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GUTE-NACHT/3625: Regenwurm namens Joe Ringel (SB)


Gute-Nacht-Geschichten

Regenwurm namens Joe Ringel

Im Garten in der Erde lebt Joe Ringel, der Regenwurm. Er gräbt sich durch die harte Erde auf der Suche nach Futter. Seine Lieblingsspeise sind alte Blätter und andere Pflanzenreste. Tagein, tagaus gräbt er sich so vorwärts und ist dabei unermütlich.

Heute ist er in eine Gegend gelangt, die ihm unbekannt ist. "Wer mag hier wohnen?", überlegt er. Dann sucht er im Erdreich nach Wurzeln und fragt sich, welche Pflanzen es hier wohl gibt?

Plötzlich nimmt er einen starken, fettigen Geruch wahr. Es riecht nach Walnüssen. Joe kriecht weiter und dringt auch bereits zu der fetten Walnuß vor. Irgendwie muß die Nuß im Herbst hier in die Erde geraten sein. Joe Ringel begutachtet die Nuß und sucht nach einem Bruch in der hölzernen Schale. Doch die Nuß ist noch gut verschlossen.

"Schade", meint Joe, "die Frucht darin schmeckt mir gut. Aber ich komme nicht an sie heran." Joe weiß, erst wenn Nüsse länger in der Erde gelegen haben, öffnen sich ihre Schalen fast von allein. Aber diese Nuß hier ist noch nicht soweit.

Plötzlich streift etwas Weiches Joe am hintersten Ring. Joe Ringel erschrickt. Er hatte schon einmal eine Begegnung dieser Art. Damals war er noch einmal haarscharf mit dem Leben davon gekommmen. Vorsichtig zieht er nun seinen Körper zusammen. Vielleicht hat dieses Pelzwesen ihn noch nicht bemerkt. Aber wie kann Joe entkommen. Es gibt keinen Fluchtweg, den müßte er sich erst graben. Das dauert zu lange und würde den Fremden auf ihn aufmerksam machen.

Da flüstert eine Stimme in der Dunkelheit:
"Welch ein lieblicher Duft
liegt hier in der Gruft?"

Joe Ringel ahnt, daß es ihm gleich an den Kragen geht. Doch da wendet sich der Flüsternde ab von ihm. Etwas kratzt über Holz. "Der Fremde hat sicher die Nuß entdeckt", schlußfolgert Joe Ringel und versucht sich noch weiter zurück zu ziehen. Denn wenn das pelzige Wesen ihn erst erwischt, wird es ihn mit Haut und all seinen Ringen verspeisen.

Da brummelt der Fremde wieder etwas vor sich hin:
"Mhm, eine Walnuß, noch fest in der Schale.
Genug für ein Fest, mit herzhaftem Mahle."

Joe atmet auf. Das pelzige Wesen ist ebenso an der Nuß interessiert wie er selber und weniger an Würmern. Aber da kommt Joe ein Gedanke. Vielleicht ist die Nuß ja nur als Nachspeise gedacht und er als Hauptgang. Wieder sucht der Regenwurm nach einem Fluchtweg.

Da flüstert das pelzige Wesen erneut etwas:
"Ich rieche Fleisch, Regenwurmfleisch, igitt ..."

Weiter hört Joe Ringel nicht zu. Bei dem Ausruf "igitt" hat er plötzlich keine Angst mehr, gefressen zu werden. Denn wenn einer über sein Futter die Nase rümpft, will er es bestimmt nicht mehr verzehren. "Jetzt aber nichts wie fort", denkt Joe. Er nimmt all seinen Mut zusammen und stürzt an dem Pelzwesen vorbei. Dabei streift er den Fremden seinerseits.

Der ist entrüstet und schimpft:
"Halt, welcher Rüpel da in der Nacht?
Hat mich fast um die Ecke gebracht!"

"Joe Ringel", antwortet der Regenwurm kleinlaut, und sein Mut schwindet. Vielleicht wird das Pelzwesen ja jetzt doch seine Meinung ändern und ihn sofort auffressen.

Doch dem ist nicht so. Das Pelzwesen stellt sich seinerseits vor:
"Gestatten, mein Name ist Wurf.
Herr von und zu Maul Wurf."

"Das wußte ich doch die ganze Zeit", denkt Joe Ringel bei sich, "er ist ein Maulwurf, und die verspeisen unsereinen."

Doch Maul Wurf hat seine eigene Sicht der Dinge. Er begrüßt Joe freundlich und fragt nach, in seinen knappen Versen, ob Joe Ringel denn auch Nüsse liebe und vielleicht mit zu seinem Fest kommen wolle.

Joe überlegt sich, daß diese Einladung ihn erst einmal hier aus der Klemme bringen wird, was weiterhin geschieht: "... steht noch in den Erdkrümeln geschrieben."

Gute Nacht


zum 4. April 2013