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GUTE-NACHT/3381: Der kleine Nachtwächter sucht die Ausreißer (SB)


Gute Nacht Geschichten vom kleinen Nachtwächter



"Was für ein herrlicher Abend, Rebell. Findest du nicht, daß es hier in den Feldern gut riecht?", freut sich der kleine Nachtwächter und schwenkt seine Laterne durch die Luft. Zum Glück ist die Kerze noch nicht angezündet. Rebell scheint seinem Herrchen zuzustimmen, denn er unternimmt einen Luftsprung.

Ein paar Wiesen weiter sieht der kleine Nachtwächter Schafe am Zaun stehen. Sie blöken und geben jammervolle Laute von sich. "Was ist denn da bloß los?", fragt sich der kleine Nachtwächter und schreitet gleich schneller voran.

Normalerweise ziehen sich die Schafe vom Zaun zurück, wenn er und Rebell vorbeigehen. Doch diesmal bleiben sie dicht gedrängt stehen. "Kleiner Nachtwächter, kannst du uns helfen?", bitten sie. "Was ist denn geschehen? Und wie kann ich helfen?", fragt er zurück.

Ein Schaf antwortet: "Um die Mittagsstunde, ich habe gerade ein Sonnenbad genommen, sind meine beiden Kleinen ausgebüxt. Sie wollten lieber das saftige Gras hinter dem Zaun fressen. Das ist ja auch nicht schlimm. Das haben sie schon oft getan, aber heute sind sie noch nicht wieder zurückgekommen. Ich mache mir solche Sorgen."

Nun schaltet sich ein weiteres Mutterschaf in das Gespräch ein. "Diesmal sind nicht nur deine beiden vorwitzigen Lämmer weggelaufen. Auch mein Kleines und die beiden von Ebba. Wohin können sie nur gelaufen sein? Hoffentlich ist ihnen nichts passiert."

"Warum seid ihr ihnen nicht gefolgt?", möchte der kleine Nachtwächter wissen. "Siehst du nicht den Zaun und den Stacheldraht", sagt das eine Schaf. "Hilfst du uns nun?", möchten die anderen wissen.

"Rebell und ich werden unser Möglichstes tun", beruhigt der kleine Nachtwächter die Schafe. Dann überlegt er: "Wohin können sie gelaufen sein? Sie wollten frisches, saftiges Gras ..."

Also folgt der kleine Nachtwächter dem hochgewachsenen Gras entlang des Grabens. Als er die ersten Schafsköttel entdeckt, hat er eine Idee: "Los Rebell, nimm ihre Spur auf und laß sie uns verfolgen. Aber erschreck' sie nicht, wenn du sie entdeckst."

Im Rücken die blökenden Mutterschafe bleiben der kleine Nachtwächter und Rebell jetzt nicht mehr auf dem Weg, sondern folgen den Spuren der Lämmer über die Wiesen, quer über Gräben und über manchen Zaun, den die Lämmer unterdurch gekrochen sind.

Plötzlich beginnt Rebell zu bellen. Er scheint andere Schafe gehört zu haben. Ob es aber die Lämmer sind? Schnellen Schrittes folgt der kleine Nachtwächter seinem Hund. "Nicht so schnell, Rebell, ich komme ja gar nicht mit! Warte auf mich!"

Jetzt nimmt auch der kleine Nachtwächter wahr, was Rebell bereits vor wenigen Minuten gehört hat. Es klingt kläglich und ängstlich. Die traurigen Stimmchen werden immer lauter, und bald sind die Schäfchen hinter einem Busch auszumachen.

"Ruhig, ihr Kleinen, ich komme schon. Rebell! Platz!" Und noch einmal ruft er: "Platz!" Zwar fällt es Rebell schwer, nicht gleich zu den Kleinen hinzurennen. Doch er hört auf den Wunsch seines Herrchens.

Der kleine Nachtwächter geht vorsichtig auf die Schäfchen zu. Er zählt: "Eins, zwei, drei, vier ... fünf Lämmer. Ruhig, ich bringe euch jetzt nach Hause." Doch da entdeckt der kleine Nachtwächter etwas Merkwürdiges auf dem Boden. "Was liegt denn da hinter euch?", fragt er neugierig.

"Mäh!", wimmern die Lämmer. "Wir haben uns nicht daran vorbei getraut!", gibt das eine von sich, und das andere fügt hinzu, "ja und auch nicht wieder zurück." - "Wir haben den Weg verloren", klagt ein drittes.

Da es schon recht dunkel geworden ist, nimmt der kleine Nachtwächter seine Taschenlampe und beleuchtet das Ding auf dem Boden. "Oh mein Gott", entfährt es ihm, "das muß einmal einer eurer Verwandten gewesen sein!" Das was wie ein Geäst aussieht, aber doch keines ist, läßt der kleine Nachtwächter schnell hinter sich zurück. Er zündet seine Laterne an, um dem kleinen Trupp den Weg heimwärts zu weisen.

Über Zäune hinweg und unter ihnen durch, über Gräben und Wiesen führt der kleine Nachtwächter die verlorenen Schäfchen nach Hause. Damit sich in der Dunkelheit auch nicht eines wieder verläuft, beleuchtet er mit seiner Laterne den Weg, und Rebell paßt am Ende des Zuges auf, daß auch keines der vorwitzigen Lämmchen erneut verschwindet.

Liebevoll nehmen die Mütter ihre Kinder in Empfang und kuscheln sich mit ihnen auf der heimatlichen Wiese. "Macht das ja nicht wieder!", mahnen sie. Der kleine Nachtwächter erzählt den alten Schafen noch von dem Fund, dann begibt er sich mit Rebell wieder auf den Weg, auch andernorts nach dem Rechten zu sehen. Nach wenigen Schritten dreht er sich noch einmal um und ruft: "Schlaft gut, ihr Schafe! Gute Nacht!"

Bleistiftzeichnung - die verlorenen Lämmer kehren heim - © 2011 by Schattenblick

29. April 2011