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GUTE-NACHT/3369: Der kleine Nachtwächter in der Frühe beim Bäcker (SB)


Gute Nacht Geschichten vom kleinen Nachtwächter


Herr Zucker ist seit ein paar Tagen bei dem kleinen Nachtwächter zu Besuch. Zwar gibt es nur wenige Möbel in der Wohnung über der Backstube - ein Bett, einen Tisch, einen Stuhl und den auf dem Sperrmüll gefundenen Sessel -, doch das macht gar nichts. Während Herr Zucker in der Nacht das Bett belegt und sich in einen Schlafsack kuschelt, schläft der kleine Nachtwächter am Tag darin mit seinem Federbett. Rebell, sein Hund, kann jetzt Tag und Nacht viel unternehmen. Denn während er des Nachts den kleinen Nachtwächter durch die Stadt begleitet, spielt er am Tag mit Herrn Zucker auf der Wiese Fangen. Schlafen ist für ihn nur noch zwischendurch angesagt.

Die Wohnung des kleinen Nachtwächters hat Herr Zucker inzwischen schon ein bißchen gemütlicher gestaltet. Die Nachbarn haben ihm ein paar Dinge angeboten, die sie nicht mehr benötigen. So ist ein Blumenkasten auf den Balkon des kleinen Nachtwächters gewandert, und Herr Zucker hat darin sogleich Kräuter eingesät. "Mal sehen, wie schnell das Grünzeug wächst", hat er zu Rebell gesagt. Der hat ganz neugierig geschaut, ob Herr Zucker vielleicht ein paar Leckerchen vergraben hat. "Was ist denn das! Bloß nicht buddeln!", hat Herr Zucker den Rabauken geschimpft, als dieser gerade seine Nase in den Blumenkasten stecken wollte.

Die neue Bleibe über der Backstube gefällt Herrn Zucker genauso gut wie dem eigentlichen Mieter. Denn der Duft von Brot, Brötchen und Kuchen durchzieht das Haus den ganzen Tag. Das freut den kleinen Nachtwächter ebenso wie seinen Gast. Manchmal bringt er gleich früh am Morgen, wenn er von seinen Runden durch die Stadt nach Hause kommt, von den ersten gebackenen Brötchen einige mit. Dann deckt er den Tisch und überrascht Herrn Zucker. Nun können sie gemeinsam frühstücken.

Auch an diesem Morgen ist der kleine Nachtwächter beim Bäcker eingekehrt. Es roch auf der Straße einfach zu verführerisch.

Die Nase in die Luft gereckt wartet Rebell erwartungsvoll vor der Tür. Meistens ohne Erfolg. Denn der kleine Nachtwächter meint, daß Rebell von frischen Brötchen nur Bauchschmerzen bekommt und später dann pubst. An diesem Morgen aber hat Rebell Glück. Nicht daß der kleine Nachtwächter plötzlich anderer Meinung wäre. Nein. Aus der Tür des Bäckers - also eigentlich aus der Tür zur Backstube, denn der Bäckerladen hat ja noch gar nicht geöffnet - tritt ein kleiner Mann mit einer riesigen Papiertüte, gefüllt mit Brötchen bis an den Rand.

Die Tüte ist so groß, daß der kleine Mann gar nicht darüberblicken kann und immer rechts und links an der Tüte vorbeischaut. Plötzlich stolpert er über die Bordsteinkante, kann sich aber gerade noch fangen und wieder aufrichten. Bei diesem Manöver ist eines der Brötchen aus der Tüte gefallen. Der kleine Mann schimpft und bückt sich, um es aufzuheben. Dabei denkt er nicht an seine Tüte, die ja oben offen und bis zum Rand mit Brötchen gefüllt ist, und schon purzeln zwei weitere Brötchen auf die Straße. Jetzt hat der kleine Mann genug. Er spaziert schimpfend davon, ohne sich weiter um die Brötchen auf dem Fußweg zu kümmern.

Rebell kann da nicht tatenlos zusehen. Er verläßt seinen Platz und schnappt sich sogleich das erste Brötchen und schlingt es in einem Happs hinunter. Schon ist das zweite Brötchen an der Reihe, wobei er mit dem dritten bereits liebäugelt. Doch er hätte das zweite Brötchen lieber langsam verspeisen sollen, denn das dritte schnappt ihm eine Krähe direkt vor der Nase weg. Ja, auch Vögel sind Frühaufsteher.

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5. April 2011