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GUTE-NACHT/2260: Geburtstag, manche warten vier Jahre (SB)


Das alte Schulhaus im Februar

Kein Schaltjahr, kein Geburtstag


Rutschig ist es auf den Wegen vor der alten Schule. In der Nacht hat es geregnet und heftig gestürmt. Wieder liegen abgebrochene Zweige auf der Wiese verteilt. Am Mittag dann lugt die Sonne ein wenig hinter den Wolken hervor. Diese Zeit nutzt Hausmeister Willi, um mit seinen Neffen die Hasen zu füttern. Charlys Hosenboden ist jetzt schon längst wieder getrocknet. Die nasse Hose bereitet ihm also keinen Kummer mehr. Traurig ist er aber darüber, daß er auch in diesem Jahr schon wieder einmal keinen richtigen Geburtstag hat. Denn wenn heute Nacht um 24 Uhr die Geisterstunde schlägt, dann hält zu dieser Zeit schon der Monat März seinen Einzug. Der 29. Februar zieht mal wieder den kürzeren.

Am Bau neben der Schule geht es weiter. Die Dachgiebel sind bereits ausgemauert und von den Klinkern ist auch nicht mehr viel zum Hochziehen übrig geblieben. Wann aber wird das Dach richtig eingedeckt? Auch im Inneren des Hauses tut sich was. Doch eine Treppe ist noch nicht eingebaut. Der vorbeiziehende Spaziergänger, ein älterer Herr mit kariertem Hut und einem Terrier an einer langen Laufleine, sieht ein paar Beine sich in das Dachgeschoß hochhangeln. Alle Spaziergänger sind neugierig auf die neuen Bewohner, die hier bald einziehen werden.

Die Wiesen umher sind matschig. Kein Wunder nach dem vielen Regen. Wenn schon die Felder noch ganz überschwemmt sind, wie sollte es da in den Gärten anders sein. Einige Bauern haben bereits überlegt, ob sie die Büsche und Bäume auf den Knicken, den kleinen Hügeln zwischen den Feldern, abholzen sollen, damit der Wind ungehindert über die Felder ziehen kann, um die Feuchtigkeit mitzunehmen. Doch vielleicht ist das auch nur eine Ausrede, um die Büsche und Bäume los zu werden. Weiß man doch, daß der Wind, wenn er nicht aufgehalten oder gebrochen wird, gern gute Erde mit sich nimmt, was zu weiteren Problemen führt.

Doch im Moment kümmert das die drei Jungen nicht, besonders Charly nicht mit seinem ganz persönliches Problem - das doch nicht ganz so persönlich ist, wie es ihm scheint. Charly hätte morgen Geburtstag, wenn es denn ein Schaltjahr wäre. Doch leider gibt es ein Schaltjahr nur alle vier Jahre. So fällt sein Geburtstag glatt ins Wasser. Denn auf den 28. Februar folgt in diesem Jahr sogleich der 1. März. Zwar bekommt Charly von seinen Eltern und auch von Onkel Willi Geschenke, doch in weniger als einer Sekunde wird heute Nacht sein Geburtstag schon wieder vorbei sein. Sein sozusagen schönster Tag im Jahr wird gerade mal eine Sekunde dauern, nämlich die Sekunde zwischen Mitternacht und der ersten Sekunde des neuen Tages. Gut, daß er im nächsten Jahr wieder Geburtstag feiern kann. Dann will er alle drei versäumten Geburtstage gleich mit aufholen. Alle Freunde werden dazu eingeladen und glatt noch ein paar Leute mehr. Vierundzwanzig Stunden lang wird dann getobt, gespielt und genascht, getanzt, sich gefreut und Unmengen an Geschenken ausgepackt. Das wird kein Tag sein, an dem sich Charly früh ins Bett schicken läßt. Dann wird es auch keiner wagen, ihm vor Mitternacht "Gute Nacht" zu sagen.


Gute Nacht