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GUTE-NACHT/2909: Bei Oma Gerda im Altersheim (SB)


Gute Nacht Geschichten


"Bestimmt sitzt Oma Gerda bei diesem schönen Wetter im Garten des Altersheims", denkt sich Egon, der Schriftsteller. Doch um sicher zu gehen und auch um sich anzumelden, fragt er an der Pforte nach. Eine Altenpflegerin gibt ihm Auskunft.

"Es ist zwar schönes Wetter, aber bei diesem Wind gehen nicht viele hinaus. Ich glaube, ihre Großmutter ist noch auf ihrem Zimmer. Sie wissen schon, Zimmer 101." - "Sie ist zwar nicht meine Großmutter", denkt Egon bei sich, "aber eine sehr liebe Dame." Im vergangenen Jahr hatte er sie kennengelernt. Von da an besuchte er sie in Abständen. Ein neuer Besuch war wirklich mal wieder fällig.

Gerade als Egon nach rechts abbiegt, nimmt er aus den Augenwinkeln die Frau mit ihrem Kind wahr, denen er bereits gestern und vorgestern begegnet ist. "Wie ist die Welt doch klein", stellt Egon fest. Dann klopft er an die Tür von Oma Gerda. Doch niemand sagt herein. Vorsichtig öffnet Egon die Tür, um nachzusehen, ob jemand zuhause ist. Er sieht Oma Gerda auf ihrem Stuhl sitzen. Sie scheint ein Nickerchen zu machen. Gerade will sich Egon zurückziehen, da öffnet sie die Augen und winkt Egon heran.

Oma Gerda weist auf einen Stuhl im Zimmer. Egon zieht ihn heran und setzt sich. Gleich steht er aber wieder auf und zeigt ihr die Blumen in seiner Hand. Auf dem Fensterbrett steht eine leere Vase. Diese füllt er mit Wasser am Waschbecken, stellt die Blumen hinein - es sind Tulpen, die jetzt schon draußen im Freien blühen - und bringt die Vase wieder auf die Fensterbank zurück.

"Die duften aber schön!", freut sich Oma Gerda. "Ja, die wachsen jetzt in den Beeten", erklärt Egon und fragt, "warum seid ihr nicht draußen an der frischen Luft, Oma Gerda." - "Ich hatte schon meinen Rundgang", erklärt sie. "War das vielleicht gestern? Die Schwester sagte, ihr seid heute noch nicht draußen gewesen. Ich könnte euch hinaus schieben."

Oma Gerda nickt und drückt auf etwas in ihrer Hand. Nach kurzer Zeit erscheint eine Altenpflegerin, die Egon noch nicht gesehen hat. "Na, heute doch noch eine Runde hinausgehen?" Oma Gerda nickt. "Aber zuerst gibt es noch etwas zu trinken!" Die Altenpflegerin, auf deren Schildchen an der Brust Stöcker geschrieben steht, reicht Oma Gerda ein Glas Wasser. Nachdem Oma Gerda getrunken hat, wird ihr geholfen, eine Jacke anzuziehen. Dann wird sie mit einer Decke schön in ihrem Rollstuhl eingepackt.

Draußen sagt Oma Gerda zu Frau Stöcker: "Der Junge wird das schon schaffen, mich in den Garten zu schieben." Damit läßt die Altenpfflegerin die beiden allein. Egon schiebt Oma Gerda erst eine Runde durch den kleinen Park, dann hält er an einem Platz, wo der Wind nicht so weht und auch die Sonne nicht direkt hinscheint.

Dann erzählt er von sich und warum er Oma Gerda besucht. Oma Gerda sagt öfters einmal: "Häh?" Denn sie versteht nicht mehr so gut. Dann wird Egon gleich ein bißchen lauter.

Dann ergreift Oma Gerda das Wort: "Ich kann nicht mehr so gut hören, aber erzählen kann ich noch gut." Und dann erzählt sie aus ihrem Leben und kann gar nicht mehr aufhören. Sodaß sie nach einer Stunde von Frau Stöcker bereits gesucht und wieder ins Heim geholt wird. "Langsam wird es doch ein bißchen zu kalt", sagt sie.

Egon bringt Oma Gerda noch mit auf ihr Zimmer, fragt dann ob er wiederkommen dürfe und verabschiedet sich, nachdem Oma Gerda ihre Zustimmung für einen erneuten Besuch gegeben hat. "Zuhause werde ich alles aufschreiben", sagt sich Egon und weil es schon bereits gegen Abend geht, wünscht er Oma Gerda eine gute Nacht.

16. April 2009

Gute Nacht