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GUTE-NACHT/3405: Der kleine Nachtwächter, ein Hans-guck-in-die-Luft (SB)


Gute Nacht Geschichten vom kleinen Nachtwächter


Den Sommer mag der kleine Nachtwächter besonders gern. Da bleibt es am Abend noch lange hell und es ist selbst in der Nacht meist noch angenehm warm. Auch an diesem Abend zieht der kleine Nachtwächter im Hellen los. Seine beiden Lichtquellen, die Laterne und die Taschenlampe, hat er dabei, aber benötigt ihr Licht längst noch nicht. "Es ist schon seltsam wie ein kleines Licht in der Dunkelheit weithin die Landschaft erhellen kann, aber wie es auch verschwindet, ja gänzlich verschluckt und unsichtbar wird, wenn es von einer mächtigeren Lichtquelle in den Schatten gestellt wird", staunt der kleine Nachtwächter.

Er blickt in den blauen Himmel hinauf. "Wie weit er doch reicht", geht es ihm durch den Kopf. Während er einen Fuß vor den anderen setzt, sind seine Augen noch immer nach oben gerichtet. Rebell hingegen findet die Welt am Boden viel interessanter. Er hat eine Spur entdeckt und schnüffelt wie ein Weltmeister hinter ihr her. Achtung, kleiner Nachtwächter, wenn du wie "Hans-guck-in-die-Luft" herumstolzierst, verpaßt du noch deinen Einsatz, falls Rebell losläuft, um einen Hasen zu ärgern. Von Jagd zu sprechen, wäre verfehlt. Denn den Hasen erwischt Rebell mit Sicherheit nicht.

Noch immer ist der kleine Nachtwächter vom Himmelszelt fasziniert. Wie viele weiße Streifen sich dort oben entlang ziehen. Es sind keine Wolken. Nein, jeder Streifen ist eine Spur, die ein Flugzeug dort oben hinterlassen hat. Da kommt wieder eines. Ganz winzig wie eine Mücke erscheint es dort oben. Die versinkende Sonne wirft ihre Strahlen auf die Unterseite der riesigen Mücke. Auf diese Weise beginnt sie zu strahlen und ist vom Boden aus gut zu erkennen.

Die weißen Streifen, die sie hinter sich entläßt, sind zuerst ganz schmal und dicht, dann werden sie immer breiter und nähern sich für das Auge des Betrachters von ihrer Beschaffenheit her den Wolken an.

Der kleine Nachtwächter beginnt die vielen Streifen zu zählen. Sie verlaufen nicht alle in die gleiche Richtung. Schließlich ist es ein Kommen und Gehen, ein Hin und Her dort oben. Einige Streifen verlaufen parallel, andere kreuzen sich, und zwei bilden sogar den Buchstaben X.

Da kommt erneut ein Flugzeug angeflogen. "Man könnte meinen, wir befänden uns direkt in der Nähe eines Flughafens", stellt der kleine Nachtwächter fest. Doch dem ist nicht so. Der nächste Flughafen ist über einhundert Kilometer entfernt.

"Ob die Menschen in dem Flugzeug mich hier unten sehen können, so wie ich ihren Flieger erkennen kann?", fragt der kleine Nachtwächter und gibt sich gleich selbst eine Antwort, "wahrscheinlich nicht. Ich bin für sie viel zu winzig. Wenn für mich das Flugzeug dort oben schon wie eine Mücke erscheint, mag ich für sie wohl wie eine einzelne Zelle sein, und die kann ich ja nicht einmal von hier unten aus ohne Mikroskop erkennen."

Schon wieder naht ein Flugzeug heran. Diesmal steuert es genau auf das X am Himmel zu. "Vielleicht durchteilt es den Buchstaben genau in der Mitte. Ich denke, ja", nimmt der kleine Nachtwächter gegen sich selber eine Wette an und gewinnt sie.

Der arme Nachtwächter, er kann den Blick nicht vom Himmelszelt lassen, und er wundert sich, warum er dieses Schauspiel nicht jeden Abend miterlebt. Ein bißchen allerdings gruselt es ihn auch. Denn ein wenig sehen die Streifen dort oben wie Schnitte im Himmel aus, besonders jetzt, wo die Sonne fast untergegangen ist und ihr Rot den Himmel verfärbt.

Achtung! In Gedanken versunken geht der kleine Nachtwächter weiter. Er hat die Welt am Boden völlig vergessen ...

... pah, da stolpert er auch schon, denn die Spur, die Rebell gefunden und verfolgt hat, scheint hier zu enden, und schon ist der kleine Nachtwächter über seinen Hund gestolpert und gefallen - zum Glück nur in das hohe Gras, das zur Zeit hier noch steht. Was für ein Glück.

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15. Juni 2011