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GUTE-NACHT/3459: Knopf, Knöpfchen und Auge haben das Warten satt (SB)



K N O P F ,   K N Ö P F C H E N   &   A U G E

haben das Warten satt


Noch immer lagen Auge, Knopf und Knöpfchen auf dem Glastisch im Wohnzimmer. "Mir ist schon richtig übel", sagte Knöpfchen, "wieso kann ich überhaupt so tief hinuntergucken und scheine doch hier in der Luft zu schweben?" Knöpfchen konnte sich mit dieser ungewöhnlichen Lage nicht zurecht finden.

Knopf, der sonst immer auf Knöpfchen reagierte und stets bemüht war, alle seine Fragen zu beantworten, hörte diesmal nicht hin. Er fragte sich, wohin die Bewohner dieses Hauses und die Schwiegermutter gegangen waren und war so neugierig zu erfahren, was sie dort trieben.

Und erst Auge. Auch er konnte es nicht mehr aushalten. Lebte der alte Teddybär nun noch oder nicht? Überhaupt - lebte er noch hier im Haus? Auge erkannte alles wieder, wenn sich inzwischen auch die Tapete und ein paar Möbelstücke verändert hatten. Im Grunde war es hier wie früher. Auge wußte noch, in welchem Zimmer damals Maria-Luisa gewohnt hatte. Schließlich hatte sie ihren Teddybären und mit ihm auch seine Augen oft mit durch die Wohnung geschleppt. Zu der Zeit war Auge ja noch ein Teil von ihm.

Während die drei Abenteurer ungeduldigt warteten, war im Zimmer nebenan eine heftige Sucherei im Gange. Maria-Luisa hatte ihre alten Spielsachen erst vor einigen Monaten beiseite geräumt. Sie war ja schließlich schon sechzehn. Da spielte kein Mensch mehr mit Puppen oder Kuscheltieren. Sie hatte alle in Kartons gesteckt und gut verpackt. Einige Spielsachen, hatte sie gleich ins Waisenhaus gebracht. Sie wußte, daß dort Kinder waren, die keine eigenen Spielsachen hatten. Da sie selbst nie mehr mit diesen Sachen spielen würde und auch nicht vorhatte, sie für ihre eigenen Kinder aufzuheben, denn sie wollte ja gar keine Kinder haben, hatte sie sich frohen Herzens entschlossen, die Sachen wegzugeben. Abends nach getaner Tat fühlte sie sich dann doch nicht mehr so froh. Was wäre, wenn eines der Kinder seinen Ärger, seine Wut oder Traurigkeit an diesen Spielsachen ausließe? Arme alte Puppe Olga. Das hätte Olga wirklich nicht verdient. In dieser Nacht hatte Maria-Luisa nicht sehr gut geschlafen. Sie träumte von Kopfabreißen und von in-den-Fingerbeißen und so weiter. Sie war richtig froh, als ihre Mutter sie am nächsten Morgen weckte.

Maria-Luisa suchte noch immer. Schließlich hatte sie nicht alle Spielsachen ins Waisenhaus gegeben. Ihren Teddy zum Beispiel schon gar nicht. Das wollte sie ihm bestimmt nicht antun, auch wenn sie nach dem Streit zwischen Oma und Mama nicht mehr oft mit ihm gespielt hatte. Zuerst hatte sie ihn unter ihrem Kopfkissen versteckt, damit Mutter ihn nicht mehr sah. Sie hatte jedoch nicht daran gedacht, daß Mutter jeden Tag, wenn sie in der Schule war, ihr Bett neu aufschüttelte.

Einmal kam sie früher nach Hause. Mutter war gerade am Bettenmachen, und natürlich fiel ihr wieder der Teddy in die Finger. "Wir sollten dir einen neuen Teddy kaufen", schlug sie vor, "dieser hat doch nun lange schon ausgedient." So sprach ihre Mutter mit einem Unterton in der Stimme, den Maria-Luisa zu deuten wußte. Maria-Luisa war entrüstet: "Ausgedient!" Wie ein paar alte Schuhe wollte Mutter Teddy behandeln. Dabei warf Mutter nicht einmal alte Schuhe weg. Sie wollte sich nur einfach nicht mehr jeden Tag über die Geschichte mit dem ausgerissenen Auge ärgern. Zwar hatte Teddy jetzt anstelle des fehlenden Auges einen schwarzen Knopf. Doch Mutter konnte das nicht beruhigen. Eveline, Maria-Luisas große Schwester, hatte Teddy den Knopf angenäht. Sie hatte ihn dafür von ihrer besten Bluse abgeschnitten. Gut, daß Mutter nicht auch noch das mitbekommen hatte. Als Mutter mal nach der Bluse fragte, antwortete Eveline, die habe sie auf den Dachboden gebracht, sie sei ihr mittlerweile einfach zu klein.

In der guten Stube warteten Knopf, Auge und Knöpfchen noch immer ganz gespannt. "Wann kommen die denn endlich zurück?", fragte Auge, "ich kann diese Ungewißheit einfach nicht mehr aushalten." - "Sie hätten uns wirklich mitnehmen können", beschwerte sich Knöpfchen. "Sie werden wiederkommen. Habt nur noch ein kleines bißchen Geduld!", beruhigte Knopf seine beiden Freunde. Doch selbst Knopf konnte es nicht mehr aushalten und hatte das Warten satt. Er überlegte: "Vielleicht sollten wir vom Tisch hüpfen und dann in das andere Zimmer hinterher rollen." Doch noch behielt er seine Überlegung für sich. Ein paar Minuten wollte er der Bande nebenan schon noch einräumen.

Knöpfchen dagegen wurde es immer flauer bei dieser schwindeligen Höhe unter ihm. Diesmal hörte Knopf ihm auch zu, als er sich erneut beschwerte. Da gab ihm Knopf den Rat: "Schließe einfach deine Augen. Dann merkst du die feste Tischplatte unter dir und schon fühlst du dich sicherer. Aber schlaf nicht ein!" Knöpfchen lächelte wieder ein bißchen und entgegnete: "Du darfst mir nur nicht Gute Nacht sagen."

Knopf, Knöpfchen und Auge - Buntstiftzeichnung: © 2011 by Schattenblick

zum 20. August 2011