Schattenblick → INFOPOOL → KINDERBLICK → NATURKUNDE


PFLANZEN/040: Der Halt der Gräser - ernährt und getragen ... (SB)



Eine Pflanze, die weit verbreitet, viel genutzt und doch wenig Beachtung findet, ist das Gras. Ohne Gras gäbe es kein Fussballfeld, keine Liegewiesen im Schwimmbad, keine Parkanlagen, keine Wiesen und Weiden und kein Rasen im Garten. Obwohl wir auf den verschiedenen Grasflächen toben, spielen, rennen oder einfach nur sitzen oder liegen, schafft es das Gras erstaunlicherweise immer wieder sich aufzurichten. Wird der Rasen längere Zeit nicht gemäht, wächst das Gras in die Höhe und bildet Samen aus. Auch wenn es hoch gewachsen ist, behält es seine wundersame Biegsamkeit und weist eine Kraft und Stärke auf, die man diesen dünnen Halmen mit den langen Blättern gar nicht ansieht. In der landwirtschaftlichen Nutzung dient das Gras auf den Weiden als Futter für Rinder, Schafe, Pferde oder Ziegen. Das Gras, das auf den Wiesen gemeinsam mit anderen Blütenpflanzen auch hoch wachsen darf, wird nach dem Mähen zu Heu getrocknet und dient im Winter als Viehfutter.

Doch ist diese Pflanze auch für unsere Ernährung von ganz besonderer Bedeutung, denn sie ist der Ursprung der heutigen Getreidesorten. Das heißt, ohne Gras gäbe es auch Weizen, Gerste, Mais, Hafer, Roggen, Dinkel und andere Sorten nicht, die weltweit das Hauptnahrungsmittel der Menschen ausmachen. Auch in der Geschichte der Pflanzenentwicklung auf der Erde spielt das Gras als Wegbereiter für Sträucher, Büsche, Bäume und Wälder eine wichtige Rolle. Doch zunächst einmal zur Pflanze selbst.


Biegsam und widerstandsfähig

Beim Zusammenrollen der Decke, auf der man eine Weile auf dem Rasen gelegen hat, blickt man auf eine Fläche niedergedrückter Grashalme. Am nächsten Tag ist davon nichts mehr zu sehen, die Halme haben sich wieder aufgerichtet. Wie ist das möglich?

Ein Grashalm (Grasstängel) ist von dünnem Wuchs und von unten bis oben hin von relativ gleichem Durchmesser. In bestimmten Abständen gehen aus einer kleinen Stängelverdickung die Blätter hervor. Ein Blick unter das Mikroskop zeigt, dass der Grashalm innen hohl ist und nicht nur das, selbst in der Halmwand befinden sich unzählige feine Röhrchen. Durch sie wird Wasser nach oben transportiert. Zusammen mit dem Hohlraum in der Mitte entsteht diese besondere Struktur, die eine hohe Biegsamkeit ermöglicht. Das Wasser, fein verteilt in den kleinen Röhrchen der Halmwand und dem mittigen Hohlraum, trägt mit zu dieser besonderen Biegefähigkeit bei. Extreme Trockenheit führt allerdings dazu, dass diese Eigenschaft verlorengeht. Ohne ausreichend Wasser können die Halme auch knicken und bleiben platt am Boden liegen. Doch Gräser sind genügsam und schon geringe Regenmengen reichen aus, um sie wachsen zu lassen. Unter guten Niederschlagsbedingungen können Grashalme selbst von starken Sturmböen niedergedrückt werden und sind dennoch in der Lage sich wieder aufzurichten. Das begeistert sogar moderne Architekten, die versuchen diese besondere Struktur des Grases auf die Konstruktion von Hochhäusern zu übertragen.


In der Mitte der Hohlraum, umgeben von der Halmwand, die von unterschiedlich kleinen Röhrchen durchdrungen ist - Grafik: © 2018 by Schattenblick Ein hoch gewachsener Grashalm mit mehren Blättern und einer zarten Samenanlage, daneben ein kürzeres Gras - Grafik: © 2018 by Schattenblick

Links: Querschnitt durch einen Grasstängel unter dem Mikroskop, vereinfacht dargestellt
Rechts: Verschieden hohes Gras
Grafiken: © 2018 by Schattenblick



Auf der Landfläche der Erde nehmen Graslandregionen den meisten Raum ein

Graslandflächen bedecken den größten Teil der Erdoberfläche. Sie umfassen die durch Menschenhand geschaffenen Wiesen, Weiden und Rasen und die viel großflächigeren sogenannten Urgraslandregionen. Dazu gehören Gebiete in Sibirien, in Skandinavien, so wie die Prärie in Nordamerika, die Pampas in Südamerika, die Savannen Afrikas oder die riesigen Steppen in Zentralasien.


Im Vordergrund stehen kleine rot blühende Sträucher, dahinter erstreckt sich braun-grünes Grasland - Foto: 2004, by Environmental Protection Agency [Public domain], via Wikimedia Commons

Prärie, Landschaft in Nordamerika
Foto: 2004, by Environmental Protection Agency [Public domain], via Wikimedia Commons

Das Klima und ganz besonders der jährliche Niederschlag bestimmen die Flora dieser Landflächen - wo es zu wenig regnet, können Bäume, abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen, nicht wachsen. Es heißt, da wo weniger als 400 mm Niederschlag im Jahresdurchschnitt fällt, reicht es für Büsche und Bäume nicht. Im Urgrasland sind sie daher selten bis gar nicht anzutreffen. Bei uns in Deutschland gehören die Salzwiesen an den Küsten und die Regionen in den Alpen oberhalb der Baumgrenze zu den natürlichen Grasländern. Die Weiden, Wiesen und all die anderen Grünflächen konnten sich erst durch die Vernichtung der Waldgebiete ausbreiten. Der Wald musste weichen, damit eine landwirtschaftliche Nutzung möglich wurde. Grasland, Weiden und Wiesen sind also quasi künstliche Produkte, von Menschenhand geschaffene sogenannte Kulturlandschaften.


Im Vordergrund ist ein weites Feld mit hoch gewachsenen Gräsern, teils mit Samen an den Halmspitzen, weiter hinten wachsen einige Stäucher - Foto: 2004, by Marco Schmidt [CC BY-SA 2.5 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], from Wikimedia Commons

Gras-Savanne in Burkina Faso (Afrika)
Foto: 2004, by Marco Schmidt [CC BY-SA 2.5 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], from Wikimedia Commons


Wie es zum natürlichen Verschwinden von Urgrasland kam

Nach dem Ende der Eiszeit, vor ungefähr 11.000 Jahren, waren Gräser mit die ersten, die sich auf dem Erdboden ansiedeln und ausbreiten konnten. Hier fanden grasfressende Tiere ihre Nahrung und in der Folge auch die Raubtiere, die den Grasfressern nachstellten. Zunächst wuchsen neben Gräsern nur Kräuter und Sträucher, bis schließlich mehr und mehr Bäume das Gebiet beanspruchten. So konnten die ersten Wälder entstehen und sich über riesige Flächen ausdehnen. Hier fand das Gras unter den Bäumen nicht genügend Licht zum Wachsen und verschwand schließlich ganz. Grasland konnte sich nur noch in kleineren Regionen des Waldes ausbreiten, wo einst Wisent und Auerochse oder Rotwild, Wildschweine oder die Haustiere der Menschen wie Ziegen, Rinder und Schafe die Jungbäume, Sträucher und Keimlinge gefressen haben und dadurch das Emporkommen der Bäume verhinderten.


Weite Grasfläche mit verschiedenen Gräsern, leicht rötlich-braunen und grünen Farbentönen - Foto: 2006, by No machine-readable author provided. Olahus assumed (based on copyright claims). [Public domain], via Wikimedia Commons

Natürliche Gras-Steppe in der Walachei (Rumänien)
Foto: 2006, by No machine-readable author provided. Olahus assumed (based on copyright claims). [Public domain], via Wikimedia Commons

Im nächsten Teil: Wie aus Gras Getreide wurde


Diesem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:

https://www.planet-wissen.de/natur/landschaften/wiese/index.html

http://www.deutschlandfunk.de/kuenstlicher-halm.676.de.html?dram:article_id=24040


11. Juni 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang