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GUTE-NACHT/3289: Der kleine Nachtwächter hat Lebkuchen nicht nur zum Essen (SB)


Gute Nacht Geschichten

Nach einem sonnigen Herbsttag folgt eine kühle, aber trockene Nacht. Der kleine Nachtwächter freut sich, heute den Regenmantel zuhause lassen zu können. Er nimmt seine Laterne und die Taschenlampe und schon geht es los. Rebell, sein schwarzer Hund, steht an der Tür bereit.

Zuerst ziehen die beiden durch die Straßen der kleinen Stadt. Die ersten verstohlenen Lichterpyramiden stehen bereits in den Fenstern und läuten die Adventszeit ein. Auch in den Auslagen der Geschäfte weisen schon die ersten Dekorationen auf das kommende Weihnachtsfest hin.

Der kleine Nachtwächter zieht eine Tüte aus seiner rechten Jackentasche und fragt: "Was meinst du, Rebell, was ich hier drinnen habe?" Rebell wufft. Er ist neugierig, was denn der kleine Nachtwächter mitgebracht hat. In der Tüte stecken Lebkuchen. So etwas kennt der schwarze Hund nicht. Und soll er auch nicht kennenlernen. Lebkuchen sind nichts für Hunde, auch wenn sie ihnen vielleicht schmecken würden. Darum zieht der kleine Nachtwächter noch eine zweite Tüte aus der linken Jackentasche. "Dies hier ist für dich!"

Doch nicht gleich wirft er Rebell etwas aus der Tüte zu. Zuerst steuert der kleine Nachtwächter die Tonne oben auf dem Rundgang der Stadtmauer an. Auf dem Weg dorthin kommen die beiden auch an der Kirche mit dem Wetterhahn vorbei.

"Gutes Wetter heute!", lacht der kleine Nachtwächter hinauf. Das ist dem Wetterhahn einerlei. Dem stolzen Hahn macht weder Regen noch Sturm und auch nicht die Sonne etwas aus. Er nimmt das Wetter wie es kommt.

Bei der Tonne angekommen, klettert der kleine Nachtwächter flugs hinauf. Nun wirft er Rebell einen Knochen hin und selbst knabbert er an dem Lebkuchen.

Plötzlich ein Schnauben. "Was war das?", erschrickt sich der kleine Nachtwächter und der Hund beginnt zu bellen und zu schnüffeln. Die ganze Tonne, soweit sie nicht an der Wand steht, geht er mit seiner Nase ab. Dann bellt er wieder. Das sagt dem kleinen Nachtwächter, daß sich irgendetwas in dem kleinen Eck hinter der Tonne versteckt hält. Noch einmal ist das Schnauben zu hören. Es klingt nicht gerade freundlich.

Deshalb will der kleine Nachtwächter reißaus nehmen. Dann aber besinnt er sich. Er bricht ein Stückchen von seinem Lebkuchen ab und wirft es hinter die Tonne. Jetzt ist kein Schnauben, sondern nur noch ein Schmatzen zu hören.

Der kleine Nachtwächter weiß nicht, ob er dieses Etwas hinter der Tonne hervorlocken oder selber lieber davoneilen soll. "Mir selbst kann ja nichts geschehen, ich sitze hier oben auf der Tonne. Aber was ist, wenn es ein Tier ist und Rebell anfällt?", überlegt er. "Wenn ich freundlich zu diesem Wesen bin, ist es vielleicht auch freundlich zu uns?"

Da nimmt der kleine Nachtwächter ein weiteres Bröckchen aus der Hundetüte und wirft es ein Stück weit fort. "Hinterher!", ruft er Rebell zu. Der läßt sich das nicht zweimal sagen. Schließlich hat er immer Hunger. Das liegt wohl daran, daß er so lange allein auf der Straße gelebt und nicht immer etwas zu Fressen gefunden hat.

Während Rebell nach dem Leckerchen sucht, läßt der kleine Nachtwächter noch einmal etwas von seinem Lebkuchen herunterfallen. Diesmal ein Stück vor die Tonne. "Der Lebkuchen duftet so gut, da wird sich der Fremdling doch sicher hervorwagen?", mutmaßt der kleine Nachtwächter und wirft gleich noch ein Stück Hundekeks in Rebells Richtung, um diesen abzulenken.

Als er wieder auf den Boden unterhalb seiner Tonne blickt, sieht er ein kleines Näschen hervorschauen. "Na, das hätte ich mir doch gleich denken können, daß du ein Igel bist. Aber solltest du nicht schon längst im Winterschlaf liegen?" Aus seiner Tasche holt der kleine Nachtwächter nun einen Apfel heraus. Den hatte er sich ebenfalls eingepackt. "Hier hast du ihn!" Damit legt der kleine Nachtwächter den Apfel in des Igels Nähe. Dann geht er in Rebells Richtung und verläßt den Stadtmauerrundgang in der anderen Richtung. Sein Ziel ist der Tierarzt. Der sollte doch wissen, ob Igel jetzt noch draußen herumlaufen sollten oder ob man sie besser mit nach Hause nimmt, damit sie den Winter überstehen.

Leider brennt beim Tierarzt kein Licht mehr. "Na, dann werden wir ihm morgen einen Besuch abstatten. Und da wir den Igel ja schön gefüttert haben, wird er sich morgen sicher wieder hinter der Tonne versteckt halten und auf uns warten", ahnt der kleine Nachtwächter.

10. November 2010

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