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MUSIKKOFFER - KOMPONISTEN/015: Peter Iljitsch Tschaikowsky. Seine Musik (SB)


P J O T R   I L J I T S C H   T S C H A I K O W S K Y

Teil 4

Peter und seine Musik



Im ersten Teil über Peter Tschaikowsky habe ich euch ein wenig über seinen Lebenslauf erzählt. Ihr habt vielleicht inzwischen auch etwas von seiner Musik hören können und möglicherweise hat sie euch genauso gut gefallen wie mir.

Es gibt viele Arten, musikalische Werke zu gestalten, so auch in der klassischen Musik, über die wir uns unterhalten. Ich dachte mir, euch am Beispiel von Peter zu erzählen, was einen Musiker dazu bewegen kann, seine Musik so und nicht anders zu komponieren.

Wir wissen bereits, daß Peter in Rußland geboren wurde. Sein Geburtsort Wotkinsk lag - wie man so schön sagt - abgeschieden von aller Welt. Hier wuchs Peter auf dem Land auf, er lernte dieses Land und seine Leute, die Bräuche und die Musik lieben. Als Erwachsener sagte er später:

Das russische [...] in meiner Musik, [...] - ist darauf zurückzuführen, daß ich in völliger Weltabgeschiedenheit geboren, von frühester Kindheit an von der unbeschreiblichen Schönheit [...] der Volksmusik durchdrungen war und ich das russische [...] in allen seinen Erscheinungsformen bis zur Leidenschaft liebe, mit einem Wort, daß ich eben ein Russe bin im erschöpfendsten Sinne des Wortes.
(aus Hans Renner: Reclams Konzertführer, Reclam Verlag Stuttgart, 1952, Seite 449)

So kommt es, daß eine Menge russischer Volksweisen in seine Musik eingearbeitet sind. Überhaupt war Peter ein Melodienerfinder. Viele andere Komponisten schätzten dies später als kostbare und seltene Eigenschaft. In Kamenka zum Beispiel, wo Peter oft seine Schwester Sascha besuchte, schlenderte er einmal über einen Jahrmarkt. Bei einem blinden Bettler machte er halt und hörte sich eine ukrainische Volksweise an. Diese gefiel ihm so gut, daß er sie später in seine Musik einbaute.

Als er zehn Jahre alt war, hatte Peter das große Glück, im Theater eine Oper anschauen zu dürfen. Eine Oper ist ein Theaterstück, in dem gesungen statt gesprochen wird. Ein Schriftsteller beschreibt ein bestimmtes Thema, ein dramatisches zum Beispiel oder auch ein komisches, der Musiker nimmt den Text und komponiert dazu, so daß die Handlung gesungen und von den verschiedensten Instrumenten begleitet werden kann. Bei Peter hinterließ dieses Erlebnis, dieser Opernbesuch, einen tiefen Eindruck. Von nun an träumte er davon, selbst eine Oper zu komponieren - und am Ende seines Lebens hatte er neun Opern geschrieben.

Hier im Kinderblick konntet ihr ja schon von Wolfgang Amadeus Mozart lesen. Daher wißt ihr, daß man ihn als "Wunderkind" ansah. Er hat von klein auf Klavier und Geige gespielt und mit sieben Jahren bereits seine ersten eigenen Stücke komponiert. Der kleine Junge saugte förmlich alles, was er hörte, in sich auf und entwickelte daraus seine eigene Art von Musik. Peter nun hörte mit zwölf Jahren, also 1852, in St. Petersburg zum ersten Mal Musik von Wolfgang. Da war dieser natürlich längst tot, denn er war ungefähr 100 Jahre vor Peter geboren. Dennoch ließ diese Begegnung mit der Musik von Wolfgang Peter nicht mehr los. Er war fasziniert davon. Für ihn zeigte sich darin, was er unter "musikalischer Schönheit" verstand. Wolfgangs Musik wurde eine Art Leitstern für ihn.

Peters Musik ist sehr lebendig. Sie ist temperamentvoll, spritzig, erfüllt von der Schönheit der russischen Volksmusik, aber sie kann auch schwermütig sein wie die unermeßlich weite russische Landschaft - oder wie manchmal Peters schwankende Stimmungen? Wer weiß das heute schon so genau. Peter liebte Kontraste in seiner Musik. Bei der "Ouvertüre 1812", die ich euch im dieser Serie im vorangegangenen Teil beschrieben habe, kommt das sehr gut zum Ausdruck.

Neben der Oper empfand Peter auch eine besondere Zuneigung zum Tanz. Es ist eine schwierige Aufgabe, Tanz und Musik miteinander zu verschmelzen, und zu Peters Zeit war diese Mischung recht ungewöhnlich. Man meinte, entweder tanzen oder Musik hören, aber beides gehöre nicht zusammen. Peter aber glaubte fest daran, daß ein Ballett, also die Verbindung von Musik und Tanz, mindestens soviel musikalische Phantasie verlange wie eine Oper. Seine Musiken zu den Geschichten vom "Nußknacker und Mäusekönig", dem "Schwanensee" oder dem Märchen "Dornröschen" schrieb er so, daß diese von Ballettänzerinnen getanzt werden konnten.

Peter hatte es in Rußland mit der Anerkennung seiner Musik nicht leicht. Viele mochten sie nicht. Das kam daher, daß es eine Komponistenschule gab, die ganz stark alles Russische vertrat, aber keine europäischen Einflüsse in ihrer Musik duldete. Wie sein Vorbild Wolfgang Amadeus Mozart befaßte sich auch Peter viel mit der europäischen Musik, besonders mit der französischen und italienischen. Das gefiel vielen Russen nicht, und so hatte Peter es schwer, im eigenen Land Fuß zu fassen. Erst als er 1888 eine Westeuropa-Tournee als Dirigent unternahm, feierte man ihn überall als große Berühmtheit. Er hatte den Durchbruch geschafft. Heute ist er ein viel bewunderter und gern gehörter Komponist.

14. März 2014