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GUTE-NACHT/3522: Im Schuhschrank ist die Hölle los - Teil 17 (SB)


Gute-Nacht-Geschichten

I m   S c h u h s c h r a n k   i s t   d i e   H ö l l e   l o s


Im Wohnzimmer stehen im Kreis einige Schuhe und Schuhpaare zusammen und lauschen dem zweiten Wanderschuh, der leise seine Idee verkündet: "Wir haben beschlossen, von hier fortzugehen. Doch bevor wir unsere Reise antreten, sollten wir vielleicht erst noch einmal das ganze Haus erkunden. Vielleicht liegen irgendwo in einer Ecke, vereinzelt oder paarweise, noch andere Schuhe, die unbedingt mitkommen möchten." Die Schuhe stampfen mit ihren Absätzen auf oder tippen mit der Schuhspitze auf den Boden, um zu zeigen, daß sie einverstanden sind. Bei soviel Zustimmung wollen die Stiefel nicht querschießen, obwohl sie lieber ihre Tatkräftigkeit unter Beweis gestellt hätten - zumal das Zertreten der Glasscheibe in der Eingangstür nicht geklappt hatte.

"Feiern wir doch eine Party!" schlägt der rechte hochhackige Damenschuh vor, und der linke klappert Beifall mit seinen Absätzen. Auch die goldenen Damenschuhe finden das eine gute Idee: "Wir wollen die Feste feiern, wie sie uns einfallen!" Da meldet sich der flotte Sportschuh zu Wort: "Wir könnten auch ein Rennen um diesen exakt runden Tisch herum wagen!" - "Das könnte dir so passen, dann bist du ja gleich der Gewinner!" entgegnet der linke hochhackige Damenschuh, "lieber veranstalten wir einen Tanzwettbewerb!"

"Meine lieben rechten und linken Schuhe, wollten wir uns nicht auf die Suche nach anderen einzelnen Schuhen oder Paaren begeben, die mit uns gemeinsam in die Welt hinausziehen wollen?" versucht der rechte Wanderschuh die ganze Truppe zusammenzuhalten. Jetzt fühlen sich auch die Stiefel wieder in ihrem Element und sind voll mit dabei: "Ja genau, verliert nie euer Ziel aus der Sohle!"

"Also, dann suchen wir eben alle Ecken dieses Raumes nach verlorenen Schäfchensohlen ab", ist da die erste Meldung eines aus schwarzem Leder gefertigten Herrenschuhs zu hören. Er gehört dem Herrn des Hauses und brachte diesen jeden Sonntag in die Kirche. Dort hörte er viele Geschichten von einsamen Menschen und auch von verlorenen Schäfchen. Bisher hatte er sich die ganze Zeit im Hintergrund gehalten. Auch sein Partner, der linke schwarze Herrenschuh hielt sich zurück.

Beide waren es gewohnt, nicht aufzufallen. Leise waren sie den anderen ins Wohnzimmer gefolgt. Doch jetzt haben sie keine Lust mehr, immer nur unauffällig und still zu sein. Sollen doch die anderen Schuhe weiter sonntags zur Kirche gehen. Sie beide wollen auch von hier abhauen. Und sollte es da noch andere geben, die wie sie fühlen, sind sie gerne bereit, diese zu suchen und auch mitzunehmen.

Unter dem Sofa sehen die beiden zuerst nach. Doch hierher hat sich kein anderer Schuh verirrt. Die Wanderschuhe suchen unter den langen Vorhängen vor dem Fenster. Auch hier sind keine Schuhe zu finden. Die Stiefel werfen einen Blick in die Standuhr. Schließlich kann es sein, daß sich nicht nur kleine Geißlein dort verstecken. Bisher bleibt die Suche jedoch gänzlich erfolglos. Der Wanderschuh überlegt schon, ob seine Idee wirklich so gut war, wie er zuerst dachte.

Die goldenen Damenschuhe begegnen nun unter der Heizung einem flotten Sportschuh. "Hier wollten wir aber gerade suchen!" sagen sie zu ihm. Der flotte Sportschuh scheint nicht zu verstehen, von welcher Suche die beiden da sprechen. "Nun komm schon! Das ist unser Platz!" beschweren sich die beiden. "Wieso euer Platz, ich stehe hier schon seit Tagen herum und bin bereits total ausgetrocknet." Schnell kapieren die Goldenen, was Sache ist. "Schnell, kommt alle her! Wir haben einen Verlorenen gefunden!" ruft einer der beiden Damenschuhe die anderen zusammen. Was ist das für ein Wiedersehen. Endlich findet der rechte flotte Sportschuh auch den linken flotten Partner wieder. Dieser ist allerdings ein wenig verstaubt und noch dazu das Leder von der Heizungsluft fast völlig ausgetrocknet. "Du hast wohl zu lange in der Sonne gestanden?" scherzt der rechte Sportschuh. Nach so langer Zeit sind sie endlich wieder zusammen.

Na, für heute hat sich die Suche ja gelohnt! Die Uhr im Wohnzimmer geht etwas vor und schlägt die erste Stunde nach Mitternacht. "Los Leute! Laßt uns schnell ein Versteck suchen! Gleich läutet die Kirchturmuhr zur ersten Stunde des neuen Tages. Wir wollen doch nicht wieder im Schuhregal landen!" so rufen die Stiefel alle Schuhe auf, sich ein gutes Versteck bis zur nächsten Mitternacht zu suchen.

Die beiden Wanderschuhe kriechen unter das Sofa, wo schon die beiden schwarzen Herrenschuhe aus Leder stehen. Die goldenen Damenschuhe verstecken sich unter dem einen Sessel, die hochhackigen Damenschuhe unter dem anderen. Die flotten Sportschuhe sind auf die Fensterbank hinter den Vorhang gesprungen. Dort wollen sie den ganzen Tag hinausschauen. So suchen sich alle einen geheimen Platz, zuletzt auch die Stiefel. Am liebsten würden sie sich in der Standuhr verstecken. Doch die ist leider abgeschlossen. Naja, hinter der langen Übergardine ist auch kein schlechter Platz. Die sind schön undurchsichtig und weich, denn sie sind aus Samt. Gerade noch rechtzeitig - bevor die Kirchturmuhr zur ersten Tagesstunde schlägt - haben alle Schuhe und die Stiefel ein passendes Versteck gefunden. Jetzt brauchen sie nur abzuwarten. So manch einer überlegt, ob es noch weitere Schuhe hier im Hause gibt, die sich ihrer Schuhkaravane anschließen werden? Mal abwarten.

Gute Nacht

zum 30. Januar 2012