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GUTE-NACHT/2213: Gibt es Schnee auf dem Dachboden? (SB)


Regentropfen waren durch eine kleine abgebrochene Ecke in einer Dachziegel gelaufen und auf einen Karton voller Kuscheltiere gefallen. Dort bahnten sich die Tränen des Himmels einen Weg ins Innere des Kartons und flossen so weit sie konnten nach unten. Zuerst liefen sie an der glatten Plastiktüte, in der eine Stoffschlange verborgen lag, schnell hinab. Ein Teil des Wassers drang in das Fell des weißen Pferdchens ein, ein anderer durchdrang das Kleid einer Stoffpuppe, die nur noch ein Bein hatte. Das letzte feuchte Naß landete auf dem Glasauge eines Teddybären und weckte ihn auf.


*


Der Wind, der auch heute wieder an den Dachziegeln rüttelt, schreckt den alten Teddybären in seinem Karton auf. Noch immer ist er eingekeilt zwischen den anderen Kuscheltieren. Doch mit Drängeln und Stoßen befreit sich Teddy und klettert über die anderen Tiere hinweg nach oben, um dort einen der vier Kartondeckel leicht anzuheben.

Das helle Licht blendet Teddy und er hält seine Tatze vor seine Augen. Nachdem er sich an das helle Licht gewöhnt hat, klettert Teddy aus dem Karton. Er hat Glück, daß mehrere Kartons unterschiedlicher Höhen nebeneinander stehen. So kann er leicht auf den Dachboden gelangen, ohne von oben herab zu stürzen. "Merkwürdig?" denkt Teddy, "als ich in den Karton gesteckt wurde, befand ich mich im Kinderzimmer und jetzt weiß ich nicht, wo ich bin?"

Teddy wagt ein paar Schritte und dreht sich dann um. Plötzlich entdeckt er Spuren auf dem Boden. Es sieht aus wie Fußspuren im Schnee. Teddy fröstelt. Spuren im Schnee kennt Teddy von früher, denn damals ist er oft beim Schlittenfahren dabei gewesen und einmal war er sogar mit auf einer langen Reise in die Berge. Das war auch im Winter. Viel Schnee gab es da und viele Schneespuren. Doch in einem Haus hat Teddy noch nie Schneespuren gesehen. Woher sollte der Schnee auch kommen? Teddy schaut zum Dach hinauf. Hierdurch kann der Schnee nicht gefallen sein. Er sieht auch viel zu grau aus. Mit der Tatze greift Teddy nach dem Schnee. "Er ist auch gar nicht kalt?" wundert sich Teddy und friert schon gleich nicht mehr. "Es ist kein Schnee!" sagt Teddy bestimmt. Teddy überlegt. Dann dämmert es ihm. Früher mußte Elvi immer mit einem Tuch über alle Schränke wischen. Das mochte sie gar nicht. Aber Elvis Mutter bestand darauf. Einmal sagte sie sogar: "Sieh mal, wenn du deinen Teddy auf den Schrank legst, der nicht gewischt ist, bekommt er ja einen ganz staubigen Po." Elvi sagte nur: "Ich lege Teddy doch gar nicht auf den Schrank, ich halte ihn immer im Arm!" Das Hin-und-Her der beiden ging weiter. Aber das hat Teddy vergessen. Doch er weiß jetzt, daß was hier am Boden liegt auch Staub ist. Die Abdrücke in dem Staub sind also seine eigenen Spuren.

"Gibt es vielleicht noch andere Spuren hier?" überlegt Teddy und schaut sich um. Er entdeckt nur riesengroße Abdrücke und Abdrücke, die etwas kleiner sind, aber immer noch riesig gegenüber seinen eigenen Spuren. Sie scheinen über den ganzen Dachboden verteilt zu sein. "Ob hier Riesen leben?" fragt sich Teddy und versteckt sich schnell hinter dem Karton, aus dem er herausgeklettert ist. "Wenn es wirklich Riesen sind, dann haben die aber schon lange keinen Staub mehr gewischt!" flüstert Teddy leise und erinnert sich an Elvi, bei der niemals so dicke Staubschichten wegzuwischen waren.


Gute Nacht