen einzuhalten. Dazu sagte Rohani, seine Regierung lege großen Wert auf das Abkommen. Japan und andere Staaten sollten dafür sorgen, dass Irans Interessen wahrgenommen werden. Ob die beiden Regierungschefs über den Konflikt zwischen Teheran und Washington gesprochen haben, wurde nicht mitgeteilt.


UNO KANN TEILNAHME IRANS AN ANSCHLÄGE GEGEN SAUDISCHE ANLAGEN NICHT BESTÄTIGEN

UN-Generalsekretär Antonio Guterres erklärte am 11. Dezember, die Vereinten Nationen seien nicht in der Lage, zu bestätigen, dass die Raketen und Drohnen, die die Ölanlagen Saudi-Arabiens angegriffen hätten, iranischen Ursprungs seien. Für die Angriffe im vergangenen September, die große Zerstörungen verursacht hatten, hatten die jemenitischen Huthis die Verantwortung übernommen. Demgegenüber erklärten sowohl die USA, Israel und Saudi-Arabien als auch die EU-Staaten, die Beteiligung Irans an den Anschlägen sei eindeutig.

Guterres sagte, die von der UNO beauftragten Experten hätten die Waffen, die bei den Angriffen im Mai und im September auf saudische Ölanlagen und im Juni auf den internationalen Flughafen in Saudi-Arabien verwendet wurden, untersucht. "Sie haben nicht bestätigen können, dass die Waffen aus Iran stammen."

Laut saudischer Angaben wurden bei dem Angriff im September 18 Drohnen und zwei Marschflugkörper eingesetzt, die mit dem Navigationssystem GPS verbunden gewesen seien. Damit sollten die Ziele genau getroffen werden. Die Raketen stammten von iranischen Revolutionsgarden, behaupteten die Saudis.

Die von der UNO beauftragten Experten, die die Sanktionen über Iran und Jemen überwachen, waren nach dem Anschlag vom 14. September nach Saudi-Arabien gereist. Sie konnten die saudischen Behauptungen nicht bestätigen, allerdings meinten sie auch, dass allem Anschein nach die Huthis nicht über jene Waffen verfügten, die bei dem Anschlag eingesetzt worden seien.

Guterres hatte im September den Anschlag entschieden verurteilt und hinzugefügt, dass er erst einmal die Ergebnisse der Untersuchungen abwarten wolle. US-Außenminister Mike Pompeo hingegen machte sofort Iran für den Anschlag verantwortlich und bezeichnete ihn als ein Akt des Krieges. Bei einem Besuch in Saudi-Arabien sagte er, an Iran gerichtet: "Ihr könnt nicht die Verantwortung für den Verlust von fünf Prozent des Energiebedarfs der Welt auf andere schieben und jede Verantwortung zurückweisen." Tatsächlich hatte der Anschlag auf zwei Anlagen des Ölkonzerns Saudi Aramco den internationalen Ölmarkt schwer getroffen.

Die Saudis präsentierten auf einer Pressekonferenz Beweisstücke, die auf eine Beteiligung Irans an dem Anschlag hinwiesen. Deutschland, Frankreich und Großbritannien erklärten gemeinsam am 24. September, sie seien zu dem Ergebnis gelangt, dass Iran für den Anschlag verantwortlich sei. "Wir haben keinen Zweifel daran, dass Iran für den Anschlag verantwortlich ist. Eine andere Erklärung gibt es nicht. Wir unterstützen Untersuchungen, um weitere Details zu erforschen," hieß es in der Erklärung.


IRAN LEHNT FREILASSUNG INHAFTIERTER FRANZOSEN AB

Iran wies die Aufforderung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zurück, die Wissenschaftlerin Fariba Adelkhah und ihren Kollegen Roland Marchal sofort freizulassen. Macron bezeichnete es als "inakzeptabel," dass die beiden sich immer noch in iranischer Haft befinden. Am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, twitterte er an Präsident Rohani gerichtet, er denke an die beiden Landsleute und ihre Familien. Die beiden sollten sofort freigelassen werden.

Die iranische Justiz lehnte am 11. Dezember die Freilassung der beiden, die sich seit Juni im Gefängnis befinden, ab. Laut dem Anwalt der beiden Wissenschaftler hatte der Richter einer Freilassung gegen Kaution zugestimmt, doch der Staatsanwalt habe dagegen Widerspruch eingelegt.

Die Iranerin Adelkhah, die die französische Staatsbürgerschaft besitzt, ist Anthropologin, sie ist für ihre Arbeiten über den schiitischen Islam bekannt. Bevor sie verhaftet wurde, hatte sie mehrere Monate lang in Iran Feldforschung betrieben. Der Franzose Marchal, der mit Adelkhah befreundet ist und am selben Institut wie sie in Paris arbeitet, ist Afrika-Spezialist. Zweck seiner Reise nach Iran war seinen Angaben zufolge der Besuch seiner Freundin. Er wurde sogleich nach seiner Ankunft festgenommen. Ihm wird "Verschwörung gegen die nationale Sicherheit Irans" vorgeworfen. Adelkhah wird beschuldigt, für ausländische Geheimdienste spioniert zu haben.

Am 26. Dezember teilten Adelkhah und die australische Kylie Moor-Gilbert, in einem offenen Brief aus dem Teheraner Gefängnis mit, dass sie aus Protest gegen "psychologische Folter und Menschenrechtsverletzungen" in einen Hungerstreik getreten seien. Moor-Gilbert ist eine Nahostexpertin, die sich seit Oktober 2018 in iranischer Haft befindet.

Am 27. Dezember bestellte das französische Außenministerium den iranischen Botschafter in Paris ein, um gegen die Inhaftierung von Adelkhah und Marchal zu protestieren und ihre unverzügliche Freilassung zu fordern. Der Sprecher des Teheraner Außenministeriums, Abbas Mussawi, wies die Forderungen Frankreichs am 29. Dezember zurück. Die Einbestellung des iranischen Botschafters sei ein Akt der Einmischung in innere Angelegenheiten Irans und entbehre jeglicher rechtlichen Grundlage. Adelkhah sei wegen Spionage angeklagt. Ihr Anwalt sei über Details informiert und ihr Fall werde von der Justiz bearbeitet, sagte Mussawi. Das Gleiche gelte auch für den Angeklagten Marchal. Die Forderungen und die Aktivitäten Frankreichs in Bezug auf diese Fälle seien nichts Anderes als "politische Stimmungsmache" gegen Iran. Angesichts der Schwere der Vorwürfe gegen die beiden Gefangenen könne Frankreich die iranische Justiz nicht daran hindern, die Beschuldigten vor Gericht zu stellen.

Zu dem Hungerstreik der beiden Frauen sagte Mussawi, die Islamische Republik lasse sich durch solche "politische Spielchen" nicht einschüchtern. Die australische Staatsbürgerin sei wegen Aktivitäten gegen die "nationale Sicherheit" Irans in einem ordentlichen Prozess verurteilt worden.

Die Australierin wurde zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Derzeit befinden sich eine ganze Reihe ausländischer Bürger und Bürgerinnen in iranischer Haft.


MENSCHENRECHTSPREIS FÜR IRANISCHE ANWÄLTIN UND ANWÄLTE

Der Rat der Europäischen Juristen und Anwälte hat den diesjährigen Preis für den Einsatz für Menschenrechte an die iranische Anwältin Nassrin Sotoudeh und die Anwälte Mohammd Nadschafi, Amirsalar Rawudi, Mohammd Ndschafi und Abdolfattah Soltani vergeben. Soltoudeh und Nadschafi befinden sich derzeit im Gefängnis, Soltani saß längere Jahre in Haft.

Der Rat ist eine regierungsunabhängige Organisation. Er vertritt Jurist/innen und Anwält/innen aus 45 europäischen Staaten. Er hat mehr als eine Millionen Mitglieder. Mit der Bekanntgabe der Preisverleihung forderten mehrere Anwaltsvereine die sofortige Freilassung von Sotoudeh. Sie wurde zuletzt vor einem Jahr in ihrer Wohnung in Teheran festgenommen. Aufgrund der gegen sie erhobenen Vorwürfe müsste sie 22 Jahre im Gefängnis bleiben. Sie hatte bereits drei Jahre im Gefängnis verbracht. Sie wurde erneut in Haft genommen, weil sie junge Frauen, die gegen die Kleidungsvorschriften protestiert hatten, verteidigte.

Soltani wurde im vergangenen Jahr, nachdem er sieben Jahre im Gefängnis verbracht hatte, freigelassen. Er war Mitglied des Vereins für die Verteidigung der Menschenrechte in Iran. Er hatte eine ganze Reihe politischer Gefangene verteidigt und wurde zunächst zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt, was später auf zehn Jahre herabgesetzt wurde. Zugleich erhielt er 20 Jahre Berufsverbot, das später ebenfalls reduziert wurde.

Dawudi, der ebenfalls Dissidenten verteidigte, wurde wegen seines Einsatz für Menschenrechte zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Nach islamischen Recht muss er demnach 15 Jahre im Gefängnis verbringen. Nach Angabe der Menschenrechtsorganisation Amnesty International befindet sich Dawudi seit 20. November 2018 im Teheraner Ewin-Gefängnis. Die Kontakte zu seiner Familie und seinem Anwalt seien stark eingeschränkt. "Beleidigung des Revolutionsführers, Propaganda gegen die Staatsordnung der Islamischen Republik und Gruppenbildung zum Zweck der Störung der nationalen Sicherheit" gehören zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen, die ihm die längste Strafe von 15 Jahren Gefängnis einbrachten.

Nadschafi, der inhaftierte Demonstrierende bei den Unruhen im Januar 2018 verteidigte, wurde zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt. Für Interviews mit ausländischen Medien wurde er mit zehn Jahren Gefängnis bestraft, ein Jahr Gefängnis erhielt er wegen Beleidigung des Revolutionsführers und ein Jahr für die Unterstützung oppositioneller Gruppen.

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Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Anja Hoffmann
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
19. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 1/2020 - Januar 2020 / 19. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2020

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