Schattenblick →INFOPOOL →KINDERBLICK → GESCHICHTEN

GUTE-NACHT/2861: Der Geist in Pantoffeln und der Schatten vor dem Fenster (SB)


Gute Nacht Geschichten


Auf dem Weg durch den langen Flur nach oben schauen sich Großmutter und Paddy die Geisterbilder an, die die Enkelin vorhin gemalt hat. "Sie sind dir wirklich gelungen", lobt Großmutter, "da bekomme ich ja eine richtige Gänsehaut. Nur hier bei dem letzten, da ist es anders. Der Geist sieht selber schon ängstlich genug aus." Paddy freut sich, daß die Bilder ihre Großmutter gruseln. Schließlich wollte sie ja Geister malen, die einen erschrecken können. Doch jetzt am Abend findet sie die Idee, die Bilder im Flur aufzuhängen, gar nicht mehr so toll. Sie bereiten ihr nun selber Angst, obwohl sie es doch war, die die Bilder gemalt hat.

Paddy zupft ihre Großmutter am Ärmel: "Laß uns weitergehen!" Beim Bad halten sie an. Paddy sagt: "Bleibst du bitte bei mir, bis ich mir die Zähne geputzt habe?" Großmutter nickt. "Ich möchte jetzt auch nicht alleine über diesen Gruselflur laufen. Was hältst du davon, wenn wir die Bilder morgen abnehmen und sie in das Zimmer hängen in dem ...", und hier flüstert Großmutter, "nun, in dem sich der alte Bauer erhängt haben soll. Dort passen sie doch sehr gut hinein. Da können wir sie uns dann immer bei Tage ansehen." - "Wie in einem Museum", stellt Paddy fest und gibt zu verstehen, daß ihr die Idee ausgezeichnet gefällt.

Schnell den Zahnputzbecher noch ausgespült und dann geht es ab ins Bett. Großmutter setzt sich auf den Sessel davor, nachdem sie Paddy gut zugedeckt hat. Dann nimmt sie sich selber eine Decke, die über der Sessellehne liegt und faltet sie auseinander. Damit wärmt sie ihre Beine. Paddy ist beruhigt, wenn Großmutter ihre Decke ausbreitet, bleibt sie eine ganze Weile bei ihr am Bett sitzen.

"Erzählst du mir eine Geschichte?", Großmutter nickt und beginnt: "Eben, als wir uns deine Geisterbilder angesehen haben und du zeigtest, daß du dich vor deinen eigenen Geistern gruselst, fiel mir ein Erlebnis ein, das ich hatte, als ich selber noch zur Schule ging. Möchtest du es hören?" - "Handelt es auch von Geistern?", fragt Paddy. "Ein bißchen schon." Paddy möchte Großmutters Erlebnis erfahren.

"Wir waren mit meiner Schulklasse auf einem Ausflug und dabei übernachteten wir in einer Jugendherberge. Zu sechst lagen wir auf unserem Zimmer. Es standen drei Etagenbetten darin. Mein Doppelbett stand am Fenster und ich lag im oberen Bett. Ich hatte einen herrlichen Blick über die Gegend. Ab 22.00 Uhr war Nachtruhe angesagt. Doch wir sechs Mädchen waren viel zu aufgeregt, um schlafen zu können. Also lachten und erzählten wir uns Geschichten. Leider ein bißchen zu laut, sodaß unsere Lehrerin hereinkam und uns zur Ordnung rief.

Nachdem sie wieder gegangen und wir noch immer nicht müde waren, beschlossen wir, daß immer nur eine von uns erzählen sollte. Zuerst erzählte Gaby eine Geschichte von ihren Geschwistern. Dann berichtete Annette von der Bäckerei ihrer Eltern. Nun war ich an der Reihe. Ich überlegte, was ich wohl erzählen könnte. Dabei sah ich aus dem Fenster. Eine Straßenlaterne beleuchtete den Platz. Ansonsten war es dunkel. Doch der Wind schlich ums Haus und bewegte hier einen Ast und fegte dort ein paar Blätter über den Boden. Draußen sah es irgendwie unheimlich aus. So begann ich im Flüsterton zu beschreiben, was ich da draußen sah. Nur ich konnte von meinem Bett aus nach draußen schauen. So widersprach mir keiner. Ich erzählte von den Schatten, die dahinhuschten und von der Lichtspiegelung im Wasser. Meine Stimme wurde immer unheimlicher, ja gespenstisch. Fast am Ende der Geschichte angelangt, berichtete ich von Schatten, die sich dem Haus näherten und wie große Menschen aussahen, ich beschrieb Geistwesen, die durch die Luft flogen und genau auf unser Fenster zugesteuert kamen. Ein angstvoller Schrei entfuhr meinen Lippen und alle Mädchen, eingeschlossen mir selber, verkrochen sich unter ihren Bettdecken. Ein Mädchen begann vor Angst sogar zu weinen.

Das was ich da gesehen hatte, kam mir nun selber so wirklich vor, daß ich mich nicht mehr traute, meinen Kopf wieder unter der Decke hervorzuholen. Es dauerte noch eine ganze Weile bis wir einschliefen. Aber kaum einer sagte mehr etwas."

Großmutter blickt von Paddy auf, hin zum Fenster. Plötzlich weicht all ihre Farbe aus dem Gesicht. Paddy kann das Fenster nicht sehen. Großmutter dagegen vermeinte jemanden dort erblickt zu haben, der genau ins Fenster hineingeschaut habe. Doch das berichtet sie jetzt lieber nicht ihrer Enkelin, sondern verspricht noch eine Weile hier sitzen zu bleiben und wünscht Paddy: "Schöne Träume."

18. Februar 2009

Gute Nacht