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GUTE-NACHT/3608: Ein Baby zum Üben (SB)


Gute-Nacht-Geschichten

Ein Baby zum Üben

An diesem Abend schläft Paul bei Enna. Pauls Vater hat aus dem Krankenhaus angerufen und gesagt, daß es noch immer dauert. "Das Kleine zieht es vor, noch ein bißchen im Mamas Bauch zu verweilen", hat er Paul berichtet und sich dann erkundigt, wie es Paul geht. "Ich hoffe, es gefällt dir bei unseren neuen Nachbarn. Wenn ich wieder zuhause bin, hole ich dich sofort ab, natürlich nicht mitten in der Nacht, da schlaft ihr ja noch!", setzte er hinzu. Dann wünschte er Paul eine gute Nacht und legte auf.

Eigentlich gefällt es Paul inzwischen bei Enna recht gut. Aber, daß Mama im Krankenhaus ist, das ist Mist. Und wie sein Geschwisterchen sein wird, ist auch noch ungewiß. Enna sieht Pauls bekümmerten Gesichtsausdruck. Sie grübelt, wie sie ihn aufmuntern kann. Denn wenn Paul Trübsal bläst, macht es keinen Spa0 mit ihm zu spielen, nicht einmal, sich zu streiten.

Enna überlegt. Wieso macht es Paul nur so viel aus, ein Brüderchen oder ein Schwesterchen zu bekommen. Enna hätte gern ein Geschwisterchen. Dann wäre Mama die ganze Zeit zuhause und nicht bloß am Wochenende. Enna könnte zusammen mit ihr das Baby versorgen. Sie würde dem Baby Lieder vorsingen und später mal, wenn sie zur Schule geht, aus ihren Büchern vorlesen. "Das bringt bestimmt Spaß."

Die letzten Worte hat Enna nicht nur gedacht, sondern vor sich hergesagt. Paul fragt deshalb: "Was bringt Spaß?" Enna antwortet: "Nun, ein Geschwisterchen zu haben. Man kann mit ihm lachen und kuscheln und gemeinsam etwas unternehmen. Natürlich muß es dafür noch ein bißchen größer werden. Was meinst du, wollen wir schauen, wie es ist, ein Geschisterchen zu haben?"

Ohne eine Antwort abzuwarten, holt Enna ihre Babypuppe aus dem Kleiderschrank. Dorthinein hat sie die Puppe nämlich versteckt. Denn eigentlich mag sie diese Puppe mit den krummen Beinen gar nicht. Sie hatte sich zum letzten Fest vom Weihnachtsmann eine Puppe gewünscht. die schön angezogen ist und stehen kann. Sie sollte ein bißchen so sein wie eine Freundin, nur eben kleiner. Aber dann bekam Enna dieses Riesenmonster von einer Babypuppe. Sie war gar nicht zierlich und fein wie das Baby von Tante Karo. Der Puppenkopf mit seinem lockigen Haar paßte gar nicht zu dem Babykörper.

"Nunja, aber für den heutigen Zweck wird es schon gehen", denkt Enna. "Paul, hier halt mal das Baby", mit diesen Worten drückt sie Paul die Puppe in die Arme. Paul ist so überrascht, daß er die Puppe beinahe fallen läßt, als sie losheult. "Eine Puppe kann doch nicht weinen oder schreien!", meint er.

Enna lacht, nimmt dem verdutzten Paul die Puppe wieder ab und sagt: "Diese Puppe schon. Sie kann trinken, die Windel naß machen und sogar weinen und lachen." Paul will das gar nicht glauben. Also führt Enna ihm alles genau vor. Paul ist beeindruckt. Er nimmt die Puppe wieder an sich und probiert alles selber aus. "Na, wenn ich jetzt alles mit deiner Puppe geübt habe, kann der Quälgeist ja nach Hause kommen." Enna und Paul lachen und zwar so laut, daß bald eine der Omas im Zimmer steht, sie ins Bett schickt und ihnen noch eine "Gute Nacht" wünscht.


12. November 2012