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GUTE-NACHT/2869: Der Geist in Pantoffeln und der Spalt im Vorhang (SB)


Gute Nacht Geschichten


Bei Nudeln mit Tomatensoße, Paddys Lieblingsgericht, sitzt die kleine Familie beisammen. Es wird geschmatzt und erzählt - zu gleichen Teilen. Dann stellt Mutter eine Frage in den Raum: "Sagt mal, war irgendeiner von euch oben in dem alten Zimmer, ihr wißt schon, in dem sich der alte Bauer erhängt hat?" Paddy will schon lossprudeln, aber sie hat noch den Mund voller Nudeln. Zum Glück stellt Großmutter eine Gegenfrage, um Zeit zu gewinnen: "Wieso fragst du?" - "Nun", beginnt Mutter, "als ich heute im Garten war, stand der Vorhang ein wenig offen und ich meine, er sei die ganze Zeit doch zugezogen gewesen." Jetzt lacht Mutter: "Da oben wird sich doch wohl nicht unser Geist in Pantoffeln herumtreiben?"

Paddy fällt aus allen Wolken und will schon beichten. Doch da sie sich vor lauter Schreck verschluckt hat, hustet sie erst einmal los. Großmutter steht auf und klopft ihr auf den Rücken. Dann reicht sie ihr schnell ein Glas Wasser und ergreift wieder das Wort: "Also, du weißt doch selber, daß es den Geist in Pantoffeln nicht gibt!" Bei diesen Worten zwinkert Großmutter Paddy zu. Mutter kann es nicht sehen, denn sie starrt auf den Rücken von Großmutter. Paddy versteht nun. Mutter hat gar nicht den kleinen Geist aus Ton gemeint, den sie selbst Paddy vor zwei Tagen mitgebracht hatte und der angeblich gestohlen worden ist. Mutter hat nur eine Anspielung auf einen unsichtbaren Geist gemacht, den Paddy immer dann ins Leben ruft, wenn wohl irgendetwas geschieht, das sie selber angestellt hat.

Um nun nicht die Frage von Mutter unbeantwortet im Raum stehen zu lassen, klärt Großmutter ihre Tochter auf. "Nun als du vor einigen Tagen fort warst, habe ich einmal in dem stickigen Zimmer gelüftet. Das war wirklich nötig. Mag sein, daß ich dann die Gardine nicht wieder ganz zugezogen habe. Ich dachte, ich hätte dir erzählt, daß ich dort oben war. Denn dort scheint es auch eine Ratte zu geben. Das sah jedenfalls aus den Augenwinkeln so aus. Ich habe gleich einige Fallen aufgestellt. Gleich morgen früh werde ich mich darum kümmern und nachsehen. Geh du lieber nicht dort hoch, sonst trittst du noch aus Versehen in eine Falle hinein." "Ist gut", meint Mutter, "ich habe ohnehin nicht so viel Zeit, jetzt auch noch in dem alten Teil des Hauses herumzuwirbeln. Wenn du schon einmal da oben bist, würdest du dann vielleicht die Gardine ganz aufziehen. Ich glaube, das macht einen besseren Eindruck für die Leute aus dem Dorf. Die kennen doch auch all die Geschichte um den Erhängten und oft, wenn ich Einkaufen gehe, kommen stets Anspielungen darauf. Sind alle Gardinen offen, dann wird vielleicht bald nicht mehr über dieses düstere Kapitel unseres Bauernhauses geredet."

Großmutter und Paddy sagen nichts weiter dazu, auch wenn sie ganz andere Überlegungen im Sinn haben, als daß der Erhängte in Vergessenheit geraten sollte. Mutter schaut auf die Uhr. "Es ist Zeit ins Bett zu gehen", sagt sie zu Paddy. Paddy stöhnt. "Immer soll ich so früh ins Bett." - "Nun, es sind eben keine Ferien. Also ab marsch."

27. Februar 2009

Gute Nacht