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GUTE-NACHT/3530: Eine außergewöhnliche Bande - Teil  5 (SB)


Gute-Nacht-Geschichten

Eine außergewöhnliche Bande



Hinter der Bushaltestelle unter dem Holunderbusch findet eine Versammlung statt. Paarweise sind die Anwesenden erschienen. Die Paare bestehen je aus einem Rechten und einem Linken. Schuhe sind es wohlgemerkt, die da zusammenstehen. Sie wollen eine Reise antreten und wissen noch nicht wohin. Ein Paar der Reisemitglieder sind ihnen gerade verloren gegangen. Dafür hat sich ein anderes zu ihnen gesellt und berichtet, was mit den verloren geglaubten Schuhen geschehen ist: "Wir waren die ganze Zeit an Willis Füßen. Ihr kennt doch sicher Willi, den Landstreicher." Ein Murren ist zu vernehmen, denn keiner der anderen Schuhe kennt Willi oder ist ihm je begegnet.

Willis Schuhe erzählen weiter: "Wir sind viel gereist, der Willi und wir, und stets zu Fuß. Das können euch unsere Sohlen bezeugen. Sie sind schon mächtig durchlöchert." Die Schuhe stellen sich hochkant hin, so daß alle die Löcher sehen können. Dann fahren sie fort: "Gestern dann kam Willi an diese Bushaltestelle. Er traute seinen Augen nicht. Standen da doch ein Paar Männerschuhe, genau in seiner Größe. Er zog sie an und wir waren vergessen. Schnell verzog sich Willi und ward nicht mehr gesehen. Er hatte wohl Angst, man könnte ihm seine neuen Schuhe wieder fortnehmen."

"Haben denn die schwarzen Herrenschuhe nichts zu euch gesagt?" - "Oder hat Willi gesagt, wohin es geht?" - "Hat Willi unsere Schuhe überhaupt gefragt, ob sie mit wollen?" So stürmen die Fragen auf Willis alte Schuhe ein, und sie wissen gar nicht, wem sie zuerst antworten sollen. Da sprechen die Stiefel ein Machtwort: "Nicht alle durcheinander! Immer schön der Reihe nach."

Am meisten interessiert es die Schuhe, ob denn die schwarzen Herrenschuhe freiwillig mit Willi mitziehen wollten. Doch diese Frage können Willis Schuhe nicht beantworten, hatten sie sich doch mit den Schwarzen gar nicht unterhalten können. Alles war so schnell gegangen - durchlöcherte Schuhe aus, feine schwarze Schuhe an, und fort war Willi.

"Nun, wohin verschlägt es denn einen Landstreicher so? Wo hält er sich meistens auf?", fragen die Wanderschuhe, denn sie haben die Idee, dem Landstreicher zu folgen, um die schwarzen Herrenschuhe selber zu befragen. Und da sie alle nicht wissen, wohin sie eigentlich gehen wollen, hat so ein kleines Ziel vor Augen, doch etwas für sich.

Willis Schuhe können sich denken, wohin der Landstreicher gegangen ist. Schließlich gibt es nicht viele Plätze, an denen es ihm möglich ist, zu übernachten. "Wenn Willi hier in der Gegend ist, schläft er entweder in irgendeinem Bushaltestellenhäuschen, unter der Brücke oder wenn es regnet im Obdachlosenheim. Manchmal hat es uns auch schon in irgendeinen Kellereingang verschlagen."

Plötzlich! Die kleinen Turnschuhe bemerken es als erste: "Es beginnt zu regnen." - "Dann ist Willi sicher ins Obdachlosenheim gegangen!", mutmaßen seine alten Schuhe. "Gut dann auf zum Obdachlosenheim", schlagen die Wanderschuhe vor. Den Sandalen und den goldenen Damenschuhen ist das gar nicht recht. Doch bevor sie auch den nächsten Tag noch hier in der Nähe des Hauses verbringen, trollen sie sich lieber mit. Sie wollen nicht wieder aufgegriffen und in ihr altes Zuhause gesteckt werden. Somit sind sich alle einig. "Auf zum Obdachlosenheim!", rufen die Stiefel und lassen die kaputten Herrenschuhe nur ungern vorangehen. Doch sie allein kennen den Weg. Paarweise, im Gänsemarsch zieht der kleine Trupp los, fort von der Haltestelle, am Holunderbusch vorbei und längs den Gartenzaun entlang.

Noch einmal blicken die Kinderturnschuhe hinüber zum Haus des kleinen Tonis. Dort haben sie eine ganze Menge erlebt und eigentlich haben sie Toni recht gern. Doch bald würde er eh aus ihnen herausgewachsen sein, dann wäre es auch aus mit den Abenteuern. Also dann lieber sich jetzt gleich in ein neues Abenteuer stürzen als auf dem Müllplatz zu landen. Der linke kleine Turnschuh winkt mit seinen Schnürsenkeln noch einmal zum Haus hinüber und der rechte flüstert leise:

"Gute Nacht!"




zum 28. Februar 2012