Schattenblick →INFOPOOL →KINDERBLICK → GESCHICHTEN

GUTE-NACHT/3253: Der kleine Nachtwächter und die Sterne (SB)


Gute Nacht Geschichten

Wenn der Himmel in der Nacht wolkenlos und der Mond gerade auf Urlaubsreise ist, dann zeigen sich die Sterne besonders klar und in ihrer großen Zahl am Firmament.

In so einer Nacht sitzt der kleine Nachtwächter nach seinem Rundgang durch die Stadt und um die Stadtmauer herum, gern auf seiner Tonne und blickt in den klaren Sternenhimmel. Er entdeckt dort oben die Milchstraße, den großen und den kleinen Wagen und den Bären. Sehr viele Sternbilder kennt er noch nicht. "Aber das kann sich ja ändern", beschließt der kleine Nachtwächter.

Aber wie soll das gehen? Am Tag, wenn die Bücherei der Stadt geöffnet ist, schläft der kleine Nachtwächter und auch der Bücherladen an der Ecke hat schon geschlossen, wenn der kleine Nachtwächter dort vorbei kommt. "Mhm, vielleicht gibt es ja hier in der Stadt einen Menschen, der die Sterne genauso liebt wie ich und sie besser kennt? Vielleicht blickt dieser Mensch, wann immer sich die Sterne zeigen, ebenfalls in den Himmel?"

Plötzlich hat der kleine Nachtwächter eine Idee: "In vielen Liedern und Gedichten werden die Sterne besungen und beschrieben. Ganz bestimmt weiß unser Dichter über die Sterne Bescheid. Ihn werde ich jetzt befragen!" Schon klettert der kleine Nachtwächter von seiner Tonne herunter und steigt die Treppen zur Stadt hinab.

Bei dem Dichter brennt noch Licht. Tief versunken über seinen Schreibblättern sitzt der Dichter mit der Feder in der Hand still da. Das Grübeln steht ihm ins Gesicht geschrieben. Vorsichtig klopft der kleine Nachtwächter gegen die Fensterscheibe. Doch der Dichter ist so in Gedanken versunken, daß er das leise Pochen nicht wahrnimmt. Erst als der kleine Nachtwächter nachhaltiger gegen die Scheibe klopft, schreckt der Dichter hoch.

"Ach, kleiner Nachtwächter, du bist es. Ich habe schon befürchtet, die Monster aus meinen Versen trommeln gegen die Scheibe und rufen nach mir!", stöhnt der Dichter. "Na, wenn alle Helden und Monster deiner Gedichte Gestalt annehmen würden, solltest du lieber das Verseschreiben schnellstens beenden", schlägt der kleine Nachtwächter vor, dem ganz bange wird, wenn er an all die ausgedachten Figuren denkt, die vielleicht jetzt gerade hinter ihm lauern. Mit Bedacht dreht er seinen Kopf zur Seite, um sich zu vergewissern, daß sich da niemand hinter einer Ecke versteckt.

"Was führt dich denn so spät noch hierher?", fragt der Dichter und entschuldigt sich gleich danach, denn schließlich ist es ja die Aufgabe des kleinen Nachtwächters, jede Nacht in den Straßen der Stadt zu wachen. "Nein, nein", entgegnet der kleine Nachtwächter, "du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich habe wirklich ein Anliegen an dich. Ich möchte nämlich wissen, ob du mir etwas über die Sterne verraten kannst?"

Der Dichter überlegt. Dann antwortet er: "Ich kenne das Lied `Weißt du wieviel Sternlein stehen an dem großen Himmelszelt' und ich weiß, daß einst einer der Götter seinen Milchkrug über den Himmel verschüttet hat, woraufhin die Milchstraße mit all ihren Sterne entstanden ist. Aber mehr weiß ich nicht." - "Nun, das ist schon mehr, als ich wußte", bedankt sich der kleine Nachtwächter bei dem Dichter. "Noch eine Frage", beginnt der kleine Nachtwächter erneut, "kennst du jemanden, der noch etwas über die Sterne wissen könnte?" Einen Augenblick überlegt der Dichter. Dann meint er: "Du könntest den Seemann fragen. Wenn er auf großer Fahrt ist, sind die Sterne seine Begleiter. Vielleicht weiß er noch etwas zu berichten." Der kleine Nachtwächter bedankt sich und da der Dichter sehr müde ausschaut, gibt er ihm den Rat, doch jetzt zu Bett zu gehen. Der Dichter nickt, und noch ehe der kleine Nachtwächter um die Ecke gebogen ist, ist das Licht im Zimmer des Dichters erloschen.

Der kleine Nachtwächter wendet sich zum Haus des Seemanns. Doch wie bereits vermutet, brennt dort kein Licht. Seemänner brechen immer früh am Morgen auf. Da liegen sie bereits zu nachtschlafender Zeit in ihren Kojen. "Da werde ich ihn eben morgen in aller Frühe aufsuchen. Bis dahin schaue ich mir weiter die Sterne an." Und er verlöscht das Licht seiner Laterne, um die Sterne noch besser sehen zu können.


7. September 2010

© 2010 by MA-Verlag - Nachtwächter