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GUTE-NACHT/2631: Ein Pfennig auf Reisen - Am Strand (SB)


Ein Pfennig auf Reisen

Ein lautes Geräusch läßt den kleinen Pfennig aus dem Schlaf aufschrecken. Lag er nicht gerade in der Sonne am Strand?


*


Am Strand liegt der kleine Pfennig im Sand und glitzert in der Sonne. Er wird hier wohl nicht lange herumliegen. Bestimmt entdeckt ihn gleich einer der vielen Sonnenhungrigen und bückt sich nach ihm.

Wie ist er eigentlich hierher gekommen? In der Hose, in der er zuletzt gesteckt hat, war ein winziges Loch. Der Pfennig war neugierig und wollte wissen, was denn da zu sehen wäre, würde er durch das kleine Loch hindurchschauen. Da ihm das Loch aber zu klein war, riß er es etwas größer. Da geschah es, das Loch wurde viel zu groß und der Pfennig rutschte hindurch. Die Fahrt am Bein entlang kitzelte den Pfennig, denn da waren lauter Haare. Nach kurzer Zeit des Lachens, landete der Pfennig auf einem Schuh, von wo aus er in weitem Bogen durch die Luft geschleudert wurde. Die Landung war weich, denn der kleine Pfennig fiel in den Sand am Strand.

Hier nun liegt er und ständig laufen Leute über ihn hinweg. Da wird es doch mal einen geben, der den Glückspfennig entdeckt und sich über ihn freut. Aber nichts geschieht. Haben die Menschen kein Glück mehr nötig? Hier am Strand scheint es fast so. Da bräunen sich die Frauen und Mädchen, andere junge Leute spielen Ball, unter einem Sonnenschirm wird Zeitung gelesen und Kinder tollen über den Sand. Etwas weiter entfernt steht ein kleines Gebäude. Es ist ein Schloß. Wenn es so klein aussieht, ist es sicher ziemlich weit entfernt. Doch an einer Person, die jetzt neben dem Schloß entlang geht, kann der kleine Pfennig ermessen, daß es sich um ein Spielzeugschloß handeln muß. Denn Riesen gibt es in diesem Lande nicht.

Allmählich langweilt sich der Pfennig. Er will endlich gefunden werden, um Glück zu bringen. Langsam senkt sich die Sonne dem Horizont entgegen. Ihre leuchtende Helligkeit färbt sich in tiefes Rot - Abendhimmel am Meer. Menschen sind nur noch wenige hier am Strand. So gibt der kleine Pfennig die Hoffnung auf, noch an diesem Tag entdeckt zu werden. So wird sich der Geist in der Flasche gefühlt haben, als er darauf wartete, gefunden zu werden. Nunja, es ist eben nicht jeder Tag ein Glückstag. Das Licht der untergehenden Sonne spiegelt sich in einer seltsamen Art und Weise auch in dem Pfennig. Er leuchtet jetzt rotgolden. Das bemerkt ein älterer Herr. Er bückt sich und hebt den Pfennig auf. Enttäuscht, daß es nur ein Pfennig ist und kein Gold, wirft er die Münze wieder fort. "Sie ist einfach gar nichts wert, nicht einmal einen Bonbon bekommt man dafür, wie es noch in früheren Zeiten war", erinnert sich der alte Herr.

Daß der Mann etwas weggeworfen hat, das schön glänzt, sieht ein kleiner Junge. Der greift sofort nach dem Verworfenen und findet den Pfennig. "Diese Münze paßt gut zu dem Schloß, das mir mein Vater gebaut hat", denkt er und er freut sich, "jetzt gibt es in meinem Schloß sogar einen Schatz. Dafür soll Papa mir noch eine Schatztruhe aus Sand bauen."

Der Junge hebt den Pfennig auf. Der Pfennig freut sich riesig, doch noch entdeckt worden zu sein. Er glaubt schon, jetzt wieder in einer Tasche zu landen...


*


... doch da stellt der Pfennig fest, er steckt bereits in einer Tasche, einer durchsichtigen. Von oben und unten ist er eingekeilt zwischen anderen Münzen. Sein Erlebnis am Strand war leider nur ein Traum.

Noch immer steckt der kleine Pfennig in dem Münzalbum. "Schade", denkt er, "dort am Strand war es doch gar nicht so übel."


Erstveröffentlichung am 3. September 2003

18. Mai 2008

Gute Nacht