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GUTE-NACHT/2898: Corinna schläft ganz unbemerkt (SB)


Gute Nacht Geschichten


"Beim nächsten Ton ist es einundzwanzig Uhr ...", tönt es aus dem Radio im Wohnzimmer. Corinna hat gerade ihrer Mama einen Gute-Nacht-Kuß gegeben und kriecht zu ihrem Kuschelbär ins Bett. Sie nimmt das Buch von dem Nachttisch und liest den Titel "Die Vampirschule".

`Ach, nein', denkt Corinna, `das laß ich mir lieber vorlesen - morgen. Heute will ich noch einmal ins Kaufhaus. Ich will mir endlich ein paar Bonbons holen.'

Corinna nimmt den Bären fester in den Arm und schließt die Augen. `Verdammt', Corinna öffnet die Augen gleich wieder. "Ich habe ja vergessen, meine Hose und mein T-Shirt über den Schlafanzug zu ziehen", flüstert Corinna vor sich hin und ist auch schon mit ihrem Teddy aus dem Bett gesprungen.

"Corinna, was machst du?", ruft ihre Mutter, "es ist spät, schnell ab ins Bett!" Corinna springt unverrichteter Dinge ins Bett zurück. Sie wartet ein Weilchen. Vielleicht kann sie sich dann doch noch etwas überziehen. Schließlich möchte sie nicht im Schlafanzug im Kaufhaus herumlaufen. `Aber was macht das schon', denkt sie schließlich, `um diese Zeit ist doch eh keiner mehr im Kaufhaus, nur der Nachtwächter, und dem will ich sowieso nicht begegnen.'

Also schließt Corinna erneut die Augen. `Verflixt', denkt sie und springt noch einmal aus dem Bett. Als sie aufgestanden war, um sich noch schnell etwas anzuziehen, hatte sie auf dem Stuhl ihren Teddy liegen gelassen. "Corinna", ruft die Mutter, "du bist ja immernoch wach. Kannst du nicht schlafen?" Jetzt steht Mutter in der Tür. "Soll ich dir noch etwas vorlesen?" Corinna hat den Bären vom Stuhl genommen und sich wieder ins Bett gelegt, während sich ihre Mutter auf die Bettkante gesetzt hat und über Corinnas Kopf streichelt. "Nein", antwortet Corinna mit etwas Verzögerung auf die gestellte Frage, "heute brauchst du mir nichts vorzulesen." - "Also gut, dann bleibe ich noch ein bißchen bei dir sitzen."

Corinna dreht sich zur Wand, behält die Augen aber offen. Sie weiß nicht, ob sie vielleicht ganz verschwindet, wenn sie nachts verreist oder ob ihr Körper im Bett zurückbleibt. Eine Weile überlegt Corinna, wie sie es anstellen kann, daß ihre Mama sie alleine läßt. Über diesen Gedanken aber schläft sie - von sich selbst ganz unbemerkt - ein.

"Gute Nacht, Corinna", flüstert ihre Mutter, als sie Corinna noch einmal zudeckt und dann leise das Zimmer verläßt.

Erstveröffentlichung 10. September 1998

2. April 2009

Gute Nacht