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GUTE-NACHT/2434: Von der Fünf, die eine Vier umarmt (SB)


Fünf

"Eine Fünf haben sie nicht mehr?" fragt der junge Kunde in dem Laden mit den unterschiedlichsten Waren. Dort gab es vom Babyschnuller über Stifte oder Haushaltsgeräte jede Menge Schnick-Schnack. Auch Kerzen in Form von Zahlen. Eine solche Zahl hatte sich der Kunde eingekauft. Doch neben dieser Vier hätte er gern noch eine Fünf gehabt, denn beides zusammen sollte eine 45 ergeben.

Fünfundvierzig Jahre bestand nun schon die Bäckerei an der Ecke. Das sollte gebührend gefeiert werden und eine passende Zahl ins Schaufenster gelegt werden. Jeder Kunde sollte sehen können, wie lange die Bäckerei nun schon geführt wurde. Der Lehrjunge war in die Stadt geschickt worden, zwei passende Zahlen zu finden.

"Hast du alles bekommen?" fragte der Meister den Lehrjungen, als er wieder in der Bäckerei ankam. "Bis auf eine Fünf habe ich alles bekommen, die Goldfolie, die roten Schleifen und eben auch eine Vier. Aber ich weiß nicht, ob das eine passende Zahl ist?" Der Meister sah den Lehrjungen mit seinen Tüten und sagte: "Na, dann reich mal rüber." Jetzt wurde erst einmal die ganze Dekoration ausgepackt, die gleich im großen Ladenfenster ausgelegt werden sollte. Für neugierige Blicke war das Fenster verhangen und sollte erst am morgigen Tag enthüllt werden.

Der Meister sah die Vier aus Wachs und hätte dem Jungen am liebsten eine hinter die Löffel gegeben. Was sollte er mit einer einzelnen Vier und außerdem dann noch eine aus Wachs. Die würde doch glatt in der Sonne dahinschmelzen. "Gab es denn keine goldenen Zahlen in dem Dekoladen?" fragte der Meister. "Nun, ich habe alles mitgebracht, was wir gebrauchen können. Um die Zahlen machen sie sich mal keine Sorgen, Meister. Ich habe da eine Idee", gab der Lehrjunge von sich. Da ihn der seit einem Jahr im Laden beschäftigte Junge schon so einige Male überrascht hatte, vertraute er ihm auch diesmal. "Also gut! Aber enttäusche mich nicht. Morgen will ich eine Vier und eine Fünf im Fenster haben, die sich sehen lassen können. Außerdem wirst du das Fenster allein gestalten. Denn ich muß heute noch in unsere Filiale fahren. Also mach deine Sache gut, dann bekommst du auch einen freien Tag extra." Damit verschwand der Meister und ließ seinen Lehrjungen allein.

Der Betrieb im Laden ging weiter wie alle Tage, bloß daß das Fenster verhangen war und neugierige Blicke immer wieder versuchten hinter den Vorhang zu spähen. Doch das ließ der Lehrjunge nicht zu.

Zuerst tat sich noch gar nichts hinter dem Vorhang. Denn der Lehrjunge steckte in der Backstube. Hier bereitete er für seinen Meister eine Überraschung vor. Aus Brotteig formte er eine große Vier und eine ebensogroße Fünf. Beide Zahlen waren so miteinander verbunden, daß es aussah als umarmten sie einander. Diesem Gebilde gab der Junge später im Schaufenster einen besonderen Platz, so daß die Jubiläums-Zahl schon von Weitem zu erkennen war. Mit der Goldfolie wurde das ganze Schaufenster ausgelegt und die roten Schleifen im ganzen Fenster verteilt. Zu jeder Schleife legte oder hängte der Junge ein noch besonders hübsch auschauendes Backwerk, von dem er aber wußte, daß es nicht mehr frisch schmeckte. Für Dekorationszwecke waren die Stückchen und Brezeln oder Wecken aber noch gut zu gebrauchen.

Um seinen Meister besonders zu überraschen, hatte der Junge die Frau Meisterin um Hilfe gebeten. Sie hatte zwei Fotos herausgesucht. Ein altes Schwarz-Weiß-Foto und ein neueres Farbfoto. Auf dem einen war der Meister noch sehr jung und stand vor seinem Laden. Das farbigen Bild hatte die Meisterin erst kürzlich aufgenommen. Heimlich hatte sie die Bilder vergrößern lassen. Danach rahmte der Lehrjunge die Bilder ein. Jetzt wurden beide Rahmen mit in das Schaufenster gehängt. Früher und heute hätte das Motto sein können. Der Junge war stolz auf sich, sein Meister würde sicher beeindruckt sein und der freie Tag ward ihm sicher!

21. September 2007

Gute Nacht