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HEINRICH BÖLL STIFTUNG/457: Iran-Report Nr. 2 - Februar 2020


Iran-Report der Heinrich-Böll-Stiftung - Nr. 2 - Februar 2020
Eine Zusammenfassung aktueller Ereignisse im Iran

von Bahman Nirumand


Iran steht an einem Scheideweg. Nach dem Austritt der USA und der Wiedereinführung von Wirtschaftssanktionen droht das Atomabkommen zu scheitern. Der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung, die Öffnung nach außen und vor allem auch die Liberalisierung der theokratischen Staatsordnung sind in weite Ferne gerückt. Über den Kurs des Landes, auch über die Rolle Irans in der Region, ist sich die Staatsführung nicht einig. Wie der Machtkampf, der schon seit geraumer Zeit zwischen Konservativen und Reformern tobt, ausgehen wird, ist ungewiss. Der Iran-Report wertet Nachrichten verschiedener Quellen aus. Auch um die von den Mächtigen in Iran verfügten Behinderungen und Einschränkungen der journalistischen Arbeit auszugleichen. Der Iran-Report produziert keine Schlagzeilen, sondern er erhellt die Meldungen, das Nichtgesagte dahinter.


INNENPOLITIK

• Tausende Kandidaten für die Parlamentswahlen abgelehnt
• Sarif im Hagel der Kritik
• Proteste wegen Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine und Vertuschungen
• Offener Brief der Gruppe der "Gerechtigkeitsforderer" an Chamenei
• Abgeordneter Sadeghi: Revolutionsführer ist nicht ausreichend informiert
• Diskriminierung religiöser Minderheiten erreicht einen neuen Gipfel
• Angehöriger paramilitärischer Einheit getötet
• Eine Frau zu Botschafterin Irans in Dänemark ernannt
• Edalatchah streikt im Gefängnis
• Sohn des 1979 gestürzten Schah erwartet Regimewechsel in wenigen Monaten


TAUSENDE KANDIDATEN FÜR DIE PARLAMENTSWAHLEN ABGELEHNT

Der für die Zulassung von Bewerberinnen und Bewerbern der Parlamentswahlen zuständige Wächterrat hat mehrere Tausend Kandidierende abgelehnt. Ratssprecher Abbas Ali Kadchodai teilte mit, 14.000 Bewerber hätten sich bis zur festgesetzten Frist im Dezember für die Wahl registriert, 5.000 unter ihnen seien als "geeignet" eingestuft worden. Unter den Abgelehnten befindet sich auch eine ganze Reihe von Personen, die derzeit als Abgeordnete im Parlament tätig sind. Laut der Zeitung "Etemad" gehören die meisten Abgelehnten zu dem Kreis der Gemäßigten und Reformer. Damit werde die Wahl zu einer "internen Abstimmung" unter Hardlinern, schreibt die Zeitung.

Dies ist die rigoroseste Ausgrenzung der Reformer und Gemäßigten, die es in der 40-jährigen Geschichte der Islamischen Republik gegeben hat. Wie es nun aussieht, werden die Reformer nicht einmal in der Lage sein, eine Liste für die 30 Sitze für Teheran zu präsentieren. Den ersten Berichten zufolge wurden von 762 Bewerberinnen und Bewerbern, die zu den Reformern gezählt werden, lediglich 44 als geeignet eingestuft.

Präsident Rohani hatte zuvor den Wächterrat aufgefordert, unparteiisch zu handeln. "Lasst alle Parteien und Gruppen zu, es gibt sicher nichts zu verlieren. Es ist nicht gut für das Land, wenn es von einer Fraktion regiert wird, denn das Land gehört allen Menschen." Es wäre ein Novum und Zeichen des Wandels, wenn alle Kandidierenden ohne Bedingung zugelassen werden würden. "Die Menschen lieben die Vielfalt," sagte Rohani in einer Kabinettssitzung am 15. Januar. Es habe keinen Sinn zu erzählen, es hätten sich für einen Sitz im Parlament 17, 170 oder 1.700 Kandidaten beworben. "Wichtig ist, aus wie vielen Fraktionen die Bewerber kommen, aus mehreren Fraktionen oder aus einer Fraktion?" Sollten die Bewerber nur aus einer Fraktion kommen, werde man den Vorgang schwerlich als Wahlen bezeichnen können. Genauso wie man in einem Laden, in dem es nur ein Produkt zum Kaufen gibt, von Auswahl sprechen könnte."

Auf die Worte Rohanis reagierte der Wächterrat am gleichen Tag. "Der Aufschrei nach der Ablehnung von Bewerbern ist nicht neu,", twitterte Ratssprecher Kadchodai. "Doch es ist bedauerlich, dass der Staatspräsident als Vorkämpfer dieser für das Land schädlichen Kampagne auftritt. Uns war nicht bewusst, dass die Ablehnung von Angehörigen (des Präsidenten) gleichzusetzen sein soll mit dem Ausschluss anderer Fraktionen aus den Wahlen." (Gemeint ist ein Schwiegersohn Rohanis, dessen Bewerbung abgelehnt wurde.) "Wir hätten erwartet, dass Verantwortliche des Staates in dieser Lage, in der sich das Land befindet und in der Solidarität und Einheit geboten ist, überlegter handeln und alles unterlassen, was zur Unruhe führt und nur den Feinden nutzen kann." Kadchodai warf dem Präsidenten Ahnungslosigkeit vor. "Für einen Präsidenten ziemt es sich nicht, ohne genaue Kenntnisse, freiheraus zu reden und Leute, die sich als Kandidaten nicht eignen, zu verteidigen," sagte er.

Das Büro des Präsidenten bezeichnete die Reaktion des Wächterrats als "voreilig und unausgegoren." Man könne ein Thema, das die ganze Nation betreffe, nicht personalisieren. "Wir werden uns vom Wächterrat nicht unter Druck setzen lassen," hieß es in der Erklärung. "Wir hoffen, dass die Stellungnahme des Ratssprechers seine persönliche Meinung wiedergibt und nicht die Meinung des Rates."

Am 27. Januar legte Rohani noch einmal nach. Vor einer Versammlung des Provinzgouverneurs sagte er: "Die größte Gefahr für eine Demokratie ist, wenn Wahlen zu einer reinen Formalität werden. Das heißt, wenn Kandidaten zuvor ernannt und danach die Menschen rein aus formalen Gründen zu den Urnen geschickt werden." Mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen meinte er, es sei "sehr wichtig, dass Menschen die Freiheit haben, zwischen verschiedenen Kandidaten zu wählen". "Stellen Sie sich ein Land vor, in dem es drei verschiedene politische Strömungen gibt: die "Prinzipientreuen," "Reformer" und "Gerechtigkeitsforderer." Die ersten sind zuhauf vertreten, die zweiten muss man mit der Lupe suchen und von der dritten Strömung sieht man überhaupt nichts."

Rohani sagte weiter: "Nach der Verfassung sind die Provinzgouverneure für die Durchführung der Wahlen zuständig, die anderen (Wächterrat) beobachten die Wahlen. Inzwischen ist es umgekehrt." Die einseitige Auswahl könne auch dazu führen, dass weit weniger Menschen an die Urnen gehen als je zuvor, was auch außenpolitische Folgen haben könnte. "Unsere Feinde wollen der Welt beweisen, dass Iran eine isolierte Insel ist und Trump kann behaupten, dass seine Politik des "maximalen Drucks" Wirkung gezeigt habe."

Das US-Außenministerium machte sich über die Wahlen in Iran lustig. Die Sprecherin Morgan Ortagus schrieb auf Twitter: "Der Wächterrat, dessen Mitglieder vom Chamenei ernannt werden, hat die meisten Bewerber für die Parlamentswahlen abgelehnt. Kein Wunder, dass alle Übriggebliebenen gleich aussehen." Den Sätzen fügte sie ein Foto hinzu, auf dem viermal Chamenei zu sehen ist.

Die Reformer veröffentlichten am 29. Januar eine Erklärung, in der sie feststellen, dass 160 von 290 Sitzen im künftigen Parlament bereits jetzt an Konservative und Hardliner vergeben sind. In manchen Wahlbezirken könnten die Wähler nicht einmal zwischen konservativen Kandidaten wählen, weil es nur einen Kandidaten gibt. In weiteren 70 Bezirken hätten die Wähler nur die Möglichkeit zwischen konservativen Kandidaten zu wählen. Ferner seien sämtliche bekannte Bewerber aus Teheran, die der Reformfraktion angehören, abgelehnt worden. Schließlich wurde eine beachtliche Zahl von noch amtierenden Abgeordneten der Reformfraktion aus der Wahl ausgeschlossen, heißt es in der Erklärung.

Die massive Ablehnung der Reformer und Gemäßigten deutet darauf hin, dass die Rechten mit Revolutionsführer Chamenei an der Spitze dazu entschlossen sind, die ganze Macht zu monopolisieren und die Reformer bis zur Bedeutungslosigkeit an den Rand zu drängen. Über den Grund dieser riskanten Entscheidung kann man spekulieren. Sie ist riskant, weil die Gefahr besteht, dass in der Folge die Wahlbeteiligung, auf die die Islamische Republik immer mit Stolz hinwies, ungewöhnlich gering ausfallen könnte. Außerdem könnte die ohnehin große Unzufriedenheit in der Bevölkerung weiter wachsen. Offenbar sind die Rechten nach den Protesten im November und im Januar angesichts der nicht zu erwartenden Besserung der Lage des Landes zu der Ansicht gelangt, dass eine Öffnung der Gesellschaft zu größeren Unruhen führen würde, die außer Kontrolle geraten könnten. Sie nehmen also lieber die negativen Folgen und die Risiken der Monopolisierung der Macht in Kauf, um, sei es auch mit noch mehr Gewalt, das Land weiter regieren zu können. Zudem ist Chamenei inzwischen 80 Jahre alt und nicht ganz gesund. Es besteht damit die Möglichkeit, dass es in der nächsten Wahlperiode zu einem Wechsel an der Spitze des Staates kommt. Auch unter diesem Gesichtspunkt wollen die Konservativen in der Lage sein, wichtige Entscheidungen alleine treffen zu können.


SARIF IM HAGEL DER KRITIK

Die Äußerungen des iranischen Außenministers in einem Interview mit dem Spiegel, das in der Ausgabe vom 25. Januar erschien, sorgte bei den Konservativen für Aufruhr. Sarif hatte auf die Frage, ob er nach der Ermordung General Soleimanis Verhandlungen mit den USA ausschließe, geantwortet: "Nein, ich schließe nie aus, dass Leute ihr Vorgehen ändern und die Realitäten anerkennen. Für uns ist es egal, wer im Weißen Haus sitzt. Wichtig ist, wie man sich verhält. Trumps Regierung kann ihr Verhalten korrigieren, die Sanktionen aufheben und an den Verhandlungstisch zurückkehren. Wir sitzen da noch, sie sind gegangen. Die USA haben dem iranischen Volk großen Schmerz zugefügt. Der Tag wird kommen, an dem sie das kompensieren müssen. Wir haben Geduld."

Einige Stunden nach dem Interview twitterte US-Präsident Donald Trump: "Irans Außenminister sagt, Iran möchte mit den Vereinigten Staaten verhandeln. Aber er möchte, dass die Sanktionen aufgehoben werden. Nein, danke."

Zwei Tage nach der Veröffentlichung des Spiegel-Interviews versammelten sich Demonstranten vor dem Außenministerium. Sie trugen Transparente mit der Aufschrift "Tod Amerika" und Bilder von Revolutionsführer Chamenei und Soleimani und skandierten: "Verrat, Verrat." Ähnliche Demonstrationen fanden laut der Agentur Fars auch in den Städten Maschad, Ghom und Tabris statt.

Auch im Parlament übten einige Abgeordnete scharfe Kritik am Außenminister. Der Abgeordnete Mohammad Resa Purebrahimi sagte: "Nicht einmal vierzig Tage sind seit dem Mord an Soleimani vergangen. Die widerlichen und zynischen Äußerungen des Außenministers haben die Menschen im Land, insbesondere in Kerman (Soleimanis Geburtsstadt) wütend und betroffen gemacht." Der Abgeordnete Hossein Ghasisadeh schlug vor, das Parlament solle zum Abschluss dieser Wahlperiode den Außenminister scharf verurteilen und die Justiz dazu auffordern, dessen Entlassung aus dem Außenministerium einzuleiten. Und Modschtaba Solnuri, Vorsitzender des Ausschusses für Nationale Sicherheit und Außenpolitik forderte Sarif auf, "nicht um Verhandlungen zu betteln" und nicht dafür zu sorgen, dass die "ruhmreiche Unterstützung, die das Volk der Revolution und dem Revolutionsführer gewährt hat, belanglos gemacht wird."

Demgegenüber sagte der Abgeordnete Mahmud Sadeghi von der Fraktion Omid, dessen Bewerbung für die nächste Wahlperiode vom Wächterrat abgelehnt worden ist: "Die besorgten Herren im Parlament haben ins gleiche Horn geblasen, wie US-Präsident Trump."

Nach den Protesten reagierte das Außenministerium mit der Veröffentlichung einer Erklärung, in der es heißt: "Die Forderung an die Vereinigten Staaten, sie müssen, falls sie Verhandlungen mit Iran wünschen, zum Atomabkommen, das sie verlassen haben, zurückkehren und alle illegalen Sanktionen und Maßnahmen zurücknehmen, ist eine Forderung, die mit aller Kraft gestellt werden muss. (...) Die Amerikaner versuchen, die Islamische Republik als ein aggressives und kriegstreibendes Land darzustellen und Iran zu zwingen, jenseits des Atomabkommens mit ihnen zu verhandeln. Genau aus diesem Grund dürfen wir nicht den Eindruck erwecken, als wären wir nicht bereit, zu verhandeln." Legale Verhandlungen im Rahmen des Atomabkommens statt Verhandlungen außerhalb des Abkommens, die die Amerikaner anstreben würden, seien notwendig und legitim. Diese Position, die international unterstützt werde, dürfe niemals zugunsten der USA verlassen werden. In der Erklärung wird ausdrücklich betont, dass Verhandlungen außerhalb des Atomabkommens vom Revolutionsführer untersagt worden seien. "Das ist genau die Strategie, die das Außenministerium verfolgt."

Am 28. Januar legten 23 Abgeordnete im Parlament einen Antrag vor, in dem sie eine gerichtliche Verfolgung des Außenministers fordern. Satzungsgemäß wird der Antrag zunächst vom zuständigen Ausschuss überprüft und debattiert. Danach wird er dem Plenum zur Entscheidung vorgelegt. Sollte der Antrag dann die Zustimmung der Mehrheit des Parlaments bekommen, wird die Justiz beauftragt, den Fall zu behandeln.


PROTESTE WEGEN ABSCHUSS DER UKRAINISCHEN PASSAGIERMASCHINE UND VERTUSCHUNGEN

Am 8. Januar meldete Teheran den Absturz einer Passagiermaschine mit 176 Menschen an Bord. Alle Insassen, 167 Passagiere und neun Crew-Mitglieder, kamen ums Leben. Kurz danach behaupteten die verantwortlichen in Iran, Ursache des Unglücks sei ein Triebwerksausfall gewesen.

Dumm gelaufen für die Machthaber im Iran. Zunächst war aus ihrer Sicht alles gut gelaufen. Obwohl sie im November die landesweiten Proteste niedergeschlagen und hunderte Demonstranten gezielt getötet hatten, waren Millionen ihrem Ruf zur Teilnahme an den Trauerfeiern für den von den USA getöteten General Ghassem Soleimani gefolgt. Damit konnte die Führung stolz behaupten, das ganze Volk stehe wie ein Bollwerk hinter ihr.

Die Machthaber versprachen dem Volk, Rache zu üben. Die Vergeltung werde für die USA "furchtbar" sein, drohten die Generäle. Aber den Amerikanern teilten sie in geheimer Mission über die Schweizer Botschaft mit, die Reaktion werde harmlos ausfallen. Dem eigenen Volk erzählten sie, bei dem Raketenangriff am 08. Januar seien 80 Amerikaner ums Leben gekommen.

Die Welt atmete auf, dass es nicht zu einer militärischen Konfrontation gekommen war. Man bescheinigte den Machthabern in Iran, vernünftig gehandelt zu haben. Aber dann kam dieser Flugzeugabsturz. Vermutlich war die gesamte iranische Führung gleich nach dem Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine über den Vorfall informiert worden. Doch drei Tage lang wurde die Wahrheit vertuscht. Die gesamten, gleichgeschalteten Medien folgten den Anweisungen der Führung, belogen das eigene Volk und die ganze Welt. Erst als der Druck von außen wuchs und ausreichend Indizien vorlagen, gab Teheran zu, dass das Flugzeug "versehentlich" abgeschossen worden sei.

Mit dieser großen dreisten Lüge war es mit dem Burgfrieden zwischen den Machthabern und dem Volk vorbei. In mehreren Städten gingen Tausende wutentbrannt auf die Straße. Sie machten direkt Revolutionsführer Ali Chamenei für die Tötung der 176 Insassen der abgeschossenen Maschine und für die große Lüge verantwortlich. Die Parolen waren so radikal wie noch nie. Die Demonstranten verlangten Chameneis sofortigen Rücktritt, bezeichneten ihn als "Mörder", "Lügner" und "Verräter".

Die Proteste deuten auf einen totalen Vertrauensverlust zwischen dem Volk und der Staatsführung hin. Am zweiten Tag versammelten sich laut der Agentur Ilna mehr als 3.000 Demonstranten auf dem Teheraner Asadi-Platz. Auch in anderen Städten wie Isfahan, Schiras, Maschhad, Tabris, Rascht, Kerman, Sari, Amol gingen Tausende auf die Straße. Die Polizei und Sicherheitskräfte, die sich zu Beginn der Proteste noch zurückhielten, gingen immer brutaler gegen Demonstranten vor. Auf Videos waren in unmittelbarer Nähe der Kundgebungen Schüsse zu hören, auf den Straßen sah man Blutlachen. Zu sehen waren auch mit Schlagstöcken bewaffnete Sicherheitsbeamten, die auf Demonstrierende einschlugen.

Neu bei diesen Protesten war, dass sie sich direkt gegen die Staatsführung richteten, allen voran gegen Revolutionsführer Ali Chamenei. "Tod dem Diktator" riefen sie. Im ganzen Land war Trauer vermischt mit Wut zu spüren, Trauer über den Tod von 176 Passagieren, die am Bord der Maschine waren und Wut darüber, belogen und betrogen worden zu sein. Viele klagten darüber, dass die Machthaber das eigene Volk, die Nöte der Menschen, ihre Würde und Gefühle längst nicht mehr wahrnehmen würden.

Neu war im Vergleich zu den landesweiten Demonstrationen im November, an denen hauptsächlich Menschen aus unteren Schichten der Gesellschaft teilnahmen, die Teilnahme von Menschen aus der Mittelschicht. Künstler/innen, Schriftsteller/innen, Musiker/innen und Filmemachende haben sich den Protesten angeschlossen. Einige von ihnen erklärten, dass sie an den Film-, Literatur und Musikfestivals, die im Februar in Teheran stattfinden, nicht teilnehmen werden. Der im Iran sehr populäre Sänger Ali Resa Assar veröffentlichte ein Video auf Instagram, in dem er erklärte, er habe sein angekündigtes und lang erwartetes Konzert abgesagt. "Das ist das Mindeste, was ich tun kann," sagte er. Eine Gruppe von Künstlern forderte, dass die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden.

Viele Journalistinnen und Journalisten entschuldigten sich dafür, dass sie drei Tage lang falsche Informationen verbreitet haben. Einige Redakteure kündigten ihre Zusammenarbeit mit dem staatlichen Fernsehen. Der Verein Iranischer Journalisten veröffentlichte eine Erklärung, in der es hieß: "Das Vertrauen zwischen der Presse und der Öffentlichkeit ist schwer beschädigt." Es werde lange dauern, es zurück zu gewinnen.

In der staatlichen Führung versuchten einzelne Organe sich aus der Verantwortung zu ziehen. Die Regierung von Präsident Hassan Rohani ließ durch ihren Sprecher Ali Rabii erklären, sie sei an der Vertuschung nicht beteiligt gewesen. "Kein Mitglied der Regierung, auch nicht der Präsident, war bis Freitagnachmittag darüber informiert, dass das Flugzeug von einer Rakete abgeschossen wurde," sagte er.

Das Regime versuchte außerdem, den Ansehensverlust des Staates möglichst gering zu halten. Der Abgeordnete Ghassen Sadeghi sagte, man dürfe den Feinden nicht die Gelegenheit geben, aus dem Vorfall Nutzen zu ziehen. Fehler bei den Streitkräften seien nicht ungewöhnlich. Das käme überall in der Welt vor. "Wir dürfen nicht zulassen, dass die Sache aufgebauscht wird." Auch Justizchef Ebrahim Raisi sagte: "wir werden jeden Missbrauch verbieten."

Einige Angehörige der Opfer berichteten, dass ihnen unter Androhung von Strafe untersagt worden sei, ausländischen Sendern Interviews zu geben oder öffentlich Trauerfeiern für ihre Angehörige zu veranstalten.

US-Präsident Donald Trump zeigte sich mit den Demonstrierenden solidarisch. Auf Twitter schrieb er am 12. Januar: "An das mutige und seit langem leidende iranische Volk: Ich war seit dem Beginn meiner Präsidentschaft auf eurer Seite, und meine Regierung wird weiterhin auf eurer Seite sein. Wir beobachten eure Proteste genau und sind von eurem Mut inspiriert." Iran warf Trump Unehrlichkeit vor. Ein Regierungssprecher sagte, der Präsident vergieße "Krokodilstränen."

(Anm. Herausgeberin: Teile dieses Absatzes sind am 12. Januar 2020 in der taz erschienen.)


OFFENER BRIEF DER GRUPPE DER "GERECHTIGKEITSFORDERER" AN CHAMENEI

Einige Aktivisten aus dem Lager der Konservativen, die sich als "Gruppe der Gerechtigkeitsforderer" bezeichnen, warnten Revolutionsführer Ali Chamenei, die gegenwärtige Entwicklung könne zum Untergang der Islamischen Republik und zur Abkehr zahlreicher Menschen vom Islam führen. Der offene Brief, der die Namen von mehr als 100 Unterzeichnern trägt, wurde am 2. Januar von Said Sibakalam, Professor für Philosophie an der Universität Teheran, auf Telegram veröffentlicht.

Die Unterzeichner werfen Chamenei unter anderem vor, er habe eine Debatte im Parlament über die Erhöhung der Benzinpreise verhindert. Die Preiserhöhung hatte im November zu landesweiten Protesten geführt, die brutal niedergeschlagen wurden. Dabei sollen mehr als tausend Demonstranten getötet, mehrere tausend verletzt und über 7.000 Menschen verhaftet worden sein.

Die Unterzeichner warnen mit Blick auf die Unruhen im November: Sollte die Islamische Republik sich weigern, die Struktur und Strategie des Staates zu reformieren, die Realitäten anzuerkennen, die Nöte der Menschen zu begreifen und ihnen das Recht auf Meinungsäußerung und Protest zu zugestehen, werden die Unruhen nie aufhören. Im Gegenteil, sie werden viel größere Ausmaße annehmen.

Die jüngsten Proteste hätten sich gegen "Korruption, Misswirtschaft und Unfähigkeit des Staates gerichtet, für die Probleme des Landes Lösungen anzubieten." Selbst mehr als vierzig Tage nach den Ereignissen vom November seien die Verantwortlichen bei der Polizei und der Justiz nicht in der Lage, der Bevölkerung mitzuteilen, wie viele Demonstranten getötet, verletzt und verhaftet worden seien. "Die inoffiziellen Zahlen sind unglaublich, katastrophal und beschämend," schreiben die Unterzeichner.

Scharfe Kritik üben die Autoren des Briefs an Chamenei, weil dieser die Entscheidung über die Erhöhung des Benzinpreises dem "Rat der drei Gewalten" übertragen und damit das Parlament übergangen habe. (Der Rat der drei Gewalten, an dem der Staatspräsident, Parlamentspräsident und Justizchef teilnehmen, wurde auf Anordnung von Chamenei gebildet, um in Notfällen rasche Entscheidungen treffen zu können. Doch ein solcher Rat ist in der Verfassung der Islamischen Republik nicht vorgesehen.) Damit nicht genug, Chamenei habe durch die Aufwertung des Nationalen Sicherheitsrats und des Schlichtungsrats das Parlament marginalisiert und durch seine Einmischung praktisch ausgeschaltet. "Wird ein solches Vorgehen die Motivation der Wähler nicht schwächen, zu den Urnen zu gehen?," fragen die Unterzeichner. (Die nächsten Parlamentswahlen finden am 21. Februar statt.)

Die Autoren weisen auf das brutale Vorgehen der Ordnungs- und Sicherheitskräfte gegen Demonstranten hin und kritisieren, dass die Staatsführung die Menschen, die ihre legitimen Rechte gefordert hätten, als "Unruhestifter" und "Aufrührer, " bezeichnet und dadurch die Wut der Demonstranten gesteigert und zur Eskalierung der Lage beigetragen habe. Die Staatsführung habe sich als eine Macht präsentiert, die den nichtstaatlichen Medien keine Kritik erlaubt, der Bevölkerung jede Art von Protest, an welchem Ort und gegen welche Entscheidung auch immer, untersagt und erklärt, sollten die Menschen auf die Straße gehen und ihre Unzufriedenheit und Wut zum Ausdruck bringen, müssten sie damit rechnen, dass unsere Gewehre sich auf sie richten werden.

"Wir wollen, dass die genaue Zahl der Toten, Verletzten und Inhaftierten offiziell, ohne Ablenkungsmanöver, bekannt gegeben werden, ohne Druck auf Angehörige auszuüben, um sie zum Schweigen zu zwingen," fordern die Autoren. Gerichtet an Chamenei, schreiben sie zum Schluss: "Merken Sie nicht, dass die Fortsetzung der gegenwärtigen Lage zum Zerfall der Islamischen Republik führt und dazu, dass immer mehr Menschen dem islamischen Staat den Rücken kehren werden? Sind Sie nicht darüber informiert, wie weit verbreitet die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den staatlichen Instanzen und der Staatsführung ist?"


ABGEORDNETER SADEGHI: REVOLUTIONSFÜHRER IST NICHT AUSREICHEND INFORMIERT

Der Abgeordnete des islamischen Parlaments Mahmud Sadeghi sagte nach den jüngsten Äußerungen des Revolutionsführers Ali Chamenei, seine Vermutung sei bestätigt worden, dass die Berater des Revolutionsführers diesen daran hinderten, die gesellschaftlichen Realitäten im Land zu erfahren. Chamenei hatte zuvor zu den Unruhen im November Stellung genommen und erklärt, man müsse bei den Demonstranten zwischen denen, die "Forderungen haben" und denen, die "Verschwörungen im Sinn haben, " unterscheiden. "Die Hauptinitiatoren der Unruhen, die wichtige Objekte wie Benzin- und Getreidelager und öffentliche Gebäude angegriffen haben, sind Befehlsempfänger ausländischer Geheimdienste gewesen. "

Sadeghi, der der Fraktion "Omid" angehört, schrieb auf Twitter, man sollte, statt Protestierende und Kritiker als Agenten ausländischer Geheimdienste und Verschwörer zu bezeichnen und gegen sie mit Gewalt vorzugehen, nicht die Interessen einer gewissen Schicht zu schützen versuchen, sondern auf die gerechtfertigten Forderungen der Bevölkerung eingehen. "Das Verhalten der Demonstranten zeigt deutlich, dass die Menschen den Eindruck haben, der Staat gehe seinen eigenen Weg, er höre nicht ihre Rufe und Schreie und zeige keinen Willen, ihre Interessen wahrzunehmen." Die Lösung der Probleme werde nicht durch Gewalt und Festnahmen erreicht, twitterte Sadeghi weiter. Der Staat müsse seine Entscheidungen, sei es im Bereich der Wirtschaft und sozialen Versorgung, oder im Bereich der Kultur und Politik, nicht zugunsten einer bestimmten Gesellschaftsschicht, sondern im Interesse der Gesamtbevölkerung fällen.


DISKRIMINIERUNG RELIGIÖSER MINDERHEITEN ERREICHT EINEN NEUEN GIPFEL

Die Personenregistrierungsbehörde, die für die Ausstellung von Personalausweisen zuständig ist, hat aus dem Antragsformular bei Fragen nach Glaubenszugehörigkeit "andere Religionen" gestrichen. Damit können nur noch Muslime und Angehörige offiziell anerkannten Religionen, das heißt Christen, Juden und Zoroastrier einen Personalausweis beantragen. Das bedeutet, dass Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften, allen voran die Bahais, die die größte religiöse Minderheit in Iran bilden, keinen Ausweis mehr beantragen können oder sie müssen ihren Glauben verleumden beziehungsweise ohne Ausweis leben und damit auf ihre Bürgerrechte verzichten. Das ist ein klarer Verstoß sowohl gegen die Verfassung der Islamischen Republik als auch gegen die internationale Konvention der Menschenrechte. Artikel 19 der Verfassung der Islamischen Republik besagt: "Alle Menschen in Iran genießen, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit, gleiche Rechte. Hautfarbe, Rasse, Sprache und dergleichen Unterschiede dürfen nicht bevorzugt werden."

Eine andere Maßnahme, die der Unterdrückung religiöser Minderheiten Tor und Tür öffnen soll, ist der Antrag von 38 Abgeordneten im islamischen Parlament bezüglich der Behandlung nicht anerkannter religiöser Minderheiten. Im Vorspann des beantragten Gesetzes wird der Antrag damit begründet, dass "Feinde der islamischen Staatsordnung Pläne schmieden, um das Land auf Abwege zu führen und zu spalten." Brutale Verbrechen sündhafter Gruppen wie Daesch (Islamischer Staat), Al Qaida und andere, deren Hass erzeugende religiöse Propaganda, zahlreiche Dokumente über verderbliche religiöse Ansichten, die Fatwa (religiöse Anweisungen) und schließlich die Beschlüsse des Obersten Nationalen Sicherheitsrats machen es notwendig, die Gründung und Propagierung von religiöser Gruppenbildungen und Veröffentlichungen abwegiger und sündhafter Ansichten zu bestrafen.

In dem Antrag wird detailliert aufgezählt, welche Personen und Aktivitäten zu bestrafen sind und wie hoch die Strafen sein sollen.

Dieses Gesetz, sollte es tatsächlich verabschiedet werden, richtet sich in erster Linie gegen die Bahais, die in Iran ohnehin starken Repressionen und Einschränkungen ausgesetzt sind. Sie haben keinen Zugang zu Bildungseinrichtungen, dürfen ihren Glauben nicht ausüben und werden auf verschiedenen Ebenen diskriminiert. Viele von ihnen befinden sich seit Jahren im Gefängnis. Die Bahais gelten aus der Sicht der Islamisten als Abtrünnige, die den Islam den Rücken gekehrt haben.


ANGEHÖRIGER PARAMILITÄRISCHER EINHEIT GETÖTET

Iranischen Medien zufolge wurde Abdolhossein Moghaddami, ein ranghohes Mitglied der Basidsch-Milizen, die den Revolutionsgarden unterstehen, am 22. Januar in der Provinz Chusitan von zwei bewaffneten Motorradfahrern niedergeschossen. Die Attentäter waren mit einer Kalaschnikow und einer Schrotflinte bewaffnet. Die Nachrichtenagentur Irna meldete, Moghaddami war als Freiwilliger im Irak und in Syrien an dem Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) beteiligt. Die Verantwortung für das Attentat hat bislang niemand übernommen.


EINE FRAU ZU BOTSCHAFTERIN IRANS IN DÄNEMARK ERNANNT

Massudeh Ebtekar, Vizepräsidentin für Frauen und Familienangelegenheiten, gab am 22. Januar bekannt, dass Afsaneh Nadipur künftig als Botschafterin Irans in Dänemark arbeiten werde. "Die Anwesenheit von Frauen im diplomatischen Dienst erhöht Irans Erfolgschancen in der Außenpolitik," twitterte sie.

Nadipur ist bereits seit Jahren im Außenministerium tätig, eine Zeit lang arbeitete sie in der iranischen Botschaft in Tokio.


EDALATCHAH STREIKT IM GEFÄNGNIS

Die iranisch-französische Wissenschaftlerin Fariba Edalatchah, die sich seit August in iranischer Haft befindet, ist laut ihrem Anwalt, Said Dehghan, im Teheraner Evin Gefängnis in einen Sitz- und Hungerstreik getreten, weil es ihr untersagt wird, ihren Lebenspartner, Roland Gabriel Marchal, zu treffen, der sich ebenfalls im Gefängnis befindet. Durch die Nahrungsverweigerung sei seine Mandantin "sehr geschwächt, " sagte der Anwalt am 22. Januar der Presse.

Edalatchah ist Sozialwissenschaftlerin. Sie hat in Straßburg studiert und in Paris promoviert. Ihre Spezialgebiete sind Iran und Islam. Ursprünglich wurde ihr vorgeworfen, für ausländische Geheimdienste spioniert und Aufruhr gestiftet zu haben. Doch Anfang Januar gab der Anwalt bekannt, dass diese Vorwürfe fallen gelassen wurden. Stattdessen laute die Anklage nun: "Propaganda gegen die Islamische Republik und Vorbereitung einer Straftat."

Marchal ist französischer Staatsbürger. Er ist ebenso wie Edalatchah Wissenschaftler. Beide arbeiten in Paris am selben Institut, sie sind Kollegen und zugleich Lebenspartner. Marchal, der im August seine Partnerin in Teheran besuchen wollte, wurde ebenfalls von Sicherheitsbeamten festgenommen.

Rechtanwalt Dehghan, der auch Marchal vertritt, sagte, offenbar wird das Treffen der beiden untersagt, weil sie nicht bei einem iranischen Standesamt als Ehepartner registriert seien. Doch diese Begründung sei "unlogisch," weil die beiden seit 28 Jahren in Frankreich ein gemeinsames Leben führten. Vielleicht könnte dieser Vorwand damit umgangen werden, dass die beiden im Gefängnis heiraten, sagte der Anwalt.

Frankreich hat bereits mehrmals gegen die Festnahme von Edalatchah und Marchal protestiert und deren sofortige Freilassung gefordert. Präsident Emmanuel Macron bezeichnete die Festnahmen als "inakzeptabel." Doch Iran erkennt die französische Staatsbürgerschaft von Edalatchah nicht an und betrachtet sie als iranische Staatsbürgerin. Daher werden die Proteste als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Irans zurückgewiesen.


SOHN DES 1979 GESTÜRZTEN SCHAH ERWARTET REGIMEWECHSEL IN WENIGEN MONATEN

Der im Exil lebende 59-jährige Sohn des 1979 gestürzten Schahs, Resa Pahlawi, sagte, es werde innerhalb den nächsten Monate einen Regimewechsel in Iran geben. "Dies ist nur eine Frage der Zeit," sagte er am 16. Januar laut afp auf einer Pressekonferenz in Washington. Die Lage sei ähnlich, wie die 1979 kurz bevor sein Vater das Land fluchtartig verlassen musste. Es könne sich nur noch um "einige Wochen oder Monate" bis zum "finalen Kollaps" handeln, sagte er. Er rief die westlichen Regierungen dazu auf, nicht mit Teheran zu verhandeln und dem Land keinerlei Zugeständnisse zu machen. Die politische Atmosphäre in Iran sei "wie in den letzten drei Monate von 1978."

Resa Pahlawi lebt seit dem Sturz des Schah-Regimes in Amerika. Offenbar haben die Proteste vom November und Januar ihn zu dieser gewagten Prognose veranlasst.

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KULTUR

• Sänger Saman festgenommen
• Geplante "Perser-Schau" in Karlsruhe abgesagt
• UNESCO reagiert auf Trumps Drohung, iranische Kulturstätte zu zerstören


SÄNGER SAMAN FESTGENOMMEN

Amir Arjang Kasemi, mit dem Künstlernamen "Saman" wurde in einem Lokal im Norden Teherans festgenommen. Die Polizei bezeichnete ihn als "illegalen Sänger" oder "Los Angeles Sänger. " Nader Moradi, Leiter des Teheraner Wohnungsamts, erklärte am 23. Januar, Saman habe nach seiner Ankunft in Teheran unter Beobachtung gestanden, "gestern Abend hat er in einem Lokal im Norden der Stadt ein Konzert aufgeführt. " Demgegenüber sagte Ahmad Chosrawi, Pressesprecher der "Nadja" (übersetzt: Ordnungskraft der Islamischen Republik): "Der Sänger aus Los Angeles, der vor Jahren nach Iran zurückgekehrt ist, wurde gestern Abend, während er in einem Lokal seine Lieder vortrug, festgenommen. "

Als Hintergrund: In Los Angeles befindet sich die größte iranische Gemeinde in der Diaspora. Sie besteht vorwiegend aus Iranerinnen und Iranern, die nach der Revolution von 1979 aus Iran geflüchtet sind. Aus der Sicht des Teheraner Regimes gilt diese Gemeinde als Symbol der Dekadenz, eine Gemeinde, die verwestlicht und amerikanisiert wurde und ihre iranischen Wurzeln verloren hat.

Saman hatte bereits als Jugendlicher Iran verlassen. Zunächst lebte er in der Türkei, danach ging er nach Amerika. Sein erstes Album, Elah-e Eschgh (Göttin der Liebe), veröffentlichte er 1992. Doch bekannt wurde er durch sein 2000 veröffentlichtes Album Schamduni (Kerzenhalter), das durch in Los Angeles ansässige iranische Fernseh- und Radiosender weltweit verbreitet wurde. Nach diesem Album siedelte er nach Dubai um, wo er in den Nachtclubs iranische Touristen mit seinen Liedern begeisterte. Während dieser Zeit reiste er mehrmals nach Iran. Dort arbeitete er mit verschiedenen modernen Musikgruppen zusammen, die im Untergrund tätig waren, darunter mit der Gruppe Yas, mit der er 2007 ein Album mit dem Titel "bas ham kameh" (es ist immer noch zu wenig) herausbrachte.

In einem Interview 2018 sagte er auf die Frage, warum er sich in Iran aufhalte: "Ich bin ein Iraner, ich liebe mein Vaterland und möchte hier arbeiten. Ich bin weder politisch noch an sonstigen Dingen interessiert, lebe seit zwei Jahren in Iran, habe mein neues Album bestehend aus 16 Titeln hier produziert und hoffe, dass das Ministerium für Kultur und Islamische Führung (Zensurbehörde) dafür die Genehmigung zur Veröffentlichung erteilt. "

Im vergangenen Jahr wurde Saman bei der Trauerfeier für den Schauspieler Malek Motii gesehen. Wann genau er festgenommen wurde, ist nicht klar. In jüngster Zeit wurden einige Künstler und Sänger, die zuvor im Ausland tätig waren, nach ihrer Rückkehr in die Heimat festgenommen. Mohammad Chordadian und Habib Mohebbian gehören dazu.


GEPLANTE "PERSER-SCHAU" IN KARLSRUHE ABGESAGT

Wegen der unsicheren politischen Lage in Iran wurde die für den kommenden Herbst in Karlsruhe geplante "Perser-Schau" "abgesagt. "Wir müssen sie stoppen - wir bekommen unsere Objekte nicht versichert," sagte Museumsdirektor Eckart Köhne laut dpa am 23. Januar anlässlich der Jahrespressekonferenz im Karlsruher Schloss. Köhne ist zugleich Präsident des Deutschen Museumsbundes. Die Absage sei höchst bedauerlich, sagte er, weil gerade in dieser besonderen Lage, in der die Konflikte mit Iran zu eskalieren drohten, der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen den Museen zur Entspannung beitragen könnte.

Geplant war die Ausstellung von rund 200 "kostbaren Leihgaben" von iranischen Museen aus dem 6. bis 4. Jahrhundert vor Christus, darunter Gold- und Silbergefäße sowie zahlreiche Keramiken. Im Gegenzug planten die Karlsruher die Ausstellung einiger Objekte aus der Zeit der Antike aus dem Mittelmeerraum in Teheran. Das hätte der erste direkte Austausch zwischen einem deutschen Museum mit einer iranischen Kulturstätte sein können. Ein solcher Austausch sei sehr selten, sagte Köhne. Dafür gebe es nur wenige Beispiele, wie der Austausch Teherans mit dem Louvre in Paris und dem Victoria and Albert Museum in London.

Allein die Versicherung der Objekte hätte einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet. Aber aufgrund der unsicheren Lage sei kein Unternehmen dazu bereit gewesen, die Objekte zu versichern. Köhne kündigte an: "Sobald sich die Lage gebessert hat, werden wir sofort wieder dort sein und es anschieben."


UNESCO REAGIERT AUF TRUMPS DROHUNG, IRANISCHE KULTURSTÄTTE ZU ZERSTÖREN

Die Organisation der Vereinten Nationen für Wissenschaft, Erziehung und Kultur, UNESCO, hat auf US-Präsident Trumps Drohung, Irans Kulturstätte zu bombardieren, mit einem Hinweis auf die UN-Resolutionen von 1954 und 1972 reagiert. USA und Iran gehören zu den Unterzeichnerstaaten. Demnach sei es den Unterzeichnerstaaten verboten, Kulturerben in anderen Unterzeichnerstaaten zu schädigen oder zu zerstören, sagte Generaldirektorin Audrey Azuolay bei einem Treffen mit dem iranischen UNESCO-Botschafter am Sitz der Organisation in Paris. Die Zerstörung kultureller Objekte gilt als Kriegsverbrechen.

Die Drohung Trumps stieß in den sozialen Netzwerken ebenfalls auf heftige Kritik. Viele Userinnen und User verglichen die Drohung mit der Zerstörungswut des Islamischen Staates (IS) und der afghanischen Taliban. Einige forderten Twitter auf, die Äußerung Trumps zu löschen. Der Sprecher des britischen Premierministers sagte, nach internationalen Konventionen sei die Zerstörung von Kulturstätten verboten. Großbritannien werde sich nicht daran beteiligen.

Auch die amerikanische Schauspielerin Patricia Arquett übte bei der Vergabe der Golden Globe Awards am 5. Januar scharfe Kritik an Donald Trump. "Amerika steht an der Schwelle eines neuen Kriegs und der Präsident droht 52 Ziele, darunter kulturelle, zu bombardieren. (...) Amerikanische Soldaten riskieren ihr Leben, und auf der anderen Seite der Welt wissen die Menschen in Iran nicht, ob nicht demnächst ihre Kinder von amerikanischen Bomben getroffen werden, "sagte Arquett.

Trump hatte mit der Ankündigung, 52 Ziele in Iran zu bombardieren, einen historischen Bezug zu der Geiselnahme von 1979 hergestellt, bei der 52 amerikanische Botschaftsangehörige 444 Tage lang in Geiselhaft ausharren mussten. Für die USA stellte diese Aktion eine Demütigung dar, die noch nicht vergessen scheint.

US-Verteidigungsminister Mark Esper korrigierte Trumps Äußerung am 6. Januar. "Wir halten uns an internationale Vereinbarungen," sagte er vor Journalisten. Auch Außenminister Mike Pompeo wies den Vorwurf, die USA planten Kriegsverbrechen, entschieden zurück. Er versicherte im Interview mit dem Fernsehsender ABC, dass mögliche Anschläge gegen Iran "gesetzeskonform" sein würden. Gefragt, ob er damit Trumps Äußerung nicht widerspreche, sagte der Minister: "Wir werden innerhalb des Systems handeln." Er kenne die Pläne des Verteidigungsministeriums. "Jedes Ziel, das wir angreifen, wird ein gesetzeskonformes Ziel sein."

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WIRTSCHAFT

• Atomdeal weiter vom Scheitern bedroht
• Konflikt Iran-USA treibt Ölpreis in die Höhe
• Drastischer Rückgang des deutschen Handels mit Iran
• Sarif sagte Teilnahme am Weltwirtschaftsforum ab


ATOMDEAL WEITER VOM SCHEITERN BEDROHT

Allen Spannungen zwischen Teheran und Washington zum Trotz, scheinen die USA zu einem neuen Atomabkommen mit Iran bereit zu sein. Laut der Agentur Reuters sagte Kellyanne Conway, eine Beraterin Präsident Donald Trumps, auf die Frage ob der Präsident auf die Rückkehr Irans zum Verhandlungstisch hoffe: "Er sagt, er ist dafür aufgeschlossen - falls Iran anfängt, sich wie ein normales Land zu benehmen. Dann sicherlich, auf jeden Fall."

Demgegenüber betonen die Europäer weiter, sie möchten an dem bestehenden Abkommen festhalten. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell twitterte am 6. Januar, das Atomabkommen mit Iran müsse unbedingt erhalten bleiben. Es sei sowohl für die regionale Stabilität als auch für die internationale Sicherheit von großer Bedeutung.

Umso mehr sorgte Irans Ankündigung, die im Abkommen vorgesehenen Einschränkungen nicht mehr zu berücksichtigen, für Besorgnis und Bedauern. Teheran reagierte damit auf die Tötung von General Ghassem Soleimani. Allerdings will Iran nach eigenen Angaben nach wie vor mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zusammenarbeiten. "Teheran wird weiterhin mit der IAEA zusammenarbeiten und die UN-Behörde wird weiterhin die iranischen Atomanlagen überwachen,"sagte Präsident Rohani in einem Telefongespräch mit dem britischen Premier Boris Johnson am 9. Januar.

Die USA forderten die EU-Staaten auf, das Abkommen aufzugeben und sich für neue Verhandlungen einzusetzen. EU-Ratspräsident Charles Michel lehnte ab. Nach einem Telefonat mit Irans Präsident Hassan Rohani sagte sein Sprecher am 9. Januar, das Abkommen sei enorm wichtig. Michel habe die iranische Regierung aufgefordert, Handlungen zu unterlassen, die nicht rückgängig gemacht werden könnten.

Auch Frankreich lehnte die Aufforderung der USA ab. Außenminister Jean-Yves Le Drian sagte am 10. Januar dem Radiosender RTL, man könne nicht zulassen, dass das Abkommen nach und nach auseinanderfalle, sonst werde Iran in ein, zwei Jahren Zugang zu Nuklearwaffen finden.

Indes sagte der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer: "Ich habe nicht den Eindruck, als würden die Europäer ihre Verantwortung aus dem Abkommen ernst nehmen." Er forderte die EU-Mitglieder auf, sich für das Funktionieren der Ersatzgesellschaft Instex einzusetzen. "Wenn die Politik ein Signal der Zögerlichkeit sendet, trägt das nicht zur Ermutigung von Unternehmen bei, in Iran Geschäfte zu machen," sagte er. Er räumte dem hinzufügend allerdings ein, dass es fraglich sei, ob Instex den Anforderungen einer größeren Beteiligung entsprechen könne.

Der weitere Rückzug Irans aus dem Abkommen veranlasste die EU-Außenminister am 10. Januar zu einem Treffen in Brüssel. Dabei wurde Iran von mehreren Ministern aufgefordert, seine Verpflichtungen einzuhalten. Die "Zerschlagung des Abkommens, wie die USA es vorschlagen, sei die denkbar schlechteste Lösung," sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Bundesaußenminister Heiko Maas sagte, die EU wolle, "dass dieses Abkommen eine Zukunft hat. " Das setze allerdings voraus, dass Iran die Maßgaben beachte. Etwas versöhnlicher drückte sich Miroslav Lajak, Außenminister Sloweniens, aus. Zwar sei die EU über den Rückzug Irans nicht glücklich, "aber das Spiel ist noch lange nicht zu Ende. Wir hoffen, ihnen zu helfen, wieder ins Spiel zurückzukehren," sagte er.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Vladimir Putin erklärten nach einem Treffen in Moskau am 11. Januar, sie wollten an dem Atomabkommen festhalten. "Wir sind uns einig, dass wir alles daran setzen sollen, das Abkommen des JCPOA zu erhalten, "sagte Merkel laut Reuters. "Deutschlands Überzeugung ist, dass Iran keine Atomwaffen bekommen und auch nicht haben sollte."

Putin äußerte die Hoffnung, dass die von den Europäern gegründete Zweckgesellschaft Instex bald in der Lage sein werde, den Handel mit Iran trotz US-Sanktionen ausbauen zu können.

Dieses Festhalten an dem Abkommen hinderte die Europäer jedoch nicht daran, Iran mit härteren Schritten zu drohen. "Wir behalten uns vor, auf alle in der Vereinbarung vorgesehenen Maßnahmen zurückzugreifen, um diese Vereinbarung zu erhalten und Fragen in Bezug auf Irans Umsetzung seiner Verpflichtungen aus der Vereinbarung zu klären, "erklärten die Staatschefs Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens am 13. Januar laut Reuters.

Überraschend erklärte der britische Premier Boris Johnson am 13. Januar in einem Interview mit der BBC, der Plan von US-Präsident Donald Trump könne als Ersatz für das gegenwärtige Atomabkommen mit Iran dienen. Trumps Plan sei ein "großer Schritt nach vorn."

Einen Tag später machten die Europäer ihre Drohung wahr. Sie aktivierten am 14. Januar den im Abkommen vorgesehenen Streitschlichtungsmechanismus, der, falls er scheitert, zur Wiederaufnahme der UN-Sanktionen gegen Iran führen könnte. Bundesaußenminister Heiko Maas erkläre, damit solle versucht werden, den Konflikt diplomatisch zu lösen. "Die zunehmenden iranischen Verletzungen des Nuklearabkommens konnten wir nicht länger unbeantwortet lassen," sagte er. "Unser Ziel ist klar. Wir wollen das Abkommen bewahren und zu einer diplomatischen Lösung innerhalb der Vereinbarung kommen. Wir fordern Iran auf, sich konstruktiv an diesen Verhandlungen zu beteiligen."

Das Atomabkommen räumt jedem Vertragspartner ein, sich an die so genannte Gemeinsame Kommission zu wenden, falls ein Partner zu der Auffassung gelangt, dass andere Partner gegen das Abkommen verstoßen. Sollte die Kommission die Auffassung der Europäer, dass Iran gegen das Abkommen verstoßen habe, teilen, kann es dazu führen, dass die ausgesetzten UN-Sanktionen wieder eingesetzt werden.

Das Außenministerium in Washington begrüßte die Entscheidung der Europäer und sagte seine "volle Unterstützung" zu. Es sei richtig, sowohl wirtschaftlich als auch diplomatisch auf Iran Druck auszuüben. Auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reagierte auf die Entscheidung der Europäer positiv. Er forderte sie auf, die Sanktionen gegen Iran wieder einzuführen. "Wir wissen genau, was mit dem iranischen Atomprogramm vor sich geht. Iran denkt, er kann an die Atomwaffen kommen. Ich wiederhole: Israel wird es Iran niemals erlauben, an Atomwaffen zu kommen, "sagte Netanjahu laut Reuters am 14. Januar.

Indes lehnte Iran den Vorschlag der USA zu einem neuen Atomabkommen ab. Es habe wenig Sinn, wenn die USA immer wieder neue Vorschläge präsentierten und Präsident Trump seine Versprechen breche, sagte Präsident Rohani am 15. Januar im staatlichen Fernsehen. Klüger wäre, wenn sie zum bereits bestehenden Abkommen zurückkehren würden. Er kritisierte die drei EU-Staaten, den Streitschlichtungsmechanismus in Gang gesetzt zu haben. Sie sollten lieber versuchen, ihre Verpflichtungen einzuhalten. Auf einer Kabinettssitzung am 15. Januar warnte Rohani die Europäer vor "falschen Schritten."

Das Auswärtige Amt in Berlin wies am selben Tag die Vorwürfe zurück. Dass die von den Europäern gegründete Ersatzgesellschaft Instex nicht funktioniere, liege an Iran, hieß es. "Mittlerweile ist Instex bereit und in der Lage, erste Transaktionen abzuwickeln, "sagte ein Sprecher. Nun müsse Iran so rasch wie möglich die erforderlichen Genehmigungen erteilen. Außenminister Maas wies bei einer Debatte im Bundestag die Forderung der USA zurück, das Atomabkommen aufzugeben. "Diejenigen, die jetzt unseren endgültigen Ausstieg aus der Nuklearvereinbarung fordern, die muss man ganz offen fragen: Was wäre dadurch gewonnen?," sagte er. "In keinem Land der Welt werden mehr Kontrollen der Internationalen Atombehörde durchgeführt als in Iran." Zu der neuen Initiative der Europäer sagte Maas: "Es gibt keinen Automatismus hin zur Befassung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen oder zum Wiedereinsetzen der Sanktionen. Klar ist aber genauso: Wir werden uns nicht ewig von Teheran hinhalten lassen."

Am 15. Januar veröffentlichte die Washington Post einen Bericht, in dem es hieß, die USA hätten auf die Europäer Druck ausgeübt, den Streitschlichtungsmechanismus in Gang zu setzen, andernfalls würden sie die Autozölle um 25 Prozent erhöhen.

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte dazu am 16. Januar in London: "Die Drohung stand im Raum." Die Initiative der Europäer sei aber nicht darauf zurückzuführen. Deutschland lehne den "maximalen Druck" der Amerikaner auf Iran ab.

Irans Außenminister Sarif warf den Europäern vor "die Reste des Abkommens verkauft zu haben," um eine Erhöhung der Zölle für Autos zu verhindern. Mit Blick auf das Vorgehen der Europäer sagte Sarif: "Das wird nicht funktionieren, meine Freunde. (...) Wenn ihr euch eure Integrität abkaufen lassen wollt, nur zu. Aber beruft euch nicht auf großartige moralische oder rechtliche Prinzipien."

"Es wäre ein fatales Signal für die Souveränität der EU, wenn die Mitgliedsstaaten in ihrer Entscheidung, den Streitschlichtungsmechanismus auszulösen, durch Trumps Erpressungsversuch beeinflusst worden wären," erklärten Bundestagsabgeordnete der Grünen.

Am 19. Januar erklärte Irans Parlamentspräsident Ali Laridschani, sollten die Europäer Iran "unfair" behandeln, werde Teheran bezüglich der Zusammenarbeit mit der Internationalen Atombehörde eine "ernsthafte Entscheidung" treffen. Noch deutlicher äußerte sich Außenminister Sarif: "Wenn die Europäer ihr unangemessenes Verhalten fortsetzen oder die Akte Iran dem Sicherheitsrat vorlegen, dann werden wir uns aus dem Atomwaffensperrvertrag zurückziehen," sagte er.

Am 28. Januar bestätigte das Präsidium des Teheraner Parlaments den Erhalt eines Antrags, in dem der Austritt Irans aus dem internationalen Atomwaffensperrvertrag gefordert wird. Der Antrag wird zunächst im zuständigen Ausschuss behandelt und danach zur Abstimmung dem Plenum vorgelegt.


KONFLIKT IRAN-USA TREIBT ÖLPREIS IN DIE HÖHE

Der Konflikt zwischen Iran und den USA, vor allem die Furcht vor Anschlägen auf Öltanker und Ölanlagen, haben die Ölpreise in die Höhe getrieben. Laut dpa vom 6. Januar überstieg der Preis für Rohöl auf den internationalen Märkten 70 Dollar pro Barrel. Das ist der höchste Preis, der seit Mitte September, als saudische Ölanlagen angegriffen wurden, für einen Barrel Öl gezahlt wurde.


DRASTISCHER RÜCKGANG DES DEUTSCHEN HANDELS MIT IRAN

Einem Bericht der Agentur Reuters vom 10. Januar zufolge ist der Export von Deutschland nach Iran im vergangenen Jahr von Januar bis November um etwa die Hälfte geringer geworden, genauer um 48,2 Prozent. Der Bericht bezieht sich auf vorläufige Berechnungen des Statistischen Bundesamtes. Demnach sank der Import aus Iran sogar um 54,7 Prozent. Die Hauptprodukte, die Deutschland nach Iran exportierte, waren Maschinen, chemische Erzeugnisse, Lebensmittel und pharmazeutische Produkte. Der Wert der Exportgüter lag bei 1,3 Milliarden, der der Importe bei 191 Millionen Euro.

"Die Entwicklung und auch die Perspektiven des Iran-Handels sind ein einziges Trauerspiel," sagte laut Reuters der Präsident des Außenhandelsverbands BGA, Holger Bingmann. "Die ohnehin nicht rosige Lage hat sich mit den aktuellen Spannungen und dem Säbelrasseln zwischen den USA und Iran weiter verdüstert." Diese Entwicklung sei Folge der Sanktionen. "Die territoriale Wirkung der US-Sanktionen zwingt die meisten Unternehmen dazu, sich zwischen US-Markt oder Iran zu entscheiden. Zudem lassen sich deswegen Geschäfte mit Iran kaum noch finanzieren," sagte Bingmann.

Die Lage könne aber noch schlimmer werden, sagte Bingmann weiter. "Es droht eine weitere Verschlechterung, wenn die EU nach der Aufkündigung des Atomabkommens auch seitens des Irans ihrerseits Sanktionen gegen Iran verhängt. Die wenigen Unternehmen, die nach den vergangenen Monaten noch in Iran sind, sind hart gesotten und wissen selbst am besten, wie viel unternehmerisches Risiko sie bereit sind, einzugehen."


SARIF SAGTE TEILNAHME AM WELTWIRTSCHAFTSFORUM AB

"Diese Reise wird leider nicht stattfinden," sagte der Sprecher des Teheraner Außenministeriums Abbas Musawi am 20. Januar den Journalisten. Warum die geplante Reise abgesagt wurde, wurde nicht mitgeteilt. Es hieß lediglich die Pläne des Ministers hätten sich geändert. Das Forum fand vom 21. bis 24. Januar in Davos, Schweiz statt.

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AUSSENPOLITIK

• Krise durch gezielte Tötung von Soleimani
• Irans Vergeltungsschlag
• Sistani verurteilt Auseinandersetzung zwischen Iran und USA auf irakischem Gebiet
• Abschuss der ukrainischen Passagiermaschine
• Erste Annäherung zwischen Iran und Saudi-Arabien
• Parlament stuft US-Verteidigungsministerium als "terroristisch" ein
• Keine Einreiseerlaubnis für Außenminister Sarif
• Trumps Befugnisse zu Militäraktionen sollen begrenzt werden
• Vorübergehende Festnahme des britischen Botschafters in Teheran
• Geflüchtete Olympia-Siegerin will für Deutschland starten
• Zwei iranische Diplomaten aus Albanien ausgewiesen
• Brite um das Schicksal seiner in Iran inhaftierten Frau besorgt


KRISE DURCH GEZIELTE TÖTUNG VON SOLEIMANI

Millionen Trauernde haben an den dreitägigen Zeremonien zum Tod des ermordeten Generals Ghassem Soleimani teilgenommen. Mit Tränen in den Augen betete Revolutionsführer Ali Chamenei an Soleimanis Sarg. Alle Redner schwörten Rache. Die Tochter Soleimanis, die bei den Feiern in Teheran eine Rede hielt, sagte: "Die Familien von US-Soldaten im westlichen Asien werden ihre Tage damit verbringen, auf den Tod ihrer Kinder zu warten." Auch der Chef der palästinensischen Organisation Hamas, Ismail Hanija, nahm an der Trauerfeier teil. "Der palästinensische Widerstand werde Soleimanis Weg fortsetzen," gelobte er, "um dem zionistischen Projekt und dem amerikanischen Einfluss entgegenzutreten."

Soleimanis Nachfolger, Esmail Ghaani, kündigte im staatlichen Fernsehen an, den Weg des "Märtyrers" Soleimani fortzusetzen und alles zu tun, um die USA aus der Region hinauszutreiben. Außenminister Sarif schrieb an US-Präsident Donald Trump gerichtet auf Twitter: "Haben Sie jemals in Ihrem Leben ein solches Meer an Menschen gesehen?" Er fragte ihn, ob er weiterhin den Ratschlägen der "Clowns," die ihn umgeben, folgen wolle und ob er immer noch glaube, Iran durch Sanktionen und Drohungen zur Kapitulation zwingen zu können.

Verärgert über den Beschluss des irakischen Parlaments, die Präsenz der USA im Irak zu beenden, sagte US-Präsident Donald Trump, sollten die USA überhaupt zu der Entscheidung gelangen, sich aus Irak zurückzuziehen, müsste dies zu ihren Bedingungen geschehen. Die USA hätten für Milliarden eine "sehr einzigartige" Luftbasis eingerichtet. "Wir gehen nicht, bevor sie uns das nicht erstatten." Zu möglichen Vergeltungsversuchen Irans wiederholte der Präsident seine Drohung, auch die Bombardierung iranischer Kulturstätte in Erwägung zu ziehen. An die Kritiker gerichtet, sagte er: "Sie (die Iraner) dürfen unsere Leute töten. Sie dürfen unsere Leute foltern und verstümmeln. Sie dürfen Straßenbomben nutzen und unsere Leute in die Luft jagen, und wir dürfen ihre kulturellen Stätten nicht anfassen. Das funktioniert nicht."

Bei der Trauerfeier in Kerman, der Geburtsstadt Soleimanis, in der er auch beigesetzt wurde, kam es zu einer Massenpanik, bei der laut offiziellen Angaben 59 Menschen getötet und mindestens 212, zum Teil schwer, verletzt wurden. Grund des Unglücks waren der Ansturm riesiger Massen und die überfüllten Straßen.

Deutschland, Frankreich und Großbritannien riefen am 05. Januar alle Beteiligten zu "äußerster Zurückhaltung" auf. "Es kommt nunmehr entscheidend darauf an, zu deeskalieren," schrieben Merkel, Macron und Johnson. "Wir appellieren an alle beteiligten Akteure, äußerste Zurückhaltung und Verantwortungsbewusstsein an den Tag zu legen. Die aktuelle Spirale der Gewalt in Irak muss beendet werden."

Der irakische UN-Botschafter Mohammad Hussein Bahr Aluloom forderte den UN-Sicherheitsrat auf, das Attentat auf Soleimani und den hohen irakischen Milizenkommandeur Abu Mahdi al-Muhandes auf irakischem Boden zu verurteilen. Die Tötung sei ein klarer Verstoß gegen die vereinbarten Auflagen für die amerikanischen Militärs. Das Attentat sei eine "gefährliche Eskalation, die einen verheerenden Krieg im Irak, in der Region und in der ganzen Welt zufolge haben könnte."

Nach dem Attentat auf Soleimani, das sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in anderen Ländern heftige Kritik hervorrief, versuchten Trump und seine Mitarbeiter den Anschlag zu rechtfertigen. Trump erklärte, Soleimani sei für den Tod von Tausenden Amerikanern verantwortlich gewesen. Zudem habe er Anschläge gegen amerikanische Einrichtungen geplant, die unmittelbar umgesetzt werden sollten. "Soleimani hat aktiv neue Angriffe geplant und hatte sehr ernsthaft unsere Botschaften im Blick und nicht nur die Botschaft in Bagdad. Aber wir haben ihn gestoppt," sagte Trump bei einer Wahlveranstaltung in Ohio am 10. Januar. "Der sadistische Massenmörder Ghassem Soleimani plante und führte Attacken auf amerikanische Ziele aus und tötete und verwundete Tausende US-Militärangehörige und viele, viele Tausende und sogar Hunderttausende andere Leute."

Demgegenüber sagte Iraks Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi im Parlament, Soleimani sei der Überbringer einer Antwort auf einen saudischen Vorschlag gewesen, wie "Einigungen und wichtige Durchbrüche bei der Lage im Irak und in der Region erzielt werden könnten." Dem widersprach US-Außenminister Mike Pompeo: "Wir wissen, dass das nicht stimmt," sagte er.

Der amerikanische Senator Mike Lee, der der Fraktion der Republikaner angehört, bezeichnete die Begründung der Regierung als "absolut verrückt" und "unamerikanisch." Für die Behauptung der Regierung, eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben der Amerikaner verhindert zu haben, gäbe es keinerlei überzeugende Beweise. Die Regierung erwarte von den Senatoren "gute kleine Jungs und Mädchen zu sein, einfach mitzulaufen und das nicht öffentlich infrage zu stellen. (...) Ich finde das absolut verrückt. Das ist inakzeptabel, unamerikanisch und verfassungswidrig."

Höchst bemerkenswert war die Äußerung des US-Verteidigungsministers Mark Esper. Bei einem Interview mit dem Sender CBS am 13. Januar sagte er, er kenne keine konkreten Beweise für Pläne Soleimanis, US-Botschaften anzugreifen. Trump habe keine Beweise präsentiert, sondern nur von Möglichkeiten gesprochen. Dazu sagte Adam Schiff, Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus: "Nun sagt Esper, es waren keine Geheimdienstinformationen, sondern nur Trumps persönliche Überzeugung. Das ist keine Grundlage, um uns an den Rand eines Krieges zu führen."

Der Iran-Beauftragte der US-Regierung Brian Hook warnte den Nachfolger von Soleimani. In einem Interview mit der arabischsprachigen Zeitung "Al Shargh Alawsat" vom 23. Januar sagte er: "Wenn Esmail Ghaani denselben Weg (wie Soleimanai) beschreitet und Amerikaner tötet, wird er dasselbe Schicksal erleben, wie sein Vorgänger." Jeder Angriff auf Amerikaner oder amerikanische Interessen werde mit aller Härte beantwortet. "Das ist keine neue Bedrohung, denn der Präsident hat klargestellt, dass er die amerikanischen Interessen mit "absoluter Entschiedenheit" schützen und verteidigen werde. Ich denke, dass auch das Regime in Teheran inzwischen gemerkt hat, dass es die USA nicht angreifen kann, ohne dafür zu büßen," sagte Hook am Rande des Wirtschaftsforums in Davos.

Die Krise nach dem Tod Soleimanis erreichte ihren Höhepunkt am 8. Januar mit dem Raketenangriff Irans auf irakische Stützpunkte, in denen auch amerikanische Soldaten stationiert waren.


IRANS VERGELTUNGSSCHLAG

Bei den Trauerfeiern für General Ghassem Soleimani hat man überall im Land Drohungen und Rufe nach Vergeltung gehört. Ein hochrangiger Offizier der Revolutionsgarden sagte, die Amerikaner sollten entweder ihre Soldaten aus der Region zurückziehen oder für sie Särge kaufen. Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif versuchte dahingegen, die emotional geladene Stimmung, die die Gefahr eines Krieges erhöhen könnte, zu beschwichtigen. Iran werde auf die Tötung Soleimanis "angemessen" reagieren. Der Angriff werde sich gegen "legitime Ziele" richten, sagte er in einem Interview mit einem amerikanischen Sender. "Wir sind ein Volk, das die Gesetze respektiert. Daher werden wir nichts unternehmen, was diesem Grundsatz widerspricht," sagte Sarif

Diese Stellungnahme bezog sich offenbar auf eine Äußerung des US-Präsidenten Donald Trump, der gedroht hatte, 52 Ziele in Iran bombardieren zu lassen, darunter auch kulturelle Ziele. "Falls Iran irgendetwas macht, was es nicht tun sollte, werden sie die Konsequenzen erleben. Und das sehr stark," sagte Trump.

Auf die Vermutung, Iran könnte seine Stellvertreterorganisationen beauftragen, Terrorakte gegen Amerikaner durchzuführen, sagte Sarif, Iran habe keine Stellvertreterorganisationen außerhalb seiner nationalen Grenzen. Die Menschen, die im Irak an der Trauerfeier für Soleimani teilgenommen hätten, seien "selbständig, sie haben Gefühle und Emotionen und sind in der Lage selbst zu denken und Entscheidungen zu treffen." Daher könne Iran nicht kontrollieren oder bestimmen, wie sie auf den Mordanschlag reagieren werden.

In der Nacht zum 8. Januar haben die iranischen Revolutionsgarden zwei irakische Stützpunkte in Ain al-Assad und Erbil, die unter anderem von Truppen der USA als Militärbasis benutzt werden, mit mehreren Raketen angegriffen. Die Revolutionsgarden berichteten, bei der "Operation Märtyrer Soleimani" seien zwei amerikanische Stützpunkte als Vergeltung für den Anschlag auf Soleimani mit 35 ballistischen Boden-Boden-Raketen angegriffen worden. Dabei seien 50 Amerikaner getötet worden. Der Angriff sei ein "voller Erfolg" gewesen. Sie warnten die USA, auf den Angriff mit weiteren Attacken zu reagieren.

Iran betrachte diese Strafmaßnahme als "Akt der Selbstverteidigung. (...) Wir streben nicht nach einer Eskalation oder einem Krieg, aber wir werden uns gegen jede Aggression verteidigen," twitterte Sarif. Er bezog sich auf Artikel 51 der UN-Charta. Dieser Artikel gewähre jedem Land, das angegriffen wird, das Recht zur Selbstverteidigung. Der Raketenangriff auf die Stützpunkte sei erfolgt, nachdem "unsere Bürger und hochrangige Offizielle" attackiert worden seien, schrieb der Minister.

General Amir Ali Hadschisadeh, Chef der Luftwaffe der Revolutionsgarden, sagte nach den Anschlägen: "Wir wollten niemanden töten, obwohl bei den Anschlägen "sicherlich" Dutzende Amerikaner getötet worden sind. Wenn wir gewollt hätten, wären mehr als 500 Menschen gestorben."

Das Pentagon bestätigte den Raketenbeschuss. Insgesamt hätten die Garden 15 Raketen abgefeuert. Es habe kaum Opfer gegeben. Auch der Sender CNN berichtete, dass es bei dem Angriff keine Opfer gegeben habe. Das Weiße Haus in Washington berief die zuständigen Minister zu einer Krisensitzung. Trump kündigte eine Stellungnahme für den nächsten Tag an. "Alles ist gut," twitterte er. Er wolle schauen, ob es bei dem Angriff Opfer gegeben habe oder Schäden entstanden seien. Und er fügte hinzu: "Wir haben das stärkste und am besten ausgestattete Militär überall auf der Welt, bei weitem."

Bemerkenswert war, dass Iran die irakische Regierung bereits einige Stunden zuvor über den Angriff informiert hatte, wohl wissend, dass die Iraker die Information auch an die Amerikaner weiterleiten würden. Das gab die Regierung in Bagdad elf Stunden nach dem Angriff bekannt. Zugleich erklärte sie, Irak lehne "jede Verletzung seiner Souveränität" und "jede Attacke auf seinem Gebiet" ab. Sie werde alles unternehmen, um eine weitere Eskalation der Lag zu verhindern. Zudem beschloss das irakische Parlament, alle ausländischen Truppen aufzufordern, das Land zu verlassen. Allerdings liegt die letzte Entscheidung in dieser Angelegenheit bei der irakischen Regierung. Daraufhin erklärte die NATO, sie werde Teile ihrer Soldaten aus dem Irak abziehen. Am 8. Januar bestellte das Außenministerium in Bagdad den iranischen Botschafter ein und teilte ihm mit, Bagdad betrachte den Angriff als Verstoß gegen die Souveränität des Landes. Alle Beteiligten an dem Konflikt sollten sich zurückhalten. Bagdad werde nicht dulden, dass Irak zum Schauplatz der Auseinandersetzungen fremder Mächte werde.

Einem Bericht des Nachrichtensenders CNN zufolge hatte Iran zudem über mindestens drei geheime Kanäle Washington versichert, dass es sich auf diese Attacke beschränken und keine weiteren Aktionen durchführen werde. Eines dieser Kanäle sei die Schweizer Botschaft in Teheran gewesen. Die US-Regierung habe gedroht, Iran müsse mit einer heftigen Reaktion rechnen, sollten Amerikaner getötet werden,

Wenige Stunden nach dem Anschlag sagte Irans Revolutionsführer Ali Chamenei in einer Rede, die vom staatlichen Fernsehen direkt übertragen wurde, der Angriff sei "eine Ohrfeige gegen die Amerikaner" gewesen. "Die Amerikaner haben in dieser Region nur Krieg und Zerstörung angerichtet." Das iranische Volk habe mit seiner massenhaften Teilnahme an den Trauerfeiern für Soleimani gezeigt, dass die Revolution auch nach vierzig Jahren immer noch lebendig sei. Der Terroranschlag auf Soleimani sei ein wichtiges Ereignis gewesen. "Das Thema Rache steht auf einem anderen Blatt. Jetzt haben sie (die Amerikaner) eine Ohrfeige bekommen. Militärische Aktionen reichen nicht aus. Es muss der verderblichen Präsenz der Amerikaner in der Region ein Ende gesetzt werden."

Den Medien zufolge wurde der Angriff von Chamenei, der auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, genau beobachtet. "Diejenigen, die meinen, die Amerikaner würden ihre Feindschaft gegen uns beenden, wenn wir zu Zugeständnissen bereit wären, irren sich," sagte Chamenei weiter. Er würdigte abermals die Verdienste Soleimanis und sagte: "Ich lobte ihn immer, wenn er mir über seine Arbeit berichtete. Aber jetzt verbeuge ich mich vor ihm." Die Amerikaner hätten für die Region nichts gebracht als Zerstörung, "Jetzt ist Iran an der Reihe. Sie wollen unser geliebtes Land zerstören." Abermals lehnte Chamenei Verhandlungen mit den USA ab. Verhandlungen seien der Beginn von "Einmischungen und Feindseligkeiten. Das wollen wir nicht haben."

Irans Präsident Hassan Rohani erklärte in einer Stellungnahme am 8. Januar, der Angriff zeige "eindeutig," dass Iran nicht vor den Vereinigten Staaten kapitulieren werde. "Wenn die Amerikaner ein weiteres Verbrechen begehen, müssen sie wissen, dass sie eine noch härtere Antwort erhalten werden. Das werden sie nicht tun, wenn sie klug sind." Auch Rohani betonte, dass Gegenschläge nicht ausreichend seien. Es gehe darum, die Amerikaner vollständig aus der Region zu vertreiben. Das sei die "wahrhaftige und endgültige Antwort der Nationen der Region an die USA."

Sichtlich erleichtert und stolz trat US-Präsident Donald Trump vor dem Weißen Haus in Washington ans Rednerpult und sagte an das Volk und die Führung Irans gerichtet: "Wir wollen, dass Sie eine Zukunft, eine großartige Zukunft haben, eine Zukunft, die Sie verdienen, eine des Wohlstands zu Hause und der Harmonie mit den Nationen der Welt." Bei den Angriffen Irans seien keine Amerikaner zu Schaden gekommen.

Wie es schien, bewertete Trump die Angriffe Irans als harmlos. Er sagte, er werde auf eine militärische Reaktion verzichteten. Aber ganz ungeschoren sollte Iran nicht davonkommen. Es werde weitere Sanktionen gegen das Land geben, sagte er.

Auch US-Vizepräsident Mike Pence wollte die Angriffe nicht überbewerten und versuchte, die Lage zu deeskalieren. "Offen gesagt, wir erhalten einige ermutigende Geheimdienstinformationen, nach denen Iran Botschaften an seine verbündeten Milizen schickt, sich nicht gegen amerikanische Ziele oder Zivilisten zu wenden," sagte er am 9. Januar dem Sender CBS. "Und wir hoffen, dass diese Botschaften zu einem Echo führen." "Wir sind, glaube ich, heute sicherer" als vor dem Tod Soleimanis. Wir streben keinen Regimewechsel in Iran an, aber wir wollen, dass das Regime sein Verhalten ändert."

US-Verteidigungsminister Marc Esper hatte am 7. Januar in einem Interview mit CNN ebenfalls erklärt, die USA wollten keinen Krieg gegen Iran. "Wir wollen ihn beenden." Er forderte Iran auf, mit den USA zu verhandeln. Er versuchte, den Anschlag auf Soleimani zu legitimieren. Es gebe ausreichend Beweise und Indizien dafür, dass es Pläne gegen US-Ziele gegeben habe. "Der Befehlshaber einer terroristischen Organisation trifft in Bagdad den Befehlshaber einer anderen terroristischen Organisation, um gemeinsam Anschläge gegen amerikanische Ziele, Diplomaten und Einrichtungen zu planen. Wir haben sie bevor sie ihre Pläne realisieren konnten, außer Gefecht gesetzt," sagte Pence.

Bundesaußenminister Heiko Maas sagte am 8. Januar: "Wir verurteilen den iranischen Raketenangriff auf irakische Militärstützpunkte, auf denen auch Koalitionskräfte stationiert sind. Wir fordern Iran auf, alle Schritte zu unterlassen, die zu einer weiteren Eskalation führen könnten."

Entgegen der ersten Angaben sind bei dem Angriff doch mehrere US-Soldaten verletzt worden, berichtete dpa am 17. Januar. Demnach teilte das US-Zentralkommando mit, dass die Verletzten wegen Gehirnerschütterung in einem Militärkrankenhaus in Landshut in Deutschland behandelt würden. Das US-Verteidigungsministerium gab am 29. Januar bekannt, dass bei dem Angriff 64 Soldaten verletzt worden seien. Ein Sprecher betonte, die Angaben könnten sich noch ändern.

Irans Verteidigungsminister Amir Hatami schließt einen weiteren Angriff gegen die USA nicht aus. "Unser nächster Schritt wird davon abhängen, welche Schritte die andere Seite unternehmen wird," schrieb er am 9. Januar auf Twitter. Doch das eigentliche Ziel Irans seien nicht Angriffe, es gehe vielmehr darum die Präsenz der USA in der gesamten Region zu beenden. "Denn die Amerikaner haben durch ihre Anwesenheit nichts Anderes gebracht als Krieg und Zerstörung."


SISTANI VERURTEILT AUSEINANDERSETZUNG ZWISCHEN IRAN UND USA AUF IRAKISCHEM GEBIET

Der hoch angesehene irakische Geistliche, der als höchste Instanz der irakischen Schiiten gilt, hat die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Iran und den USA auf irakischem Boden scharf verurteilt. Keine ausländische Macht dürfe das Schicksal des irakischen Volkes bestimmen, erklärte der geistliche Führer in einer Botschaft, die am 10. Januar beim Freitagsgebet in der Pilgerstadt Kerbela verlesen wurde. Die jüngsten gegenseitigen gefährlichen Angriffe seien Verstöße gegen die irakische Souveränität und bildeten die Ursache für die gefährliche Lage der gesamten Region.

Sistani hatte nach der Tötung des iranischen Generals Soleimani am 3. Januar den Anschlag verurteilt und alle Seiten zur Mäßigung aufgerufen. Auch die Angriffe der USA gegen schiitische Milizen bezeichnete der Ayatollah als Verstoß gegen internationales Recht. Diese Ereignisse deuteten "auf ungute Zeiten" für den Irak hin, erklärte er.

Auch Saudi-Arabien warf Iran nach dem Angriff auf Stützpunkte im Irak die "Verletzung der irakischen Souveränität" vor.


ABSCHUSS DER UKRAINISCHEN PASSAGIERMASCHINE

Am 8. Januar meldete Teheran den Absturz einer Passagiermaschine mit 176 Menschen an Bord. Alle Insassen, 167 Passagiere und neun Crew-Mitglieder, kamen ums Leben. Kurz danach behaupteten die verantwortlichen in Iran, Ursache des Unglücks sei ein Triebwerksausfall gewesen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensky brach bestürzt seien Staatsbesuch in Oman ab und kehrte nach Kiew zurück. Nach Angaben des ukrainischen Außenministeriums waren elf ukrainische Staatsbürger an Bord der Maschine.

Der Vorfall ereignete sich in der Nähe von Teheran, kurz nach dem Start der Maschine. Zahlreiche Fluggesellschaften stoppten ihre Flüge über Iran und Irak. Teheran erklärte, man wolle das Ausland umfassend in die Untersuchung des Absturzes mit einbeziehen. Auch die USA sollten mit einbezogen werden. Doch nach und nach häuften sich Hinweise darauf, dass die Maschine nicht aus technischen Gründen abgestürzt sei, sondern abgeschossen sein könnte. Teheran wies dies vehement zurück und sprach von "psychologischer Manipulation."

Vor allem Kanadas Ministerpräsident Justin Trudeau und der britische Premier Boris Johnson sprachen frühzeitig von konkreten Hinweisen, die auf einen Abschuss der Maschine deuteten. Beide betonten jedoch, dass der Abschuss wahrscheinlich aus Versehen erfolgt sei. Auch US-Präsident Donald Trump sagte, er habe einen "Verdacht." "Jemand auf der anderen Seite könnte einen Fehler gemacht haben." Er fügte noch hinzu, er halte einen technischen Fehler als Ursache des Unglücks für ausgeschlossen. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn vermutete ebenfalls einen Abschuss der Maschine. "Es sind mutwillig 176 Leben vernichtet worden," sagte er in Brüssel. "Diese kriegerische Nervosität muss aufhören." Russland hingegen erklärte, es sei "inakzeptabel" vor einer gründlichen Untersuchung von einem Abschuss zu sprechen. "Man sollte nicht versuchen, mit dieser fürchterlichen Tragödie politisch zu punkten" sagte Vizeaußenminister Sergej Riabkow am 10. Januar laut dpa.

Teheran bestritt weiterhin den Abschuss. "Dieses Flugzeug ist nicht von einer Rakete getroffen worden," sagte der Chef der Flugaufsicht, Ali Abedsadeh. Die Behauptung, das Flugzeug sei "von etwas anderem getroffen worden, ist wissenschaftlich nicht haltbar." Doch der Verdacht erhärtete sich. Trudeau wies auf Erkenntnisse kanadischer und anderer Geheimdienste hin und sagte, möglicherweise sei der Abschuss aus Versehen erfolgt.

Indes berichtete die Nachrichtenagentur AP, mehrere Videos geprüft zu haben, auf denen der Aufprall der Maschine ebenso zu sehen sei wie das Objekt, das die Maschine getroffen habe.

Endlich gestand die iranische Militärführung am 11. Januar, die Maschine abgeschossen zu haben. Der Kommandeur der Luft- und Weltraumeinheit der Revolutionsgarden, Ali Hadschisadeh bedauerte das "schreckliche Versehen" und übernahm dafür die volle Verantwortung. Nachdem er von dem Fall gehört habe, habe er sich gewünscht, tot zu sein. Die Soldaten der Luftabwehrbatterie hätten gedacht, bei dem Flugzeug handele es sich um einen Marschflugkörper. Diese Annahme, wenige Stunden nachdem Iran irakische Stützpunkte mit Raketen angegriffen hatte, habe nahegelegen. Der Soldat habe nur zehn Sekunden Zeit gehabt, um sich zu entscheiden. "Er hat die falsche Entscheidung getroffen," sagte der General. Unklar blieb aber weiterhin, wer wann von dem Abschuss erfahren habe, warum es drei Tage dauerte, bis man mit der Wahrheit herausrückte und schließlich die Frage, ob das Flugzeug tatsächlich aus Versehen oder mit Absicht abgeschossen wurde. Viele fragten sich, warum in dieser Situation, in der man mit einem Gegenangriff der Amerikaner rechnete, der Luftraum für Passagiermaschinen nicht geschlossen wurde. "Kanada und die Welt haben viele Fragen," sagte Trudeau am 11. Januar vor Journalisten in Ottawa. Er sei "empört und wütend."

Rohani versprach, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Er sprach von einem "schmerzlichen und unverzeihlichen Fehler" und forderte die Justiz auf, einen hochrangigen Richter, unterstützt von Sachverständigen, mit der Untersuchung des Falls zu beauftragen. Er sei mit dem Funktionieren der Luftabwehrbatterie gut vertraut und wisse daher, dass die Schuld nicht nur bei einer Person liegen könne. Auch andere seien mitschuldig. "Ich will, dass die Menschen die Wahrheit, die ganze Wahrheit, erfahren", sagte der Präsident.

Der Oberbefehlshaber der Revolutionsgarden, General Hossein Salami, sagte in einer nichtöffentlichen Sitzung des Parlaments: "Wenn wir nicht die Wahrheit gesagt hätten, hätte sie niemand erfahren." Er verschwieg, dass die Militärs erst durch den Druck von außen gezwungen wurden, den Abschuss zuzugeben. "Wir waren zunächst nicht sicher, hatten aber den Verdacht, dass die Maschine versehentlich abgeschossen wurde."

Mehdi Karrubi, ein führender Oppositioneller, der sich seit Jahren im Hausarrest befindet, übte scharfe Kritik gegen Revolutionsführer Chamenei. In einem offenen Brief an Chamenei schrieb er: "Sie sind als Oberbefehlshaber der Streitkräfte verantwortlich für den Abschuss der Maschine. Wussten Sie am gleichen Tag, was geschehen war? Oder haben Sie, wie die Medien berichten, erst nach drei Tagen von dem tragischen Vorfall erfahren? Wenn Sie am gleichen Tag informiert wurden und es zuließen, dass die Bevölkerung und die ganze Welt drei Tage lang belogen wurden, dann sind Sie gemäß der Verfassung nicht für den Posten des Revolutionsführers geeignet. (...) Wenn Sie aber nicht informiert gewesen sein sollten, dann muss man fragen, ob ein Befehlshaber, der nicht informiert und zum Spielball seiner Untergebenen wird, für den Posten des Revolutionsführers geeignet ist."

Am 14. Januar gab die Justiz bekannt, dass einige Personen im Zusammenhang mit dem Abschuss der Maschine festgenommen wurden. Am selben Tag berichtete die New York Times, die Maschine sei nicht mit einer Rakete, sondern mit zwei Raketen beschossen worden. Dies sei auf einem im Netz neu aufgetauchten Video zu sehen. Am selben Tag gab die Revolutionsgarde bekannt, dass der Mann, der den Vorgang aufgenommen und ins Netz gestellt habe, verhaftet worden sei. Daraufhin meldete sich ein Mann mit dem Namen Nariman Gharib, der erklärte, er habe die Videoaufnahme erstellt. Anscheinend sei ein anderer an seiner Stelle festgenommen worden.

Außenminister Sarif machte die USA für den Vorfall mitverantwortlich. "Warum ist es passiert? Weil es eine Krise gab. Menschen machen Fehler - unverzeihliche Fehler - aber es passiert in Krisenzeiten," sagte er am 15. Januar bei einer Konferenz in Neu-Delhi. Diese Krise hätten die USA in der Region herbeigeführt. Mohssen Assadi Lari, ein hochrangiger Beamter des Gesundheitsministeriums, der durch den Abschuss zwei seiner Kinder verloren hatte, sagte, er sei überzeugt, dass nicht nur ein Fehler einer einzigen Person zu der Katastrophe geführt habe. "Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden," forderte er.

Am 21. Januar veröffentlichte die Luftfahrtbehörde ihren zweiten Bericht über den Vorfall und erklärte, sie habe, um die Black Box lesen zu können, Frankreich und USA um erforderliche Geräte gebeten. Die Black Box sollte zunächst in die Ukraine geschickt werden, aber später entschied Iran, sie nicht aus der Hand zu geben, was zu Spekulationen führte. Auch Kanada hatte den Flugschreiber verlangt, aber Iran lehnte ab.


ERSTE ANNÄHERUNG ZWISCHEN IRAN UND SAUDI-ARABIEN

Nachdem Iran in den letzten Monaten mehrmals Saudi-Arabien Gespräche angeboten hat, signalisieren nun auch die Saudis Bereitschaft dazu. Der saudische Außenminister Faisal bin Farhan hatte am 22. Januar erklärt, sein Land sei zu Verhandlungen mit Iran bereit. Am nächsten Tag reagierte Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif darauf. Er ließ seinen Sprecher Abbas Mussawi erklären: "Iran ist ebenfalls an Gesprächen mit seinen Nachbarn interessiert. Wir heißen jeden Schritt willkommen, der den Menschen der Region wieder Hoffnung auf Stabilität und Aufschwung bringt."

Seit längerem rivalisieren Iran und Saudi-Arabien um die Vormachtstellung in der Region. Nachdem 2016 in Teheran und Maschad die saudischen Vertretungen von protestierenden Demonstranten gestürmt wurden, brach Riad die diplomatischen Beziehungen zu Teheran ab. Seitdem versuchen die Saudis gemeinsam mit einigen anderen arabischen Staaten, den USA und Israel eine gemeinsame Front gegen Iran zu bilden. Sie werfen Iran vor, sich in Angelegenheiten der Nachbarländer einzumischen und die gesamte Region zu destabilisieren. Ähnlich klingen die Argumente Irans gegen die saudische Führung, die Teheran als "reaktionär" und Lakai der USA bezeichnet. Doch Teheran versucht seit geraumer Zeit, seine Beziehungen zu Saudi-Arabien und den Arabischen Emiraten wieder zu normalisieren, um so die Frontbildung der Gegner zu verhindern.


PARLAMENT STUFT US-VERTEIDIGUNGSMINISTERIUM ALS "TERRORISTISCH" EIN

Das iranische Parlament hat am 7. Januar das US-Verteidigungsministerium sowie die mit ihm verbundenen Unternehmen als "terroristisch" eingestuft. Die Maßnahme ist offenbar eine Reaktion auf den Beschluss der US-Regierung, die iranischen Revolutionsgarden als "terroristisch" einzustufen. Der Gesetzesentwurf wurde mit großer Mehrheit beschlossen. Auch Mitglieder des Wächterrats, die bei der Sitzung anwesend waren, stimmten dem Gesetz zu.

Bislang hatte das Parlament nur das Zentralkommando der Vereinigten Staaten (CENTCOM) und die ihm unterstehenden Organisationen und Kräfte als terroristisch eingestuft. Zugleich wurde beschlossen, "zur Stärkung der Revolutionsgarden" weitere 200 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen.


KEINE EINREISEERLAUBNIS FÜR AUßENMINISTER SARIF

Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif bestätigte am 7. Januar, dass die USA ihm die Einreiseerlaubnis zum Besuch einer UN-Veranstaltung in New York verweigert hätten. Sarif wollte an einer Veranstaltung zum 75. Gründungsjahr der Vereinten Nationen teilnehmen. Er war Wochen zuvor zu dieser Veranstaltung eingeladen worden.

Sarif warf den USA vor, Unwahrheiten verbreitet zu haben. Das US-Außenministerium habe behauptet, die Zeit sei zu kurz gewesen, um seinen Antrag zu prüfen, sagte er. Dabei habe er den Antrag Wochen zuvor eingereicht.

Die USA sind verpflichtet, aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung mit der UNO, Personen, die von der Weltorganisation eingeladen werden, die Einreise zu erlauben. Die Weigerung, dem iranischen Außenminister die Einreise zu gestatten, verstößt gegen diese Vereinbarung.

Die USA hatten im Sommer gegen Sarif Sanktionen verhängt, mit der Begründung, er arbeite direkt oder indirekt mit Revolutionsführer Ali Chamenei zusammen. Dennoch wurde ihm im September die Einreise zur Teilnahme an der UN-Vollversammlung erlaubt.

Zu seiner Reise nach New York sagte Sarif, er habe keine große Lust gehabt, an der Veranstaltung teilzunehmen. "Sie hätte mir aber die Gelegenheit gegeben, über die Verbrechen der USA zu berichten."


TRUMPS BEFUGNISSE ZU MILITÄRAKTIONEN SOLLEN BEGRENZT WERDEN

Nach dem Anschlag auf General Ghassem Soleimani wollen die Demokraten im US-Abgeordnetenhaus versuchen, Trumps Befugnisse, militärisch gegen Iran vorzugehen, zu begrenzen. Nancy Pelosi, Vorsitzende im Abgeordnetenhaus, kündigte laut dpa am 8. Januar an, eine entsprechende Resolution ("War Powers Resolution") vorzulegen. Der Resolutionsentwurf schreibt dem Präsidenten vor, eine Militäroperation innerhalb von 30 Tagen zu beenden, Falls der Kongress der Operation nicht zustimmt.

Pelosi kritisierte die Tötung Soleimanis. Sie sei provokativ und unangemessen gewesen. "Der Präsident hat deutlich gemacht, dass er keine schlüssige Strategie hat, um das amerikanische Volk zu schützen, eine Deeskalation mit Iran zu erreichen und die Stabilität in der Region zu sichern." Zudem habe Trump es versäumt, bei der Entscheidung, Soleimani zu töten, den Kongress zur Beratung hinzuzuziehen, sagte Pelosi. "Die Regierung muss mit dem Kongress zusammenarbeiten, um eine sofortige, wirksame Deeskalationsstrategie voranzubringen, die weitere Gewalt verhindert. Amerika und die Welt können sich keinen Krieg leisten. "


VORÜBERGEHENDE FESTNAHME DES BRITISCHEN BOTSCHAFTERS IN TEHERAN

Der britische Botschafter in Teheran, Rob Macaire, wurde am 11. Januar vorübergehend festgenommen. Nach iranischer Darstellung hatte er an Protestdemonstrationen vor der Universität Amit Kabir gegen die iranische Staatsführung teilgenommen und dabei die Demonstranten zu "radikalen Aktionen" ermuntert, berichtete die Agentur Tasnim. Er sei nach einigen Stunden wieder freigelassen worden. Die Agentur, die den Revolutionsgarden nahesteht, beruft sich auf einen ungenannten Sicherheitsbeamten, der berichtete, die Sicherheitsbeamten hätten den Botschafter beobachtet und nachdem sie festgestellt hatten, dass er gegen die Sicherheit des Landes verstößt, festgenommen. Danach habe man den Botschafter dem Außenministerium übergeben und das Ministerium habe ihn freigelassen.

Das Außenministerium in London reagierte empört auf die Festnahme. "Die grundlose und unbegründete Festnahme unseres Botschafters in Teheran ist eine ungeheuerliche Verletzung internationalen Rechts," erklärte Außenminister Dominic Raab. "Die iranische Regierung steht an einem Scheideweg," hieß es weiter. Sie habe die Wahl, entweder den bisherigen Weg fortzusetzen, was zur vollständigen Isolierung des Landes führen werde. Oder sie könne sich um Deeskalation bemühen und die Konflikte auf diplomatischem Weg lösen.

Auch der Sprecher des Ministeriums warf Iran vor, mit der Festnahme des Botschafters gegen die Wiener Konvention verstoßen zu haben. Das sei nicht das erste Mal, dass Iran die Konvention missachte, twitterte er. Iran solle sich entschuldigen und die Rechte der Diplomaten achten.

Zwei Abgeordnete im Teheraner Parlament forderten am 12. Januar, den Botschafter aus Iran auszuweisen. Der Abgeordnete Alaeddin Borudscherdi, ehemaliger Vorsitzender des Ausschusses für Außenpolitik und Nationale Sicherheit, sagte, Großbritannien habe bei der Verhängung von Sanktionen gegen Iran und ebenso bei den Problemen, mit denen Iran konfrontiert sei, eine wichtige Rolle gespielt. Es wäre angebracht, wenn das Außenministerium Maßnahmen zur Ausweisung des Botschafters treffen würde.

Der Abgeordnete Abdolresa Mosri sagte: "Es ist unglaublich, dass der britische Botschafter an Aufruhr teilnimmt. Ich frage mich, ob die britische Botschaft in Teheran eine diplomatische Vertretung ist oder das Zentrum zur Organisierung der Konterrevolution. Die Einmischung der Briten (in inneren Angelegenheiten Irans) geht soweit, dass der Botschafter sich offen hinter die Randalierer stellt."

Das Teheraner Außenministerium forderte am 13. Januar in einer Erklärung London auf, "jegliche Einmischung und Provokation" sofort zu beenden. Andernfalls werde sich Teheran nicht mit der Einbestellung des Botschafters begnügen. Iran dulde keine Einmischung, insbesondere nicht durch Staaten mit "kolonialer Vergangenheit."

Der Botschafter wies die Vorwürfe zurück. Er habe lediglich an einer Trauerwache für die Opfer des Flugzeugabschusses vor der Universität teilnehmen wollen. Schließlich seien in der Maschine auch verunglückte britische Staatsbürger gewesen. Nachdem er aber gemerkt habe, dass sich die Trauerwache in eine Protestkundgebung verwandele, habe er den Ort verlassen.


GEFLÜCHTETE OLYMPIA-SIEGERIN WILL FÜR DEUTSCHLAND STARTEN

Die 21-jährige iranische Taekwondo-Kämpferin, Kimia Alisadeh, die Iran aus politischen Gründen verlassen hat und derzeit sich in Hamburg aufhält, äußerte laut "Bild am Sonntag" vom 19. Januar den Wunsch, bei den Olympischen Spielen in Tokio für Deutschland zu starten. "Ich würde mich freuen, dort für Deutschland an den Start zu gehen. Ich hoffe auf ein ruhiges und problemloses Leben hier," sagte sie. Sie war eine Woche zuvor aus Iran in die Niederlande geflohen. Auf Instagram schrieb sie: "Ich bin eine der Millionen unterdrückten Frauen in Iran. (...) Ich habe das Land verlassen, weil ich genug davon habe, von den Behörden als Propaganda-Instrument benutzt zu werden. Ich akzeptiere den Schmerz und die Härte des Heimwehs, weil ich nicht Teil von Heuchelei, Lügen, Ungerechtigkeit und Schmeichelei sein wollte," sagte sie. Sie hatte 2016 in Rio de Janeiro eine Bronzemedaille gewonnen.

Musa Cicek, Vizepräsident der Deutschen Taewondo Union sagte laut dpa vom 27. Januar, die Iranerin könnte als Mitglied des IOC-Flüchtlingsteam an den Olympischen Spielen in Tokio teilnehmen. "Wir haben schon zwei Sportler (Flüchtlinge), die für Olympia vorgesehen sind. Sie werden wie unsere Athleten von den Bundestrainern gecoacht. Und so was können wir natürlich auch mit ihr machen." Allerdings müsse sie als Geflüchtete in Deutschland anerkannt werden. Ob dies bis April gelingen werde, sei unsicher.


ZWEI IRANISCHE DIPLOMATEN AUS ALBANIEN AUSGEWIESEN

Albanien hat am 15. Januar zwei iranische Diplomaten ausgewiesen. "Das Ministerium hat sie zu unerwünschten Personen erklärt, weil sie Aktivitäten nachgingen, die mit ihren diplomatischen Status unvereinbar sind, "teilte der albanische Außenminister Gent Cakaj laut dpa auf seiner Facebook-Seite mit. Konkrete Angaben machte er nicht.

Weiter berichtete die Agentur, die in Kosovo erscheinende Zeitung "Gazeta Express" habe auf ihrer Webseite berichtet, die Diplomaten seien an Planungen terroristischer Anschläge im Nahen Osten und in Europa beteiligt gewesen. Ihren diplomatischen Status hätten die beiden Personen, die in Wirklichkeit Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes waren, benutzt, um ihre Identität zu tarnen. Es ist nicht festzustellen, ob die Planungen mit der gezielten Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani in Zusammenhang gestanden haben.

Als vor sechs Jahren die Mitglieder der iranischen Volksmodschahedin aus dem Irak ausgewiesen wurden, erklärte sich Albanien bereit, sie aufzunehmen. Seitdem leben rund 2.000 Mitglieder der Volksmodschahedin in einem Flüchtlingslager in Albanien.

Auch im vergangenen Jahr hatte Albanien den iranischen Botschafter und einen Mitarbeiter der Botschaft wegen illegalen Aktivitäten ausgewiesen. Im Oktober teilte die albanische Polizei mit, eine paramilitärische Gruppe, die zu den iranischen Revolutionsgarden Verbindung hatte, entdeckt und ihren Plan, das Lager der Modschahedin anzugreifen, vereitelt zu haben. Iran bestritt damals die Angaben der Polizei und behauptete, die Maßnahme der Polizei sei durch Druck seitens Israels auf Albanien erfolgt.

Kürzlich bezeichnete Revolutionsführer Chamenei Albanien als ein "kleines, aber wildes und zynisches Land."


BRITE UM DAS SCHICKSAL SEINER IN IRAN INHAFTIERTEN FRAU BESORGT

Richar Ratcliff, Ehemann von Nazanin Zaghari-Ratcliff, einer Iranerin mit britischer Staatsangehörigkeit, die sich seit 2016 in iranischer Haft befindet, sorgt sich angesichts der jüngsten Ereignisse um das Schicksal seiner Frau. In einem Artikel in der Zeitung "Daily Mail" schrieb er, er habe die Befürchtung, Iran könnte wegen der Tötung von General Soleimani Rache üben und die Haftstrafe seiner Frau erhöhen. Er wolle nicht, dass seine Frau "wie eine Schachfigur" hin und her geschoben werde.

Die 40-jährige Zagheri, Projektmanagerin der Thomson-Reuters-Stiftung, war wegen Spionagetätigkeit zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Sie streitet den Vorwurf ab. Sie erklärte, dass sie in Iran lediglich ihre Familie besuchen wollte. Inzwischen hat sie etwa die Hälfe ihrer Strafe abgesessen. Ihr Mann hat am 23. Januar ein Gespräch mit dem britischen Premier Boris Johnson geführt. Zu dem Termin hatte er auch seine 5-jährige Tochter mitgenommen. Nach dem Gespräch sagte er vor Journalisten, es gebe noch Unstimmigkeiten zwischen ihm und der Regierung. Er forderte, dass der gegenwärtige Streit zwischen Teheran und London rasch zu Ende gebracht wird. Bei dem Streit geht es um Panzer, die Iran zu Schahs-Zeit bei den Briten bestellt und bezahlt hatte, die aber nie geliefert wurden.

"Johnson hat gesagt: 'Wir werden alles tun, was möglich ist. Aber die Lage ist kompliziert'," berichtete Ratcliff. Daran zweifle er nicht. Aber die Regierung befinde sich derzeit in einer "sehr sensiblen" Lage. Großbritannien versuche im Atomkonflikt mit Iran eine Position zwischen der EU und den USA einzunehmen. "Ich habe gesagt, das ist ein anderes Thema. Meine Angelegenheit betreffe ein Thema, das international hoch bewertet wird. Es geht um eine Geiselnahme." Da müsse London viel härter gegenüber Iran auftreten. "Ich glaube nicht, dass Nazanin morgen oder nächste Woche freikommen könnte. Doch Johnson muss härter und entschiedener auftreten."

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Impressum:
Hrsg.: Heinrich-Böll-Stiftung
Autor: Bahman Nirumand
Redaktion: Anja Hoffmann
V.i.S.d.P.: Annette Maennel
19. Jahrgang

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Quelle:
Iran-Report Nr. 2/2020 - Februar 2020 / 19. Jahrgang
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Februar 2020

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