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GUTE-NACHT/3628: Der kleine Nachtwächter auf den Spuren alter Kulturen (SB)



Gute-Nacht-Geschichten

Der kleine Nachtwächter auf den Spuren alter Kulturen

Vor ein paar Tagen versuchten der kleine Nachtwächter und sein Hund Rebell gute Babysitter zu sein. Doch sie fanden heraus, daß dies nicht die richtige Aufgabe für sie beide ist. Also suchten sie sich einen anderen Wirkungskreis. So heißt es, wenn einer eine neue Arbeit sucht. Zwar wünscht sich der kleine Nachtwächter noch immer eine nächtliche Aufgabe im Zoo. Doch dieser Wunsch ist bisher noch nicht in Erfüllung gegangen. Statt dessen sind Herr und Hund nun auf einer Ausgrabung tätig.

Nun denkt ihr wohl, wir befänden uns in Ägypten, dem Land der Pharaonen und Pyramiden. Nein, dem ist nicht so. In fast allen Ländern der Welt wird in der Erde nach Hinweisen auf frühere Kulturen und den Lebensweisen der Menschen der damaligen Zeit gebuddelt.

Wo aber befinden sich jetzt unsere beiden Helden? Der kleine Nachtwächter und Rebell sind in einer Gegend, in der früher einmal Bonifatius sein Unwesen trieb und Bäume fällte, um die Menschen davon zu überzeugen, daß ihre alten Götter falsche Götter seien. Doch von Bonifatius soll hier nicht weiter die Rede sein ...

*

... sondern von den Ausgrabungen in der Nähe eines kleinen Ortes, in dem schon einmal eine Siedlung mit einem Brunnen gefunden wurde. Dort ist Professor Müller Leiter der Ausgrabungen. Bei dem ersten Gespräch stellte der Professor fest: "So, sie wollen also als Nachtwächter bei unseren Ausgrabungen tätig werden. Nun einen Aufpasser können wir gut gebrauchen. Sie wissen ja nicht, wie gern hier alte Knochen oder Tonscherben heimlich mitgenommen werden. Dann stell ich sie mal ein."

Rebell stellte er gleich mit ein. Denn der verhielt sich an diesem Tag sehr brav. "Wichtig ist!", gab der Professor den beiden mit auf den Weg, "daß die ausgegrabenen Flächen nicht betreten werden. Das ist unser wichtigstes Gebot für Mensch und Tier." Dabei sah er von dem kleinen Nachtwächter auf Rebell nieder. Und während der kleine Nachtwächter eifrig nickte, legte Rebell seine Schnauze auf seine beiden Vorderpfoten nieder. "Ich sehe, du hast verstanden", lachte der Professor Rebell zu.

*

Mit seiner Laterne in der einen und der Taschenlampe in der anderen Hand streift der kleine Nachtwächter vorsichtig um die Ausgrabungsfläche herum. Rebell ist an seiner Seite. Keiner von den Arbeitern ist mehr da. Sie haben die Ausgrabungsstätte für diesen Tag längst verlassen. Denn sie brauchen Tageslicht für ihre Arbeit. Schicht für Schicht tragen sie die Erde ab und legen vorsichtig frei, was da an Steinen, Scherben und Knochen in der Erde verborgen liegt. Die Erdverfärbungen werden dann von dem Grabungszeichner genau in maßstabsgerechten Plänen festgehalten. Die gefundenen Gegenstände wie abgenagte Knochen und zerbrochenes Geschirr oder gar alte Haarkämme mit verlorenen Zinken sowie Münzen werden ebenfalls exakt an dem Platz eingezeichnet, an dem sie aus der Erdschicht herausragen. Erst später werden sie noch einmal in ihrer gesamten Größe und von allen Seiten abgezeichnet.

Über die Flächen darf während des Schichtenzeichnens nicht hinüber gelaufen werden. Erst wenn alles festgehalten ist, können die Arbeiter die nächste Erdschicht freikratzen. Am Abend werden die Flächen mit Planen überdeckt, um diese über Nacht vor Feuchtigkeit zu schützen.

Der kleine Nachtwächter hat sehr aufzupassen, daß er bei seinem Rundgang nur auf den angezeigten Wegen bleibt, denn ein Tritt auf die bereits Schicht um Schicht abgetragenen Flächen, kann das Bild aus der Vergangenheit verfälschen.

"Immer schön auf dem Weg bleiben", mahnt der kleine Nachtwächter Rebell und fügt noch hinzu, "und auch nicht auf die Planen treten." Also bleibt Rebell auf den Wegen. Zum Glück fällt heute Nacht Mondlicht auf die Erde. Es ist hell und die Begrenzungen der Flächen deutlich sichtbar.

Plötzlich aber ist neben den Wegen noch etwas anderes sichtbar. Sind das nicht Hasen, die sich da auf den Planen tummeln? Ein Satz und Rebell ist zu ihnen gesprungen. Entsetzt pfeift der kleine Nachtwächter ihn zurück. Doch Rebell folgt nicht.

"Soll ich nicht jeden vertreiben, der hier sein Unwesen treibt?", überlegt Rebell bei sich und läuft zielstrebig hinter den Hasen her. Bald schlägt er sie in die Flucht. Der kleine Nachtwächter indess pfeift gleich noch einige Male. Endlich kehrt Rebell zu ihm zurück - siegessicher und mit einem Hochgefühl, das Richtige getan zu haben. Auf seinem Rückweg betritt er keine einzige Plane mehr und bleibt nur auf den Wegen dazwischen.

Indess zupft der kleine Nachtwächter die von den Hasen und seinem Hund betretene Plane wieder zurecht und hofft, daß sich in der Vergangenheit darunter nichts verändert hat.

"Ich weiß nicht, ob der Professor davon begeistert sein wird", stöhnt er, "doch ich kann das Geschehene nicht verheimlichen. Ich muß ihm von den Hasen und deinem heldenhaften Übertreten der Vorschriften berichten. Warten wir ab, was geschieht. Doch für heute Nacht bewachst du den Ort weiterhin lieber an der Leine."

Gute Nacht


zum 5. Juni 2013