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GUTE-NACHT/3652: Im Advent - Unter der Parkbank (SB)



Verlassen im Park hinter einer Bank liegt das kleine Stofftierschaf Molly im Gebüsch. Ein Mann hatte das Schaf mit seinem Fuß dorthin geschoben. Da liegt Molly nun schon den ganzen Tag. Erst war es kalt, aber das bereitet einem Schaf keinen Kummer. Schließlich trägt es flauschige Wolle direkt auf seiner Haut. Bald begann es zu regnen. Auch das scherte Molly nicht. Schafwolle hält Regen gut ab und weicht nicht gleich durch. Nur der Schmutz vom Boden, der Mollys Wolle gräulich gefärbt hat, setzt ihr zu. Denn Molly ist ein besonders reinliches Schaf.

"Oh dieser Dreck!", schimpft Molly und denkt verzweifelt, "ob mich Olga bald findet und wieder nach Hause bringt?" Am Morgen noch war sie sich ganz sicher, daß Olga nicht aufgeben wird, nach ihr zu suchen. Doch als der Mittag schon eine ganze Weile vorüber ist, denkt Molly nur noch: "Ob mich hier im Gebüsch überhaupt einer findet?"

Auch Olga ist unglücklich. Mama und sie sind noch einmal in die Stadt gefahren. Vom Postkasten war Molly längst verschwunden. So haben Olga und Mama die Verkäufer an jedem Stand des Weihnachtsmarktes nach dem verlorenen Schaf ausgefragt. Aber keiner erinnerte sich an ein liegengelassenes Schaf. "Ich habe Molly ja auch an dem Postkasten vergessen. Vielleicht sollten wir dort in der Umgebung noch einmal nach ihr schauen", meint Mama.

Als sie auch dort nichts entdecken, hat Olga eine Idee: "Vielleicht ist Molly in den Park gelaufen, auf die Wiese ...?" Mama glaubt zwar nicht, daß sie Molly dort finden, aber sie will wenigstens alles versucht haben. Sie suchen auf dem Weg und auf der Wiese, fragen auch die vorübergehenden Spaziergänger. Aber niemand hat ein Stoffschaf gesehen, nicht einmal ein echtes. Olga und Mama setzen sich auf die einzige Bank, die sie entdecken können, um sich auszuruhen. "Eine kleine Verschnaufpause wird uns gut tun. Möchtest du ein Stück Schokolade?", fragt Mama. Aber Olga mag nicht.

Vom Gebüsch aus hinter der Bank entdeckt Molly Mama und Olga. Ein Freudenschrei entfährt ihr. Aber keiner nimmt ihn wahr. Molly hofft, Molly bittet und bettelt, Olga möge doch einmal hinter die Bank ins Gebüsch schauen.

Aber Olga würdigt die Umgebung keines Blickes. Sie ist so enttäuscht, auch hier im Park Molly nicht gefunden zu haben. "Weißt du, Molly ist noch nicht verloren", versucht Mama Hoffnung zu schenken, "gleich morgen rufe ich beim Fundbüro an und frage nach. Dahin werden gefundene Sachen gebracht. Wir haben bestimmt Glück." Doch Olga hat Tränen in den Augen. Vor lauter Enttäuschung sieht sie nicht, was sich hinter ihrem Rücken abspielt. Molly winkt mit den Vorderpfoten und tritt mit den Hinterbeinen aus. Aber nichts hilft. Molly ist für Olga verloren. Das zumindest glaubt Olga. Enttäuscht schlagen Mama und Olga den Weg zur Bushaltestelle ein.

Auch Molly ist enttäuscht. Sie ist sich sicher, daß sie nie mehr zu Olga zurückkehren wird. Jetzt versagt ihr der Mut. Vor lauter Trauer wird sie ganz müde und schläft ein.

Als es bereits dunkel ist, erwacht Molly von einem raschelnden Geräusch. Plötzlich piekst sie etwas in den wollenen Hintern und schiebt sie ein Stück in Richtung Bank. "Autsch", sagt Molly, "gut, daß ich meine Wolle habe, sonst hätte ich den Stich viel mehr gespürt." Molly schaut sich um, kann aber in der Dunkelheit nichts erkennen. Sie nimmt nur schmatzende Geräusche war. Wer sich auskennt, der weiß, wer Molly in den Hintern gepiekst hat und wer so schmatzende Geräusche von sich gibt.

Da erwachen die Laternen im Park. "Merkwürdig", denkt Molly, wieso war das Licht nicht eben schon an. Dann hätte ich sehen können, wer oder was mich erschreckt hat. Jetzt ist keiner mehr da." Aber das stimmt nicht ganz. Schlurfende Schritte auf dem Kies werden hörbar und kommen immer näher. Molly entdeckt einen gebückten Mann, der sich ihrer Bank nähert und genau auf sie zusteuert. Der Mann läßt sich mit einem Stöhnen auf die Bank niederfallen.

"Oh wie kalt es diese Nacht wieder ist und kein Quartier, nicht einmal eine offene Bude auf dem Weihnachtsmarkt und selbst der Märchenpark ist verschlossen," brummelt der Mann. Molly wird klar, daß er wie auch sie selber kein Obdach in dieser Nacht finden wird. Nach einer Weile legt sich der Mann der Länge nach auf die Bank hin. Aus seinem alten Rucksack zieht er eine löchrige Regenjacke, die ihn vor dem Gröbsten schützen soll. Der Mann dreht und wendet sich und versucht, eine angenehme Lage zu finden. Da fällt sein Blick durch die Latten der Bank zu Boden und er entdeckt das Stofftier.

Zuerst traut er seinen Augen nicht, aber dann richtet er sich noch einmal auf und langt unter die Bank. "Was bist du denn für ein molliger Geselle?", fragt er. Ohne eine Antwort abzuwarten, schieb er sich Molly unter seinen Nacken und befindet das gefundene 'Kissen' als Wohltat.

Gute Nacht!

zum 3. Dezember 2018


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